Bauarbeit ist ehrlich

Es fing alles an mit einem Job-Interview. Klassiker, viele Versprechen; viel Urlaub, viele Prämien und ein wundervolles Arbeitsklima. Mit Beginn der Ausbildung wurde mir dann der Traum zerplatzt. Ich befand mich ganz unten in der Hierarchie der Firma. Der millionenschwere Chef ganz oben, dann mein Meister wie ich ihn nennen darf, die Gesellen und ich. Bauarbeit ist ehrlich. Du hast einen Plan und versuchst, den auf die Mauer zu bringen. Aber mit realitätsfernen Bauherren, Architekten und Chefs zu arbeiten, die schon seit 20 Jahren nicht mehr tätig sind – ein Albtraum. Mal davon abgesehen, dass die Bosse besonders ungerne Handwerker und Bauarbeiter gerecht bezahlen, aber trotzdem immer wieder aufschreien, es gäbe nicht genug Arbeiter und zu viele Studenten. Mit dem Bauarbeitermindestlohn ist es viel zu einfach ausgebeutet zu werden. Nun stellt euch einen Azubi vor, der nicht mal Mindestlohn bekommt. Mit knapp 650 Euro im Monat bei über 40 Stunden die Woche ist man da ganz schnell an seine Grenzen gelangt. Alles wird teurer, aber natürlich wird das Portemonnaie nicht schwerer. Trotz allem bleibe ich in dem Beruf. Manchmal fragt man sich, ob es sich um Stockholm-Syndrom handelt, aber das eine, was den Bau wirklich ausmacht, sind die Arbeiter. Die Loyalität zueinander ist durch Jahrhunderte alte Traditionen eingefleischt; sogar meinen größten Erzfeind würde ich nie beim Chef verpfeifen.

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