Den deutschen Eliten dämmert, dass Donald Trump eine „existenzielle Herausforderung der transatlantischen Allianz“ ist. Ihr ganzes Weltverständnis wankt. Ein Kommentar in der FAZ warnt, dass „die größte Gefahr für den Zusammenhalt und den Bestand der transatlantischen Gemeinschaft womöglich in ihrem Inneren lauert“. Recht hat der Autor. Was daraus folgt, kann er nicht sagen. Eine Antwort finden wir in den Wurzeln der „transatlantischen Gemeinschaft“.
Niederlage im Zweiten Weltkrieg
Die deutsche herrschende Klasse wollte im Zweiten Weltkrieg zur alleinigen Weltmacht aufsteigen. Im September 1939 stützte sie sich auf das faschistische Regime, um Europa zu erobern und die Sowjetunion (SU) zu zerstören. Sie wollte ihre imperialistischen Konkurrenten USA, Großbritannien (GB) und Frankreich besiegen und der kommunistischen Weltrevolution ein Ende setzen.
Sechs Jahre später war keines dieser Ziele erreicht. Im Mai 1945 war die Niederlage des deutschen Imperialismus total. Als Sieger des Weltkriegs gingen die SU auf der einen und die USA mit GB auf der anderen Seite hervor. Deutschland wurde von ihnen besetzt. Die späteren Gebiete der BRD teilten die USA, GB und Frankreich untereinander auf und die der DDR sowie Osteuropas fielen unter die Kontrolle der SU.
Für die USA kam es nun darauf an, die SU sowie die revolutionären antikolonialen und sozialistischen Bewegungen zu bekämpfen. In aller Welt blickten die Arbeiter und Unterdrückten inspiriert auf die Planwirtschaft der SU. Gleichzeitig folgte auf die wahnsinnige Barbarei des Zweiten Weltkriegs eine revolutionäre Periode in Europa (Italien, Griechenland, Deutschland, Frankreich) und in den Kolonien (Vietnam, China, Indien). Der Kapitalismus stand weltweit auf Messers Schneide.
Am Scheideweg
Das Schicksal des deutschen Kapitalismus lag zum einen in den Händen der Arbeiterklasse, die nach dem Krieg zu Einheit und Sozialismus drängte. Sie forderte Sozialisierung der Banken und Industrien, Arbeiterkontrolle der Produktion sowie Zusammenschluss von SPD und KPD. Bei Wahlen in Hessen, Bremen, Hamburg und Berlin im Jahr 1946 erreichten die SPD und KPD zusammengenommen über 50% der Stimmen. Der Druck war so groß, dass die CDU die Sozialisierung in ihr Programm aufnahm.
Zum anderen lag das Schicksal in den Händen der Besatzer. Um den vollständigen Verlust ihrer Macht fürchtend stürzte sich die deutsche herrschende Klasse, die Eliten aus Wirtschaft, Staat, Wissenschaft und Kultur, in die Arme der USA. In der SU sahen sie richtigerweise ihren Todfeind, der ihnen Eigentum und damit Macht und Herrschaft entreißen würde.
Die USA wussten sich dieses kriecherischen Andienens der deutschen herrschenden Klasse redlich zu bedienen. Sie bauten die BRD zum Bollwerk gegen die sozialistische Weltrevolution und die SU auf. Doch das mussten sie mit Gewalt und Heimtücke gegen den Willen der Arbeiterklasse durchsetzen. Die Sozialdemokratien in Europa unterstützten die USA dabei und die mutwillige Sabotage der Weltrevolution durch die stalinistische SU tat ihr übriges.
Lügen und Bomben
Schon während des Kriegs arbeiteten die USA und GB darauf hin, dass das Hitler-Regime nicht von der Arbeiterklasse gestürzt würde, um eine revolutionäre Welle in Europa zu verhindern. Deshalb setzten sie in ihrer Propaganda auf die erlogene „Kollektivschuld“ und schürten Ängste vor wahlloser Vergeltung bei den Deutschen. Ihre Kriegsführung bestätigte diese Ängste, denn ab 1940 setzen die Briten und Amerikaner auf Kollektivbestraffungen durch Flächenbombardierungen von Städten.
Diese Politik kettete die Massen an das faschistische Regime, das sich auch im inneren nur durch Terror aufrechterhielt. Die vernichtenden Wahlniederlagen der faschistischen Parteien nach dem Krieg zeigen eindrücklich, dass das Regime längst hohl war.
In die eigenen Hände genommen
Mit der Niederlage im Weltkrieg versank Deutschland im Chaos. Die Wirtschaft und das Transportwesen brachen zusammen, was zur Versorgungskrise mit Lebensmitteln, Kohlen usw. führte. Bis in die 1950er herrschten Hunger und Mangel. Von den 75 Mio. Menschen, die sich in seinem Territorium aufhielten, waren 40 Mio. nicht dort, „wo sie hingehörten“. Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter, KZ-Häftlinge, Ausgebombte, heimkehrende Soldaten und Ostvertriebene mussten in den folgenden Jahren entweder aus Deutschland herausgebracht oder in Deutschland verteilt werden.
Dieses Chaos behinderte die Selbstorganisierung der Massen, die sich trotzdem sofort daran machten, ihr Überleben zu organisieren, weil die staatliche Verwaltung zusammengebrochen war. Sie begannen mit Aufräumarbeiten und dem Wiederingangsetzen der Produktion. In Antifaschistischen Ausschüssen organisiert zogen sie hochrangige Nazis zur Rechenschaft. Doch die Besatzungsmächte bekämpft diese Eigeninitiative der Massen und griffen im Westen gegen Ausschüsse und selbstorganisierte Betriebsräte hart durch.
Auch den Wiederaufbau der Arbeiterparteien SPD und KPD behinderten die Besatzungsmächte im Westen. Insbesondere in der SPD arbeiteten sie mit alten antikommunistischen SPD-Führern aus der Weimarer Republik zusammen und verhalfen ihnen durch Intrigen und Manöver an die Spitze der Partei. Dadurch spalteten sie die Arbeiterklasse, verhalfen dem Reformismus zur Dominanz über die Arbeiterbewegung, orientierten die SPD auf die USA und dämmten die Gefahr der Revolution ein.
Produktion blieb intakt
Gleichzeitig legten die USA den Grundstein für die wirtschaftliche Erholung des westlichen Imperialismus und die Integration Deutschlands darin, um eine einheitliche Front gegen die SU und die weltweiten revolutionären Bewegungen zu bilden.
Die USA, GB und nach einigem Zögern auch Frankreich stellten die Demontagen von Produktionsanlagen in ihren Besatzungszonen ein und legten ihre Zonen erst zur Bi- später zur Trizone zusammen, um das Produktionspotenzial der westdeutschen Wirtschaft zu erhöhen.
Die deutschen Unternehmen wurden im Krieg kaum beschädigt. Im Mai 1945 war das Anlagevermögen der Industrie sogar 20% höher als 1936, durch enorme Investitionen während des Krieges. Nur ein kleiner Teil der Maschinen war beschädigt oder demontiert worden. Deshalb lag das Produktionspotenzial Westzonen nur 15% unter dem von 1936. Deutschland verfügte somit über enorme Kapazitäten und moderne Industrieanlagen.
Enteignung und Ausbeutung
Gleichzeitig war die Reichsmark durch die inflationäre Kriegsproduktion wertlos und damit auch die Löhne der Arbeiter. Aber sie produzierten neuen stofflichen Reichtum, welchen die Kapitalisten und Händler in Erwartung auf eine Währungsreform horteten oder auf dem Schwarzmarkt verkauften. Mit der Einführung der Deutschen Mark 1948 füllten sich die Ladenregale schlagartig mit Waren.
Die Währungsreform war eine massive Enteignung der Massen zugunsten der Kapitalisten, da deren Betriebsvermögen nicht angetastet wurden. Die Arbeiterklasse antwortete am 12. November 1948 mit einem Generalstreik, an dem sich 9 Mio. beteiligten. Vorausgegangen waren seit 1946 Hungermärsche und Streiks. Die DGB-Führung lenkte den Generalstreik in sichere Bahnen und rettete so den Kapitalismus: Die Arbeiter forderten Sozialisierung und Wirtschaftsplanung.
Die Löhne der Massen blieben danach weiterhin so niedrig wie in der Nazi-Zeit und wuchsen bis in die 1960er viel langsamer als die Wirtschaftsleistung. Die Profite der Kapitalistenklasse sprudelten und der Staat förderte Investitionen in Industrie und Infrastruktur.
Westlicher Imperialismus
Die USA integrierte die 1949 aus der Trizone gegründete BRD in das Bretton-Woods-System, eine US-dominierte Freihandelszone des westlichen Imperialismus. Die Grundlage hierfür lieferte der Marshall-Plan: Die USA besänftigte mit Finanzspritzen die Reparationsforderungen der westeuropäischen Staaten gegenüber Deutschland und kurbelten deren Wirtschaft an. Das legte die ökonomischen Grundlagen für das „Nachkriegswunder“ der 1950er bis 1970er.
Der Sieg der Chinesische Revolution 1949 und der Koreakrieg ab 1950 besiegelten die Allianz des westlichen Imperialismus. Die deutsche Wirtschaft boomte exportgetrieben: Der Koreakrieg sorgte für enorme Nachfrage nach Stahl und der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg für Nachfrage nach Maschinen und Fahrzeugen. Ab den 1950ern wurde die BRD durch Export zu einer der größten Wirtschaftsmächte und bildete weltmarktbeherrschende Monopole in Chemie, Maschinen und Autos.
Im Jahr 1955 war die BRD im westlichen Imperialismus endgültig angekommen. Sie wurde in die NATO aufgenommen und ihre Wiederaufrüstung und die Wehrpflicht beschlossen – gegen den Willen und große Proteste der Massen und der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter.
Ideologie der Herrschenden
Nach Kriegsende arbeiteten die USA eng mit den alten Eliten des Dritten Reichs aus Wirtschaft und Verwaltung zusammen und verzichteten weitgehend auf die „Entnazifizierung“. Geschützt und gefördert durch die USA und GB organisierten diese Eliten die Unternehmensleitungen, Unternehmerverbände, die CDU/CSU, die staatliche Verwaltung, Zeitungen, Universitäten usw. Sie bildeten so die Herrschaftsstruktur der BRD. Die Führungen aus SPD und DGB-Gewerkschaften sicherten diese Herrschaft langfristig ab, indem sie die Klassenkämpfe und die Selbstaktivität der Massen in Sackgassen lenkten.
Die USA sorgten gleichzeitig dafür, dass die Elite in Deutschland eine völlig auf die USA orientierte Weltanschauung entwickelte. Über verschiedene Wege (z.B. Stiftungen und Stipendien) sorgten Geheimdienste, Unternehmen und NGOs aus den USA dafür, dass nach dem Krieg der Großteil der Schriftsteller, Wissenschaftler, Historiker, Professoren usw. die „transatlantische Gemeinschaft“ und den Postmodernismus ins Zentrum der politischen Ideologie der BRD setzte.
Unlösbare Widersprüche
Die deutsche herrschende Klasse stieg nach 1945 von der „göttlichen Gnade“ der USA wieder zu einer wirtschaftlichen Weltmacht auf. Seitdem bewegt sie sich in einem unlösbaren Spannungsfeld: Einerseits kämpft sie um unangefochtene Dominanz über Europa und möchte die eigenen Interessen ohne Rücksicht auf US-Interessen durchsetzen. Andererseits muss sie sich der übermächtigen Dominanz der USA über Europa und sich selbst unterordnen.
Ihre Stellung als Weltmacht hat die deutsche herrschende Klasse nicht aus eigener Kraft errungen. Sie war stets von den USA geliehen und musste durch diese abgesichert werden – vor allem durch das NATO-Bündnis. Deshalb kriecht die Elite Deutschlands bis heute so hündisch vor ihrem Herrn.
Gleichzeitig erlaubten die USA ihrem deutschen Vasallen gewissen bewegungsfreiraum, um dessen Loyalität mit Zuckerbrot sicherzustellen. Doch die wirtschaftliche Entwicklung der USA und der globalen Kräfteverhältnisse zwischen den imperialistischen Mächten lässt dies nicht mehr zu. Jetzt muss die Peitsche herhalten.
Dem Ende entgegen
Heute sind die Grundlagen eines geeinten westlichen Imperialismus nicht mehr vorhanden. In den 1970ern setzte eine organische Krise des Kapitalismus ein und verstärkte die Konkurrenz unter den kapitalistischen Mächten um profitable Investitionen und Märkte. Dann folgte Ende der 1980er der Zusammenbruch der SU und die Wiedereinführung des Kapitalismus in Osteuropa, den Republiken der SU und auch in China.
Für einen kurzen Moment waren die USA nach 1990 die einzige Supermacht. Die europäischen Mächte, insb. die deutsche herrschende Klasse, wähnten sich in Sicherheit und ordneten sich den USA weiterhin unter – schließlich sei das „Ende der Geschichte“ eingetreten.
In ihrer dekadenten Stimmung übersahen die deutschen Eliten, dass die Welt sich weiterdrehte und unter der Oberfläche gewaltige tektonische Verschiebungen der Kräfteverhältnisse zwischen alten und neuen imperialistischen Weltmächten stattgefunden haben. Der Kampf um die Neuaufteilung der Welt spitzt sich zu. Dies hat einen unaufhaltsamen Niedergang des deutschen Imperialismus eingeleitet, der mit dem Abwenden der USA von Europa rasant von statten geht.
Während alle Pfeiler der alten Ordnung zusammenfallen und die herrschende Klasse sprachlos in den Abgrund blickt, braut sich in Deutschland ein revolutionärer Sturm zusammen. Die Arbeiterklasse wird in dieser Epoche des erbitterten Klassenkampfes viele Chancen haben, an die Stelle des deutschen Imperialismus eine sozialistische Republik zu stellen.