Erfolgreiche Massenbewegung gegen Teuerung und  Polizeigewalt in Kaschmir

Seit 2022 sieht sich die pakistanische Bevölkerung einer brutalen Inflation von zeitweise bis zu 50 % ausgesetzt, mit der die Löhne in keiner Weise mithalten können. Für viele war der Alltag schon davor zu einem Kampf ums eigene Überleben und das der Familie geworden. Seit Jahren ist das politische Leben in Pakistan deshalb geprägt von Instabilität und oft auch Protesten und Streiks.

Die erfolgreiche Massenbewegung gegen die Verteuerung von Elektrizität und Mehl im pakistanisch besetzten Teil der umstrittenen Region Kaschmir, an der die Mehrheit der 4,5 Millionen starken Bevölkerung teilnahm, war ein besonders harter Schlag gegen die herrschende Ordnung.

Ein ganzes Land in Aufruhr

Seit Jahren ist die Region Opfer von andauernden Preiserhöhungen, die dazu führten, dass im Mai letzten Jahres die Massen begannen, zu Hunderttausenden auf die Straßen zu stürmen. Die politische Ordnung wurde kontinuierlich von großen Streiks, Transportblockaden und Protesten erschüttert. Die Mehrheit der Bevölkerung hat sogar für ein Jahr ihre Stromrechnungen nicht mehr bezahlt. Doch auch nach einem Jahr der Unruhen hatten die Herrschenden nicht nachgegeben.

Die Führung der Bewegung, das Joint Awami Action Committee (JAAC), kündigte deshalb am 11. Mai einen langen Marsch nach Muzaffarabad, der Hauptstadt von Azad Kaschmir, an. Die Behörden wussten schon vorher davon und verhafteten am 9. Mai Personen, die an der Planung des langen Marsches beteiligt waren, zu denen auch ein junger Studentenführer und Genosse unserer pakistanischen Schwestersektion gehört hat, und schossen mit Tränengas auf Proteste. Die Massen revanchierten sich und verprügelten im Gegenzug den stellvertretenden Polizeichef der Stadt Dudyal und hingen später seine Kleidung an der Hauptstraße auf. Am nächsten Tag standen wieder Hunderttausende im ganzen Land auf der Straße.

Trotz der Verhinderungsversuche der Regierung setzte sich der lange Marsch am 11. Mai in Bewegung. Auf dem Weg schlossen sich immer mehr Menschen, auch aus den entlegensten Dörfern, dem Zug an. Nichts konnte sie aufhalten, weder die desaströse Infrastruktur noch das erhöhte Polizeiaufgebot, das der Staat mit Polizeieinheiten aus anderen Regionen rundum Kaschmir verstärkt hat. An seinem Höhepunkt erreichte der Marsch 500.000 Teilnehmer und kam am 13. Mai in Muzaffarabad an. Auch wenn wegen der patriarchalen Verhältnisse in Pakistan keine Frauen am Marsch teilnahmen, waren viele von ihnen an der Organisation und Unterstützung der Proteste beteiligt.

Die Regierung knickt ein

Die Herrschenden, die der aufmüpfigen Bevölkerung zuvor noch wüste Beschimpfungen an den Kopf warfen, sie verprügelten und verhaften ließen, hatten der Stärke der vereinten Massen kaum noch was entgegenzusetzen. Aus diesem Grund kündigte der pakistanische Premierminister am 13. Mai an, den Hauptforderungen nachzugeben. Der Preis von Mehl soll demnach von 3.400 PKR pro 40 kg auf 2000 PKR gesenkt werden und das Maximum des Strompreises von 35 PKR pro Einheit auf 6 PKR pro Einheit herabgesetzt werden. Darüber hinaus wurde versprochen, die Privilegien und Vorteile der Minister und Bürokraten einzuschränken und die Restriktionen gegen Studentengewerkschaften aufzulockern.

Doch die herrschende Klasse wollte sich noch nicht geschlagen geben. Sie versuchte, die Proteste in Gewalt ausarten zu lassen, um die Demonstranten in der Öffentlichkeit als Gewalttäter zu verunglimpfen. Aus diesem Grund versuchten noch am selben Tag Ranger, eine paramilitärische Einheit des Staats, sich nach Muzaffarabad zu schleichen. Als die Massen die Ranger abwehrten, woran auch Frauen beteiligt waren, eröffneten die Ranger das Feuer und töteten drei Demonstranten.

Obwohl der Angriff die Wut noch weiter verschärfte, kam es zu keinen größeren Ausschreitungen. Viele versammelten sich friedlich zu Trauergebeten und die Toten wurden zur Ruhe gelegt. Das wäre eine perfekte Chance für das JAAC gewesen, die Proteste weiter auszudehnen und die Bestrafung der Mörder inklusive des Premierministers und anderen Staatsangehörigen zu fordern. Stattdessen hat man die Proteste, nachdem die Regierung ihre Versprechen angekündigt hat, für beendet erklärt. Nichtsdestotrotz endete die Bewegung fürs Erste mit einem großen Sieg und versetzte den Herrschenden einen empfindlichen Schlag.

Führung und Selbstorganisation der Massen

Alle offiziellen „Oppositionsparteien“ haben die Proteste von Anfang an verurteilt oder wurden aus Misstrauen von den Massen aus der Bewegung ausgeschlossen. Stattdessen hat sich die Bevölkerung in den Awami Action Committees (AAC), die in zahlreichen Dörfern und Städten entstanden sind, selbst organisiert. Nur dadurch war ihr Sieg möglich. Solche Komitees, in denen die Massen ihre Repräsentanten direkt wählen können, sind eine natürliche Organisationsform des Klassenkampfs.

Ein wichtiger Impuls für ihre Entstehung in Kaschmir war die Initiative von unseren pakistanischen Genossen, die in einem Dorf in Kaschmir ein solches Komitee vor drei Jahren errichteten, als ebenfalls Proteste stattfanden. Ein Genosse wurde in diesem Komitee dafür gewählt, den Aufbau solcher Komitees auch in anderen Orten anzustoßen. Als die Proteste vor einem Jahr anfingen, gab es diese Komitees bereits in allen wichtigen Städten der Regionen und vielen weiteren kleineren Orten und Gemeinden. Im JAAC sitzen aus allen Distrikten der Regionen jeweils drei Vertreter, die die Arbeit zentral koordinieren.

Die AACs bildeten so die Plattform der Bewegung. Alle konnten sich an ihnen beteiligen und ihre politische Führung wählen. Von der Aufstellung eines Programms von Forderung bis zur Planung der Streiks und Proteste organisierten sie darüber hinaus die Selbstverteidigung der Bewegung gegen die Übergriffe der Polizei und sorgten gleichzeitig dafür, dass die Proteste nicht in sinnlosen Gewaltausbrüchen enden. Sie schafften es sogar, auch durch den Einsatz unserer Genossen, einen Protest zu organisieren, an dem nur Frauen teilnahmen.

Die Aufgabe von Kommunisten

Unsere pakistanischen Genossen haben ihre politischen Perspektiven schon vor vielen Jahren auf solche Ereignisse ausgerichtet, während sie eine Organisation mit Verankerung in Teilen der Arbeiterschaft und Studenten errichtet haben. Sie wussten, dass die AACs das Potential hatten, den Massen eine Basis zu geben, auf der sie ihren Kampf selbst bestimmen können und begannen erfolgreich den Aufbau und die Ausweitung dieser demokratischen Volkskomitees.

Durch diese Arbeit und den geduldigen Aufbau der Organisation konnten sie sich eine gewisse politische Autorität in der Bewegung erarbeiten und haben so einen Einfluss, der weit über ihre Mitgliederzahlen hinausgeht.

Es ist noch nicht vorbei

Leider werden solche Siege im Klassenkampf nie mit einem endgültigen Happy-End abgeschlossen, solange die Massen nicht die politische Macht übernommen haben. Schon im Juni holte die Regierung zum Gegenschlag aus und ließ einige Anführer der AACs festnehmen. Kurz darauf sind erneut Proteste in der Region entbrannt, die die Freilassung der Gefangenen und die vollständige Umsetzung der Preiserlasse forderten.

Unsere Genossen stehen voll hinter diesen Forderungen und sind unermüdlich dabei, eine Revolutionäre Kommunistische Partei in Pakistan aufzubauen, um die Bewegung voranzubringen. Zur gleichen Zeit müssen sich Kommunisten auf der ganzen Welt die Erfahrungen unserer Genossen in Kaschmir zum Beispiel nehmen. Auch in Deutschland ist jetzt unsere Aufgabe, Jugendliche und Arbeiter in unseren Reihen zu organisieren, unsere politischen Perspektiven zu schärfen und uns so in der Arbeiter- und Jugendbewegung zu verankern. Nur dann werden wir in der Lage sein, einen Unterschied in den kommenden Bewegungen machen zu können und auf den Sturz des Kapitalismus hinzuarbeiten.

SCHLIESS DICH DEN KOMMUNISTEN AN!

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