Die Welt steht Kopf – ein System in der Krise 

Wir leben in einer Periode scharfer Wendungen und plötzlicher Veränderungen der Weltlage. Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten und seine Politik haben eine enorme Instabilität in die Weltpolitik, die Weltwirtschaft und die Beziehungen zwischen den Weltmächten hineingetragen.

Trump hat dieses Chaos nicht verursacht. Es ist ein Ergebnis der Krise des Kapitalismus. Doch sein Handeln beschleunigt den Prozess erheblich. Widersprüche, die sich unter der Oberfläche seit langer Zeit zugespitzt hatten, sind auf einmal hervorgebrochen und haben die gesamte Situation aufgewühlt. Die sogenannte liberale Weltordnung, die über Jahrzehnte bestand, bricht nun unmittelbar vor unseren Augen zusammen.

Wenn wir die Weltlage untersuchen, müssen wir bei den Grundlagen beginnen. Der Kapitalismus ist ein System, das seine historische Funktion längst überlebt hat. In der Epoche seines Verfalls erzeugt er Kriege, Krisen und Umweltzerstörung, was auf lange Sicht das Fortbestehen des Lebens auf unserem Planeten gefährdet. Dieses Dokument soll die Hauptmerkmale dieser Krise umreißen und die Notwendigkeit betonen, eine revolutionäre Organisation aufzubauen, die den Kapitalismus stürzen kann. Nur so lässt sich sicherstellen, dass die Menschheit eine Zukunft hat.

In letzter Instanz ist die Ursache der Krise, dass das kapitalistische System unfähig ist, die Produktivkräfte weiterzuentwickeln. Die Wirtschaft wird in die Grenzen des Nationalstaates und des Privateigentums an den Produktionsmitteln eingezwängt. Jahrzehntelang haben die Kapitalisten verschiedene Methoden eingesetzt, um zu versuchen, diese Beschränkungen zu überwinden. Sie haben die Liquidität ausgeweitet, den Welthandel entwickelt usw. All diese Maßnahmen verwandeln sich jetzt in ihr Gegenteil.

Die Wahl von Donald Trump

Die Wahl von Donald Trump im November 2024 stellte einen entscheidenden politischen Wandel dar. Sie drückt die Legitimationskrise der bürgerlichen Demokratie aus, die es nicht nur in den USA, sondern in allen Ländern gibt. Trotz gewaltiger Anstrengungen der Hauptfraktion der herrschenden Klasse und des Establishments der USA, seinen Sieg zu verhindern, sicherte sich Trump einen deutlichen Sieg.

Dieses Wahlergebnis wurde weithin, vor allem von liberalen Kommentatoren, von den Mainstreammedien und von Teilen der „Linken“ als Indiz für einen allgemeinen Rechtsruck interpretiert, der sich in den USA und weltweit vollziehe.

Solche „Erklärungen“ sind oberflächlich und irreführend. Sie laden außerdem zu außerordentlich gefährlichen Schlussfolgerungen ein. Als wären Joe Biden und die Demokraten irgendwie fortschrittlicher oder „demokratischer“. Solche Behauptungen sind mit den Tatsachen völlig unvereinbar.

Die Biden-Regierung war absolut reaktionär. Das zeigte sich vor allem an der Außenpolitik. Vergessen wir nicht, dass „Genocide Joe“ Netanjahu einen Blankoscheck zum Abschlachten der Palästinenser in Gaza ausstellte. Er führte zudem eine Kampagne brutaler Repression gegen Studierende und andere, die es wagten, sich dieser reaktionären Politik zu widersetzen.

Ähnlich war es im Fall der Ukraine, wo er für die absichtliche Provokation eines Konflikts verantwortlich war, der zu einem blutigen Gemetzel geführt hat. Er versorgte das reaktionäre Regime in Kiew mit Bargeld und Militärhilfen im Umfang von Milliarden Dollar und betrieb eine Politik der Provokation gegenüber Russland, die die USA an den Rand eines Dritten Weltkriegs brachte.

Im Wahlkampf positionierte sich Trump als „Friedenskandidat“ im Gegensatz zur Kriegstreiberpolitik der Biden-Clique. Diese Unterscheidung war vor allem in Wahlsprengeln mit großer muslimischer oder arabischer Bevölkerung bedeutsam.

Es gehört zwar auch eine Schicht reaktionärer Elemente zu Trumps Unterstützerbasis, aber das allein kann das Ausmaß seines Erfolgs nicht erklären – seine Unterstützung ist in jeder demographischen Kategorie angestiegen, sogar unter schwarzen und Latino-Arbeitern. In einigen Staaten, wo Trump gute Ergebnisse hatte oder seine letzten Ergebnisse verbesserte, unterstützten die Wähler gleichzeitig fortschrittliche Abstimmungsinitiativen, wie etwa Maßnahmen zum Schutz des Abtreibungsrechts oder zur Erhöhung des Mindestlohns.

Der Hauptfaktor hinter Trumps Sieg ist seine Fähigkeit, eine weit verbreitete und tief verwurzelte, die amerikanische Gesellschaft durchziehende Wut auf das Establishment zu erfühlen, auszudrücken und zu mobilisieren.

Ein schlagendes Beispiel dafür ist die Reaktion der Öffentlichkeit auf die Ermordung des CEOs von United Healthcare durch Luigi Mangione. Die Tat selbst war schockierend, doch die Reaktion der Öffentlichkeit, die sich eher hinter den Täter als hinter sein Opfer stellte, war noch bezeichnender. Mangione ist für viele zu einer Art Volksheld geworden – und das nicht nur unter Linken, sondern auch unter einigen Konservativen und Wählern der Republikaner, auch Unterstützern von Trump.

Das ist eine paradoxe Situation. Obwohl Trump selbst Milliardär ist und sich mit seinesgleichen umgibt, hat er sich erfolgreich als Stimme der Wut auf das Establishment positioniert. Dieser Widerspruch unterstreicht die unklare und verzerrte aktuelle politische Stimmung. Die Situation drückt aber dennoch aus, dass es real eine weit verbreitete Unzufrieden­heit mit den etablierten Institutionen gibt: Mit Big-Business, mit den politischen Eliten und mit dem ganzen Staatsapparat.

Die tiefere Ursache dieser Wut auf das Establishment ist die Krise des Kapitalismus. Sie hat seit der Krise von 2008 enorme Ausmaße angenommen, von der sich das System bis heute nicht vollständig erholt hat. Die Unterstützung für die bürgerliche Demokratie in den hochentwickelten kapitalistischen Ländern stützte sich jahrzehntelang auf die Vorstellung, dass der Kapitalismus zumindest einige Grundbedürfnisse der Arbeiterklasse (Gesundheitsversorgung, Bildung, Renten …) befriedigen könne – und auf der Erwartung, dass sich der Lebensstandard jeder Generation, wenn auch nur geringfügig, im Vergleich zur vorangegangenen Generation verbessern würde. 

Das ist nicht länger der Fall. 1970 verdienten in den USA 90 % der 30-Jährigen mehr als ihre Eltern im selben Alter verdient hatten. 2010 war dieser Anteil um die Hälfte gesunken. 2017 gingen nur noch 37 % der Amerikaner davon aus, ihre Kinder würden ein besseres Leben haben als sie selbst.

Laut dem Bureau of Labor Statistics sind die Reallöhne amerikanischer Arbeiter seit 1980 entweder gleich geblieben oder gesunken, während Jobs ins Ausland exportiert wurden. Das Economic Policy Institute berichtet, dass die Einkommen mittlerer und armer Haushalte seit den späten 1970er Jahren nicht gestiegen sind, die Lebenshaltungskosten aber schon.

Gleichzeitig gibt es eine enorme Ungleichverteilung des Reichtums. Auf einer Seite vergrößern ein paar Milliardäre ihr Vermögen. Auf der anderen Seite wird es für immer mehr arbeitende Menschen immer schwieriger, zurechtzukommen. Sie sind mit Sparmaßnahmen, Kaufkraftverlust durch Inflation, steigenden Energiekosten, mangelndem Wohnraum usw. konfrontiert.

Die Medien, die Politiker, die etablierten politischen Parteien, Parlamente, die Justiz – all das gilt jetzt zurecht als Ausdruck der Interessen einer kleinen, privilegierten Elite, die Entscheidungen trifft, um ihre eigenen, engen, egoistischen Interessen zu verteidigen, anstatt den Bedürfnissen der Vielen zu dienen.

Auf die Krise von 2008 folgten brutale Sparmaßnahmen in allen Ländern. Alle Errungenschaften der Vergangenheit wurden angegriffen. Der Lebensstandard der Massen ging zugrunde, während die Banken gerettet wurden. Das führte zu enormer Wut, zu Massenprotestbewegungen und vor allem zu einer beispiellosen Legitimationskrise aller bürgerlichen Institutionen.

Zunächst drückte sich diese Stimmung links aus: In den Massenbewegungen gegen die Sparpolitik ab etwa 2011. Es gab einen Aufschwung linker Anti-Establishment-Figuren in Europa und den USA: Podemos, Syriza, Jeremy Corbyn, Bernie Sanders und weitere. Doch jede dieser Bewegungen verriet am Ende die Erwartungen, mit denen sie begonnen hatte. Die Grenzen der reformistischen Politik ihrer Führer wurden offenbar.

Das elende Scheitern dieser Linken bereitete reaktionären Demagogen wie Trump den Weg.

In den meisten fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern spielt sich der gleiche Prozess ab: Die Krise des Kapitalismus, Angriffe auf die Arbeiterklasse, Bankrott der Linken und Aufstieg rechter Demagogen, die sich auf eine Anti-Establishment-Stimmung stützen.

Drohen Faschismus oder Bonapartismus?

Schon bevor Trump gewählt wurde, wurde er in den bürgerlichen Medien und in der Linken mit einer lärmenden Kampagne als Faschist denunziert.

Der Marxismus ist eine Wissenschaft. Wie alle Wissenschaften hat er eine entsprechende Terminologie. Wörter wie „Faschismus“ haben für uns bestimmte Bedeutungen. Es sind nicht bloße Schimpfwörter oder Etiketten, die man praktischerweise jeder Person aufkleben kann, die nicht unsere Zustimmung findet.

Beginnen wir mit einer präzisen Definition des Faschismus. Im marxistischen Sinn ist der Faschismus eine konterrevolutionäre Bewegung – eine Massenbewegung, die sich vor allem aus dem Lumpenproletariat und dem wütenden Kleinbürgertum zusammensetzt. Sie dient als Rammbock, um die Arbeiterklasse zu zerschlagen und zu atomisieren und einen totalitären Staat zu errichten, indem die Bourgeoisie die Staatsmacht einer faschistischen Bürokratie übergibt. 

Die Hauptmerkmale eines faschistischen Staates sind extreme Zentralisierung und eine absolute Staatsmacht. In einem solchen Staat sind die Banken und großen Monopole zwar geschützt, aber starker zentraler Kontrolle durch eine mächtige faschistische Bürokratie unterworfen. Im Porträt des Nationalsozialismus erklärt Trotzki:

„Der deutsche wie der italienische Faschismus stiegen zur Macht über den Rücken des Kleinbürgertums, das sie zu einem Rammbock gegen die Arbeiterklasse und die Einrichtungen der Demokratie zusammenpressten. Aber der Faschismus, einmal an der Macht, ist alles andere als eine Regierung des Kleinbürgertums. Im Gegenteil: Er ist die grausamste Diktatur des Monopolkapitals.“

Das sind im Wesentlichen die Haupteigenschaften des Faschismus. Wie verhält sich das zur Ideologie und dem Inhalt des Trump-Phänomens? Es hat schon eine Trump-Regierung gegeben. Wir haben nicht die Erfahrung gemacht, dass sie die Demokratie abschaffte – trotz entsprechender Warnungen der Demokraten und des übrigen liberalen Establishments.

Es wurde nichts Bedeutendes unternommen, um das Streik- und Versammlungsrecht zu beschränken. Erst recht wurden die Gewerkschaften nicht abgeschafft. Es gab Wahlen wie immer. Trotz einigen Getöses wurde Trump schließlich von Joe Biden in einer Wahl abgelöst. Man kann über die Trump-Regierung sagen, was man will. Mit Faschismus hatte sie nichts zu tun.

Des Weiteren hat sich das Kräfteverhältnis der Klassen seit den 1930ern entscheidend verändert. In den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern wurde die Bauernschaft, die einst ein Großteil der Bevölkerung war, auf eine winzige Anzahl reduziert. Berufe, die früher zur „Mittelschicht“ gehörten (Beamte, Ärzte, Lehrer) wurden proletarisiert. Jetzt sind sie gewerkschaftlich organisiert und streiken. Das soziale Gewicht der Arbeiterklasse wurde durch die Entwicklung der Produktivkräfte während des Nachkriegsaufschwungs enorm vergrößert.

Insofern der Trumpismus überhaupt eine Ideologie hat, hat sie mit dem Faschismus sehr wenig zu tun. Trump will alles andere als einen starken Staat. Sein Ideal ist eine freie Marktwirtschaft, in der der Staat keine oder kaum eine Rolle spielt (mit protektionistischen Zöllen als Ausnahme).

Andere haben behauptet, das Trump-Regime sei bonapartistisch. Hier geht es wieder darum, Trump als Diktator darzustellen, der sich auf dem Weg befindet, die Arbeiterklasse zu zerschlagen. Aber solche Etiketten erklären nichts. In Wirklichkeit hat Trump überhaupt nicht vor, die Arbeiterklasse zu zerschlagen, sondern wendet sich demagogisch an sie und versucht sie ruhigzustellen. Als bürgerlicher Politiker vertritt er natürlich Interessen, die denen der Arbeiterklasse diametral entgegenstehen. Aber das macht ihn nicht zu einem Diktator.

Es gibt in der gegenwärtigen Situation dieses oder jenes Element, das man bonapartistisch nennen könnte. Aber das gilt für so gut wie jedes bürgerlich-demokratische Regime der letzten Zeit.

Bloß weil einige Elemente eines Phänomens da sind, heißt das noch nicht, dass es selbst auch schon da ist. Natürlich kann man sagen, dass es im Trumpismus bonapartistische Elemente gibt. Das ist aber überhaupt nicht das gleiche, als würde der Bonapartismus in den USA wirklich existieren.

Das Problem ist, dass „Bonapartismus“ ein sehr elastischer Begriff ist. Er deckt einen Haufen Dinge ab. Der klassische Bonapartismusbegriff – die Herrschaft des Schwerts – ist dabei nur der Anfang. Es bringt nichts, die gegenwärtige Trump-Regierung in Washington so zu beschreiben. Trotz aller Eigentümlichkeiten ist das eine bürgerliche Demokratie. Uns geht es nicht darum, den Dingen Etiketten aufzukleben, sondern den Prozess in seiner Entfaltung nachzuvollziehen und das Wesentliche daran zu erfassen.

Tektonische Plattenverschiebungen in den Weltbeziehungen

Trumps Außenpolitik stellt eine kolossale Wende in den internationalen Beziehungen dar. Sie ist das Ende der liberalen Weltordnung, die nach dem Zweiten Weltkrieg für 80 Jahre existierte. Sie ist eine Anerkennung des relativen Niedergangs des US-Imperialismus und des Bestehens konkurrierender imperialistischer Mächte – Russlands und insbesondere Chinas, des Hauptrivalen des US-Imperialismus in der Welt.

Die USA gingen deutlich gestärkt aus dem Zweiten Weltkrieg hervor. Europa und Japan waren durch den Krieg ruiniert. Amerika produzierte 50% des weltweiten BIP und 60% der Industrieproduktion. Sein einziger ernsthafter Rivale auf der Weltbühne war die Sowjetunion, die ebenfalls gestärkt aus dem Krieg hervorging, nachdem sie Nazideutschland besiegt und tief in den Kontinent eingedrungen war.

Die chinesische Revolution stärkte den stalinistischen Block weiter. Die USA bauten Westeuropa und Japan wieder auf, um den „Vormarsch des Kommunismus“ einzugrenzen. Die Sowjetbürokratie hatte kein Interesse an der Weltrevolution und war absolut bereit, ein Auskommen mit Washington zu finden. Diese Politik nannte sie „friedliche Koexistenz“.

So kam es zum relativen Gleichgewicht zwischen den Nuklearmächten USA und UdSSR, das als kalter Krieg bezeichnet wurde. Gestützt auf die Weltherrschaft der USA wurden eine Reihe formell multilateraler Institutionen eingerichtet, um die internationalen Beziehungen zu regeln (die UNO) und die Weltwirtschaft zu verwalten (der Internationale Währungsfonds IWF und die Weltbank, die auf der Bretton-Woods-Konferenz gegründet wurden). Dieses Gleichgewicht wurde weiter gestützt vom Wirtschaftsaufschwung der Nachkriegszeit. Das war eine Periode außerordentlichen Wachstums der Produktivkräfte und des Weltmarkts.

Diese Periode dauerte an bis zum Untergang des Stalinismus 1989-1991 und der Wiederherstellung des Kapitalismus in Russland und China. So kam es zu einer weiteren bedeutenden Wende in der Weltsituation. Die Vereinigten Staaten wurden zur herrschenden imperialistischen Macht, die von niemandem mehr herausgefordert wurde.

Der imperialistische Krieg gegen den Irak 1991 wurde mit dem Segen der UNO durchgeführt. Russland stimmte dafür und China enthielt sich lediglich. Es schien keine Opposition zur Herrschaft des US-Imperialismus zu geben. Aus ökonomischer Sicht trieb Washington die Globalisierung und den „Neoliberalismus“ an: Also die weitere Integration des Weltmarktes unter Herrschaft des US-Imperialismus sowie den Abbau des Staates.

Diese Zeit der unbeschränkten Herrschaft des US-Imperialismus erodierte langsam über die letzten 35 Jahre. Jetzt hat sich eine völlig neue Situation ergeben. 

Ihre extreme Arroganz brachte die USA dazu, im Irak und in Afghanistan einzumarschieren. Doch dort begann die Geschichte, ihren Lauf umzukehren. Die Amerikaner wurden für 15 Jahre in diese ungewinnbaren Kriege verstrickt. Das verursachte ihnen hohe Materialkosten und große Personalverluste. Im August 2021 wurden sie zu einem demütigenden Rückzug aus Afghanistan gezwungen.

Nach diesen Erfahrungen hatte die US-Öffentlichkeit keine Lust mehr auf weitere Militärabenteuer. Auch ihre herrschende Klasse wurde sehr vorsichtig mit weiteren Truppenverlegungen ins Ausland. Neue regionale und Weltmächte stiegen auf und das relative globale Kräfteverhältnis verschob sich. Der US-Imperialismus lernte nichts aus diesen Erfahrungen. Er weigerte sich, das neue Kräfteverhältnis anzuerkennen, versuchte stattdessen, seine Herrschaft zu verteidigen und verstrickte sich so in eine ganze Reihe von Konflikten, die er nicht gewinnen konnte.

Eine multipolare Welt?  

Die Weltlage ist geprägt von einer enormen Instabilität der internationalen Beziehungen. Das ergibt sich aus dem Kampf der USA – der mächtigsten imperialistischen Weltmacht, die sich in relativem Niedergang befindet – und China, einer jüngeren, dynamischeren, aufsteigenden imperialistischen Macht – um die Weltherrschaft. Wir sind Zeugen einer gewaltigen Wende. Sie ist vergleichbar mit der Verschiebung der tektonischen Platten in der Erdkruste. Solche Bewegungen werden von Explosionen aller Art begleitet. Der Krieg in der Ukraine – wo den USA und der NATO eine demütigende Niederlage bevorsteht – und der Konflikt im Nahen Osten sind Ausdruck dieser Tatsache.

Trumps Herangehensweise an die internationalen Beziehungen stellt einen Versuch dar, anzuerkennen, dass die USA nicht der einzige Weltpolizist sein können. Aus seiner Perspektive und der seiner engen Mitarbeiter ist der Versuch der USA, ihre Hegemonie und Herrschaft aufrechtzuerhalten, äußerst kostspielig, unpraktisch und schädlich für ihre nationalen Kerninteressen.

Natürlich bleiben die USA trotzdem eine imperialistische Macht und natürlich ist Trumps Politik nicht im Interesse der unterdrückten Völker auf der Welt. Etwas anderes zu behaupten, wäre absolut falsch. Trumps Außenpolitik bedeutet einfach eine scharfe Differenzierung dar: Was kann man wirklich zu den Kern-Sicherheitsinteressen der USA zählen und was nicht? – beginnend in Nordamerika.

Wenn Trump sagt, dass Amerika die Kontrolle über den Panamakanal und Grönland braucht, spricht er aus, was der US-Imperialismus braucht. Der Panamakanal ist eine entscheidende Handelsroute, die den Pazifik mit dem Golf von Mexiko verbindet. 40% des Containerverkehrs der USA gehen durch diesen Kanal.

Auch Grönland hatte immer eine wichtige geostrategische Lage. Deshalb haben die USA dort auch schon einen Militärstützpunkt. Die globale Erwärmung hat zu einem Anstieg des Handelsverkehrs zwischen dem Pazifik und dem Atlantik über die Arktis geführt. Weniger Polareis bedeutet einfacheren Zugang zum Meeresboden, unter dem es gewaltige Reserven seltener Erden gibt. Die Insel selbst hat ebenfalls wichtige Vorkommen entscheidender Mineralien (seltene Erden, Uran) sowie Öl- und Gasvorkommen. Auch diese sind durch die globale Erwärmung zugänglicher geworden. Die USA konkurrieren mit China und Russland um die Kontrolle über diese Handelsrouten und Rohstoffe.

Trumps Außenpolitik stützt sich auf eine Anerkennung der Begrenzungen der US-amerikanischen Macht. Deshalb versucht er, Amerika durch Deals aus einer Reihe teurer Konflikte (Ukraine, Naher Osten) herauszuziehen, um seine Macht wieder aufzubauen und sich auf seinen Hauptrivalen China zu konzentrieren.

In der ganzen Periode seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs – vielleicht auch schon davor – hielt der US-Imperialismus die Fassade aufrecht, er handle im Namen der Menschenrechte, er verbreite die Demokratie und die „regelbasierte Ordnung“, er verteidige „das heilige Prinzip der Unverletzlichkeit der Staatsgrenzen“ und dergleichen.

Sie handelten durch „multilaterale“ internationale Institutionen, die scheinbar neutral waren und in denen alle Länder etwas zu sagen hatten: Die UNO, die Welthandelsorganisation, der IWF und so weiter. Das war in Wirklichkeit nur ein Feigenblatt. Es war von Anfang an eine Farce. Diese Institutionen hatten die Wahl, die Interessen der USA auszudrücken oder von den USA ignoriert zu werden. Der Unterschied ist jetzt nur, dass Trump dieses Schauspiel völlig egal ist. Er scheint entschlossen zu sein, das ganze Regelwerk zu zerreißen und die Dinge eher so auszusprechen, wie sie wirklich sind.

Man hat verschiedentlich behauptet, dass eine multipolare Welt verglichen mit der unbeschränkten Macht der USA etwas Progressives wäre, das unterdrückten Ländern mehr Souveränität ermöglichen würde, und dass man deshalb für dieses Ideal kämpfen solle. Jetzt können wir schon erahnen, wie eine „multipolare“ Welt aussehen würde: Imperialistische Mächte teilen sich die Welt in Einflusssphären auf und zwingen die Länder, sich der einen oder anderen Seite zu unterwerfen.

Der relative Niedergang der US-Imperialismus

Wir müssen betonen, dass wir mit dem Niedergang des US-Imperialismus einen relativen Niedergang meinen. Es ist ein Niedergang gegenüber seiner früheren Position im Verhältnis zu seinen Konkurrenten. In jeder Hinsicht bleiben die USA die mächtigste und reaktionärste Kraft der Welt.

1985 machten die USA 36 % des weltweiten BIP aus. Jetzt sind es nur noch 26 % (2024). In der gleichen Zeit ist der Anteil Chinas von 2,5 % auf 18,5 % gestiegen. Japan erreichte 1995 mit 18 % seinen Höchstwert und ist jetzt nur noch bei 5,2 %.

Die USA dominieren die Weltwirtschaft weiterhin durch ihre Kontrolle über die Finanzmärkte. Ganze 58 % der weltweiten Währungsreserven werden in US-Dollar gehalten (während es beim chinesischen Renminbi nur 2 % sind) – auch wenn dieser Wert seit 2001 (damals 73 %) gesunken ist. 58 % der weltweiten Exporte werden außerdem in Dollar bezahlt. Betrachtet man den Nettoabfluss ausländischer Direktinvestitionen (als Indikator für den Kapitalexport), liegen die USA mit 454 Billionen US-Dollar weltweit an der Spitze, während China (inklusive Hongkong) mit 287 Billionen US-Dollar an zweiter Stelle folgt.

Das ökonomische Gewicht eines Landes gibt ihm weltweit Macht. Aber dazu gehört auch militärische Macht. Die Rüstungsausgaben der USA machen 40 % der gesamten Rüstungsausgaben auf der Welt aus. Die chinesischen machen 12 % und die russischen 4,5 % aus. Die US geben dafür mehr Geld aus als die nächsten 10 Länder zusammen.

Und doch können die USA nicht länger von sich behaupten, der unbestrittene Alleinherrscher der Welt zu sein. Die gewaltige Wirtschaftsmacht Chinas und, in weiterer Folge, dessen militärische Fortschritte, sowie die militärische Überlegenheit, die Russland auf den Schlachtfeldern in der Ukraine unter Beweis gestellt hat, bedeuten eine enorme Herausforderung für die USA. Von allen Seiten werden die Schranken der globalen Macht Amerikas erbarmungslos bloßgelegt.

Dieser relative Niedergang manifestiert sich ökonomisch darin, dass das Kapital teilweise aus dem Dollar, aus US-Staatsanleihen und amerikanischen Aktien flieht. Die US-Monopole sehen sich stärkerer Konkurrenz seitens internationaler Rivalen wie China ausgesetzt. Deshalb gelten ihre Aktien nicht länger als so sicher wie früher. Der Schuldenberg der USA wächst und die US-Regierung verschuldet sich weiter. Folglich sind auch die US-Staatsanleihen (also Titel auf US-Staatsschulden) nicht mehr so sicher wie früher. All das führt zu einer Schwächung des Dollars – trotz der US-Zölle – und seiner Vorherrschaft im weltweiten Finanzsystem.

Es handelt sich um eine „Marktkorrektur“, durch die der Preis der amerikanischen Währung, Vermögenswerte und Anleihen in Einklang mit der Tatsache gebracht wird, dass die reale ökonomische Position des US-Kapitalismus in Wirklichkeit geschwächt ist. Dennoch gibt es – wie im Falle der US-Militärmacht und der früheren Rolle Amerikas als Weltpolizist – keine tragfähige Alternative zum Dollar im Welt­handel und in der globalen Finanzarchitektur. Daher die wachsende Unruhe der bürgerlichen Strategen: Bricht das Vertrauen in den Dollar zusammen, wären die Folgen für das Weltfinanzsystem und die Weltwirtschaft chaotisch. 

Auch auf diese Weise werden der relative Niedergang des US-Kapitalismus und die entstehende „Multipolarität“ zu wachsender Unsicherheit und Instabilität auf der ganzen Welt beitragen. Alle Säulen der Nachkriegsordnung werden nacheinander ausgehöhlt und untergraben – mit explosiven Folgen, wirtschaftlich, militärisch und politisch.

Russlands militärisches Gewicht

Russland ist zwar kein wirtschaftlicher Koloss wie China, aber es hat eine solide wirtschaftliche und technologische Basis. Damit konnte es der beispiellosen wirtschaftlichen Aggression erfolgreich standhalten, die der Westen unter dem Banner der „Sanktionen“ gegen es verübt hat. Und das, während es einen Krieg geführt hat, in dem es all die Waffensysteme besiegt hat, die der westliche Imperialismus ihm entgegengeschleudert hat. Es hat eine starke Armee aufgebaut, die den vereinten Kräften der europäischen Länder ebenbürtig ist; es hat eine gewaltige Rüstungsindustrie aufgebaut, die sowohl die USA als auch Europa in der Produktion von Panzern, Artillerie, Munition, Raketen und Drohnen übertrifft; und es besitzt das größte nukleare Waffenarsenal der Welt, das ihm die UdSSR hinterlassen hat.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der darauffolgenden Ausplünderung der Planwirtschaft spielte die russische herrschende Klasse mit dem Gedanken, von den anderen Staaten als gleichberechtigter Partner akzeptiert zu werden. Sie wollten sogar der NATO beitreten. Das wurde jedoch abgelehnt. Die USA wollten die uneingeschränkte und vollständige Weltherrschaft ausüben und sahen keinen Grund, die Macht mit einem schwachen, krisengeschüttelten Russland zu teilen.

Die Erniedrigung Russlands wurde deutlich sichtbar, als zuerst Deutschland und die USA die reaktionäre Zerstückelung Jugoslawiens – traditionell in der russischen Einflusssphäre – in die Wege leiteten, und dann durch die Bombardierung Serbiens 1999. Jelzin, ein trunksüchtiger Clown und eine Marionette des US-Imperialismus, verkörperte dieses Verhältnis der Unterordnung.

Doch je mehr sich Russland von seiner Wirtschaftskrise erholte, desto weniger waren seine herrschenden Kreise bereit, ihre Erniedrigung auf der Weltbühne hinzunehmen. Das war die Ursache für den Aufstieg Putins, des gerissenen Bonapartisten, der sich mit allerlei Manövern die Macht erschlich.

Russland begann, sich der NATO-Osterweiterung zu widersetzen, die einen Bruch aller Versprechen darstellte, die man den Russen 1990 gemacht hatte: Im Gegenzug für ihre Zustimmung zur Einheit Deutschlands sollte die NATO darauf verzichten, sich nach Osten auszudehnen.

 2008 führte Russland einen kurzen und effektiven Krieg gegen Georgien und zerstörte die Armee dieses Landes, die von der NATO ausgebildet und ausgerüstet worden war. Das war Russlands erster Warnschuss: Es würde die Vorstöße des Westens nicht länger akzeptieren. Dann kamen Syrien und die Ukraine. In jedem dieser Länder wurde das Kräfteverhältnis zwischen Russland und dem US-Imperialismus auf die Probe gestellt. Der relative Niedergang des US-Imperialismus zeigte sich zudem erneut beim demütigenden Rückzug aus Afghanistan im August 2021.

Die russische Invasion in der Ukraine war die logische Folge der Weigerung des Westens, Russlands nationale Sicherheitsinteressen anzuerkennen – konkret in der Forderung nach der Neutralität der Ukraine und einem Ende der NATO-Osterweiterung. Wenn Donald Trump behauptet, dieser Krieg sei unnötig gewesen und hätte unter seiner Präsidentschaft niemals stattgefunden, hat er wohl recht. Dem US-Imperialismus und seinen europäischen Verbündeten war vollkommen klar, dass eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine aus russischer Sicht eine rote Linie darstellte. Dennoch beschlossen sie 2008, die Ukraine zur Bewerbung um die NATO-Mitgliedschaft einzuladen. Das war eine offenkundige Provokation, die zwangsläufig die schwerwiegendsten Folgen nach sich ziehen musste. Dieser fatale Schritt führte schließlich zum Krieg.

 Der Westen bestand darauf, die Ukraine hätte ein „Recht, der NATO beizutreten“, obwohl es Übereinkommen über deren Neutralität, das Verbot ausländischer Militärbasen auf ihrem Territorium und ihre Nichtteilnahme an Militärbündnissen gab. Das stand sogar in ihrer Unabhängigkeitserklärung. CIA-Chef William J. Burns warnte wiederholt davor. Doch Joe Biden und die Kriegstreiberbande, die seine Außenpolitik bestimmte, waren anderer Meinung.

Biden glaubte, er könne die Ukraine als Kanonenfutter verwenden, um Russland zu schwächen und dessen globale Position zurechtzustutzen. Russland, einem Rivalen des US-Imperialismus, konnte nicht erlaubt werden, die globale Hegemonie der USA in Frage zu stellen. Im März 2022 verstieg sich der arrogant-aufgeblasene Biden sogar dazu, einen Regimewechsel in Moskau vorzuschlagen! Gemeinsam mit den Europäern war er überzeugt, dass wirtschaftliche Sanktionen und militärische Erschöpfung Russland zum Zusammenbruch treiben würden. Sie unterschätzten dabei jedoch gravierend das Ausmaß der wirtschaftlichen und militärischen Stärke Russlands. Folglich hat sich der US-Imperialismus in einen ungewinnbaren Krieg verstrickt, der für seine finanziellen und militärischen Ressourcen eine gewaltige Belastung bedeutet.

Trump besteht jetzt darauf, an dem Desaster nicht schuld zu sein. Er sagt: „Das ist nicht mein Krieg. Das ist Joe Bidens Krieg.“ Das stimmt auch. Die Strategen des Kapitals sind absolut fähig, sich zu verrechnen und Fehler zu machen. Das ist ein Beispiel dafür. Wenn Trump sagt, dass der Krieg in der Ukraine den „Kerninteressen“ Amerikas nicht entspricht, hat er recht. Amerika hat mit Chinas wachsender Macht in Asien und dem Pazifik ein viel größeres Problem; ebenso hat es Probleme im Nahen Osten und eine Wirtschaftskrise. Deswegen hat es Trump so eilig damit, den US-Imperialismus aus dem tückischen Sumpf der Ukraine herauszuziehen. Doch die Probleme, die Biden und seine europäischen Schergen angerichtet haben, lassen sich nicht so leicht lösen.

Die Herrschaften, die in Washington, London, Paris und Berlin den Ton angeben, haben jeden Versuch, eine friedliche Lösung zu finden, systematisch sabotiert. Im April 2022 waren die Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland in der Türkei schon recht weit fortgeschritten und hätten zu einem Ende des Krieges führen können, wenn die Ukraine eine Reihe russischer Forderungen akzeptiert hätte. In der Person Boris Johnsons vereitelte der westliche Imperialismus diese Verhandlungen, indem er Selenskyj unter Druck setzte, nicht zu unterschreiben, und unbegrenzte Unterstützung zusicherte, die einen vollständigen Sieg der Ukraine ermöglichen sollte.

Heute steht den USA in der Ukraine eine demütigende Niederlage bevor. Die Sanktionen haben ihr Ziel verfehlt. Russlands Wirtschaft ist keineswegs zusammengebrochen, vielmehr hat es stabile und höhere Wachstumsraten genossen als der Westen. Es wurde keineswegs isoliert, sondern hat jetzt engere wirtschaftliche Beziehungen zu China und einer Reihe von Schlüsselländern, die eigentlich zur US-Einflusssphäre gehören sollten. Länder wie Indien, Saudi-Arabien, die Türkei und weitere haben ihnen geholfen, die Sanktionen zu umgehen.

Ihre Gegnerschaft zur US-Weltherrschaft macht China und Russland jetzt zu viel engeren Verbündeten. Um sie schart sich noch eine ganze Reihe weiterer Länder. Wenn die Niederlage der USA in der Ukraine schlussendlich verwirklicht wird, werden die Konsequenzen für die internationalen Beziehungen gewaltig und von Dauer sein. In der ganzen Welt wird der US-Imperialismus weiter geschwächt werden.

Die Niederlage von USA und NATO in der Ukraine wird ein mächtiges Signal sein. Die stärkste imperialistische Macht der Welt kann ihren Willen nicht immer durchsetzen. Russland wird mit einer gewaltigen Armee daraus hervorgehen, die in den neuesten Methoden und Techniken der Kriegsführung erprobt ist, und über einen mächtigen militärisch-industriellen Komplex verfügen.

Trumps Politik stellt hier eine scharfe Kehrtwende gegenüber der bisherigen Politik des US-Imperialismus dar. Er hat erkannt, dass der Krieg gegen Russland nicht gewonnen werden kann und versucht einen Rückzug der USA zu erreichen. Er spekuliert außerdem darauf, dass ein Deal mit Russland, bei dem auf dessen (also des russischen Imperialismus) nationale Sicherheitsinteressen eingegangen wird, dessen enges Bündnis mit China (dem Hauptrivalen des US-Imperialismus) unterlaufen könnte. Diese Spekulation wird wahrscheinlich nicht aufgehen. Während der drei Kriegsjahre hat der Westen Russland zu eng an China gebunden, um diesen Prozess nun einfach rückgängig zu machen. Die jüngsten Äußerungen und Handlungen sowohl der russischen als auch der chinesischen Regierung zeigen, dass beide Seiten ihre Annäherung als strategisch betrachten.

Chinas Aufstieg als imperialistische Macht

In der modernen Geschichte ist Chinas rasante Verwandlung von extremer ökonomischer Rückständigkeit zu einer mächtigen kapitalistischen Macht nahezu einmalig. In erstaunlich kurzer Zeit ist das Land so weit aufgestiegen, dass es den mächtigen US-Imperialismus herausfordern kann.

China hat heute absolut nichts mehr mit dem schwachen, halbfeudalen und halbkolonialen, unterdrückten Land gemeinsam, das es 1938 war. Gegenwärtig ist China tatsächlich nicht nur ein kapitalistisches, sondern ein ausgewachsenes imperialistisches Land.

Man kann diese Transformation nicht verstehen, ohne die entscheidende Rolle der chinesischen Revolution 1949 zu verstehen, die das Grundeigentum und den Kapitalismus abgeschafft und die Grundlage für eine staatliche Planwirtschaft geschaffen hat. Das war die Vorbedingung, um China von einem rückständigen, halbkolonialen Land zu dem zu machen, was es jetzt ist: Ein wirtschaftlicher Gigant.

Es betrat erst spät die internationale Arena. Daher musste es um Rohstoff- und Energiequellen für seine Industrie kämpfen, um Investitionsfelder für sein Kapital, um Handelsrouten für Importe und Exporte und um Märkte für seine Produkte. Auf all diesen Gebieten hat es bemerkenswerte Erfolge erzielt. 

Der dreißigjährige Aufstieg Chinas war das Ergebnis massiver Investitionen in die Produktionsmittel und die Orientierung auf die Weltmärkte. Anfänglich nutzte es seine gewaltigen Reserven an billiger Arbeitskraft, um Güter wie Textilien oder Spielzeuge auf dem Weltmarkt zu exportieren.

Es ist jetzt eine technologisch hochentwickelte kapitalistische Wirtschaft und nimmt in einer Reihe von High-Tech-Märkten (Elektrofahrzeuge und Batterien für Elektrofahrzeuge, Photovoltaik-Zellen, Wirkstoffe für Antibiotika, kommerzielle Drohnen, Infrastruktur für 5G-Mobilfunkkommunikation, Kernkraftwerke usw.) eine weltweit führende Position ein – nicht nur hinsichtlich des Handelsvolumens, sondern auch der Innovationen. 

China ist auch weltweit führend auf dem Gebiet der Robotik. Es steht mit 470 Robotern pro 10.000 Produktionsarbeitern auf Platz 3 der Länder mit der höchsten Dichte an Industrierobotern, und das bei einer Industriearbeiterschaft, die über 37 Millionen umfasst. Nur Südkorea (1012) und Singapur (770) stehen noch darüber, während China höher steht als Deutschland (429) und Japan (419) – und deutlich höher als die USA (295). Das sind Zahlen für 2023 und wahrscheinlich hat sich Chinas Position auf dieser Rangliste seitdem noch verbessert. 2023 wurden 51 % aller neuen Industrieroboter in China installiert.

Beim Export von Kapital liegt China weltweit an zweiter Stelle, nur hinter den USA. Im Jahr 2023 entfielen 32,8 % der globalen Auslandsdirektinvestitionen (FDI) auf die USA, während China und Hongkong zusammen 20,1 % ausmachten. Beim gesamten Bestand an akkumulierten FDI hielt die USA 15,1 % des Weltvolumens, während China und Hongkong auf 11,3 % kamen.

Durch die Art und Weise, wie der Kapitalismus in China wiederhergestellt wurde, spielt der Staat eine wichtige Rolle in der Wirtschaft. Er verfolgt eine bewusste Politik zur Förderung und Finanzierung technologischer Entwicklung. „Made in China 2025“ zielte darauf ab, in Schlüsselbranchen einen großen Sprung nach vorn zu erreichen und das Land unabhängig vom Westen zu machen. Die Ausgaben Chinas für Forschung und Entwicklung sind deutlich gestiegen und liegen inzwischen fast auf dem Niveau der USA.

Dieser Erfolg ging wiederum mit wachsenden Widersprüchen und Konflikten mit anderen kapitalistischen Ländern einher und führte schließlich zum gegenwärtigen Handelskrieg mit den USA.

Nach dem Untergang der Sowjetunion und der Öffnung neuer Märkte durch die Politik der Globalisierung betrachteten die westlichen Ökonomen und Investoren das Wachstum der kapitalistischen Wirtschaft in China zunächst als goldene Gelegenheit.

Westliche Investoren überschlugen sich in ihrem Eifer, Fabriken in China zu errichten, wo ihnen eine scheinbar unerschöpfliche Reserve billiger Arbeitskräfte zur Verfügung stand. Zwischen 1997 und 2019 entfielen 36 % des weltweiten Kapitalstockwachstums auf China. Die Durchdringung Chinas durch US-Kapital war so groß, dass beide Volkswirtschaften zeitweise untrennbar miteinander verbunden schienen.

Mehrere Jahrzehnte lang war das Wachstum Chinas entscheidend für die Entwicklung der Weltwirtschaft. 2008 hofften die westlichen Bourgeois sogar, China werde die Weltwirtschaft aus der Rezession ziehen. Wie wir allerdings schon damals aufzeigten, ging das mit einem ernsthaften und bedrohlichen Nachteil für sie einher.

Diese Fabriken mit ihrer modernen Technologie mussten zwangsläufig gewaltige Mengen billiger Waren produzieren, die dann exportiert werden mussten. In China selbst gab es nicht ausreichend Nachfrage dafür. Das hat schließlich zu enormen Problemen für die Vereinigten Staaten und andere westliche Volkswirtschaften geführt.

Alles hat sich in sein Gegenteil verwandelt. Immer dringlicher stellte sich die Frage: Wer hilft hier wem? Westliche Investoren machten zwar große Profite, aber China erhielt fortgeschrittene Produktionskapazitäten, technologisches Know-How, Infrastruktur und eine ausgebildete Arbeiterschaft. Das wurde vor allem in den USA immer mehr als Bedrohung wahrgenommen.

China ist inzwischen ein unersetzlicher Zulieferer für die globale Industrie – sowohl bei fertigen Konsumgütern wie iPhones als auch bei wichtigen Investitionsgütern und Bauteilen. China ist der Hauptlieferant für 36 % der US-Importe und deckt bei diesen Produkten mehr als 70 % des US-Bedarfs.

China ist zum systemischen globalen Rivalen der USA geworden. Das ist die wahre Bedeutung von Trumps Handelskrieg gegen dieses Land. Es ist ein Kampf zwischen zwei imperialistischen Mächten, um ihr Kräfteverhältnis auf dem Weltmarkt festzulegen.

Dazu war Washington jedes Mittel recht. Der Verkauf der fortschrittlichsten Mikrochips an China wurde untersagt, ebenso der Export modernster Lithografie­maschinen. Zudem wurde Unternehmen wie Huawei in mehreren Ländern verboten, sich an Ausschreibungen für 5G-Infrastruktur zu beteiligen, und so weiter.

Doch die Versuche der USA, Chinas Fortschritte im Bereich Spitzentechnologie zu blockieren, hatten den gegenteiligen Effekt. Als Reaktion darauf hat China seinen Kurs auf technologische Eigenständigkeit beschleunigt. Zwar gibt es weiterhin Engpässe – etwa, weil China keinen Zugang zu den modernsten EUV-Lithografie­maschinen hat, die für die Herstellung der fortschrittlichsten Mikroprozessoren benötigt werden –, doch China hat mit Einfallsreichtum teilweise alternative Lösungen gefunden. 

Es stimmt, dass es in der chinesischen Wirtschaft trotz ihres Fortschritts große Widersprüche gibt. Durch die Entwicklung der Wissenschaft, Industrie und Technologie ist in China die Arbeitsproduktivität gestiegen. In Europa stagniert sie seit langem. In den USA ist sie in den letzten Jahren nur schwach gestiegen. Doch die chinesische Arbeitsproduktivität bleibt immer noch weit hinter der der USA zurück. Dieser Abstand wird sich so schnell nicht schließen.

Man kann durchaus auch davon ausgehen, dass die beispiellosen Wachstumsraten, die China in den vergangenen Jahrzehnten erzielt hat, sich nicht halten werden lassen. Tatsächlich hat die Verlangsamung bereits eingesetzt. In den 1990er Jahren wuchs China jährlich um atemberaubende 9 %, mit Höchstwerten von 14 %. 2012 bis 2019 erreichte es zwischen 6 % und 7 %. Jetzt befindet es sich bei etwa 5 %. Allerdings wächst die chinesische Wirtschaft als Ganzes immer noch schneller als die fortgeschrittenen kapitalistischen Länder des Westens.

Nachdem China jetzt ein kapitalistisches Land geworden und obendrein tief in den Weltmarkt integriert ist, muss es sich natürlich früher oder später auch den Problemen stellen, die damit einhergehen. Es gibt dort schon regionale Missverhältnisse in der wirtschaftlichen Entwicklung und eine enorme Einkommensungleichheit. Unter den Wanderarbeitern und Jugendlichen steigt die Arbeitslosigkeit.

Gewaltige Konjunkturpakete, keynesianische Maßnahmen, haben das Schuldenvolumen vergrößert. 2000 machte die Staatsverschuldung noch 23 % des BIP aus; 2024 sind es 60,5 %. Das ist ein beträchtlicher Anstieg, aber der Wert ist immer noch geringer als in den meisten fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern. Das Gesamtschuldenvolumen (des Staates, der Unternehmen und Haushalte) hat jedoch 300 % des BIP erreicht. 

Der Aufstieg des Protektionismus und die Verlangsamung des Welthandels werden China mit Sicherheit treffen. Es wird diese Krise nur überwinden können, indem es seine Überproduktion noch angestrengter auf dem Weltmarkt ablädt. Das wird die weltweiten Spannungen noch verschärfen und wiederum die Gesamtkrise des Systems vertiefen.

In diesem titanischen Ringen zwischen zwei Wirtschaftsriesen stellt sich die Frage ganz direkt: Wer gewinnt? Die westliche Presse ist voller Pessimismus und finsterer Warnungen über die Zukunft der chinesischen Wirtschaft.

Die westliche Presse versucht unablässig, die chinesische Wirtschaft in den schwärzesten Farben zu malen. Das tut sie auch mit der russischen Wirtschaft, die allerdings ebenfalls noch ein gesundes jährliches Wachstum von 4-5 % aufweist. Das weist kaum auf eine Wirtschaft hin, die vor dem Zusammenbruch steht.

China ist sicher nicht immun gegen Krisen. Es hat allerdings beträchtliche Reserven, um dieser Herausforderung zu begegnen und sie mit viel weniger Schaden zu überstehen, als man in der westlichen Presse oft vermutet. Man darf vor allem nicht vergessen, dass China zwar ein kapitalistisches Land ist, aber trotzdem einige Besonderheiten hat.

Seine Wirtschaft hat tatsächlich noch beträchtliche Elemente staatlicher Kontrolle, Intervention und Planung. Das kommt ihm, verglichen mit Ländern wie den USA, sehr zugute.

In jedem Konflikt mit fremden imperialistischen Mächten können ebenso wichtige politische, kulturelle und psychologische Faktoren eine entscheidende Rolle spielen. Mit Erbitterung erinnert sich das chinesische Volk seiner langen Unterdrückung, Ausbeutung und Erniedrigung durch den Imperialismus. 

So sehr es auch seine eigene herrschende Klasse hassen mag – der Hass auf ausländische Imperialisten ist weit größer und kann für das Regime in seiner Auseinandersetzung mit den USA als gewaltige Stütze dienen.

Die herrschenden Kreise der USA schauen mit wachsender Panik auf den Aufstieg Chinas. Sie führen sich jetzt ziemlich kriegerisch auf. Das merkt man einerseits an Trumps drastischen Zoll­erhöhungen und andererseits an ständigen Provokationen im Zusammenhang mit Taiwan.

Die Kriegstreiber in Washington werfen China ständig vor, eine Invasion jener Insel zu planen, die die Chinesen als abtrünnig betrachten und für einen rechtmäßigen Teil ihres Staatsgebiets halten.

Doch die herrschenden Kreise Chinas werden von Menschen angeführt, die längst gelernt haben, in der Diplomatie geduldig zu sein. Sie müssen nicht in Taiwan einmarschieren. Sie wissen: Früher oder später wird es mit dem Festland wiedervereinigt. Sie haben jahrzehntelang gewartet, bis sie die Kontrolle über Hong Kong wieder von den Briten zurückerhalten konnten. Sie sehen keinen Grund, übereilt nach einer militärischen Lösung zu suchen.

Nur eine schwere Fehleinschätzung der Kriegstreiber in Washington oder eine übereilte Unabhängigkeitserklärung taiwanesischer Nationalisten könnte sie dazu provozieren, militärische Maßnahmen zu ergreifen. In diesem Fall hätte Peking alle Trümpfe in der Hand.

Es ist ausgeschlossen, dass Taiwan sich gegen die Übermacht der chinesischen Armee und Marine länger halten könnte. Diese sind nur wenige Kilometer entfernt stationiert, während die USA eine große Streitmacht über einen ganzen Ozean hinweg in schwierige und gefährliche Bedingungen schicken müssten.

Es weist jedenfalls nichts darauf hin, dass Donald Trump von sich aus einen militärischen Konflikt mit China anstrebt. Er zieht andere Methoden vor – erdrückende Sanktionen und höhere Zölle, um China zur Unterwerfung zu zwingen. Doch China will sich nicht unterwerfen – weder in einem Wirtschaftskrieg, noch in einem wirklichen Militärkonflikt.

Bis vor Kurzem übte China seine Macht hauptsächlich mit ökonomischen Mitteln aus, doch es rüstet auch militärisch auf. Vor Kurzem kündigte es eine Erhöhung der Militärausgaben um 7,2 % an. Es besitzt bereits ein gewaltiges und starkes Heer und baut sich jetzt eine ebenso mächtige und moderne Marine auf, um auf hoher See seine Interessen zu verteidigen.

Ein kürzlich erschienener Artikel der BBC behauptet, dass China jetzt die größte Marine der Welt hat und die USA übertrifft. Es stimmt auch nicht, dass die Technologie und Ausrüstung seiner Streitkräfte veraltet wäre. Dieser Artikel behauptet:

„Laut dem US-Verteidigungsministerium konzentriert sich China mittlerweile vollständig auf die Entwicklung einer ‚intelligenten Kriegsführung‘, also zukünftiger militärischer Verfahren, die auf disruptiven Technologien beruhen – insbesondere der künstlichen Intelligenz.“

Er fügt hinzu: 

„Die Akademie der Militärwissenschaften Chinas hat den Auftrag erhalten, dies durch die sogenannte ‚zivil-militärische Fusion‘ sicherzustellen – also durch die Vernetzung chinesischer Technologieunternehmen aus dem privaten Sektor mit der Rüstungsindustrie des Landes. Berichten zufolge setzt China bereits künstliche Intelligenz in militärischen Robotik- und Raketenleitsystemen sowie bei unbemannten Luft- und Seefahrzeugen ein.“

Außerdem hat China eines der aktivsten Raumfahrtprogramme der Welt. Zu seinen ambitionierten Plänen gehören der Bau einer Raumstation auf dem Mond und ein Besuch auf dem Mars. Diese Pläne sind nicht nur an sich wissenschaftlich wertvoll, sondern offensichtlich auch mit einem höchst ehrgeizigen Aufrüstungsprogramm verknüpft.

Die Entwicklung der Produktivkräfte in China ist jetzt eine vollendete Tatsache. Sie ist unbestreitbar. Das ist vom Standpunkt der Weltrevolution auch durchaus nichts negatives. Es hat eine gewaltige Arbeiterklasse hervorgebracht, die über lange Zeit an eine ständige Verbesserung ihres Lebensstandards gewöhnt wurde. Es ist eine junge, frische Arbeiterklasse, unbefleckt von Niederlagen, ungebunden an reformistische Organisationen.

„China ist ein schlafender Drache. Lasst China schlafen, denn wenn es erwacht, wird es die Welt erschüttern“ – so ein Ausspruch, der oft Napoleon zugeschrieben wird. Ob er das tatsächlich gesagt hat oder nicht, ist letztlich egal: Für das mächtige chinesische Proletariat trifft er in der Gegenwart auf jeden Fall zu. Der Moment der Wahrheit mag sich noch eine Weile hinauszögern. Doch wenn diese gewaltige Kraft erst einmal in Bewegung gerät, wird sie eine Erschütterung von seismischem Ausmaß auslösen.

Balancieren zwischen den Mächten

Der relative Niedergang des US-Imperialismus und der Aufstieg Chinas haben eine Situation erzeugt, in der einige Länder beide gegeneinander ausspielen und so eine gewisse Autonomie erreichen können, um zumindest auf regionaler Ebene ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Dazu gehören Länder wie die Türkei, Saudi-Arabien, Indien und andere in unterschiedlichem Ausmaß.

Der Aufstieg der BRICS, die 2009 formal gegründet wurden, drückt einen Versuch Chinas und Russlands aus, ihre internationale Position zu stärken, ihre Wirtschaftsinteressen zu schützen und eine ganze Reihe von Ländern in ihrer Einflusssphäre zu binden. 

Die Einführung umfassender Sanktionen des US-Imperialismus gegen Russland hat diesen Prozess beschleunigt. Russland hat sich, um damit zurecht zu kommen, mit anderen Ländern zusammengetan, darunter Saudi-Arabien, Indien, China und viele weitere. 

Anstatt die Macht der USA zu demonstrieren, enthüllte das Scheitern der Sanktionen die Begrenztheit ihrer Fähigkeit, ihren Willen durchzusetzen. So begann eine Reihe von Ländern, Alternativen zur US-Herrschaft über das Finanzsystem in Erwägung zu ziehen. Neue Länder haben sich um Mitgliedschaft in den BRICS beworben oder haben Einladungen erhalten, beizutreten.

Man braucht hier aber einen Sinn für Proportionen. So wichtig diese Veränderungen auch sein mögen – die BRICS sind von mannigfaltigen Widersprüchen durchzogen. Brasilien etwa gehört sowohl zu den BRICS als auch zu Mercosur, dem südamerikanischen Freihandelsblock, der aktuell über ein Freihandelsabkommen mit der EU verhandelt.

Indien ist auch Mitglied, will aber nur ungern weitere Länder aufnehmen, um sein eigenes Gewicht im Bündnis nicht zu schmälern. Es hat auch eine „strategische Partnerschaft“ mit den USA; es gehört zum sicherheits- und militärpolitisch ausgerichteten Quad-Bündnis mit den USA, Japan und Australien; und seine Marine macht regelmäßig Militärübungen mit den USA.

Das Wichtige daran ist, dass ein Land wie Indien, als US-Verbündeter und Rivale Chinas, Russland entscheidend dabei unterstützt hat, die US-Sanktionen zu umgehen. Indien kauft russisches Öl zu Dumpingpreisen und verkauft es in Form weiterverarbeiteter Produkte weiter nach Europa. Die USA haben noch keine Maßnahmen dagegen ergriffen.

Bis jetzt sind die BRICS nur eine lose Gruppe von Ländern. Das imperialistische Mobbing seitens der USA treibt ihre Rivalen dazu, immer enger zusammenzurücken und andere einzuladen, es ihnen gleichzutun. 

Die Krise in Europa

Während die USA also global einen relativen Niedergang ihrer Macht und ihres Einflusses erleben, sind die alten imperialistischen Mächte Europas – Großbritannien, Frankreich, Deutschland und die anderen – seit den Zeiten ihres früheren Ruhms noch weitaus tiefer gefallen und auf den Status zweitrangiger Weltmächte abgesunken. Bemerkenswert ist dabei, dass Europa als imperialistischer Block im letzten Jahrzehnt besonders geschwächt wurde. So hat etwa eine Serie von Militärputschen Frankreich aus Zentralafrika und der Sahelzone verdrängt – größtenteils zugunsten Russlands.

Die europäischen Mächte folgten dem US-Imperialismus in den Stellvertreterkrieg gegen Russland. Das hatte katastrophale Konsequenzen für ihre Wirtschaft. Seit dem Zusammenbruch des Stalinismus 1989-1991 hatte Deutschlands Politik darin bestanden, seinen Einfluss nach Osten auszudehnen und enge wirtschaftliche Verbindungen zu Russland aufzubauen. Die deutsche Industrie profitierte von billiger russischer Energie. Bis zum Ukrainekrieg kamen mehr als die Hälfte des deutschen Erdgases, ein Drittel seines Öls und die Hälfte seiner Kohleimporte aus Russland.

Das war einer der Gründe für den weltweiten Erfolg der deutschen Industrie. Die anderen zwei Gründe waren die Deregulierung des Arbeitsmarkts (durchgeführt von sozialdemokratischen Regierungen) und die Investitionen in die Industrie in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Die Dominanz der deutschen herrschenden Klasse in der Europäischen Union sowie der Freihandel mit China und den USA ergaben zusammen einen Kreislauf, der es Deutschland ermöglichte, aus der Krise von 2008 scheinbar unbeschadet hervorzugehen.

Die ganze EU befand sich in einer ähnlichen Lage. Russland war zuvor der größte Lieferant von Erdöl (24,8 %), Pipelinegas (48 %) und Kohle (47,9 %) gewesen. Die Sanktionen der EU gegen Russland nach dem Ukrainekrieg führten zu viel höheren Energiepreisen mit Dominoeffekt: Inflation und schwindende Konkurrenzfähigkeit europäischer Exporte. Am Ende musste Europa viel teureres Flüssiggas (LNG) aus den USA und überteuerte russische Mineralölprodukte über Indien importieren. 

Tatsächlich kommt ein Großteil der deutschen Gasimporte immer noch aus Russland, aber jetzt zu viel höheren Preisen in Form von LNG. Die deutsche, französische und italienische herrschende Klasse haben sich selbst ein Bein gestellt und zahlen jetzt den Preis dafür. Schon unter Biden zeigten sich die USA ihren europäischen Verbündeten erkenntlich, indem sie einen Handelskrieg gegen sie führten – mit einer ganzen Reihe protektionistischer Maßnahmen und Industriesubventionen.

Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und später die Europäische Union stellten den Versuch der geschwächten imperialistischen Mächte des Kontinents dar, sich nach dem Zweiten Weltkrieg zusammenzuschließen, um sich in der Weltpolitik und der Weltwirtschaft größeres Gewicht zu verschaffen. In der Praxis dominierte das deutsche Kapital die anderen, schwächeren Volkswirtschaften. Es gab Wirtschaftswachstum, einen gewissen Grad an wirtschaftlicher Integration und am Ende sogar eine gemeinsame Währung.

Doch die herrschenden Klassen der verschiedenen Länder, aus denen die EU besteht, existieren weiterhin. Jede hat ihre eigenen Einzelinteressen. Trotz aller Rhetorik gibt es weder eine gemeinsame Wirtschaftspolitik, noch eine einheitliche Außenpolitik oder eine gemeinsame Armee, um eine solche durchzusetzen. Während das deutsche Kapital sich auf wettbewerbsfähige Industrieexporte stützte und seine Interessen im Osten lagen, zieht Frankreich große Summen an Agrarsubventionen aus der EU und seine imperialistischen Interessen konzentrieren sich auf die ehemaligen französischen Kolonien, hauptsächlich in Afrika.

Durch die Staatsschuldenkrise nach der Rezession von 2008 wurde die EU bis zum Zerreißen angespannt. Die Lage hat sich seither weiter verschärft. Der aktuelle Bericht des ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi beschreibt die Krise des europäischen Kapitalismus mit alarmierenden Worten und hat ganz Recht damit. Im Kern liegt der Grund für die mangelnde Konkurrenzfähigkeit der EU gegenüber ihren imperialistischen Rivalen darin, dass sie tatsächlich keine wirtschaftlich-politische Einheit, sondern einfach eine Sammlung einiger kleiner und mittlerer Volkswirtschaften ist, die jeweils eine eigene herrschende Klasse, eine eigene nationale Industrie, ihre eigenen Regelwerke usw. haben. Europas Wirtschaft ist sklerotisch und wurde im Produktivitätswachstum von ihren Rivalen längst überholt.

Die Produktivkräfte sind über den Nationalstaat hinausgewachsen. Dieses Problem ist in den kleinen, aber hochentwickelten europäischen Volkswirtschaften besonders ausgeprägt.

Der lang andauernde Niedergang der europäischen imperialistischen Mächte wurde dadurch verdeckt, dass die USA deren Verteidigung finanzierten und die EU politisch unterstützten. 80 Jahre lang wurde Europa vom US-Imperialismus unter seiner Vorherrschaft gestützt – als Bollwerk gegen die Sowjetunion. Für den europäischen Kapitalismus war das äußerst vorteilhaft, da er einen beträchtlichen Teil seiner Verteidigungskosten an seinen mächtigen Cousin jenseits des Atlantiks auslagern konnte.

 Damit ist jetzt Schluss. Unter Trump hat der US-Imperialismus beschlossen, mit seinem relativen Niedergang umzugehen, indem er versucht, ein Übereinkommen mit Russland zu finden, um sich besser auf seinen Hauptrivalen konzentrieren zu können: China. Das Zentrum der Weltpolitik und -wirtschaft ist nicht länger der Atlantik, sondern der Pazifik. Diese Verschiebung deutete sich seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs schon an, aber jetzt ist sie explosiv schlagend geworden.

Diese brutale Erschütterung der internationalen Beziehungen kann niemand ignorieren. Wenn die USA jetzt ein Übereinkommen mit Russland anstreben, ist der europäische Imperialismus in einer äußerst schwachen Position. Die USA sind nicht mehr sein Freund und Verbündeter. Es ist sogar schon behauptet worden, dass Washington Europa jetzt als Rivalen oder Feind betrachtet.

Trump hat mindestens klargemacht, dass die USA nicht länger bereit sind, die Verteidigung Europas zu subventionieren. Der Abzug des US-Schutzschirms, wie es einige genannt haben, hat in grelles Licht gerückt, wie sich die Schwächen des europäischen Imperialismus über Jahre angestaut haben.

Die Krise des europäischen Kapitalismus hat entscheidende politische und soziale Implikationen. Der Aufstieg rechtspopulistischer, euroskeptischer, Anti-Establishment Kräfte auf dem Kontinent ergibt sich direkt daraus. Die europäische Arbeiterklasse wird nicht kampflos akzeptieren, dass es eine weitere Runde von Sparmaßnahmen und Massenentlassungen gibt, denn ihre Kräfte sind großteils intakt und unbesiegt. Die Bühne ist bereitet für eine Explosion des Klassenkampfes.

Der Krieg im Nahen Osten

Der gegenwärtige Konflikt im Nahen Osten lässt sich nur vor dem Hintergrund der Weltlage begreifen. Der US-Imperialismus war im Nahen Osten geschwächt worden – Russland, China und der Iran wurden gestärkt. Israel fühlte sich bedroht. Der Angriff vom 7. Oktober war für die herrschende Klasse Israels ein schwerer Schlag. Er zerstörte den Mythos von der Unbesiegbarkeit des zionistischen Staates und stellte seine Fähigkeit in Frage, seine jüdischen Bürger zu schützen. Das aber war die Hauptfrage, die von der herrschenden Klasse Israels genutzt wurde, um die Bevölkerung hinter sich zu vereinen.

Damit wurde auch das Scheitern der Oslo-Abkommen, die im Zuge des Zusammenbruchs des Stalinismus unterzeichnet wurden, deutlich sichtbar. Das Ganze war von Anfang bis Ende ein zynischer Betrug. Die zionistische herrschende Klasse hatte nie wirklich vor, den Palästinensern ein lebensfähiges Heimatland zuzugestehen. Sie betrachtete die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) lediglich als Mittel, die Kontrolle und Überwachung der Palästinenser auszulagern. Das diskreditierte die Fatah und die PA, die völlig zurecht als bloße Marionetten Israels betrachtet wurden, und führte mit Billigung Israels zum Aufstieg der Hamas, die von vielen als einzige Kraft angesehen wurde, die weiterhin für die nationalen Rechte der Palästinenser kämpfte.

Doch in Wirklichkeit führten die reaktionären Methoden der Hamas die Palästinenser in eine Sackgasse, aus der kaum ein Ausweg zu sehen ist.

Die Abraham-Abkommen, die 2020 unter dem Druck der ersten Trump-Regierung unterzeichnet wurden, sollten Israels Stellung als legitimer Akteur in der Region festigen und die Handelsbeziehungen zwischen Israel und den arabischen Staaten normalisieren. Das hätte das Ende der nationalen Bestrebungen der Palästinenser bedeutet, was die reaktionären arabischen Regime nur zu gerne akzeptierten. Der Angriff vom 7. Oktober war eine verzweifelte Antwort darauf.

Die Palästinenser reagierten zunächst begeistert auf diesen Angriff, aber er hatte fürchterliche Konsequenzen. Netanjahu erhielt dadurch eine perfekte Ausrede, einen genozidalen Feldzug gegen Gaza zu beginnen, nachdem es für lange Zeit Massenproteste gegen ihn gegeben hatte. Ein Jahr später hatte Israel Gaza zu einem rauchenden Trümmerhaufen gemacht, aber seine erklärten Ziele nicht erreicht: Die Freilassung der Geiseln und die Zerstörung der Hamas. Das führte zu Massendemonstrationen, an denen sich Hunderttausende Israelis beteiligten, und sogar zu einem kurzen Generalstreik im September 2024. 

Diese Demonstrationen waren nicht durch die Unterstützung der palästinensischen Sache charakterisiert, auch nicht durch eine Opposition gegen den Krieg an sich. Trotzdem ist die Tatsache, dass es mitten im Krieg einen solchen Massenwiderstand gegen den Premierminister gab, bezeichnend für die Tiefe der Spaltungen in der israelischen Gesellschaft.

Weil seine Unterstützung zusammenbrach, war Netanjahu gezwungen, die Situation zu eskalieren, indem er im Libanon einmarschierte und die Hisbollah angriff, während er ständig den Iran provozierte. Er hat wiederholt gezeigt, dass er bereit ist, einen Regionalkrieg zu entfesseln und so die USA zu zwingen, direkt an seiner Seite zu intervenieren, um sich politisch zu retten.

Trotz der Gefahr, dass das Massaker in Gaza zur revolutionären Destabilisierung der reaktionären arabischen Regime (in Saudi-Arabien, Ägypten und vor allem in Jordanien) führen könnte, stellte Biden klar, dass seine Unterstützung für Israel „felsenfest“ sei. Netanjahu löste diesen Blankoscheck immer wieder ein und eskalierte zielstrebig weiter in Richtung eines regionalen Krieges. Neben dem genozidalen Massaker in Gaza startete er eine Bodenoffensive im Libanon, Luftangriffe gegen den Iran, Jemen und Syrien sowie anschließend eine Bodenoffensive in Syrien.

Der plötzliche und unerwartete Zusammenbruch des Assad-Regimes in Syrien hat das Kräfteverhältnis erneut verändert. Die Türkei ist im Kontext der Weltwirtschaft nur eine kleine kapitalistische Macht, aber regional hat sie große Ziele. Erdogan hat den Konflikt zwischen dem US-Imperialismus und Russland ziemlich geschickt für sich genutzt.

Da Erdogan spürte, dass der Iran und Russland – mit denen er 2016 in Syrien einen Deal geschlossen hatte – anderweitig gebunden waren (Russland in der Ukraine, Iran im Libanon), entschied er sich, die Offensive der HTS-Dschihadisten aus Idlib zu unterstützen. Völlig überraschend führte das zum vollständigen Zusammenbruch des Regimes. Das Ausmaß, in dem es bereits durch Wirtschaftssanktionen, Korruption und Sektierertum ausgehöhlt war, war viel größer, als irgendjemand vermutet hatte. Die derzeitige Aufteilung Syriens ist die Fortsetzung von mehr als hundert Jahren imperialistischer Einmischung, die bis zum Sykes-Picot-Abkommen zurückreicht.

Es kann im Nahen Osten keinen Frieden geben, ehe die nationale Frage in Palästina gelöst ist. Das ist im Kapitalismus aber unmöglich. Die Interessen der zionistischen herrschenden Klasse in Israel (hinter der die stärkste imperialistische Macht der Welt steht) erlauben nicht, dass es ein wirkliches Heimatland für die Palästinenser gibt – und erst recht nicht, dass Millionen Flüchtlinge nach Palästina zurückkommen können.

Aus einer rein militärischen Perspektive können die Palästinenser Israel nicht besiegen. Es ist eine moderne imperialistische Macht mit höchstentwickelter Militärtechnologie. Sein Geheimdienst hat keine Konkurrenz. Der ganze US-Imperialismus steht hinter ihm.

Welche Mittel stehen den Palästinensern also sonst zur Verfügung? Auch den reaktionären arabischen Regimes können sie nicht vertrauen. Diese leisten Lippenbekenntnisse für die Sache der Palästinenser, haben sie aber immer verraten und mit Israel und dem Imperialismus zusammengearbeitet.

Nur auf den arabischen Straßen findet man die wirklichen Freunde der Palästinenser – die unterdrückten Massen der Arbeiter, Bauern, Kleinhändler und Armen in Stadt und Land. Doch ihre unmittelbare Aufgabe ist es, mit ihren eigenen reaktionären Herrschern abzurechnen. Das setzt die Frage der Abschaffung des Kapitalismus durch die Enteignung der Landbesitzer, Banker und Kapitalisten auf die Tagesordnung. Das ist notwendig, damit die Revolution in Nordafrika und im Nahen Osten Erfolg hat. 

Es gibt in der Region eine mächtige Arbeiterklasse, vor allem in Ägypten und der Türkei, aber auch in Saudi-Arabien, den Golfstaaten und Jordanien. Wenn ein erfolgreicher Aufstand in einem beliebigen dieser Länder die Arbeiterklasse an die Macht brächte, würde sich das Kräfteverhältnis verändern. Es würde die Bedingungen für die Befreiung der Palästinenser verbessern und den Weg zu einem revolutionären Krieg gegen Israel eröffnen, was die logische Konsequenz der ganzen Situation wäre.

Der Staat Israel und seine reaktionäre herrschende Klasse können nur besiegt werden, wenn seine Bevölkerung entlang von Klassenlinien gespalten wird. Eine klassenmäßige Spaltung Israels sieht derzeit wie eine ferne Perspektive aus. Doch der ständige Krieg und die Konflikte können schließlich dazu führen, dass ein Teil der israelischen Massen den Schluss zieht, dass nur eine gerechte Lösung der nationalen Frage in Palästina den Frieden bringen kann.

Ohne die Perspektive einer revolutionären sozialistischen Veränderung der Gesellschaft, werden die endlosen Kriege, geführt von reaktionären Regierungen als Marionetten der imperialistischen Mächte, zu gar nichts führen. Unter der Herrschaft des Imperialismus sind vorübergehende Waffenstillstände und Friedensabkommen nur die Vorbereitung des nächsten Krieges. Doch die allgemeine Instabilität, die sowohl Ursache als auch Folge der Kriege ist, wird auch die Bedingungen für eine revolutionäre Bewegung in der kommenden Periode schaffen.

Die palästinensische Revolution wird entweder als sozialistische Revolution und als Teil eines allgemeinen Aufstandes der Masse der armen Arbeiter und Bauern gegen die reaktionären Regime der Region triumphieren oder gar nicht. Die Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas besitzen gewaltige ungenutzte Ressourcen, die eine florierende und wohlhabende Gesellschaft gewährleisten könnten. Stattdessen ist die gesamte Geschichte des Nahen Ostens und Nordafrikas nach der sogenannten Unabhängigkeit von der direkten imperialistischen Herrschaft für die Mehrheit der Bevölkerung nichts als ein Albtraum gewesen. Die Bourgeoisie hat sich als unfähig erwiesen, auch nur eines der grundlegenden Probleme zu lösen.

Die Stalinisten haben eine höchst verhängnisvolle Rolle gespielt, indem sie sich auf die falsche Theorie der „zwei Etappen“ stützen, die künstlich die proletarische Revolution von der sogenannten bürgerlich-demokratischen Revolution abtrennt. Diese reaktionäre Theorie hat zu einer Katastrophe nach der anderen geführt und die Bedingungen für den Aufstieg reaktionärer und unterdrückerischer Diktaturen sowie für den Irrsinn des religiösen Fundamentalismus in einem Land nach dem anderen geschaffen. Nur eine siegreiche sozialistische Revolution kann diesen Albtraum beenden.

Nur eine sozialistische Föderation kann die nationale Frage ein- für allemal lösen. Alle Völker, Palästinenser, israelische Juden, aber auch Kurden, Armenier und alle anderen, könnten in einer solchen sozialistischen Föderation in Frieden leben. Das ökonomische Potential der Region könnte mit einem gemeinsamen sozialistischen Produktionsplan voll ausgenutzt werden. Arbeitslosigkeit und Armut wären Vergangenheit. Erst auf dieser Grundlage könnten die alten nationalen und religiösen Feindseligkeiten überwunden werden – sie wären nur noch wie die Erinnerung an einen Albtraum.

Das ist die einzige Hoffnung für die Völker des Nahen Ostens.

Wettrüsten und Militarismus

Signifikante Änderungen im relativen Kräfteverhältnis zwischen den verschiedenen imperialistischen Mächten wurden in der Geschichte normalerweise durch Krieg ausgetragen, insbesondere durch die beiden Weltkriege im 20. Jahrhundert. Heute ist durch die Existenz von Nuklearwaffen ein offener Weltkrieg in der kommenden Periode ausgeschlossen.

Die Kapitalisten ziehen in den Krieg, um sich Märkte, Investitionsfelder und Einflussgebiete zu sichern. Ein Weltkrieg würde heute zur kompletten Zerstörung von Infrastruktur und Leben führen, wovon keine Macht profitieren würde. Es bräuchte einen verrückten bonapartistischen Herrscher über eine Nuklearmacht, damit ein Weltkrieg passieren könnte. Das wiederum wäre nur möglich, wenn die Arbeiterklasse entscheidende Niederlagen einfahren würde. Vor dieser Perspektive stehen wir nicht.

Trotzdem wird die Weltsituation vom Konflikt zwischen den imperialistischen Mächten bestimmt, der sich im Kampf um die Neuaufteilung der Welt ausdrückt. Das zeigt sich in mehreren regionalen Kriegen, die massive Zerstörungen verursachen und zehntausende Menschenleben kosten, und in den ständig wachsenden Spannungen im Handel und in der Diplomatie. Im letzten Jahr gab es die meisten Kriege seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Das hat zu einem neuen Wettrüsten geführt, zum Anstieg des Militarismus in den westlichen Ländern und zu einem erhöhten Druck, die Armeen überall wieder aufzubauen, neu auszurüsten und zu modernisieren. Die USA planen, über die nächsten 30 Jahre geschätzte 1,7 Billionen US-Dollar für die Modernisierung ihres Atomwaffenarsenals auszugeben. Sie haben beschlossen, zum ersten Mal seit dem Kalten Krieg wieder Marschflugkörper auf deutschem Boden zu stationieren.

Alle NATO-Staaten stehen unter starkem Druck, ihre Militärausgaben zu erhöhen. China hat eine Erhöhung der Rüstungsausgaben um 7,2 % angekündigt. Russlands Militärausgaben stiegen 2024 aufgrund des Krieges um 40 % und erreichten damit 32 % der gesamten Staatsausgaben bzw. 6,68 % des BIP. Die weltweiten Militärausgaben beliefen sich 2023 auf 2,44 Billionen US-Dollar, was einem Anstieg von 6,8 % gegenüber 2022 entspricht. Das war der größte Anstieg seit 2009 und der höchste jemals verzeichnete Wert.

Das sind unvorstellbare Summen, ganz zu schweigen von der Verschwendung von Arbeitskraft und technischem Fortschritt, die für gesellschaftlich notwendige Zwecke hätten genutzt werden können. Diesen Punkt müssen Kommunisten in ihrer Propaganda und Agitation betonen.

Es wäre zu einfach, wenn wir sagen würden, dass die Kapitalisten ein neues Wettrüsten starten, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. In Wirklichkeit sind Rüstungsausgaben von Natur aus inflationär, ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft sind nur kurzfristig und werden durch Kürzungen in anderen Bereichen ausgeglichen. Langfristig schwächen sie die produktive Wirtschaft, indem Mehrwert abgesaugt wird. Vielmehr ist es der Konflikt zwischen den imperialistischen Mächten um die Neuaufteilung der Welt, der die Militärausgaben antreibt. Der Kapitalismus in seiner imperialistischen Phase führt unweigerlich zu Konflikten zwischen den Mächten und letztlich zum Krieg.

Der Kampf gegen Militarismus und Imperialismus hat in unserer Epoche eine zentrale Rolle eingenommen. Wir sind entschiedene Gegner der imperialistischen Kriege und des Imperialismus, aber wir sind keine Pazifisten. Wir müssen betonen, dass die einzige Garantie für den Frieden die Abschaffung des kapitalistischen Systems ist, das den Krieg in sich trägt.

Das Gerangel um die Wiederbewaffnung des europäischen Kapitalismus

Im Fall von Europa ist der Drang zu Militarismus und Rüstungsausgaben Resultat der Stärkung des aus dem Ukrainekrieg siegreich hervorgehenden russischen Imperialismus, des Rückzugs der US-Militärunterstützung und des Bestrebens der europäischen Mächte, zu zeigen, dass sie auf der Weltbühne noch eine Rolle spielen.

Die russischen Militärausgaben erreichten im Jahr 2024 ca. 13,1 Billionen Rubel (145,9 Milliarden US-Dollar), was 6,68 % des BIP ausmacht. Das ist eine Steigerung um etwa 40 % im Vergleich zum Vorjahr. Kaufkraftbereinigt entspricht diese Zahl ca. 462 Milliarden US-Dollar. 

Europa hat zwischenzeitlich seine Militärausgaben signifikant erhöht (seit 2014 nominell um 50 %), sie erreichen 2024 gemeinsam die Summe von 457 Milliarden US-Dollar. In diesem Fall macht es Sinn, die russischen Ausgaben kaufkraftbereinigt zu betrachten, schließlich vergleichen wir die Anzahl an Panzern, Artilleriegeschützen und Munition, die jeweils pro Dollar in Russland und Europa gekauft werden kann. Sprich: Russland gibt mehr für sein Militär aus, als ganz Europa zusammengerechnet.

Russland produziert auch mehr als die gesamte NATO – die USA miteingerechnet – wenn es um Munition, Raketen und Panzer geht. Laut geheimdienstlichen Einschätzungen der NATO produziert Russland drei Millionen Artilleriegeschosse im Jahr. Die Produktionskapazität der gesamten NATO (inklusive USA) erreicht nur 1,2 Millionen Geschosse, weniger als die Hälfte von Russland.

Der Krieg in der Ukraine hat außerdem die Art und Weise, wie Krieg geführt wird, komplett verändert. Wie immer ist es so, dass im Krieg der Einsatz neuer Technologien und Methoden unter realen Bedingungen getestet und an das Schlachtfeld angepasst werden kann. Das wird in einem rasanten Tempo vorangetrieben. Die sich bekriegenden Armeen sind gezwungen, schnell Mittel und Taktiken zu entwickeln, um dagegen anzukommen. Es wurden zahlreiche Drohnen (in der Luft, zu Lande und zu Wasser), elektronische Überwachungs- und Störtechniken usw. eingeführt.

Die einzigen Armeen, die mit diesen neuen Methoden praktische Erfahrungen gemacht haben, sind die der Ukraine und Russlands. Der Westen hinkt in diesen Feldern ernstlich hinterher. Das militärische Kräfteverhältnis hat sich durch den Ukrainekrieg dramatisch zugunsten Russlands verschoben.

Das bedeutet nicht, dass Russland ein Interesse daran hat, in Europa oder auch nur in einem Teil davon einzumarschieren. Diese sogenannte Gefahr wird von der herrschenden Klasse maßlos übertrieben, um die starke Erhöhung der Rüstungsausgaben zu rechtfertigen und zu versuchen, die gesellschaftliche Opposition dagegen kleinzuhalten. Russland hat kein Interesse daran, in die Westukraine zu marschieren – was eine viel teurere und anspruchsvollere Unternehmung wäre, als die gegenwärtige russische Militärkampagne –, geschweige denn in einem NATO-Land einzufallen.

Aus Sicht des europäischen Kapitalismus liegt die Gefahr nicht wirklich in einer russischen Invasion oder einem offenen militärischen Konflikt zwischen der russischen und den europäischen Armeen. Das wäre für beide Seiten sehr teuer. Es würde außerdem zwei Atommächte involvieren, ein sehr gefährliches Unterfangen.

Die wahre Gefahr für den krisengeschüttelten europäischen Imperialismus besteht darin, von der größten imperialistischen Macht der Welt fallengelassen oder zurückgestuft worden zu sein, während er gleichzeitig einen anderen mächtigen Imperialisten zum Nachbarn hat, der aus dem gegenwärtigen Krieg massiv gestärkt hervorgeht.

Russland hat viel Gewicht (militärisch, und was die Energieressourcen angeht) und übt bereits einen starken Einfluss auf das politische Geschehen in Europa aus. Länder wie Ungarn und die Slowakei haben bereits mit der transatlantischen Orientierung der bestimmenden europäischen Mächte gebrochen. In anderen gibt es aufsteigende politische Kräfte, die in unterschiedlichem Ausmaß in eine ähnliche Richtung gehen (Deutschland, Österreich, Rumänien, Tschechien, Italien). 

Der europäische Imperialismus verteidigt nicht das Leben und Zuhause der Völker von Europa, sondern die Profite seiner multinationalen Konzerne und die räuberischen imperialistischen Ambitionen ihrer kapitalistischen herrschenden Klassen. Russland ist ein Rivale des deutschen Kapitalismus in Ost- und Mitteleuropa. Russland ist ein Rivale des französischen Imperialismus in Afrika.

Die langgezogene Krise des europäischen Kapitalismus bedeutet, dass er mit dem Rückzug des Schutzes durch die USA nicht auf eigenen Beinen wird stehen können. Er wird davon bedroht, zwischen den konkurrierenden Interessen der USA, Russlands und Chinas zerstückelt zu werden. Zentrifugale (auseinanderstrebende) Tendenzen werden immer stärker, da jede Kapitalistenklasse beginnt, ihre eigenen nationalen Interessen geltend zu machen. Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass diese Tendenzen letztendlich zum Zerfall der Europäischen Union führen werden.

Die Weltwirtschaft: von der Globalisierung zu Handelskrieg und Protektionismus

Die Einführung weitreichender Zölle durch Trump am 2. April markierte einen Wendepunkt in der Weltwirtschaft. Der Prozess der Verlangsamung der Globalisierung und die Hinwendung zum Protektionismus hat jedoch bereits früher begonnen.

Die weltweite Rezession von 2008 war ein Wendepunkt in der kapitalistischen Krise. In der Periode unmittelbar vor der Krise wuchs die Weltwirtschaft um ca. 4 % im Jahr. Zwischen der Krise von 2008 und dem Pandemieschock 2020 wuchs die Wirtschaft nur um 3 %. Vor Trumps Zöllen bewegte sich das Wachstum bereits um ca. 2 % – die niedrigste Wachstumsrate in drei Jahrzehnten.

In Wirklichkeit hat sich die Weltwirtschaft nie von der Rezession von 2008 erholt. Es gab damals massive Bankenrettungen als verzweifelte Maßnahme, um den Finanzsektor zu retten. Die Staaten in Europa häuften riesige Schulden und Budgetdefizite an und waren gezwungen, Sparmaßnahmen umzusetzen. Die Arbeiterklasse wurde dazu verdammt, die Kosten der kapitalistischen Krise zu bezahlen.

Panisch reagierte die herrschende Klasse mit einem gewaltigen Programm des Quantitative Easing – das Pumpen von massiven Geldsummen in die Wirtschaft – und dem noch nie dagewesenen Senken der Zinsrate auf Null oder sogar in den negativen Bereich. Das führte aber nicht zu einer Erholung, da auch die Haushalte mit Schulden überladen waren. Es gab keine produktiven Investitionsfelder in der Produktion, also blähte das überschüssige Geld Blasen bei den Aktienpreisen, Kryptowährungen usw. auf.

Die von den Regierungen auf der ganzen Welt umgesetzten Sparmaßnahmen befeuerten 2011 überall Massenbewegungen: die Revolution in Nordafrika und im Nahen Osten, die Occupy-Bewegung in den USA, die „Indignados“-Bewegung in Spanien, die Bewegung vom Syntagma-Platz in Griechenland usw.

Das widerspiegelte den wachsenden Unmut gegen das kapitalistische System, das den Arbeitern die Kosten für die Bankenrettungen aufbürdete, und das führte zur Diskreditierung aller bürgerlichen Institutionen. Diese Veränderung im Bewusstsein fand – wie wir gesehen haben – einen politischen Ausdruck im Aufstieg einer neuen Art von Linksreformismus um das Jahr 2015 herum: Podemos, Syriza, Corbyn, Mélenchon, Sanders und die „fortschrittlichen Regierungen“ in Lateinamerika.

Wegen ihrem augenscheinlich radikalen Widerstand gegen die Sparpolitik waren sie ein Attraktionspol für die Massen. Dieser Prozess fand sein Ende, als die Beschränktheit des Reformismus offensichtlich wurde: mit dem Verrat der Syriza-Regierung in Griechenland; der Unterstützung von Clinton durch Sanders; dem Zusammenbruch des Corbynismus; und dem Eintreten von Podemos in eine Koalitionsregierung in Spanien.

In den vom Imperialismus dominierten Ländern sahen wir Massenerhebungen und Aufstände (in Puerto Rico, Haiti, Ecuador, Chile, im Sudan, Kolumbien usw.). Die Massenmobilisierungen im Kampf für eine Republik in Katalonien 2017 und 2019 waren auch Teil derselben allgemeinen Bewegung.

Das Fehlen einer Führung bedeutete aber, dass keine dieser Bewegungen im Sturz des Kapitalismus endete, was möglich gewesen wäre.

Die COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 markierte einen äußeren Schock für die Wirtschaft, zu einem Zeitpunkt, als sie bereits in Richtung einer Rezession ging (nachdem sie sich nie vollends von der 2008-Krise erholt hatte). Das hat der Weltwirtschaft endgültig den Rest gegeben.

Wieder in Panik ergriff die herrschende Klasse verzweifelte Maßnahmen, um eine soziale Explosion zu verhindern. In den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern bezahlte der Staat die Arbeiter dafür, zuhause zu bleiben. Das bedeutete massive Kosten für die Staatshaushalte, die bereits von der vorherigen Krise völlig mit Schulden überladen waren.

Die über die letzten 15 Jahre wiederholten Versuche, der Weltwirtschaft durch massive Liquiditätsspritzen – über Quantitative Easing, rekordtiefe Zinsen (2009-2021) und andere, ähnliche Panikmaßnahmen – wieder anzukurbeln, sind grandios gescheitert und haben keinerlei substanzielles Wirtschaftswachstum gebracht. Obwohl die Kapitalisten mit Geld überhäuft wurden, haben sie nicht investiert.

Der Hauptfaktor war, dass die Kapitalisten einen Markt brauchen, in dem sie ihre Produkte verkaufen können, um Profite zu machen. Die massenhafte Anhäufung von Schulden bedeutet, dass Haushalte und Unternehmen den Konsum nicht antreiben können.

Die weltweiten Haushalts-, Staats- und Unternehmensschulden haben zusammen ca. 313 Billionen US-Dollar, oder 330 % vom weltweiten BIP, erreicht. Vor einem Jahrzehnt waren es ca. 210 Billionen US-Dollar.

Schulden spiegeln die Tatsache wider, dass die Grenzen dieses Systems bis aufs Äußerste strapaziert sind und jetzt wie eine enorme Barriere für jede weitere Entwicklung wirken. Eine hohe Staatsverschuldung kombiniert mit höheren Zinsraten hat schon eine Reihe von beherrschten Ländern in den Ruin getrieben. Mehr werden folgen.

Die Pandemie hatte auch Auswirkungen auf das Bewusstsein. Sie hat gezeigt, dass das kapitalistische System mit seinem privaten Profit nicht in der Lage ist, mit einem Gesundheitsnotstand umzugehen, und dass die Profite der Pharmagiganten wichtiger sind, als das Leben der Menschen.

In den 1990ern und 2000ern gab es ein gewisses Wachstum der Weltwirtschaft, auch wenn die Wachstumsrate wesentlich niedriger war als während dem Nachkriegsaufschwung von 1948-1973, als es eine signifikante Entwicklung der Produktivkräfte gab. Dazu kommt, dass das Wachstum in der Periode vor 2008 auf der Ausweitung des Kredits und auf der „Globalisierung“ beruhte. Das erlaubte es dem System, teilweise und für eine gewisse Zeit über seine Grenzen hinwegzugehen. Globalisierung bedeutete die Ausweitung des Welthandels, den Abbau von Zollschranken, die Verbilligung von Konsumgütern und die Öffnung von neuen Märkten und Investitionsfeldern in Ländern, die vom Imperialismus beherrscht werden.

Alle diese Faktoren haben sich jetzt in ihr Gegenteil verkehrt. Die Ausweitung von Kredit und Liquidität hat sich in einen Schuldenberg verwandelt.

Die Globalisierung (die Ausweitung des Welthandels) war für eine ganze Periode einer der Hauptantriebe des Wirtschaftswachstums nach dem Kollaps des Stalinismus in Russland und der Wiederherstellung des Kapitalismus in China mit dessen Einbettung in den Weltmarkt. Was wir jetzt stattdessen haben sind Zollschranken und Handelskriege zwischen allen großen Wirtschaftsblöcken (China, EU und USA), die alle versuchen, ihre eigene Wirtschaft auf Kosten der anderen zu retten.

Im Jahr 1991 machte der Welthandel 35 % des weltweiten BIP aus, ein seit 1974 beinahe konstanter Wert. Dann begann ein scharfer Aufschwung mit einem Höhepunkt von 61 % im Jahr 2008. Seitdem stagniert der Wert.

Vor dem letzten Schub an Zöllen prognostizierte der IWF mittelfristig ein jährliches Wachstum des Welthandels um nur 3,2 % und damit ein deutlich geringeres Tempo als in den Jahren 2000-2019, in denen die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate bei 4,9 % lag. Die Ausweitung des Welthandels ist nicht mehr der Antrieb für das Wirtschaftswachstum, wie er es in der Vergangenheit war. Jetzt hat sich der ganze Prozess umgekehrt.

Die Tendenz hin zum Protektionismus, ein Symptom der kapitalistischen Krise, hatte sich bereits seit einiger Zeit abgezeichnet. Im Jahr 2023 haben die Regierungen weltweit 2500 protektionistische Maßnahmen (Steuererleichterungen, gezielte Subventionen und Handelsbarrieren) eingeführt – dreimal so viele wie noch vor fünf Jahren.

Während der ersten Amtszeit von Trump verfolgten die USA eine aggressive protektionistische Politik, nicht nur gegenüber China, sondern auch gegenüber der EU. Diese Politik wurde unter Biden fortgesetzt. Biden verabschiedete eine Reihe von Gesetzen (CHIPS, den sogenannten Inflation Reduction Act usw.) und Maßnahmen, die darauf abzielen, die US-Produktion auf Kosten der Importe aus dem Rest der Welt zu begünstigen. Seit der Wiederwahl von Donald Trump haben sich alle protektionistischen Tendenzen stark beschleunigt und nun zu einem offenen Handelskrieg geführt.

Der zunehmende Protektionismus und die Einführung von Zöllen wird nach der Pandemie und dem Ukrainekrieg ein weiterer Schock für die Weltwirtschaft sein. Das wird – zusätzlich zu den Budgetdefiziten, den Militärausgaben, dem demographischen Wandel und dem Klimawandel – den anhaltenden Inflationsdruck in der Wirtschaft verschärfen und gleichzeitig die Nachfrage einschränken.

Die wirtschaftliche Lage ist allerdings sehr prekär. In der kommenden Zeit besteht das Potenzial für einen erneuten Einbruch, und sogar eine mögliche Depression kann nicht ausgeschlossen werden.

Trumps Zölle

Trumps scharfe Wendung in Richtung Protektionismus und offenem Handelskrieg mit China ist ein Symptom für die Krise des US-Kapitalismus. Es bedeutet die Erkenntnis, dass die Industrieproduktion der USA ohne staatliche Intervention auf dem Weltmarkt nicht konkurrenzfähig ist. Gleichzeitig ist der Protektionismus ein Weg für rivalisierende kapitalistische Länder, andere Länder den Preis für die Krise zahlen zu lassen. „America First“ bedeutet zwangsläufig „everyone else last“.

Mit seinen weitreichenden protektionistischen Maßnahmen verfolgt Trump mehrere Ziele. 1) Die Einfuhr von Industriegütern zu erschweren und so Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe in die USA zurückzubringen. 2) Den Aufstieg Chinas als wirtschaftlichen Konkurrenten zu stoppen. 3) Die Einnahmen aus den Zöllen sollen dazu verwendet werden, das Haushaltsdefizit der USA zu verringern, so dass er seine Steuersenkungen aufrechterhalten kann. 4) Die Verwendung von Zöllen als Druckmittel in Verhandlungen mit anderen Ländern, um politische und wirtschaftliche Zugeständnisse zu erreichen.

Es stimmt, dass einige Unternehmen Investitionen in den USA angekündigt haben, um die Zölle zu umgehen und Zugang zum US-Markt (der weltweit größte Markt für Konsumgüter) zu erhalten. Der Aufbau neuer Fabriken ist jedoch ein langwieriger Prozess und jede Schaffung von neuen Arbeitsplätzen wird wahrscheinlich durch die kurzfristigen Auswirkungen der Zölle auf die Lieferketten wieder zunichte gemacht.

Heute, nach 30 Jahren der sogenannten Globalisierung, sind die Lieferketten extrem verzweigt, wobei sich verschiedene Länder auf unterschiedliche Teile des Produktionsprozesses spezialisiert haben. Die Automobilindustrie in den USA, Mexiko und Kanada ist stark miteinander verflochten, wobei Teile mehrmals die Grenzen überqueren, bevor sie in verschiedenen Ländern zusammengebaut werden. Jeder Schritt in Richtung einer Verkürzung der Lieferwege wird sich unmittelbar negativ auf die Wirtschaft auswirken und dazu führen, dass Produkte teurer oder in einigen Fällen sogar knapp werden. Die Unsicherheit, die durch Trumps Einsatz von Zöllen als Verhandlungsinstrument entsteht, wirkt sich auch negativ auf Investitionsentscheidungen aus.

Die Volkswirtschaften der USA und Chinas sind eng miteinander verflochten und voneinander abhängig. Für die USA gibt es derzeit keinen sinnvollen Ersatz für die chinesische Produktion – chinesische Waren sind sowohl erschwinglich als auch von hoher Qualität. Trumps Bestrebungen, sie vom US-Markt zu verdrängen, würden der Wirtschaft wohl schweren Schaden zufügen, lange bevor eine Wiederbelebung der amerikanischen Produktion einsetzen könnte, wenn sie überhaupt jemals zustande kommt.

Jeder Versuch, diese Beziehungen zu entkoppeln, wird negative Folgen für die gesamte Weltwirtschaft haben. Wir sollten uns daran erinnern, dass es nach 1929 eine allgemeine Hinwendung zum Protektionismus war, die die Welt von einer Rezession in eine tiefe Wirtschaftskrise stürzte. Das Welthandelsvolumen ging zwischen 1929 und 1933 um 25 % zurück, und ein Großteil davon war die direkte Folge der zunehmenden Handelsbeschränkungen.

Für eine ganze Periode ermögliche es die Globalisierung dem kapitalistischen System, teilweise und vorübergehend über die Grenzen des Nationalstaates hinauszugehen. Der Protektionismus stellt einen Versuch dar, die Produktivkräfte in die engen Grenzen des Nationalstaates zurückzudrängen, um die Vorherrschaft des US-Imperialismus wiederherzustellen. In den 1930er warnte Trotzki:

„Auf beiden Seiten des Atlantiks wird nicht wenig geistige Energie darauf verschwendet, das phantastische Problem zu lösen, wie man das Krokodil zurück in das Hühnerei treiben kann. Der hochmoderne Wirtschaftsnationalismus ist durch seinen eigenen reaktionären Charakter unwiderruflich dem Untergang geweiht; er bremst und senkt die Produktivkräfte des Menschen.“ (Nationalism and Economic Life, 1934)

Wie zu erwarten war, reagieren die Gewerkschaftsführer überall auf den Protektionismus, indem sie sich hinter ihre eigenen herrschenden Klassen stellen, „um die Arbeitsplätze“ in ihren eigenen Ländern zu verteidigen. Kommunisten müssen einen internationalistischen, unabhängigen Klassenstandpunkt vertreten. Der Feind der Arbeiterklasse ist die herrschende Klasse, vor allem im eigenen Land, nicht die Arbeiter anderer Länder.

Bei Fabrikschließungen sollten wir die Losung der Besetzung vorbringen. Anstelle weiterer staatlicher Rettungsaktionen für private Unternehmen fordern wir die Öffnung der Geschäftsbücher und die Verstaatlichung unter Arbeiterkontrolle. Wenn Fabriken im Kapitalismus nicht gewinnbringend arbeiten können, sollten sie enteignet, umgerüstet und für gesellschaftlich nützliche Zwecke verwendet werden, und zwar im Rahmen eines demokratischen Produktionsplans. Weder Freihandel noch Protektionismus sind im Interesse der Arbeiterklasse. Dies sind nur zwei verschiedene Arten der Wirtschaftspolitik, mit denen die herrschende Klasse versucht, die Krisen des Kapitalismus zu bewältigen. Unsere Alternative besteht darin, das System zu stürzen, das diese Krisen verursacht.

Legitimationskrise der bürgerlichen Institutionen

Der Kapitalismus ist nicht mehr dazu fähig, die Produktivkräfte in nennenswertem Ausmaß zu entwickeln und folglich auch nicht dazu in der Lage, den Lebensstandard von einer Generation zur nächsten zu heben. Die Krise des Kapitalismus als Wirtschaftssystem hat zu einer tiefen und wachsenden Legitimationskrise aller politischen Institutionen der Bürgerlichen geführt.

Es gibt eine unglaubliche Ungleichverteilung des Reichtums, bei der eine kleine Handvoll Milliardäre ihr Vermögen vermehrt, während immer mehr Menschen aus der Arbeiterklasse Probleme haben, über die Runden zu kommen. Sie sind mit Sparmaßnahmen, der durch die Inflation sinkenden Kaufkraft der Löhne, steigenden Energierechnungen, einer Wohnungskrise usw. konfrontiert.

Die Medien, die Politiker, die etablierten politischen Parteien, die Parlamente, die Justiz – sie alle werden als Vertreter der Interessen einer kleinen, privilegierten Elite angesehen, die Entscheidungen trifft, um ihre eigenen engstirnigen, egoistischen Interessen zu verteidigen, anstatt den Bedürfnissen der breiten Bevölkerung zu dienen.

Dies ist äußerst bedeutsam, da die herrschende Klasse in normalen Zeiten durch diese Institutionen regiert, die allgemein akzeptiert und als Vertreter des „Willens der Mehrheit“ angesehen werden. Nun wird dies von immer größeren Schichten der Gesellschaft in Frage gestellt.

Anstelle des normalen Mechanismus der bürgerlichen Demokratie, der dazu dient, die Klassenwidersprüche abzuschwächen, setzt sich immer mehr die Idee durch, dass man die eigenen Ziele durch direkte Aktionen erreichen kann. Ein Artikel in Le Monde warnte Macron in Frankreich, dass er, wenn er die Partei mit den meisten gewählten Abgeordneten an der Regierungsbildung hindere, riskiere, der Bevölkerung den Eindruck zu vermitteln, dass Wahlen sinnlos sind. In den USA ist jeder Vierte der Meinung, dass politische Gewalt gerechtfertigt sein könnte, um das Land zu „retten“, während es ein Jahr zuvor noch 15 % waren.

Der Aufstieg der Anti-Establishment-Demagogen ist ein Anzeichen für diese Erosion der Glaubwürdigkeit der bürgerlichen Demokratie und ihrer Institutionen. Wenn in der Vergangenheit eine rechte Regierung in Verruf geriet, wurde sie durch eine sozialdemokratische „linke“ Regierung ersetzt, und wenn deren Vertrauen angeschlagen war, wurde sie wiederum durch eine konservative Regierung ersetzt. Das ist kein automatischer Prozess mehr.

Stattdessen kommt es zu heftigen Schwankungen nach links und nach rechts, die in den Medien als Zunahme des „politischen Extremismus“ bezeichnet werden. Das Erstarken der Extreme in der Politik ist jedoch lediglich ein Ausdruck des Prozesses der sozialen und politischen Polarisierung, der wiederum Ausdruck einer Verschärfung des Klassenkampfes ist. Der daraus resultierende Zusammenbruch der politischen Mitte ist es, der die herrschende Klasse mit Schrecken erfüllt. Sie wollen ihn mit allen Mitteln aufhalten, aber sie sind machtlos dagegen.

Der Grund dafür ist nicht schwer zu erkennen. Linke und rechte Regierungen führen heute im Grunde die gleiche Kürzungs- und Sparpolitik durch. Dies führt zu einer allgemeinen Diskreditierung der Politik, zu einer stetig fallenden Wahlbeteiligung und zum Entstehen aller möglichen politischen Alternativen, die oft nur von kurzer Dauer sind. Rechte Demagogen konnten aus einer bestehenden Anti-Establishment-Stimmung auch deshalb Kapital schlagen, weil die offizielle „Linke“ nicht in der Lage war, eine echte Alternative anzubieten.

Das Geschrei des liberalen kapitalistischen Establishments über die „Gefahr des Faschismus“ und die „Bedrohung durch die extreme Rechte“ dient dazu, Unterstützung für das kleinere Übel zu generieren, für die Idee, dass „wir uns alle zusammenschließen müssen, um die Demokratie zu verteidigen“ und „die Republik zu verteidigen“. Und das in einer Zeit, in der die Liberalen in den meisten Ländern an der Macht sind und Angriffe auf die Arbeiterklasse durchführen, den Militarismus anheizen … und die demokratischen Rechte attackieren.

So wird Trump als „Faschist“ oder „autoritär“ bezeichnet, wenn er Nicht-US-Staatsbürger wegen ihrer Unterstützung für Palästina ausweisen lässt. Wie sollen wir dann die Regierungen der europäischen Länder nennen, die pro-palästinensische Demonstrationen verboten und brutal unterdrückt haben? Wie sollen wir es nennen, wenn in Deutschland und Frankreich Ausländer wegen ihrer Unterstützung für Palästina verhaftet und ausgewiesen werden?

Die Liberalen nutzen die Gerichte, um völlig undemokratische Maßnahmen durchzusetzen, um Politiker, die ihnen missfallen, von der Teilnahme an Wahlen auszuschließen (wie Le Pen in Frankreich) oder, wie im Falle Rumäniens, um Wahlen zu annullieren, wenn ihnen das Ergebnis nicht gefällt! Und dann drehen sie sich um und rufen zur „Einheit für die Verteidigung der Demokratie“ und zu einer „Brandmauer gegen die extreme Rechte“ auf.

Das ist eine verbrecherische Politik, die in Wirklichkeit dazu dient, die Unterstützung für rechte Demagogen zu stärken, die dann sagen können: „Schaut her, rechts und links, sie sind alle gleich“.

Die Kommunisten werden jede reaktionäre Maßnahme, die sich gegen die Interessen der Arbeiterklasse und gegen ihre demokratischen Rechte richtet, bekämpfen. Es wäre allerdings fatal, in irgendeiner Weise die „Demokratie“ im Allgemeinen zu unterstützen (was eine Unterstützung des kapitalistischen Staates bedeutet) oder mit den Liberalen gemeinsame Sache zu machen, wenn sie rechte Demagogen angreifen.

In Wirklichkeit werden rechte Demagogen immer in dem Maße ihren wahren Charakter offenbaren, wie sie mit der realen Situation in Konflikt geraten. Trump ist in den USA bereits an der Macht. Er hat viele Versprechungen gemacht. Er stützt sich auf die Erwartungen von Millionen von Menschen, die glauben, dass er wirklich „Amerika wieder groß machen“ wird. Doch das ist eine reine Illusion. Amerika wieder groß zu machen, bedeutet für die Menschen der Arbeiterklasse anständige, gut bezahlte Arbeitsplätze. Es bedeutet, dass sie bis zum Monatsende durchkommen können, ohne zwei oder drei verschiedene Jobs annehmen oder Blutplasma verkaufen zu müssen, um über die Runden zu kommen.

Millionen von Menschen in den Vereinigten Staaten haben die Illusion, dass Trump die „guten alten Zeiten“ der Nachkriegszeit zurückbringen wird. Mit Sicherheit können wir sagen, dass das ausgeschlossen ist. Die Krise des Kapitalismus bedeutet, dass eine Rückkehr zum goldenen Zeitalter des Nachkriegsbooms oder zu den Goldenen 1920er heute ausgeschlossen ist.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass einige dieser Maßnahmen – z.B. Zölle, die die industrielle Entwicklung in den Vereinigten Staaten auf Kosten anderer Länder fördern – für eine kurze Zeit eine gewisse Wirkung haben könnten. Viele werden auch Trump für eine gewisse Zeit einen Vertrauensvorschuss gewähren. Er kann sich auch auf das Argument berufen, dass es das Establishment, der „tiefe Staat“ (deep state) ist, der ihm nicht erlaubt, seine Politik durchzusetzen.

Doch sobald die Realität einsetzt und diese Illusionen zerstreut werden, wird die tief verwurzelte Anti-Establishment-Stimmung, die Trump an die Macht gebracht hat, zu einer starken Verschiebung auf die andere Seite des politischen Spektrums führen. Wir könnten eine ebenso starke und heftige Pendelbewegung nach links erleben.

Es gibt einen Artikel von Trotzki mit dem Titel „Wenn Amerika kommunistisch würde“, in dem er über das amerikanische Temperament spricht, das er als „energisch und gewaltsam“ beschreibt: „Es widerspräche der amerikanischen Tradition, eine wichtige Veränderung vorzunehmen, ohne sich vorher für die eine Hälfte des Spielfelds zu entscheiden und sich die Köpfe einzuschlagen.“

Der amerikanische Arbeiter ist praktisch veranlagt und verlangt konkrete Ergebnisse. Er ist bereit, Maßnahmen zu ergreifen, um Dinge zu erreichen. Farrell Dobbs, der Anführer des großen Teamster-Streiks in Minneapolis im Jahr 1934, wurde vom Republikaner direkt zur trotzkistischen Führungsperson. In seinem Bericht über den Streik erklärt er, warum. Für ihn waren die Trotzkisten diejenigen, die die praktischsten und wirksamsten Lösungen für die Probleme der Arbeiter anboten.

Eine explosive Situation: Radikalisierung der Jugend

In Wahrheit steckt die Weltlage voller revolutionärem Potenzial. Die Aufstandsbewegung von 2019-2020 wurde durch die Lockdowns während der COVID-19 Pandemie teilweise unterbrochen, aber die Bedingungen, die sie ausgelöst haben, sind nicht verschwunden. 2022 brachte der Aufstand in Sri Lanka den Präsidenten zu Fall, indem die Massen den Präsidentenpalast stürmten. Die Massenstreiks gegen die Rentenreform in Frankreich 2023 brachten die Regierung unter Druck. 2024 stürmten die Massen in Kenia, angeführt von der revolutionären Jugend, das Parlament und erzwangen die Rücknahme des Finanzgesetzes. In Bangladesch führte eine Bewegung der Studenten, die mit brutaler Repression konfrontiert war, zu einem landesweiten Aufstand und dem Sturz des verhassten Hasina-Regimes.

Ein gemeinsames Merkmal all dieser Bewegungen ist die führende Rolle, die die Jugend spielt. Wer unter 30 Jahre alt ist, hat sein ganzes politisches Leben in einer Situation gelebt, die von der Krise 2008, der COVID-19-Pandemie, dem Ukraine-Krieg und dem Massaker in Gaza geprägt war.

In jüngster Zeit haben wir beachtliche Massenbewegungen in der Türkei, Serbien und Griechenland erlebt. Im Falle Griechenlands führte die Wut über die Vertuschung der Eisenbahnkatastrophe von Tempi in Verbindung mit der angestauten Wut über die Massenverarmung infolge der permanenten Sparpolitik und der tiefen Sackgasse des griechischen Kapitalismus zu einem massiven Generalstreik und den größten Demonstrationen im Land seit dem Fall der Diktatur. Der Massencharakter des Generalstreiks, an dem sich nicht nur die Arbeiterklasse, sondern auch andere Gesellschaftsschichten (kleine Ladenbesitzer usw.) beteiligten, zeigt das tatsächliche Kräftegleichgewicht in der modernen kapitalistischen Gesellschaft. Wenn sich die Arbeiterklasse bewegt, kann sie alle unterdrückten Schichten hinter sich herziehen.

In Serbien hat die Protestbewegung wegen des Einsturzes des Vordaches des Bahnhofs von Novi Sad eine revolutionäre Krise ausgelöst, mit der größten Protestaktion in der Geschichte des Landes. Die Studenten haben eine entscheidende Rolle gespielt, indem sie die Universitäten besetzten und sich durch Studentenplena (Versammlungen) organisierten. Die Proteste haben bereits zum Sturz der Regierung geführt. Sie versuchen bewusst, die Bewegung auf die Arbeiterklasse und die breite Bevölkerung auszuweiten, indem sie Zborovi, Massenversammlungen in Städten und an einigen Arbeitsplätzen, bilden.

Diese beiden Bewegungen verdeutlichen zwei wesentliche Merkmale der gegenwärtigen Situation: das enorme Machtpotenzial der Arbeiterklasse und ihre dominante gesellschaftliche Stellung einerseits und die extreme Schwäche des subjektiven Faktors andererseits.

Darüber hinaus haben sich auch Schichten der Jugend in Fragen der demokratischen Rechte radikalisiert: die massenhafte Frauenbewegung gegen Gewalt und Diskriminierung (Mexiko, Spanien), für oder zur Verteidigung des Abtreibungsrechts (Argentinien, Chile, Irland, Polen), für die gleichgeschlechtliche Ehe (Irland), die Massenbewegung gegen die Polizeibrutalität gegenüber Schwarzen (USA und Großbritannien) usw.

Die Klimakrise ist auch zu einem radikalisierenden Faktor für diese Generation junger Menschen geworden, die sehr stark und zu Recht das Gefühl hat, dass das Leben auf der Erde bedroht ist, wenn sich die Dinge nicht radikal ändern, und dass das System die Schuld daran trägt.

Die Heuchelei und Doppelmoral des Imperialismus in Bezug auf das Massaker in Gaza, das so genannte „internationale Recht“ und die polizeiliche Unterdrückung der Palästina-Solidaritätsbewegung haben ihnen die Augen über das Wesen des kapitalistischen Staates, der kapitalistischen Medien und der internationalen Institutionen geöffnet.

Ein wachsender Teil der Jugend identifiziert sich mit kommunistischen Ideen als der radikalsten Alternative zum kapitalistischen System. Das ist keine Mehrheit, nicht einmal unter der Jugend, aber es ist mit Sicherheit eine bedeutende Entwicklung.

Der Zusammenbruch des Stalinismus liegt nun 35 Jahre zurück, so dass für diese Generation die Propaganda der herrschenden Klasse über das „Scheitern des Sozialismus“ nur noch wenig Bedeutung hat. Worüber sie sich Sorgen machen und worunter sie direkt gelitten haben, ist das Scheitern des Kapitalismus!

Krise der Führung

In der Welt hat sich eine Menge brennbares Material angesammelt. Die Krise des kapitalistischen Systems hat mit allen ihren Ausprägungen einen revolutionären Aufstand nach dem anderen provoziert. Die sogenannte liberale Weltordnung, die die Welt für Jahrzehnte geprägt hat, zerbröselt vor unseren Augen. Die Hinwendung zum Protektionismus und zu Handelskriegen schafft enorme wirtschaftliche Turbulenzen.

Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist nicht, ob es in der vor uns liegenden Periode revolutionäre Bewegungen geben wird. Das ist sicher. Die Frage ist, ob diese in einem Sieg für die Arbeiterklasse enden werden?

In den letzten 15 Jahren gab es eine Reihe von revolutionären Bewegungen und Aufständen. Sie haben die enorme revolutionäre Energie und Kraft der Massen gezeigt, wenn diese erst einmal in Bewegung geraten. Sie haben die brutalste Repression, Ausnahmezustände, Medienblackouts und die repressivsten Regimes überstanden. Aber am Ende des Tages hat keine von ihnen die Arbeiterklasse zum Sieg geführt.

Was jedes einzelne Mal fehlte, war eine revolutionäre Führung, die die Bewegung zu ihrem logischen Ende bringen konnte. Die arabische Revolution von 2011 endete in repressiven, bonapartistischen Regimes (Ägypten, Tunesien) oder noch schlimmer, in reaktionären Bürgerkriegen (Libyen und Syrien). Der Aufstand in Chile wurde in die sicheren Bahnen des bürgerlichen Konstitutionalismus [dem Streben nach einer neuen Verfassung] gelenkt. Die Revolution im Sudan endete in einem komplett reaktionären Bürgerkrieg.

Trotzki schrieb im Übergangsprogramm: „Die historische Krise der Menschheit ist zurückzuführen auf die Krise der revolutionären Führung.“ Seine Worte sind heute richtiger denn je. Der subjektive Faktor – das heißt eine Organisation von revolutionären Kadern, die in der Arbeiterklasse verankert sind – ist extrem schwach im Vergleich zu den kolossalen Aufgaben, die die Geschichte stellt. Jahrzehntelang schwammen wir gegen den Strom und wurden von mächtigen objektiven Strömungen zurückgeworfen.

Das bedeutet zwangsläufig, dass die kommenden revolutionären Krisen nicht kurzfristig gelöst werden. Wir stehen deshalb vor einer langgezogenen Periode von Aufs und Abs, Vorstößen und Niederlagen. Aber durch alle diese Prozesse wird die Arbeiterklasse lernen und ihre Avantgarde gestärkt werden. Endlich dreht sich der Wind der Geschichte in unsere Richtung und wir werden mit dem Strom schwimmen können, nicht dagegen.

Unsere Aufgabe ist es, Seite an Seite mit den Massen der Arbeiterklasse teilzunehmen, und das fertige Programm der sozialistischen Revolution mit den unfertigen Sehnsüchten der fortgeschrittensten Elemente nach einem grundlegenden revolutionären Wandel zu verknüpfen.

Die Gründung der Revolutionären Kommunistischen Internationale im Jahr 2024 war ein sehr wichtiger Schritt und wir sollten nicht unterschätzen, was wir erreicht haben: eine internationale Organisation, die fest auf dem Boden der marxistischen Theorie steht. In der vergangenen Periode sind unsere Reihen signifikant gewachsen. Nichtsdestotrotz brauchen wir einen Sinn für Proportionen: unsere Kräfte sind noch immer völlig unzureichend für die Aufgaben, die vor uns liegen.

Die Schwäche des subjektiven Faktors heißt, dass sich die Massenradikalisierung in der nächsten Periode zwangsläufig im Aufstieg und Fall neuer linksreformistischer Formationen und Führer ausdrücken wird. Manche von ihnen werden vielleicht sogar sehr radikal reden, aber sie werden alle an der grundlegenden Beschränktheit des Reformismus ankommen: ihrer Unfähigkeit, die grundlegende Frage des Sturzes des kapitalistischen Systems und der Machtübernahme der Arbeiterklasse zu stellen. Aus diesem Grund ist der Verrat dem Reformismus inhärent. Für eine Weile aber werden manche dieser Formationen und Anführer Enthusiasmus auslösen und massenhafte Unterstützung bekommen.

Überall braucht es einen Sinn für Eile im Organisationsaufbau. Es ist nicht dasselbe, ob wir 100, 1000 oder 10000 Mitglieder organisieren, wenn wieder Massenaufstände ausbrechen. Eine Organisation von 1000 ausgebildeten Kadern am Beginn der Bolivarischen Revolution in Venezuela, oder eine Organisation von 5000 Kadern mit Wurzeln in der Arbeiterklasse, als Corbyn die Führung der Labour Party in Großbritannien übernommen hat, hätte die Situation transformieren können. Zumindest hätten sie, mit einer richtigen Politik und Herangehensweise an die Massenbewegung, zu einer signifikanten Kraft innerhalb der Arbeiterbewegung und damit zu einem Referenzpunkt für breitere Schichten werden können.

Unter den richtigen Umständen kann sich, in der Hitze der Ereignisse, sogar eine relativ kleine Organisation in eine viel größere verwandeln und um die Eroberung der Massen kämpfen. Das liegt in der Zukunft. Heute ist unsere Aufgabe das geduldige Rekrutieren und insbesondere Ausbilden der Kader, insbesondere unter der Jugend der Arbeiterklasse und den Studenten.

Eine Organisation mit festen Wurzeln in den Massen und bewaffnet mit der marxistischen Theorie wird fähig sein, rasch auf die plötzlichen Drehungen und Wendungen der Situation reagieren zu können. Aber eine revolutionäre Führung kann nicht improvisiert werden, wenn revolutionäre Ereignisse ausbrechen. Sie muss vorher vorbereitet werden. Das ist unsere wichtigste Aufgabe. Auf unserem Erfolg oder Scheitern muss letztendlich die ganze Situation beruhen. Dieser Gedanke muss der Hauptantrieb aller unserer Arbeit, Opfer und Mühen sein. Mit der notwendigen Entschlossenheit und Hartnäckigkeit können und werden wir erfolgreich sein.

SCHLIESS DICH DEN KOMMUNISTEN AN!

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