Ohne deutsche und amerikanische Waffen könnte Israel weder seinen Völkermord an den Palästinensern verüben noch einen Krieg gegen den Iran provozieren. Deutschland liefert unter anderem atomwaffenfähige U-Boote, Panzermotoren und Munition und ist nach den USA zweitgrößter Waffenlieferant Israels. Seit dem 7. Oktober 2023 hat die Bundesrepublik diese Lieferungen verzehnfacht.
Bei der deutschen Unterstützung Israels geht es nicht um eine „historische Verantwortung“, sondern um handfeste imperialistische Interessen. Das wird besonders deutlich, wenn man sich die Ursprünge dieser Unterstützung anschaut.
Westdeutschland und die USA
Der deutsche Kapitalismus hatte den Zweiten Weltkrieg vom Zaun gebrochen und verloren. Der deutsche Imperialismus lag am Boden. Die schrecklichen Verbrechen des Holocaust, an dem sich deutsche Konzerne fleißig bereichert hatten, gelangte an die Augen der Weltöffentlichkeit.
Doch dann kam unverhoffte Rettung: Anstatt ihren Konkurrenten maximal zu schwächen, baute der US-Imperialismus Westdeutschland wirtschaftlich und politisch als Frontstaat im „Kalten Krieg“ gegen die Sowjetunion auf. Nur deshalb wurde Deutschland wieder zu einer relevanten Industrienation. Man vergab günstige Kredite (Marshallplan), erlaubte Deutschland wieder ein souveräner Staat zu werden und ließ alte Nazis in Amt und Würde, da sie gute Antikommunisten waren. Dafür erwarteten die Amerikaner als Gegenleistung, dass Deutschland ihnen als imperialistischer Gefolgsmann zur Verfügung steht.
Öl und Antikommunismus
Während des Zweiten Weltkriegs hatten die USA Großbritannien als stärkste Weltmacht abgelöst. Sie begannen, überall ihre eigenen Interessen durchzusetzen, auch im Nahen Osten. Dabei hatte der US-Imperialismus in der Region vor allem drei strategische Ziele: Erstens, die Kontrolle über die riesigen Erdölvorkommen im Nahen Osten zu erlangen; zweitens, zu verhindern, dass der Nahe Osten in den Einflussbereich der Sowjetunion abrutschte; drittens, die geschwächten europäischen Kolonialmächte aus der Region zu verdrängen, um sich die Gebiete in deren Einflusssphäre selber unter den Nagel zu reißen.
Der Nahe Osten hat die größten Erdölvorkommen der Welt. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann Erdöl Kohle als wichtigsten Energielieferanten für die Industrie abzulösen. Außerdem wurde Gummi als Material in der Industrie immer wichtiger, das aus Erdöl gewonnen wurde. Den USA ging es weniger um die Deckung des eigenen Erdölbedarfs. Der amerikanische Imperialismus wollte viel mehr durch seine Kontrolle über die Erdölproduktion im Nahen Osten seine strategische Kontrolle über die ganze Weltwirtschaft ausweiten.
In Europa hatte die sowjetische Rote Armee den Sieg über den Faschismus errungen. Nach dem Krieg entstanden in vielen Ländern revolutionäre und vorrevolutionäre Situationen, z.B. in Italien und Griechenland. Die revolutionäre Welle erschütterte auch die Kolonien, denn die klassischen europäischen Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich gingen geschwächt aus dem Krieg hervor, die Macht über ihre Kolonien glitt ihnen aus den Fingern. Das von Frankreich unterdrückte Algerien wurde 1945 von Massenprotesten erschüttert, 1947 wurde die britische Kolonie Indien unabhängig, 1949 siegte die chinesische Revolution und entzog damit dem Imperialismus ein Fünftel der Weltbevölkerung als Ausbeutungsmaterial. Die nach Unabhängigkeit und kolonialer Befreiung strebenden Massen schauten auf die Sowjetunion. Die ehemals kolonialen Länder drohten in den geostrategischen Einflussbereich der Sowjetunion abzudriften, auch im Nahen Osten. Das wollten die USA verhindern. Sie waren verbissen darum bemüht, den Einfluss der UdSSR einzudämmen (Containment-Politik).
Die Staatsgründung Israels half den USA ihren Einfluss auf Kosten der alten europäischen Kolonialmächte durchzusetzen. Großbritannien hatte nach dem Ersten Weltkrieg die Kontrolle über das historische Palästina übernommen und nach der typisch imperialistischen Devise „Teile und Herrsche“ das Land sowohl den Palästinensern als auch den Zionisten versprochen. In ihrem Plan war nicht vorgesehen, dass sich eine der beiden Seiten durchsetzte. Genau das geschah aber in der Nakba, die durch die gewaltsame Vertreibung von 700.000 Palästinensern 1948 in der Staatsgründung Israels mündete. Die USA bemühten sich nun, Israel zu unterstützen, um die Stellung des britischen Imperialismus zu schwächen und gleichzeitig einen Fuß in der Tür des Nahen Ostens zu kriegen.
Die USA wollten Israel zu einem festen strategischen und militärischen Stützpunkt ausbauen, von dem aus sie die ganze Region kontrollieren konnten. Dazu brauchte Israel Waffen, Geld und Wirtschaftshilfen. Doch eine zu offene Unterstützung Israels hätte schnell dazu führen können, die arabischen Staaten unter dem Druck ihrer eigenen Bevölkerungen in die Arme der Sowjetunion zu drängen und den israelischen und amerikanischen Imperialismus aus der Region hinauszuwerfen, bevor dieser richtig Fuß fassen konnte. Stattdessen nutze die USA die BRD als gefügigen Mittelsmann.
„Wiedergutmachung“
Durch massiven Druck der USA schloss Westdeutschland 1952 mit Israel ein „Wiedergutmachungsabkommen“ über 3,5 Milliarden D-Mark. Die Westalliierten machten das Abkommen zur Bedingung für die staatliche Souveränität Westdeutschlands und wirkten auf Kanzler Adenauer ein, das Abkommen zu akzeptieren. Die westdeutschen Politiker hatten über die Höhe der Summe gemeckert und gezetert, mussten dies aber wohl oder übel schlucken. Ihr Problem dabei war nicht in erster Linie die Höhe der Geldsumme, sondern die Sorge, das Abkommen würde die Beziehungen zu den arabischen Staaten verschlechtern. Diese drohten nämlich damit, die DDR als Staat anzuerkennen und sie anderweitig zu unterstützen, wenn Westdeutschland weiterhin Israel unterstützte. Deshalb bemühte sich die BRD während des gesamten Kalten Krieges darum, das Ausmaß der Unterstützung für Israel geheim zu halten. Diese Partikularinteressen der deutschen Bourgeoisie waren den USA jedoch nicht so wichtig. Besser die BRD blamierte sich in der Region, als die USA.
Trotz des Namens ging es bei diesem Abkommen in Wahrheit nicht um die Entschädigung von Opfern des Holocaust. Nichtjüdische Opfer des Holocausts gingen vollständig leer aus und auch die jüdischen Opfer selbst sahen wenig bis nichts von diesem Geld. Stattdessen subventionierte es den Aufbau der israelischen Industrie und des israelischen Staates. Diese Hilfen waren entscheidend für die weitere Existenz des Landes. Und nebenbei bedeuteten sie eine kleine Konjunkturspritze für die deutsche Industrie, denn zwei Drittel des Geldes wurden in Form von deutschen Industriewaren an Israel ausgezahlt.
Der ehemalige KZ-Insasse und KPD Abgeordnete Kurt Müller aus Frankfurt erklärte 1953 in seiner Bundestagsrede:
„Der Tod und die Ermordung von sechs Millionen Juden sind eine einzige Anklage gegen ein furchtbares System der Menschenverachtung und der Barbarei. Darüber sind hier bisher manche gefühlvolle Worte gesprochen worden. Aber wir verwahren uns dagegen, daß Leute hier auftreten, die damals, als es galt, diese Verbrechen zu verhindern, entweder beiseite gestanden oder sie unterstützt haben. Meine Damen und Herren! Ich sage heute aber auch mit derselben Deutlichkeit, daß dieses Abkommen zwischen der Bundesrepublik und dem Staate Israel der Wiedergutmachung der grenzenlosen und bestialischen Verbrechen der Hitler-Barbarei an den verfolgten Juden nicht dient. […] Unter dem Namen der Wiedergutmachung erhalten also die Industriellen Israels aus Westdeutschland alles, was sie zum Ausbau ihrer Grundindustrien benötigen. Die Tatsachen beweisen, daß dieses Abkommen mit einer Wiedergutmachung auch nicht das geringste zu tun hat. […] Auf deutsch heißt das also, daß die einzelnen Verfolgten in Israel von den drei Milliarden DM auch nicht einen einzigen Pfennig erhalten, die Industriellen dagegen ein glänzendes Geschäft machen. […]
Denn [die US-Imperialisten] sind es, die hinter dem Abkommen stehen und es veranlaßt haben; nicht aus Gründen der Humanität und der Menschenfreundlichkeit. Es sind sehr reale Gründe für diese Politik maßgebend. Es sind die amerikanischen Imperialisten, die sich im vorderen Orient einen starken strategischen und militärischen Stützpunkt schaffen, einmal gegen die Engländer, zum anderen aber auch gegen die Völker Vorderasiens und Nordafrikas. Mit Hilfe der Industrieausrüstungen aus Westdeutschland wollen die Amerikaner also den in ihren Händen befindlichen Staat Israel zur rüstungsmäßigen und operativen Basis für ihre aggressive Politik ausbauen. […]
Meine Damen und Herren, die Gewinner aus diesem Abkommen sind nicht nur die Herren der Industrie in Israel und die Amerikaner, es sind ebenso die Industrieherren in Westdeutschland, denen es auf mehrere Jahre hinaus Absatz und Riesengewinne sichert. Ist es nicht eine geradezu widerliche Verhöhnung der rassisch Verfolgten, daß diejenigen, die an dem Massenmord mitverantwortlich sind, die unter Hitler und an seinen Massakern an den Juden Riesenprofite machten, heute unter dem Deckmantel einer solchen „Wiedergutmachung“ wiederum Riesenprofite einstecken wollen, während die rassisch Verfolgten wie auch alle anderen im Bundesgebiet jahrelang auf eine ausreichende Wiedergutmachung und Rentenversorgung warten müssen? Ist es nicht ein blutiger Hohn, daß sich hier im Bundestag Leute für eine solche „Wiedergutmachung“ einsetzen, die, wie z. B. Herr Pferdmenges, einst die SS finanzieren halfen, auf deren Sonderkonto der Mord an Millionen Juden zu buchen ist, oder ein Wehrwirtschaftsführer Dr. Frowein, über den in einem Dokument vom 31. Mai 1940 folgendes geschrieben ist: ‘Herr Frowein hat erfahren, daß uns Jüdinnen in jeder gewünschten Anzahl zur Verfügung gestellt werden können. Sie müßten garantiert in der Nachtschicht beschäftigt oder wenn möglich in Baracken oder möglichst schlechten Wohnungen untergebracht werden. Herr Frowein schlägt 500 Jüdinnen vor.’ […] Wir Kommunisten lehnen [das Abkommen] ab. Wir fordern, daß hier im Bundesgebiet endlich die Mittel bereitgestellt werden, damit für alle Verfolgten des Naziregimes die Ansprüche befriedigt werden, die ihnen als Wiedergutmachung zustehen.“
Die deutsche Kapitalistenklasse unterstützte das Abkommen vor allem, weil sie sich dem US-Imperialismus beugen mussten. Während sie das taten, bemühten sie sich natürlich, möglichst satte Profite abzusahnen. Und dass sie nun noch ein Alibi-Projekt hatten, um ihren schlechten Ruf in der Welt aufzupolieren, ohne ihr während des Holocausts angehäuftes Vermögen abgeben zu müssen, war natürlich ebenfalls ein netter Nebeneffekt. Und die Amerikaner hatten erreicht, Israel als Regionalmacht hochzuziehen, ohne dafür öffentlich Verantwortung übernehmen zu müssen.
Doch zur Wirtschaftshilfe musste dringend militärische kommen. Zwischen 1957 und 1967 war Westdeutschland mit Abstand der größte Waffenlieferant Israels. Die BRD lieferte in den 1960ern heimlich amerikanische Panzer und anderes schweres Gerät. Und zwar auch dann, wenn deutsche Politiker das lieber vermieden hätten, um die diplomatischen Beziehungen mit den arabischen Staaten nicht zu gefährden. Doch wie schon beim „Wiedergutmachungsabkommen“ von 1952 mussten sie sich fügen. Damit hielten sie den USA den Rücken frei, sich auf den beginnenden Vietnamkrieg zu konzentrieren.
So konnte Israel mit der Zeit zur stärksten imperialistischen Regionalmacht im Nahen Osten heranwachsen. Im Sechstagekrieg 1967 meißelte Israel seine neue Vormachtstellung in Stein, in dem es den arabischen Staaten eine krachende Niederlage beibrachte – auch dank deutscher Panzer. Jetzt konnten die USA Israel endlich direkt und offen unterstützen, ohne eine echte Gegenwehr der arabischen Staaten fürchten zu müssen. Erst seitdem sind die USA der wichtigste Waffenlieferant Israels.
Staatsräson
Doch keineswegs beendete das die deutsche Unterstützung Israels. Im Laufe der Jahrzehnte wurde die deutsch-israelische Zusammenarbeit auf geheimdienstlicher und militärischer Ebene immer enger. Mit dem Fall der Sowjetunion (und der DDR) konnte sich Deutschland endlich offen und stolz zu seiner Unterstützung Israels bekennen.
Im Zuge der deutschen „Wiedervereinigung“ wurde die Abmachung zwischen dem deutschen und amerikanischen Imperialismus bekräftigt: Die USA gaben der BRD ihre Zustimmung, sich die DDR einzuverleiben und Deutschland stärkte seine Vormacht in Europa – sehr zum Missfallen Frankreichs und Großbritanniens, die sich aber letztlich der Entscheidung der USA beugen mussten. Doch die amerikanische Zustimmung war an die Voraussetzung geknüpft, dass das geeinte Deutschland Teil der NATO würde und weiterhin die Interessen des US-Imperialismus unterstützte, auch im Nahen Osten. Dabei sprachen sich nur 20% der gesamtdeutschen Bevölkerung für die NATO-Mitgliedschaft aus. Doch wo es um die grundlegenden Interessen des Imperialismus geht, gilt die Demokratie nicht.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion stiegen die USA zur unangefochtenen Weltmacht auf und wollten auch den Nahen Osten endlich vollständig kontrollieren. Deutschland half dabei kräftig mit. Obwohl sich Deutschland nicht am Golfkrieg der Amerikaner 1991 gegen den Irak beteiligte, unterstützte es Israel, das indirekt am Krieg beteiligt war, mit großen Finanzhilfen. Dass es hierbei nicht um „Wiedergutmachung“ ging, zeigt, dass Deutschland ebenso den Irak mit den Raketen beliefert hatte, mit denen er dann später Israel angriff, ebenso wie Komponenten für das Giftgas, mit dem irakische Regime Massaker an der kurdischen Bevölkerung verübt hatte. Denn bis Ende der 1980er war der Irak noch westlicher Verbündeter gegen den Iran gewesen und war daher unter anderem auch von Deutschland mit schweren Waffen ausgerüstet worden – obwohl klar war, dass das Regime Israel gegenüber feindlich gesinnt war und Kriegsverbrechen beging. Wann welches Regime im Nahen Osten von Deutschland unterstützt wird, hat also nichts mit „Moral“ oder dem „Kampf gegen den Antisemitismus“ zu tun, sondern nur mit den imperialistischen Interessen des Westens.
Nachdem der zweite Irakkrieg der Amerikaner Anfang der 2000er das Land in einen Failed State verwandelt hatte, blieb nur noch der Iran als Regionalmacht, die dem US-Imperialismus ein Dorn im Auge war. Auch gegen diesen Gegner war die BRD behilflich: Ab Anfang der 1990er bis heute lieferte Deutschland sieben atomwaffenfähige U-Boote an Israel, die dem zionistischen Staat die Möglichkeit eines atomaren Zweitschlags gegen den Iran ermöglichen. Übrigens wurde schon das ursprüngliche israelische Atomwaffenprogramm der 1960er Jahre höchstwahrscheinlich von Deutschland mitfinanziert. Die U-Boot-Lieferung war ein als „Verteidigung“ getarnter aggressiver Schritt gegen den Iran, der bis heute keine Atomwaffen besitzt. Die „israelische Sicherheit“, d. h. die Durchsetzung der Interessen der westlichen Imperialisten, ist „deutsche Staatsräson“ – das ist die Bedeutung von Merkels Rede im israelischen Parlament 2008.
Deutschland und die Zwei-Staaten-Lösung
Die erste Intifada ab 1987, eine Massenbewegung des palästinensischen Volks mit Streiks und Steuerboykotten, hatte das israelische Regime zu der Einsicht gezwungen, dass die Palästinenser nicht auf Dauer durch direkte militärische Besatzung unterdrückt werden konnten. Gleichzeitig war die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) bemüht die unkontrollierte Bewegung der palästinensischen Massen in sichere Bahnen zu lenken und einen Deal mit den Amerikanern und Israel zu schließen. So wurde das Oslo-Abkommen von 1993 geschlossen. Die PLO erkannte den Staat Israel an, dieser aber keinesfalls einen palästinensischen Staat.
Den Palästinensern wurden nur gewisse Elemente der Selbstverwaltung zugestanden, nämlich die Palästinensische Autonomiebehörde (PA), die bis heute in dem von Israel eng gesteckten Rahmen Teile der Westbank verwaltet. Ihr fehlte von Anfang an alles um tatsächlich ein souveräner Staat werden zu können, inklusive einer lebensfähigen Volkswirtschaft, die von Israel stranguliert wird. Der israelische Imperialismus kann und wird keinen wirklich souveränen palästinensischen Staat dulden, da er seine eigene Macht sonst immer gefährdet sehen würde. Deswegen ist eine Zweit-Staaten-Lösung im Kapitalismus unmöglich. In Wahrheit ist die PA nichts weiter als der Statthalter des israelischen Imperialismus in der Westbank (und bis 2006 in Gaza). Ihre Hauptaufgabe ist die palästinensischen Massen ruhig zu halten und besonders Proteste der Jugend mit Repression niederzuschlagen, auch wenn das in den letzten Jahren immer weniger funktioniert. Finanziell, wirtschaftlich und auch militärisch ist sie vollkommen von Israel und dem westlichen Imperialismus abhängig.
Das vereinte Deutschland und die EU gehörten zu den größten Unterstützer des Osloer „Friedensprozesses“. Die BRD ist dessen größter Geldgeber. Das Abkommen zwischen Israel und der PLO wurde von den USA vermittelt, denn Deutschland und die EU waren dafür nicht mächtig genug. Der Politikwissenschaftler Daniel Marwecki schreibt: „Die Rolle als Geldgeber war die einzige, die Europa in der israelisch-palästinensischen Konfliktarena spielen konnte – die einzige Möglichkeit, Einfluss auszuüben.“ Und Anne Le More brachte das Verhältnis in der Zeitschrift International Affairs noch präziser auf den Punkt: „Die USA entscheiden, die Weltbank setzt um, die EU zahlt, die Vereinten Nationen ernähren.“
Diese deutschen Gelder fließen jedoch keineswegs, wie erst angekündigt, in die wirtschaftliche Entwicklung der Westbank, sondern in erster Linie an die PA – dem größten Arbeitgeber der Westbank. Was nicht in Löhnen ausgezahlt wird, versickert in der Korruption. Israel hat ein großes Interesse an der Aufrechterhaltung der PA als Hilfssheriff in der Westbank. Und so ist selbst der bürgerliche Politikwissenschaftler Marwecki gezwungen zu erklären: „Faktisch ergibt sich daraus der paradoxe Umstand, dass Deutschland Israels Besatzung mitfinanziert“ – unter dem Deckmantel der Unterstützung der Selbstbestimmung der Palästinenser, muss man noch hinzufügen. „Paradox“ ist daran freilich nichts.
Antisemitismus und „Historische Schuld“
Spätestens seit 1952 gehört Deutschland als „enger Verbündeter“ der USA zu den entscheidendsten Unterstützern Israels. Wir haben uns bis hier bemüht, die dahinterliegenden Interessen des deutschen und amerikanischen Imperialismus aufzuzeigen. Besonders seit den 1990er Jahren wird die deutsche Unterstützung Israels auf hochmoralische Art mit der deutschen Schuld für den Holocaust begründet.
Doch dass nicht ideologiekritische Selbstreflexion zur Annäherung an Israel führte, zeigt schon die Aussage des ersten deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer (CDU), der noch 1965 in deutsche Fernsehkameras raunte, man habe sich Israel annähern müssen, denn „die Macht der Juden auch heute noch, insbesondere in Amerika, soll man nicht unterschätzen“. Und der erste deutsche Botschafter in Israel war ehemaliger Wehrmachtsoffizier an der Ostfront und Ritterkreuzträger, der vom „Weltjudentum“ faselte und davon, dass „die Juden die Hunde von Jerusalem über London bis New York“ loslassen würden, wenn Deutschland Israel nicht unterstütze. Doch genau so wenig wie moralische Schuldgefühle, waren antisemitische Wahnfantasien greiser CDU-Politiker der Grund für die deutsche Unterstützung des zionistischen Staates, sondern – wie bereits gezeigt – die handfesten materiellen Interessen des amerikanischen und deutschen Imperialismus.
Als Israel im Sechstagekrieg 1967 seine Stellung als imperialistische Regionalmacht besiegelte, kommentierte das die rechte und linksliberale bürgerliche Presse in Deutschland wie folgt: BILD titelte „SIEG! Dajan – Der Rommel Israels“ und verglich so den israelischen General mit dem Nazi-Kommandeur der fünften Panzerdivision der deutschen Wehrmacht, die während des zweiten Weltkriegs in Nordafrika gekämpft hatte. Und das selbsternannte „Sturmgeschütz der Demokratie“, der SPIEGEL-Gründer Rudolf Augstein, donnerte unter der Überschrift „Tötet, Tötet“, dass die israelischen Soldaten „rollten wie Rommel.“ Und weiter: „Voraussetzung für den Blitzsieg im Blitzkrieg war eine schlagkräftige Panzertruppe. Die Waffen für diese Truppe hatte die Bundesrepublik vor zwei Jahren in einem Dreiecksgeschäft mit den USA und Italien geliefert.“ Man liest, staunt und lernt: Israel mit den Nazis vergleichen ist ok, wenn’s lieb gemeint ist und sich gegen Araber richtet.
In den 1980er und 90er Jahren veränderte sich der „erinnerungspolitische Diskurs“: Die Erinnerung an Verbrechen und Schuld des Holocaust wurde quasi religiös stilisiert, um damit die imperialistische deutsche Außenpolitik zu rechtfertigen. Der Grüne Außenminister Joschka Fischer erklärte 1999, Deutschland müsse nicht trotz, sondern wegen Auschwitz die völkerrechtswidrige NATO-Intervention im ehemaligen Jugoslawien unterstützen. Ähnlich hysterisch wurde auch 2012 mit dem Holocaust argumentiert, als der Schriftsteller Günter Grass in einem Gedichtvorsichtig die oben erwähnte Lieferung deutscher atomwaffenfähiger U-Boote an Israel hinterfragte und darauf hinwies, dass dies ein Akt der Aggression sei. Ihm wurde von allen Seiten Antisemitismus vorgeworfen.
Aber nicht nur in Deutschland, sondern auch im gesamten „Westen“, wurde ab den 1990ern jede noch so schändliche imperialistische Intervention im Namen von Auschwitz durchgeführt. Um den ersten amerikanischen Irakkrieg zu rechtfertigen, verglich US-Präsident George Bush Senior 1990 den irakischen Präsidenten Saddam Hussein (und ehemaligen Verbündeten der USA) mit Hitler. Amerikanische Printmedien verglichen zwischen 1990 und 1991 Saddam Hussein 1170 mal mit Hitler. US-Präsident George Busch Junior verglich Saddam Hussein und Osama bin Laden mit Hitler. Was der Unterschied zwischen einem Osama bin Laden, der 3.000 Amerikaner tötete, und Benjamin Netanjahu, der mindestens 50.000 Palästinenser tötete, sein soll, bleibt unklar. Entweder sind Palästinenser eben nur den Bruchteil eines Amerikaners wert, oder Netanjahu ist Hitler. Die Lösung dieser Gleichung überlassen wir den NATO-freundlichen deutschen Journalisten.
Denn auch die deutschen liberalen Journalisten und Intellektuellen machten mit. Der linksliberale deutsche Schriftsteller und Alt-68er Hans-Magnus Enzensberger verglich z.B. 1991 im SPIEGEL Saddam Hussein mit Hitler und erklärte, dass die These der „Singularität des Holocaust“ hier nicht zu gelten habe. Während die deutschen Liberalen nämlich sonst gebetsmühlenartig die „Einmaligkeit“ (d.h. Singularität) der Verbrechen des Holocausts feststellen, um eben daraus eine besondere deutsche Schuld und Verantwortung abzuleiten, gilt dieser heilige moralische Grundsatz in dem Moment nicht mehr, in dem es darum geht, mit Hitlervergleichen die Interessen des US-Imperialismus zu rechtfertigen.
Es ist offensichtlich: den Kapitalisten, Politikern und ihren Journalisten in Deutschland und den USA geht es bei ihrer „Erinnerungskultur“ nicht um das Andenken an die Opfer des Holocausts, die bis heute unzureichend entschädigt wurden. Sie versuchen die ehrlichen Gefühle der Massen – Mitleid, Gerechtigkeitssinn und Empörung über die bestialischen Verbrechen des deutschen Faschismus – auszunutzen, um schändliche imperialistische Interventionen zu rechtfertigen, in denen Millionen unschuldige Zivilisten elendig verreckten. Die letzten dieser Opfer sind die Zehntausenden Toten in Gaza und im Libanon. Von diesen Damen und Herren nehmen wir keine Nachhilfestunden in Moral an. Die deutsche Arbeiterklasse trägt keine Schuld an den Verbrechen des Hitlerregimes. Aber diese Rechtfertiger des westlichen Imperialismus tragen Schuld an den Opfern dieser Interventionen und an der Schändung des Andenkens an die Nazi-Opfer.
Doch die Propaganda der Herrschenden verfängt in der Bevölkerung immer weniger. In einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung finden nur 27% der Deutschen, ihr Land habe eine besondere Verpflichtung gegenüber Israel. In einer anderen Studie im November 2023, also nur wenige Wochen nach dem Angriff der Hamas, sahen es nur 35% der Deutschen es als das Recht Israels an, im Gaza-Streifen militärisch einzumarschieren und hart gegen die Hamas vorzugehen (bei der israelischen Invasion im Libanon 2006 waren es nur 21%). Und nur 8% sprachen sich in der selben Umfrage für Waffenlieferungen aus!
Kampf dem deutschen Imperialismus
Die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt sagte 2018 im Bundestag: „Die Existenz Israels ist unmittelbar verbunden mit der Existenz unseres Landes als freie Demokratie und deswegen unsere Verantwortung. […] Das Existenzrecht Israels ist unser eigenes.“ Damit sprach sie unfreiwillig und unter verkehrten Vorzeichen eine grundlegende Wahrheit aus: Der deutsche Imperialismus kann nur existieren, wenn er sich den USA als imperialistischer Gehilfe andient. In diesem Rahmen versucht die deutsche Bourgeoisie natürlich, die bestmöglichen Deals für sich herauszuschlagen. Sein Gesellenstück war die Unterstützung Israels in den 1950er und 60er Jahren und dieses Kräfteverhältnis bestimmt die Beziehung zwischen Deutschland, den USA und Israel bis heute. Um Reue für den Holocaust geht es dabei nicht. Die deutsche Unterstützung ermöglicht dem israelischen Imperialismus die Palästinenser zu unterdrücken. Vom Kopf auf die Füße gestellt, heißt Göring-Eckardts Satz: Der Kampf für die Freiheit Palästinas ist auch der Kampf gegen den deutschen Imperialismus.