Lesebegleiter – Leo Trotzki: Das Übergangsprogramm

Anmerkung: Wir empfehlen die Ausgabe des Übergangsprogramms im Arbeiterpresse Verlag (aka Mehring Verlag) in der Reihe „Trotzki-Bibliothek“, da sie neben dem Übergangsprogramm auch eine ganze Reihe weiterer Texte und Diskussionen Trotzkis zum Übergangsprogramm enthält, die sehr lehrreich sind! (Das Vorwort ist jedoch mit Vorsicht zu genießen, da es von den Healyites geschrieben wurde!) ISBN: 3-88634-041-4

Das Übergangsprogramm von Leo Trotzki (eigentlich „Der Todeskampf des Kapitalismus und die Aufgaben der Vierten Internationale“) gehört zu den Klassikern marxistischer Theorie und sollte von jedem Kommunisten studiert werden. 

Trotzki schrieb diesen Text 1938 als Gründungsdokument der Vierten Internationale. Aber die Übergangsmethode, die er darin entwickelt, ist keineswegs seine Erfindung, sondern gehörte schon immer zum Marxismus. Lenin wandte sie z.B. an in „Die drohende Katastrophe und wie man sie bekämpfen soll“ (1917). Und Trotzki erklärte, dass das Übergangsprogramm eigentlich nur eine Aktualisierung des IV. Kapitels des „Kommunistischen Manifests“ (1848) von Marx und Engels sei. 

Der Kern der Übergangsmethode ist, eine Brücke zu schlagen zwischen dem fertigen kommunistischen Programm einerseits und dem konkreten, aktuellen, unfertigen, sich entwickelnden Bewusstsein der Arbeiterklasse andererseits. 

Der Charakter der Epoche

Trotzki erklärte einmal, dass ein Programm mehr ist als eine Liste an Forderungen: Es ist ein gemeinsames Verständnis der Situation und der Aufgaben, die daraus fließen. Deswegen beginnt Trotzkis Übergangsprogramm mit einer prägnanten Charakterisierung der Epoche, in der es geschrieben wurde. 

Der Kapitalismus befand sich in den 1930ern in einer organischen Krise. D.h. es handelte sich nicht um eine vorübergehende, konjunkturelle Krise, sondern um eine Krise des ganzen Systems. Der Kapitalismus als Produktionsweise war völlig unfähig geworden, die Produktivkräfte und damit die Gesellschaft, weiterzuentwickeln. Die Wirtschaftskrise, fallender Lebensstandard, Arbeitslosigkeit und Kriegsgefahr machten sich breit. Auf Grundlage des Kapitalismus konnte keines dieser Probleme mehr gelöst werden. Nur ein Bruch mit dem Privateigentum an den Produktionsmitteln und die sozialistische Planung der Wirtschaft hätten einen Weg vorwärts weisen können. 

Deshalb hatten auch die Bourgeoisie und ihre Politiker überhaupt keinen Ausweg aus der Situation. Sie versuchten verzweifelt verschiedene abenteuerliche politische Maßnahmen wie den „New Deal“ von US-Präsident Roosevelt. Das war ein Versuch, die Probleme des Kapitalismus durch eine massive Ausweitung der Verschuldung zu lösen, was jedoch nicht funktionierte. In Europa wurden immer mehr bürgerliche Demokratien zu faschistischen Diktaturen. Es handelte sich also nicht nur um eine Wirtschaftskrise, sondern um eine allgemeine gesellschaftliche Krise, die alle Säulen der kapitalistischen Ordnung in Mitleidenschaft zog. 

Trotzki erklärte, dass das ein Zeichen dafür war, dass die Bedingungen für den Sozialismus längst reif waren. Sie waren sogar überreif und begannen schon zu „verfaulen“, wie er sagte.  

Da die Bourgeoisie unfähig war die Gesellschaft aus dieser Sackgasse zu führen, hing alles von der Arbeiterklasse ab. Ihre objektive Aufgabe war die Macht zu übernehmen, den Kapitalismus zu stürzen und den Sozialismus einzuführen! 

Und die Arbeiterklasse hatte auf der ganzen Welt gezeigt, dass sie bereit war zu kämpfen! Angefangen mit der internationalen revolutionären Welle ab 1917/18. Später mit der chinesischen Revolution 1927-29, der spanischen 1931-39, der Massenbewegung in Frankreich um 1936 und dem Erblühen einer sehr kämpferischen Gewerkschaftsbewegung in den USA, die 1935 zur Gründung der Gewerkschaftsföderation CIO führte. 

Aber die Führer der sozialdemokratischen und stalinistischen Massenorganisationen der Arbeiterklasse (II. und III. Internationale) bremsten diese Bewegung der Arbeiter voll aus. Beide hatten auf ihre Weise ein Bündnis mit der Bourgeoisie geschlossen und führten revolutionäre Bewegungen in Niederlagen. Trotzki erklärte daher: „Die geschichtliche Krise der Menschheit läuft auf eine Krise der revolutionären Führung hinaus.“ Deswegen gründete Trotzki 1938 die IV. Internationale. 

Die Aufgabe der Vierten Internationale bestand darin, wie Trotzki erklärte, die Lücke zwischen der Reife der objektiven Situation einerseits und der Unreife des Proletariats und besonders seiner Führung zu schließen. Und zwar mit Hilfe des Übergangsprogramms. 

Übergangsforderungen und Übergangsmethode

Trotzki erklärte, dass die alte Sozialdemokratie vor dem Ersten Weltkrieg (1914-1918) ihr Programm in zwei voneinander getrennte Teile aufspaltete: Das Minimalprogramm mit konkreten, unmittelbaren Verbesserungen im Kapitalismus (z.B. Lohnerhöhungen) und dem Maximalprogramm, die Einführung des Sozialismus. Zwischen beiden Teilen des Programms bestand keine Brücke. 

Diese dualistische Aufteilung des Programms ist schon allein aus philosophischer Sicht unmarxistisch. Statt eine dialektische Verbindung vom Klassenkampf der Arbeiter unter dem Kapitalismus hin zur sozialistischen Revolution zu schlagen, ist beides wie durch eine unüberwindbare Mauer voneinander getrennt: Einerseits der empirische Klassenkampf um Reformen im Hier und Jetzt, andererseits Revolution und Sozialismus im fernen Himmelreich der Ideen. So wurde die sozialistische Revolution auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben. 

Aber während des historischen Wirtschaftsaufschwungs des Kapitalismus (in Deutschland etwa von 1871-1900) konnten einige Reformen aus dem Minimalprogramm erkämpft werden. Denn die Profite sprudelten und so konnten die Kapitalisten den Arbeitern ein paar Brotkrumen abgeben. 

Aber in der neuen Epoche der organischen Krise des Kapitalismus, die auf den Ersten Weltkrieg folgte, war das nicht mehr in diesem Maße möglich. Denn auch die Profite der Kapitalisten sanken. Trotzki erklärte daher, dass in der Epoche des faulenden Kapitalismus jeder Kampf der Arbeiter um Reformen und Verbesserungen schnell an die Grenzen des kapitalistischen Systems stößt und sie sprengen muss, um durchgesetzt zu werden. Diese Grenzen des kapitalistischen Systems sind das Privateigentum an Produktionsmitteln und der Nationalstaat. Der Kampf des Proletariats um die Erhaltung seines Lebensstandards ist daher zum direkten Kampf gegen den Kapitalismus geworden. 

Daher sind Übergangsforderungen solche Forderungen, die an den alltäglichen Kämpfen der Arbeiter gegen ihre drängendsten Probleme anknüpfen und von da ausgehend zur Aufgabe der Machtergreifung durch das Proletariat führen. Sie verbinden den Kampf um konkrete Verbesserungen mit der sozialistischen Revolution. 

Übergangsforderungen verbinden die objektiven Aufgaben der Arbeiterklasse, die sich aus der Situation ergeben (Bildung von Räten, Kontrolle und Leitung der Wirtschaft, Bewaffnung und Selbstverteidigung des Proletariats und schließlich die Übernahme der Macht) mit dem aktuellen, unfertigen Bewusstsein der Massen. Das Bewusstsein der breiten Schichten der Arbeiterklasse ist oft eine Mischung aus gesunden Klasseninstinkten einerseits und Illusionen in die Reformisten, die bürgerliche Demokratie oder den Kapitalismus andererseits. Übergangsforderungen zeigen den Arbeitern ihre objektiven Aufgaben in einer Weise, die für sie nachvollziehbar ist und ihnen hilft, mit der Zeit ihre Illusionen zu überwinden. 

Dafür nur ein Beispiel: In den 1930ern begann sich die Gefahr eines neuen Krieges abzuzeichnen. Die Regierungen rüsteten auf. Die Bourgeoisie in Großbritannien, Frankreich und den USA begründete das mit der Gefahr einer Invasion Nazi-Deutschlands. So sollte die Arbeiterklasse im kommenden Krieg auf diese Seite ihrer nationalen Bourgeoisie gezogen werden. Trotzki erklärte, dass die „Verteidigung des Vaterlands“ für die Arbeiter und Kleinbauern etwas völlig anderes heißt als für die Kapitalisten. Die Kapitalisten verstehen darunter die Verteidigung ihrer Profite in fernen Ländern, die Arbeiter und Kleinbauern verstehen darunter die Verteidigung ihrer Familie und ihres Zuhauses. Ein Sieg der Nazis hätte die Zerschlagung der britischen oder amerikanischen Arbeiterbewegung bedeutet. Der Wille, aus proletarischen Klasseninteressen gegen den Faschismus zu kämpfen, ist das progressive Element in diesem Bewusstsein. Die Idee, man müsse dazu zusammen mit den Kapitalisten das Vaterland verteidigen, das reaktionäre.

In dieser Situation zu den Arbeitern zu sagen „Der Hauptfeind steht im eigenen Land! Die Niederlage der eigenen Bourgeoisie ist das geringere Übel! Brecht mit eurer Regierung und sabotiert die Kriegsanstrengungen! Stürzt sie lieber und übernehmt die Macht!“ wäre falsch, denn die Arbeiter würden das nicht verstehen. Sollen sie sich von Hitlers Horden überrennen lassen?

Stattdessen stellte Trotzki die Frage anders: Auch wir sehen ein, dass die amerikanischen Arbeiter sich gegen Nazi-Deutschland verteidigen müssen. Aber können wir wirklich den Kapitalisten und der bürgerlichen Regierung der USA vertrauen, diesen Abwehrkampf im Interesse der Arbeiter erfolgreich und konsequent zu führen? Nein! Deswegen fordern wir die militärische Ausbildung und Bewaffnung der Arbeiter und Bauern unter unmittelbarer Kontrolle der Arbeiter- und Bauernräte! Schaffung von Militärschulen für die Ausbildung von Arbeitern zu Offizieren unter der Kontrolle der Arbeiterorganisationen etc. Sturz der bürgerlichen Regierung, da eine Arbeiterregierung diesen Krieg besser führen kann.

Auch so kommen die Arbeiter zum Schluss: Wir müssen die Macht selber übernehmen und unsere imperialistische Regierung stürzen, statt für ihre imperialistischen Interessen zu kämpfen. Und zwar weil die Frage auf eine Weise gestellt ist, die für sie nachvollziehbar ist. 

Indem die Arbeiter in der Praxis für Übergangsforderungen kämpfen, machen sie Erfahrungen, aus denen sie gewisse Lehren ziehen. Z.B. hatten nach der Februarrevolution 1917 in Russland die reformistischen Menschewiki und Sozialrevolutionäre die Mehrheit in den Arbeiterräten (Sowjets). Die reformistische Mehrheit in den Sowjets stützte die kapitalistische Übergangsregierung. Die Massen vertrauten ihnen noch, denn sie hatten noch nicht den Unterschied zwischen reformistischen „Sozialisten“ und revolutionären Sozialisten begriffen. Die Bolschewiki hätten einfach sagen können: „Arbeiter traut nicht diesen Verrätern!“ Aber das hätte die Massen nicht überzeugt. Denn sie mussten erst in der Praxis für sich selbst lernen, dass die Reformisten Verräter sind. Deswegen sagten die Bolschewiki: „Menschewiki und Sozialrevolutionäre, ihr habt die Mehrheit in den Sowjets und ihr nennt euch Sozialisten. Wir fordern euch auf: Brecht mit den Kapitalisten und ihrer Regierung und übernehmt die Macht im Namen der Arbeiterklasse! In diesem Falle beschränken wir uns auf eine friedliche Diskussion in den Sowjets.“ Diese Forderung fand Unterstützung bei den breiten Massen, die zwar die Kapitalisten hassten, aber noch Illusionen in die Menschewiki und Sozialrevolutionäre hatten und sie begannen, diese Forderung aufzugreifen. In den nächsten Monaten machten die russischen Massen in der Praxis die Erfahrung, dass die Reformisten unter keinen Umständen bereit waren, mit den Kapitalisten zu brechen. Und ab September begannen die Bolschewiki in immer mehr Sowjets Mehrheiten zu gewinnen. So wurde der Weg für die Oktoberrevolution bereitet. Trotzki griff diese Erfahrung im Abschnitt zur „Arbeiter- und Bauernregierung“ auf. 

Der Hauptzweck von Übergangsforderungen ist also, das Bewusstsein der Arbeiterklasse zu heben. Kommunisten stellen Übergangsforderungen vor allem deswegen auf und treten vor allem deswegen für sie ein, weil sie den Arbeitern helfen, im Kampf die richtigen Schlüsse zu ziehen. Das ist ihr primärer Zweck!

Übergangsforderungen zeigen an konkreten Beispielen, in konkreten Situationen, die Notwendigkeit auf, dass die Arbeiterklasse über immer mehr Bereiche der Gesellschaft die selbst Kontrolle übernimmt. Die logische Folge davon ist die Machtübernahme durch das Proletariat.

Und Übergangsforderungen zeigen zugleich immer wieder, dass die Arbeiter selbst dafür aktiv werden müssen und sich nur auf ihre eigene Kraft verlassen können. Sie sind dazu geeignet, Spaltungslinien innerhalb der Arbeiterklasse zu überwinden und die Arbeiterklasse zu mobilisieren.

Im Übergangsprogramm stellte Trotzki eine ganze Reihe an konkreten Übergangsforderungen auf. Viele davon sind auch heute noch relevant, z.B. die Forderung nach der gleitenden Lohnskala und die gleitende Skala der Arbeitszeit. Aber was Kommunisten beim Lesen des Textes vor allem mitnehmen sollten, ist die Methode, die dahinter steht! Es sollte nicht darum gehen, Trotzkis Übergangsforderungen auswendig zu lernen und sie bei jeder Gelegenheit, bei jedem Streik, in jeder Situation einfach zu übernehmen. Wenn wir hingegen die dahinter liegende Methode verstehen, können wir heutige Situationen konkret analysieren und selber dafür passende Übergangsforderungen aufstellen. In Lesekreisen sollten wir darüber diskutieren, was heute passende Übergangsforderungen für verschiedene Probleme und Bewegungen wären.

Denn welche Forderung aufgestellt werden sollte, hängt immer von der konkreten Situation ab. Ein und dieselbe Forderung kann an einem Zeitpunkt richtig und fortschrittlich sein, zu einem anderen Zeitpunkt falsch und reaktionär. Letzteres, weil sie entweder den Ereignissen vorweggreift (z.B. in der jetzigen Situation sofort den Aufbau von bewaffneten Arbeitermilizen durch den DGB zu fordern) oder weil sie der Situation hinterher hinkt (immer noch die Öffnung der Geschäftsbücher zu fordern, während es längst Zeit ist, die Kapitalisten zu enteignen). Eine Forderung ist dann richtig, wenn sie hilft, das Bewusstsein der Arbeiter auf die nächste notwendige Stufe zu heben.

Gegen Ende der Broschüre stellte Trotzki noch einige grundlegende Prinzipien und Regeln für die Vierte Internationale auf, die heute für uns noch genau so gelten: etwa die Abgrenzung zum Sektierertum, das Bekenntnis zum Demokratischen Zentralismus und die Orientierung auf die Jugend.

Die Situation heute

Durch einige besondere historische Umstände kam es nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem tiefen wirtschaftlichen Aufschwung des Kapitalismus, etwa von Anfang der 1950er bis Anfang der 1970er Jahre. In dieser Zeit konnten wieder gewisse Reformen erkämpft werden, denn die Profite sprudelten. Doch die inneren Widersprüche des Kapitalismus brachten ab Mitte der 1970er Jahre wieder eine tiefe Krise hervor. Nur der Fall der Sowjetunion und die Öffnung Chinas verschafften dem Kapitalismus eine gewisse Atempause, da dem weltweiten Kapitalismus nun neue Absatzmärkte und Investitionsmöglichkeiten zur Verfügung standen. Doch diese Atempause endete 2008 mit der weltweiten Finanzkrise. Seitdem ist die organische Krise des Kapitalismus auf der ganzen Welt wieder offen zu Tage getreten. Aus ihr gibt es im Kapitalismus ohne weiteres keinen Ausweg.  

Sie ist wieder eine Krise der gesamten kapitalistischen Gesellschaft. Ab den 1980er Jahren gab es statt sozialer Reformen nur Kürzungs- und Austeritätspolitik. Die reformistischen Massenorganisationen können kaum noch Reformen erkämpfen und setzen im Gegenteil Angriffe auf den Lebensstandard der Massen mit um. Wir sehen heute einen Reformismus ohne Reformen.

Der Kapitalismus kann auch heute keines der großen gesellschaftlichen Probleme unserer Zeit lösen: Klimawandel, Krieg, Deindustrialisierung, Armut, Wohnungsproblem, Gleichberechtigung der Geschlechter etc. Die Lösung all dieser Probleme scheitert am grundlegenden Widerspruch des Kapitalismus: am Profitstreben. Wir haben genügend Industrie und Technologie, um all diese Probleme zu lösen. Nur das Privateigentum an Produktionsmitteln und die Nationalstaaten hindern uns daran, sie einzusetzen. Der Klimawandel ist ein gutes Beispiel dafür.

Auch heute führt jeder Versuch der Massen, gegen diese ihr Leben unmittelbar betreffenden Probleme zu kämpfen, direkt an die Grenze des kapitalistischen Systems und zur Notwendigkeit der Machtübernahme durch die Arbeiterklasse. Wie soll beispielsweise der Klimawandel anders gestoppt werden als durch eine internationale Planwirtschaft?

Die Arbeiterklasse beginnt sich bereits zu radikalisieren und will gegen diese unmittelbaren Probleme kämpfen. Das Vertrauen in bürgerliche Institutionen wie Parteien, Parlamente, Mainstream Medien oder die Kirchen sinkt. Die Welle der Kürzungspolitik nach der Krise von 2008 brachte gewaltige Massenbewegungen hervor: In Griechenland allein fanden 10 Generalstreiks statt. Millionen Arbeiter unterstützten linksreformistische Führer und Parteien, die eine Zeit lang eine kämpferische Rhetorik an den Tag legten, und gingen für sie auf die Straße: Corbyn als Führer der Labour Party in Großbritannien, Mélenchon von France Insoumise in Frankreich, Tsipras als Vorsitzender von SYRIZA in Griechenland, Iglesias als Chef von Podemos in Spanien und Bernie Sanders in den USA. Selbst DIE LINKE in Deutschland erfuhr in den 2010ern einen gewissen Aufschwung.

Auch in den imperialistisch unterdrückten Ländern standen die Massen auf und bewiesen ihre Kampfbereitschaft, z.B. im arabischen Frühling ab 2011. Dort stürzten die ägyptischen Massen mehrere Präsidenten hintereinander.

Allein im Jahr 2019 kam zu potentiell revolutionären Massenbewegungen in Hong Kong, dem Libanon, dem Sudan, Chile, Ecuador, Kolumbien und in Frankreich marschierten die Gelbwesten. Nach der Pandemie setzte sich diese Bewegung fort mit den Massenprotesten in Kenia, Bangladesch, Sri Lanka, Indonesien, Nepal und anderen Ländern.

Doch all diese Bewegungen wurden letztlich von ihrer politischen Führung in Niederlagen geführt. Die Bewegungen in den unterdrückten Ländern wurden oft von Liberalen und Demokraten angeführt, die den Kapitalismus nicht antasteten. Und die linksreformistischen Führer in Europa und Nordamerika standen ebenfalls fest auf dem Boden des Kapitalismus. Tsipras in Griechenland hätte mit dem Kapitalismus brechen können, als 2016 61% der Bevölkerung in einem Volksbegehren gegen die von der EU diktierten Sparmaßnahmen stimmten und er gleichzeitig Premierminister war. Er hätte die Banken und Großkonzerne enteignen können und die Massen mobilisieren können, um die Gegenwehr der Kapitalisten zurückzuschlagen. Das wäre ein Beispiel für die Massen in ganz Europa gewesen. Doch der politische Horizont der Reformisten reicht nicht über den Kapitalismus hinaus. Und so mussten sie verraten und die Sparmaßnahmen umsetzen. Darauf folgte eine Periode von 10 Jahren, in denen Frustration und Pessimismus unter der Arbeiterklasse vorherrschte.

Der Verrat der Linksreformisten führte auch zur Stärkung der rechten Demagogen, weil sie nun scheinbar als einzige radikale Opposition zu den etablierten Parteien übrig blieben. Das zeigt der Erfolg Trumps in den USA, nachdem Bernie Sanders 2016 dazu aufgerufen hatte, die Kandidaten des Großkapitals, Hillary Clinton, zu unterstützen.

Trotzkis Worte von 1938 waren noch nie so aktuell wie heute: „Die historische Krise der Menschheit läuft hinaus auf die Krise der revolutionären Führung des Proletariats.“ Deswegen bauen wir die RKI auf, als eine Kraft, die in der Zukunft die reformistischen Führer an der Spitze der Arbeiterbewegung durch echte Revolutionäre ersetzen kann.

Auch heute stützen wir uns vor allem auf die Jugend! Die ältere Generation des Proletariats hat in den letzten 50 Jahren viele Niederlagen miterlebt. Viele sind zwar sehr wütend auf die bestehenden Zustände, viele sind aber auf eine gewisse Art resigniert. Vor allem halten die reformistischen Führer der DGB-Gewerkschaften und der SPD sie passiv. Die Führer dieser Organisationen haben die Arbeiterklasse in den letzten 40 Jahren in eine kampflose Niederlage nach der anderen geführt: Zerstörung der DDR-Volkswirtschaft durch die Treuhand nach der Wende, Schröders Agenda 2010, Deindustrialisierung im Ruhrgebiet, Aufbau eines gigantischen Niedriglohnsektors etc. Damit haben sie viele demoralisiert und das Vertrauen der Arbeiterklasse in ihre eigene Kraft untergraben. 

Die heutige Jugend hingegen hat diese Niederlagen nicht miterlebt. Sie kennt seit sie denken kann nichts als die Krise! Sie gruseln sich mehr vor dem realexistierenden Kapitalismus mit all seinen alltäglichen Schrecken als vor den Gruselmärchen vom Kommunismus. Im Gegenteil: Ein wachsender Teil sucht nach den Ideen des Kommunismus! Noch mehr wollen endlich für Palästina, gegen den Klimawandel, gegen Kriege und die Herrschaft der Milliardäre kämpfen! Sie suchen nach einem Weg wie das geht. Diesen Weg können ihnen Übergangsforderungen aufzeigen. Sie können erklären, warum diese Kämpfe für Reformen nur als Teil des revolutionären Kampfes gegen den Kapitalismus geführt werden können und warum es dafür die RKP braucht.

Aus historischen Gründen blieben die wahren Marxisten nach dem Zweiten Weltkrieg eine kleine, isolierte Strömung, die gegen den Strom schwamm. Heute beginnt sich das Blatt zu wenden. Stalinistische Massenparteien gibt es kaum noch und der Reformismus diskreditiert sich immer mehr, weil er in der kapitalistischen Krise keine Reformen erkämpfen kann. Die erste und wichtigste Aufgabe der revolutionären Kommunisten heute ist die Bewahrung und das Studium der unverfälschten Ideen des Marxismus und seiner Methode. Aber um die Avantgarde der Jugend und der Arbeiterklasse zu gewinnen, die danach die Massen gewinnen werden, braucht sie auch heute die Übergangsmethode und Übergangsforderungen!

Beispiele für Übergangsforderungen heute

Wir hängen einige Beispiele für die aktuelle Übergangsforderungen an, die auch genutzt werden können, um sie in Lesekreisen und OGs zu diskutieren: Welche Übergangsforderungen sind die richtige in dieser konkreten Situation? Warum? Wie knüpfen sie am Bewusstsein an? Müssen wir sie für bestimmte Gelegenheiten anpassen? 

Klimawandel

Palästina: 

Militarismus und Wehrpflicht

Frauenbefreiung

Kampf gegen Rechts

Wohnungsfrage

Diskussionsfragen

Was sind die „objektiven Voraussetzungen für die proletarische Revolution“? Warum beschreibt Trotzki sie als „verfaulend“?

Was ist das „Haupthindernis“, das einer revolutionären Situation im Wege steht, und warum? 

Was sind Minimalanforderungen, Maximalforderungen und Übergangsforderungen?

Was ist Arbeiterkontrolle? Wie unterscheidet sie sich von der Enteignung der Kapitalisten und der Planwirtschaft? Warum macht es Sinn die Forderung nach Arbeiterkontrolle zu stellen?

Wie kann man z.B. den Kampf gegen Entlassungen zum Ausgangspunkt nehmen, um für Arbeiterkontrolle zu argumentieren?

Welche Übergangsforderungen würdest du heute stellen?

Wie sollten Marxistinnen und Marxisten mit reformistischen Massenorganisation umgehen?

Was ist „Doppelherrschaft“?

Was ist nach Trotzki der Unterschied zwischen „Enteignung“ und „Verstaatlichung“?

Welches Verhältnis sollte die Arbeiterklasse zu anderen unterdrückten Klassen haben?

Welche Position sollten Marxisten im Krieg einnehmen?

Was sind Sowjets? Wie entstehen sie?

Was ist der Unterschied zwischen der „Volksfront“ und der „Einheitsfront“?

Wie charakterisiert Trotzki den Klassencharakter der UdSSR? Was bedeutet das in der Praxis?

Warum betont Trotzki die Rolle der Arbeiterinnen und der Jugend?

Warum war die Kommunistische Internationale „für die Revolution gestorben“? (Gemeint ist: Sie konnte kein Werkzeug der Arbeiterklasse für die Revolution mehr sein)

Was ist demokratischer Zentralismus?

SCHLIESS DICH DEN KOMMUNISTEN AN!

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