Neben den Lasten der Lohnarbeit kommen für Frauen zusätzlich gaffende Blicke, geringere Löhne, herablassende Sprüche, Bevormundung, die Bürde der ungleichen Verteilung von Reproduktionsarbeit (Kochen, Putzen, weitere Hausarbeit, Kindererziehung, Altenpflege usw.), die Angst, nachts alleine unterwegs zu sein hinzu. Obwohl die Frau formal vor dem Gesetz gleichgestellt ist, hat sich ihre Lage in den letzten Jahren besonders verschlechtert.
Kapital gegen Arbeiterinnen
Die Veröffentlichung des „Gender Pay Gap“ (GPG) 2024 löste eine gewisse Freude aus: Im Jahresvergleich sank der Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen von 18% auf einen Tiefstand von 16%. Doch das ist Augenwischerei. Die Senkung lag nicht etwa an höheren, gerechteren Löhnen für Frauen, sondern an der tiefen Krise in der männerlastigen Industrie, wodurch der durchschnittliche Reallohn von Männern stärker gefallen ist.
Der Hauptgrund für die geringere Bezahlung von Frauen liegt in der Teilzeitarbeit. Frauen arbeiten anteilig deutlich häufiger in Teilzeit (50%) als Männer (13%), und hauptsächlich, um die Reproduktions- und Lohnarbeit überhaupt miteinander vereinbaren zu können. Pro Woche verrichten Frauen 30 Stunden Reproduktionsarbeit, und damit 44,3% mehr als Männer mit 21 Stunden. Familie ist allzu oft Pflicht, statt freie Wahl.
Selbst wenn man von der systematischen Benachteiligung durch Teilzeitbeschäftigung und der Tatsache, dass Frauen insgesamt in schlechtbezahlten Branchen arbeiten, absieht und sich den „bereinigten“ GPG anschaut, verdienen Frauen bei gleicher Tätigkeit, Qualifikation und Erwerbsbiografie 6% weniger als Männer.
Langfristig führt dies zu Altersarmut. 2024 waren 410.000 Frauen auf die Grundsicherung im Alter angewiesen, das sind 100.000 mehr als noch 2014 – trotz der Tatsache, dass die Erwerbstätigenquote von Frauen von 58,9% (2003) auf 73% (2022) gestiegen ist. Die Alterseinkünfte im Jahr 2023 von Frauen waren 27,1% niedriger als die von Männern.
Reproduktionsarbeit
Weil Frauen hauptsächlich Reproduktionsarbeit verrichten und z. B. schwanger werden können oder sich um ihr krankes Kind kümmern müssen, erlauben es sich Kapitalisten, Frauen weniger Lohn zu geben, da sie im Beruf potenziell kurz- und mittelfristig wegfallen könnten. Geringere Löhne für Frauen werden wiederum als Vorwand genutzt, um auch die Löhne von Männern zu drücken.
Wiederum wäre es möglich Frauen (und Männer) von den Lasten der Reproduktionsarbeit weitgehend zu entlasten, durch öffentliche und kostengünstige Kantinen in den Betrieben, Schulen und Stadtvierteln; Wäschereien, flächendeckende und ganztägige Kitas, ausfinanzierte Pflegeheime usw. Aber dafür wollen die Kapitalisten nicht zahlen. Stattdessen sind soziale Bereiche wie Gesundheit und Pflege üblicherweise die ersten Opfer des Spardiktats.
Deshalb müssen die Gewerkschaften flächendeckende gewerkschaftliche Organisierung schaffen. Insbesondere Frauen müssen sie systematisch organisieren und gegen diese Sparmaßnahmen und Entlassungswellen, für höhere Tariflöhne, Renten, Arbeitszeitverkürzung und mehr Personal kämpfen – und sich nicht mit zu wenig abspeisen lassen. Die aktuellen Arbeitskämpfe im Rahmen des Tarifvertrags im öffentlichen Dienst müssen genau dafür genutzt werden. Dadurch könnten Frauen bei reduzierter Wochenarbeitszeit Vollzeit arbeiten und finanziell eigenständig sein. Vor allem in Bereichen wie der Heimpflege, Handel oder Gastro braucht es eine Organisierungsoffensive von Frauen, da sie dort besonders wenig organisiert und extrem ausgebeutet werden.
Gewalt und Frauenbild
Der schlechte Lohn der Frau führt zur ökonomischen Abhängigkeit von ihrem Partner. Das Armutsrisiko alleinerziehender Mütter ist viermal höher als das verheirateter. Dadurch steigt der Druck bei ihren Partnern zu bleiben – auch wenn die Beziehung ungesund ist oder gewalttätig wird.
Nach offiziellen Angaben stieg 2023 die Zahl weiblicher Opfer sexualisierter Gewalt um 6,2% auf 52.330; die Zahl weiblicher Opfer häuslicher Gewalt um 5,6% auf 180.000. Bemerkenswert ist, dass Fälle von Hasskriminalität gegen Frauen – Straftaten, die ausschließlich auf frauenfeindlichem Gedankengut basieren – 2023 um 56,3% auf 322 Fälle stiegen.
Neben der gestiegenen finanziellen Abhängigkeit vom Partner – angetrieben durch die Pandemie und Inflation im Zuge des Ukrainekrieges – führt das Bundeskriminalamt diesen Anstieg “auf die Ablehnung von Gleichberechtigung und die Verbreitung extremistischer Ideologien im Internet zurück.“ 45% der Fälle von Hasskriminalität gegen Frauen sind dem rechten Spektrum zuzuordnen, was insbesondere durch die AfD und sogenannte “Alphamänner” online angefeuert wird. Kapitalisten begrüßen diese rückwärtsgewandten Rollenbilder, um die Lohnunterschiede und die Hausarbeit der Frauen zu legitimieren.
Der Aufstieg der Rechten ist die direkte Folge der Sparpolitik und der Angriffe der Establishment-Parteien auf die Arbeiterklasse. In der Tat sind es diese “demokratischen” Parteien, die die Lage der Frauen verschlimmern, insbesondere von Opfern von Gewalt.
Unterfinanzierung
Ursprünglich hatte die Ampelregierung eine verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern und Beratungsstellen versprochen. Sie taten das Gegenteil. 2022 mussten 15.000-mal Schutzsuchende abgewiesen werden. Es existieren nur 7.000 Frauenhausplätze, während 14.000 Plätze fehlen. Beratungsanfragen können nicht ausreichend bearbeitet werden. Besonders akut ist die Lage für behinderte, migrantische und geflüchtete Frauen, weil spezialisierte Beratungsstellen fehlen.
Das kürzlich verabschiedete „Gewalthilfegesetz“ bietet (erst) ab 2032 einen kostenlosen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt an, aber keinen Anspruch auf einen Frauenhausplatz. Auf Druck der CDU sind Transfrauen ausgeschlossen.
Außerdem wurde neulich wegen Widerstand der FDP und CDU Paragraf 218 nicht abgeschafft, welcher Abtreibungen im ersten Trimester unter Strafe setzt. Frauen werden also unverändert ihrer Autonomie beraubt, wenn sie vor einer Abtreibung zu einer Zwangsberatung und Wartezeit zwischen Beratung und Abtreibung verpflichtet werden, oder eine Abtreibung ab dem 4. Monat wollen.
Wir dürfen kein Vertrauen in die Kapitalisten und ihre Politiker setzen, sondern müssen einen gewerkschaftlichen Kampf für die Ausfinanzierung von Frauenhäusern und allen anderen Anlaufstellen führen, was durch die Kapitalisten selbst bezahlt werden soll. Gewerkschaften haben dabei die Aufgabe, ihre Möglichkeiten (Betriebsversammlungen, Betriebsräte und Medien) zu nutzen, um eine permanente Aufklärungsarbeit gegen Gewalt an Frauen zu leisten. Es braucht kostenlosen, flächendeckenden Zugang zu öffentlichen Abtreibungsangeboten und Programmen für Frauengesundheit.
Frauen hassen Merz
Nicht mal das Mindestmaß an Schutz und Selbstbestimmung interessiert die Kapitalisten und Politiker. Stattdessen nutzen alle Parteien von SPD bis AfD Morde an Frauen für rassistische Hetze und stellen Gewalt an Frauen als ein importiertes Problem aus dem „barbarischen Ausland“ dar. Dieser Kulturkampf verschlimmert die Lage von Frauen – insbesondere Migrantinnen – und treibt die Massen in die Arme der AfD mit ihrem reaktionären Frauenbild.
Wenig überraschend blicken Frauen ohne Enthusiasmus auf Friedrich Merz (CDU). Merz’ berüchtigter Ruf unter Frauen hat eine lange Geschichte: 1995 stimmte Merz gegen die Liberalisierung des Abtreibungsrechts, 1997 gegen die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe – mit der Begründung, dass „die Ehe an Wert verlieren werde“ –, und 2006 gegen das Gleichbehandlungsgesetz.
Die kommende CDU-geführte Regierung macht kein Geheimnis daraus, dass alle den Gürtel enger schnallen müssen, um die Kapitalisten aus ihrer Wirtschaftskrise zu retten. Die ökonomische Lage der Frau wird enorm schlechter werden, die Gewalt wird steigen und Anlaufstellen werden weiter kaputtgespart.
Eine Brot- und Klassenfrage
Wir kämpfen für die Enteignung der Kapitalisten, weil nur in einer demokratischen Planwirtschaft Geld und Ressourcen im Interesse der Massen verteilt und investiert werden können. Dadurch würden Frauen von den Lasten der Reproduktionsarbeit befreit und vollumfänglich in das gesellschaftliche Leben eingebunden werden.
Die populäre Meinung, dass Männer der Arbeiterklasse von der Frauenunterdrückung profitieren, stimmt nicht und behindert sogar den Befreiungskampf von arbeitenden Frauen, die gemeinsam mit ihren männlichen Kollegen kämpfen müssen. Nur die Männer und Frauen der Kapitalistenklasse und ihre nächsten Verbündeten in Staat, Politik und Wirtschaft profitieren von der Unterdrückung von Frauen, während die Arbeiterklasse lediglich kleine Krümel zugeworfen bekommt und entlang des Geschlechts gespalten wird.
Die Frauenfeindlichkeit wird nicht über Nacht verschwinden. Doch die Einheit von Männern und Frauen der Arbeiterklasse im alltäglichen Kampf gegen die Kapitalistenklasse trägt mehr als alles andere dazu bei, frauenfeindliches Gedankengut aufzulösen. In diesem Kampf wird deutlich: Nicht Männer im Allgemeinen oder dieses und jenes Gesetz sind das Problem, sondern der Kapitalismus an sich.
Die Befreiung der Frauen ist nicht vom Kampf für die sozialistische Revolution zu trennen