Die Kommunistische Internationale und der Kampf um koloniale Befreiung

Im Jahr 1848 verkünden Karl Marx und Friedrich Engels die berühmten Worte „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“. Sie sind ein Aufruf an alle Ausgebeuteten der Welt, sich zusammenzuschließen und sich im gemeinsamen Kampf aus dem Joch ihrer Unterdrückung zu befreien. Doch erst mit dem Aufstieg des Imperialismus und der vollständigen Aufteilung der Welt unter den europäischen Großmächten Ende des 19. Jahrhunderts bekam der Slogan eine wirklich globale Bedeutung.

Die Kolonialisierung Afrikas und Asiens zwang einen Großteil der Menschheit, der bis dahin in rückständigen Verhältnissen lebte, unter die brutale Herrschaft des Kapitals. Unter dem Vorwand der „Zivilisierung“ wurden Arbeitskraft und Bodenschätze der Regionen systematisch ausgebeutet, was den ausländischen Kapitalisten gewaltige Absatzmärkte und Rohstoffverfügungen sicherte.

Durch die Einspeisung der Kolonien in den kapitalistischen Weltmarkt und ihre wirtschaftliche Verflechtung mit den Metropolen in Europa fand die Kolonialfrage Einzug in die Debatten der Arbeiterbewegung. Die Ausbeutung war in den Kolonien besonders stark. Zwangsarbeit, Gewalt und Deportationen standen auf der Tagesordnung, was dem europäischen Kapital gewaltige Profite sicherte, von denen sie sich versprachen, die aufkommenden Unruhen zuhause zu beruhigen.

So entstand in den neuen Hafenstädten und Metallminen Afrikas und Südostasiens ein junges, aber extrem beanspruchtes Proletariat, das in seinen Interessen und seiner Zusammensetzung den Arbeitern in den europäischen Metropolen in nichts nachstand.

Die vollständige Unterjochung der Welt unter die Herrschaft des Imperialismus und die internationale Arbeitsteilung bewiesen, dass es für die Befreiung aus diesem Joch sowohl für die Kolonien wie für die Arbeiter in den Metropolen nur eine Möglichkeit gab: Sie mussten sich im internationalen Klassenkampf gegen den Imperialismus zusammenschließen und die von ihm auferlegten Ketten sprengen.

Die II. Internationale

Mit der II. Internationale existierte eine Organisation, die sich diesem Ziel zumindest in Worten verschrieben hat und den Anspruch erhob, die Arbeiterklasse der Welt in ihren Reihen zu vereinigen. In der Praxis stand sie diesem Ziel jedoch bald fern, was sich auch in ihrer Haltung zur kolonialen Frage zeigt. So brachte die Mehrheit der Führungskommission des 7. Kongress der II. Internationale in Stuttgart 1907 einen Resolutionsentwurf ein, in dem es heißt:

„Der Kongreß stellt fest, daß der Nutzen der Kolonialpolitik allgemein – besonders aber für die Arbeiterklasse – stark übertrieben wird. Er verwirft aber nicht prinzipiell und für alle Zeiten jede Kolonialpolitik, die unter sozialistischem Regime zivilisatorisch wird wirken können.“

Diese Worte sind ein klarer Verrat am Internationalismus. Statt den Ausgebeuteten in den Kolonien ein eigenes revolutionäres Potenzial zuzuschreiben und sie als Teil der Weltrevolution zu sehen, werden sie als Objekte betrachtet, die es auf paternalistische Weise zu „zivilisieren“ gilt. In seinen Aufzeichnungen zum Kongress verurteilte Lenin den Entwurf später als „offenen Rückzug in Richtung bürgerliche Politik und bürgerlicher Weltanschauung, die koloniale Kriege und Gräuel rechtfertigt“.

Der Vorschlag der Kommission wurde auf dem Kongress abgelehnt, doch die opportunistischen Tendenzen in der II. Internationale blieben bestehen. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs bestätigte sich Lenins Einschätzung der Kommissionslinie, als die Führer der II. Internationale sich fast ausnahmslos hinter die Kriegsziele ihrer eigenen herrschenden Klasse stellten. Die II. Internationale war gestorben, während weltweit die Arbeiterklasse erwachte.

Völker hört die Signale

Die Oktoberrevolution 1917, in der die russischen Arbeiter und Bauern die Macht des Zaren stürzten, hatte eine enorme Strahlkraft auf die Menschen in den Kolonien. Sie zeigte, dass sich die Ausgebeuteten auch in weniger entwickelten Ländern gegen ihre Ausbeuter erheben und siegreich sein können und weckte die Hoffnung auf eine noch tiefgreifendere Veränderung. Die Oktoberrevolution bewies, dass es für alle Unterdrückten auf der Welt einen Weg zur Befreiung gibt.

Gleichzeitig war Lenin sich bewusst, dass die russische Revolution, um siegreich zu sein, nur der Auftakt der sozialistischen Weltrevolution sein konnte. Die Unterstützung revolutionärer Bewegungen in aller Welt wurde zur obersten Priorität der russischen Sowjetmacht.

Zu diesem Zweck gründete sich 1919 die III. oder Kommunistische Internationale (Komintern). Die Komintern entstand aus der harten Auseinandersetzung mit den Problemen und Erfahrungen der II. Internationale und dem Kampf gegen die nationalistischen und opportunistischen Tendenzen in der Arbeiterbewegung. Ihr erklärtes Ziel war es, weltweit die revolutionären Kräfte unter dem Banner des Kommunismus zu organisieren und überall auf die Weltrevolution hinzuwirken.

Auch die Kolonien fanden eine besondere Stellung in der Strategie der Komintern. Der Erste Weltkrieg führte dort zu einer enormen Mobilisierung von Rohstoffen und Soldaten, die die imperialistischen Mächte für ihre Kriegsanstrengungen brauchten. Das beschleunigte die inneren Widersprüche in den Kolonien rasant. In vielen Ländern entstanden Befreiungsbewegungen, die die alte Kolonialherrschaft herausforderten und für nationale Selbstbestimmung kämpften. Oft waren diese Bewegungen getragen von den proletarischen und halbproletarischen Massen aus Stadt und Land.

Nachdem sich ihre Hoffnung in das 14-Punkte-Reformprogramm des US-Präsidenten Woodrow Wilson, das das „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ versprach, als Illusion herausstellte und die USA selbst als imperialististische Macht auftrat, wandten sie sich häufig revolutionären Ideen zu. Der Kampf für die sozialistische Revolution erwies sich als einzige Perspektive für die Befreiung der unterdrückten Völker der Welt und die Komintern zur Zeit ihrer ersten vier Kongresse als die dafür wichtigste Waffe.

Die koloniale Frage in der Komintern

Der II. Weltkongress der Komintern 1920 stand ganz im Licht der erwachenden Weltrevolution. In Vorbereitung auf den Kongress reisten Kuriere der Internationale über den Globus, um Kontakt zu Revolutionären auf der ganzen Welt zu knüpfen und leisteten bedeutende Arbeit im Aufbau der Internationale. Erstmals gelang es der Arbeiterbewegung, deutlich über die engen Grenzen Europas hinaus zu wirken.

Während beim I. Weltkongress noch 29 Länder vertreten waren, kamen zum II. Kongress Delegierte aus 39 und zum IV. bereits aus 58 Ländern, darunter neben den östlichen Sowjetrepubliken auch Südafrika, China, Indien, Iran, Mexiko, Indonesien, Korea und das damals als „Kerker der Völker“ bekannte Jugoslawien.

Die Dimension des Wirkungsbereichs der Komintern zeigt sich, wenn man sich parallel die Zahlen des Völkerbunds – der Vorgängerorganisation der UN – anschaut, der zum Zeitpunkt des IV. Kongresses der Komintern gerade einmal 42 Länder umfasste.

Der internationalistische Charakter des II. Kongresses wird vor allem in seinen Debatten deutlichen, in welchen die nationale und koloniale Frage eine zentrale Rolle einnahm und über zwei Tage lang intensiv diskutiert wurde. Die Grundlage der Diskussion bildete ein von Lenin verfasster Thesenentwurf sowie Ergänzungsthesen des indischen Revolutionärs M. N. Roy, der Lenins Thesen um die direkte Erfahrung der Arbeiter in den Kolonien erweiterte und insbesondere zur Rolle der lokalen Bourgeoisie in den Kolonien einen relevanten Beitrag leistete.

Der Grundgedanke, der sich sowohl durch Lenins als auch durch Roys Thesen zieht, ist der Widerspruch zwischen den unterdrückten und unterdrückenden Ländern in der Welt. Diese sind durch die internationale Organisierung des Weltimperialismus untrennbar miteinander verbunden. Nur durch die Annäherung zwischen den Arbeitern in den Metropolen und den werktätigen Massen in der kolonialen Welt kann der Kapitalismus bezwungen und dieser Widerspruch überwunden werden. Die kolonialen Befreiungsbewegungen haben somit einen grundlegend revolutionären Charakter und bilden eine Voraussetzung für die Befreiung der Arbeiter in den imperialistischen Zentren.

Diese Überlegung war für die Komintern von entscheidender Bedeutung. Nicht nur gab sie den antikolonialen Bewegungen erstmals eine klare Perspektive, sondern sah sich diesem Kampf auch selbst verpflichtet. Den Sektionen der Komintern in den Metropolen kam die Aufgabe zu, die kolonialen Revolutionen mit voller Kraft voranzutreiben und mit dem Kampf gegen den eigenen Imperialismus zuhause zu verbinden. Neben der ideologischen, materiellen und moralischen Unterstützung zählt dazu vor allem die antikoloniale Agitation unter den eigenen Arbeitern und den im Ausland stationierten Soldaten und eine verstärkte Arbeit unter den kolonialen Massen.

In Moskau wurden Revolutionäre aus aller Welt ausgebildet und es entstanden Abteilungen der Komintern, die sich spezifisch auf den Nahen und Fernen Osten konzentrierten. Mithilfe der Kommunistischen Partei Frankreichs sollten außerdem die Beziehungen nach Afrika ausgebaut werden. Die fehlende Tradition und Organisation der Arbeiterklasse in den Kolonien erschwerten es, dort eine Verankerung aufzubauen. Dennoch zeigt die Teilnahme von Delegierten aus immer mehr Ländern auf den ersten vier Weltkongressen, dass die sorgfältige und gewissenhafte Hingabe der Komintern zur kolonialen Frage Erfolg hatte und ihr eine zentrale Rolle im Kampf für die Weltrevolution beigemessen wurde.

Permanente Revolution

Lenin behandelte die koloniale Frage wie gewohnt nicht mit Hilfe abstrakter Prinzipien, sondern ging immer von den konkreten Umständen aus. Richtige Perspektiven bilden für Kommunisten die Grundlage für jedes praktische Handeln und müssen aus der nüchternen Analyse der Realität gewonnen werden. Die wichtigste Frage in Bezug auf die Befreiung der Kolonien war die nach dem Charakter der kolonialen Befreiungsbewegungen und der nationalen Bourgeoisie. In den Thesen und Diskussionen zum II. Weltkongress nehmen sie daher eine entscheidende Rolle ein.

Infolge der Fremdherrschaft befanden sich die Kolonien in einer widersprüchlichen Situation. Einerseits waren sie ein essenzieller Bestandteil des kapitalistischen Weltmarkts, andererseits blieben die Aufgaben der bürgerlichen Revolution – die Schaffung nationaler Einheit und die Befreiung der Landbevölkerung – weiter ungelöst. Die koloniale Revolution war daher ihrem Wesen nach eine bürgerliche Revolution.

Die koloniale Erfahrung bestätigte, was Trotzki bereits 1906 als „Permanenten Revolution“ beschrieb und was vor den Erfahrungen der Oktoberrevolution später auch von Lenin angenommen wurde: Im Zeitalter des Imperialismus hat die Bourgeoisie ihre revolutionäre Rolle verloren und erweist sich in den unterentwickelten Ländern als unfähig die bürgerlich-demokratischen Aufgaben zu erfüllen. Gelöst werden können sie nur durch die proletarische Revolution, gestützt von den unterdrückten bäuerlichen Massen.

In seiner Auftaktrede zur Kongressdiskussion beschreibt Lenin: „Zwischen der Bourgeoisie der ausbeutenden Länder und der Bourgeoisie der Kolonien hat sich ein gewisses Einvernehmen herausgebildet, so dass die Bourgeoisie der unterdrückten Länder sehr oft, vielleicht sogar in den meisten Fällen, obwohl sie nationale Bewegungen unterstützt, dennoch alle revolutionären Bewegungen und revolutionären Klassen mit einem gewissen Maß an Übereinstimmung mit der imperialistischen Bourgeoisie, d.h. gemeinsam mit ihr, bekämpft.“

Die einheimische Bourgeoisie war nicht in der Lage, den Forderungen der armen Bauern nach Befreiung nachzukommen, da diese unvereinbar mit ihrem Interesse am Erhalt der bestehenden Produktionsverhältnisse waren. Eine nationale Befreiung war im Rahmen kapitalistischer Verhältnisse nicht möglich. Nur der Kampf für die Sowjetmacht und die Verwaltung des Staats durch die werktätigen Massen konnte die Probleme der Bauern lösen.

Die Bauernschaft wurde in den unterdrückten Ländern zu einem natürlichen Verbündeten der Arbeiterklasse. „Mit der Hilfe des Proletariats der entwickelten Länder“, so Lenin „können die unterentwickelten Länder zu einer sowjetischen Organisation und über eine Reihe von Etappen sogar unter Umgehung des kapitalistischen Systems zum Kommunismus gelangen.“

Die permanente Revolution bedeutet für die Kolonien die Perspektive auf einen direkten Übergang aus den feudalen Verhältnissen und der imperialistischen Ausbeutung zum Kommunismus.

Die Rolle der Kommunisten

Die Diskussionen der Komintern erschöpften sich nicht in der theoretischen Debatte, sondern wurden stets mit praktischen Konsequenzen für die Aufbauarbeit verbunden. Die nationalen Befreiungsbewegungen boten für die Kommunisten in den Kolonien einen wichtigen Zugang zu den Massen, aber oft unterlagen sie nationalistischen Ideen, die den internationalen Klassenkampf den Interessen der eigenen Bourgeoisie unterordneten.

Das Ziel der Kommunisten musste darin bestehen, die fortschrittlichsten Teile der Bewegung für ein kommunistisches Programm zu gewinnen und ihre Illusionen in ihre nationalistischen Führer zu bekämpfen.

Der erste Schritt dahin war die Gründung kommunistischer Parteien in möglichst vielen Ländern. Neben den Thesen zur nationalen und kolonialen Frage verabschiedete der II. Weltkongress 21 Bedingungen zum Beitritt in die Komintern. Dadurch konnten die Komintern und ihre Sektionen auf die feste Grundlage des revolutionären Kommunismus gestellt werden und zu disziplinierten Kampforganisationen werden. Die Bedingungen umfassen neben der Herausgabe einer eigenen Zeitung und der Umbenennung in Kommunistische Partei vor allem die Anerkennung der politischen Autorität der Komintern und eine vollständige organisatorische und ideologische Unabhängigkeit von reformistischen und zentristischen Organisationen.

Vor diesem Hintergrund fand auch die Konferenz der Völker des Ostens in Baku statt, die im Anschluss an den II. Weltkongress auf Initiative der Komintern abgehalten wurde. Auf der Konferenz kamen knapp 1900 Delegierte verschiedener Organisationen aus dem Nahen und Fernen Osten zusammen, um die antikolonialen Kräfte zusammenzubringen und im Sinne der Komintern Perspektiven für die koloniale Befreiung zu diskutieren.

Die Stärkung der revolutionären Kräfte hatte für Lenin immer oberste Priorität. Das bedeutete aber nicht, die eigenen Kräfte einer Bewegung unterzuordnen, sondern die Führung unter den Massen zu erkämpfen und ihren Interessen im Kampf einen Ausdruck zu geben.

Den Befreiungsbewegungen fehlte unter ihrer kleinbürgerlichen Führung ein klares revolutionäres Programm, das nur durch eine starke unabhängige kommunistische Kraft vertreten werden konnte. In den Komintern Thesen heißt es: „Die Kommunistische Internationale muß ein zeitweiliges Bündnis mit der revolutionären Bewegung der Kolonien und der zurückgebliebenen Länder eingehen, darf sich aber nicht mit ihr verschmelzen, sondern muß unbedingt die Selbständigkeit der proletarischen Bewegung – sogar in ihrer Keimform – wahren.“

Nur, wenn die Kommunisten als immer vorantreibender Teil der Bewegung auftreten, die Verbindungen der nationalen Bourgeoisie mit den Imperialisten aufzeigen, und die Notwendigkeit der Sowjetmacht erklären, können sie die Massen gewinnen.

In einer Resolution zur Orientfrage vom IV. Weltkongress, die an den Diskussionen vom II. Kongress und der Bakukonferenz anknüpft, heißt es: „Die kommunistischen Parteien der kolonialen und halbkolonialen Länder haben eine doppelte Aufgabe: einerseits für eine möglichst radikale Lösung der Aufgaben einer bürgerlich-demokratischen Revolution zu kämpfen, die auf die Erlangung der politischen Unabhängigkeit abzielt, und andererseits die Arbeiter- und Bauernmassen im Kampf für ihre besonderen Klasseninteressen zu organisieren, wobei sie von allen Widersprüchen im nationalistischen bürgerlich-demokratischen Lager profitieren. Indem sie soziale Forderungen aufstellen, bieten die Kommunisten ein Ventil für die revolutionäre Energie, die in bürgerlich-liberalen Forderungen nicht zum Ausdruck kommen kann, und treiben ihre Entwicklung voran.“

Die Strategie der Komintern zielte immer darauf ab, die größtmögliche Einheit der Arbeiterklasse und der werktätigen Massen der ganzen Welt zu schaffen. Konsequenter Internationalismus anstelle eines engstirnigen Nationalismus und dadurch eine klare Abgrenzung zu den bürgerlichen Führern der nationalen Befreiungsbewegungen waren dafür essenziell und halfen der Komintern, mit großen Anstrengungen innerhalb der kolonialen Welt an Einfluss zu gewinnen.

Verratene Revolution

Die ersten vier Weltkongresse der Komintern waren Ausdruck des revolutionären Bolschewismus und standen im Geist der Oktoberrevolution. Doch die Niederlagen der Revolutionen, insb. in Deutschland, führten zur politischen Konterrevolution in der Sowjetunion. Mit dem Aufstieg des Stalinismus nach Lenins Tod veränderte sich die Situation, was sich auch in der Komintern niederschlug.

Der V. Weltkongress stellt einen klaren Bruch mit den ersten vier Kongressen dar. Unter dem Decknamen der „Bolschewisierung“ entstand in allen Kommunistischen Parteien ein Apparat, der unter die direkten Anweisungen des Kremls gestellt wurde.

Unter der Führung Stalins wurde die Weltrevolution zu Gunsten der „Theorie“ des „Sozialismus in einem Land“ aufgegeben. Die Komintern wurde zu einem außenpolitischen Werkzeug der Sowjetbürokratie und den nationalen Interessen der Stalin-Clique untergeordnet. Revolutionäre Erhebungen fürchtete die Bürokratie dabei noch mehr als den Imperialismus. Der Internationalismus bestand nur noch auf dem Papier. Schließlich löste Stalin die Komintern 1943 als Beschwichtigungsgeschenk an die Alliierten auf.

Diese Politik hatte verheerende Folgen für die Weltrevolution und die kolonialen Massen. Anstelle eines unabhängigen proletarischen Klassenstandpunkts und der Einheitsfront-Taktik mit den revolutionären nationalistischen Kräften wurden die Kommunistischen Parteien durch die stalinistische Komintern vollständig den bürgerlichen Kräften untergeordnet. Sie sollten „die fortschrittliche Bourgeoisie im Kampf gegen den Imperialismus unterstützen“. Das steht im krassen Gegensatz zu den Thesen des II. und IV. Weltkongress, die den reaktionären Charakter der Bourgeoisie immer klar hervorhoben.

In vielen Ländern führte das zur vollständigen Niederlage der kolonialen Revolution. In China (1925–28) und später in Indonesien (1945–48 und 1965–66), dem Irak (1958–63) und dem Sudan (1964–65 und 1969–71) führte die Kollaboration mit den bürgerlichen Kräften direkt in die Arme der Reaktion und endete in blutigen Massakern. In anderen Ländern wie Algerien (1954–62) standen die Kommunisten unter der Obhut kommunistischer Parteien in den Metropolen, die durch den Stalinismus einen nationalistisch-reformistischen Kurs eingeschlagen hatten. In Indien führte das so weit, dass sich die Kommunistische Partei im Zweiten Weltkrieg hinter die britische Kolonialmacht stellte.

Der Verrat des Stalinismus ist eine der größten Tragödien der kolonialen Völker. Er erstickte die kolonialen Revolutionen und trieb sie zurück in den festen Griff des Imperialismus.

In den Fußstapfen der Revolutionäre

Während die stalinistischen Kommunistischen Parteien wie schon die Führer der II. Internationale den Massen den Rücken zuwandten, haben die echten Kommunisten immer die Positionen Lenins und der ersten vier Kominternkongresse verteidigt.

Der britische Marxist Ted Grant und unsere Strömung trugen das wahre Banner des Bolschewismus, das durch Trotzki und die Linke Opposition bewahrt wurde, über die Nachkriegszeit in das 21. Jahrhundert weiter. Ted erkannte das gewaltige revolutionäre Potenzial, das sich hinter den kolonialen Befreiungsbewegungen verbarg und zeigte, dass nur der Kampf der Massen gegen den Imperialismus und die konterrevolutionäre Rolle des Stalinismus dieses Potenzial entfalten konnte und dass es dafür eine echte leninistische Führung brauchte.

Der Ausgang der kolonialen Revolutionen bestätigte Teds Perspektive. Nirgendwo zeigen sich Lenins Worte „Kapitalismus ist Horror ohne Ende“ heute so deutlich wie in der sogenannten Dritten Welt. Der Genozid in Palästina, die despotischen Regime im Nahen Osten, ethische Spaltungen im Sudan, Militärputsche in der Sahelzone, Kinderarbeit in den Kobaltminen des Kongos, Piraterie in Somalia, Rassismus in Südafrika oder der internationale Terrorismus: Überall herrscht Barbarei. Die koloniale Revolution hat den Ländern des Globalen Südens trotz formaler Unabhängigkeit keine Verbesserung gebracht und die neuen Großmächte spielen in Form der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds das gleiche alte Spiel wie im Zeitalter des Kolonialismus.

Die Thesen der Komintern und die Schriften von Ted Grant zur Kolonialen Revolution sollten von jedem Kommunisten gründlich studiert werden. Solange Unterdrückung existiert, kann die Menschheit nicht frei sein. Es ist unsere Aufgabe, die Tradition des Bolschewismus zu wahren und das Erbe Lenins, Trotzkis und Ted Grants fortzuführen.

Nur durch eine Revolutionäre Kommunistische Internationale kann die Weltrevolution siegen. Das Gespenst des Kommunismus geht nicht mehr nur in Europa um, sondern erstreckt sich über alle Kontinente der Welt. Wir müssen dieses Gespenst zum Leben erwecken und überall die revolutionären Kräfte in einer Weltpartei der Unterdrückten und Ausgebeuteten sammeln.

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