Die USA sind tief gespalten – aber nicht so, wie es auf den ersten Blick scheint. Zwar ist der rechte Demagoge Donald Trump Präsident, während gleichzeitig der Reformist Bernie Sanders mit seiner „Fighting Oligarchy Tour“ Zehntausende auf die Straße holt. Doch beide Phänomene haben ein und dieselbe Wurzel: den Hass auf das Establishment.
Weil weder Trump noch Sanders einen ernsthaften Kampf gegen den Status quo führen, können sie die Massen auf die Dauer nicht an sich binden. Viele suchen bereits nach einer wirklichen Alternative und finden sie in unserer US-amerikanischen Schwesterpartei, den Revolutionary Communists of America (RCA). Die wahre Spaltung in den Vereinigten Staaten verläuft nämlich zwischen Arm und Reich, zwischen den Klassen. Und wachsende Teile der Bevölkerung werden sich dessen bewusst.
Veteran: „Dann bin ich auch ein Kommunist“
Immer wieder treffen unsere Genossen von den RCA auf vermeintliche Trump-Anhänger, die offen für den Kommunismus sind. Zum Beispiel sprachen sie mit einem behinderten Veteranen, der den Präsidenten nicht besonders mag, aber jemanden will, der für den kleinen Mann kämpft. Als wir meinten, wir seien Kommunisten, fragte er, ob wir für ein totalitäres System stünden. Wir erklärten ihm, dass wir tatsächlich für eine Arbeiterdemokratie statt der Diktatur der Reichen kämpfen. Daraufhin meinte er: „Wenn du das so sagst, dann bin ich wohl auch ein Kommunist.“
Unsere Genossen berichten außerdem von einem 65-jährigen Arbeiter, dessen Freunde Trump wählten, aber es jetzt bereuen. Er sagte, er möchte auch eine Revolution. Sogar auf einen Libertären mit Interesse am Sozialismus stießen sie, der bei einem Infotisch „Staat und Revolution“ von Lenin kaufte, um Einsicht in die Natur des Staates zu erlangen.
Einer unserer Genossen erzählt, wie in seiner armen Familie der Aufstieg von Trump tatsächlich als Bewegung gegen das Establishment wahrgenommen wurde. Während der Finanzkrise von 2008 hatte sich seine Mutter verletzt und konnte nicht mehr arbeiten, zumindest nicht so wie früher. Sein Vater war deswegen gezwungen, Soldat zu werden, um eine Gesundheitsversicherung für die Familie zu erhalten. Dabei verletzte er sich jedoch selber und war fortan gezwungen, mit seiner Frau von einer mickrigen Pension zu leben, die nie rechtzeitig da war.
Dieses Elend schuf in der Familie einen Hass gegenüber dem Staat. Als Trump verkündete, er würde einen Kampf führen gegen das verrottete Establishment in Washington, den „Sumpf“, wie er es nannte, knüpfte das an ihre Erfahrung an. Als Trump die Wahl 2016 gewann, fühlte es sich für sie wie ein Triumph an.
Die Familie unterstütze Trump sogar so weit, dass unser Genosse selbst am 6. Januar 2021 bei der „Stop the Steal“-Demo in Washington gegen den angeblichen Wahlbetrug durch die Demokraten anwesend war. Dann begann er zu zweifeln. Die Realität war nämlich, dass sich für die Familie in den vier Jahren seit Trumps Wahlsieg trotzdem nichts verbessert hatte. Diese Enttäuschung brachte ihn letztendlich zum Kommunismus und zu den RCA.
Unser Genosse ist kein Einzelfall. Viele haben zwar noch Illusionen, aber liberale Belehrung wird sie nicht überzeugen. Durch ihre Erfahrung werden sie lernen und wie der Genosse sagt: „Trumps Scheitern bei seinem zweiten Versuch wird Millionen weitere Kommunisten schaffen.“
Sackgasse Trump
Die Milliardärsregierung von Trump ist nämlich nicht in der Lage, die Bedingungen der Arbeiter in den USA zu verbessern. Ihr gelang es nicht, die Lebensmittelpreise zu senken, sie setzt massive Kürzungen im Sozialstaat um und durch ihre protektionistische Handelspolitik wird sie die Preise für fast alle Waren sogar noch erhöhen. So stellt sich Trumps kämpferische Rhetorik als inhaltsleere Demagogie heraus.
Denn die Krise ist die natürliche Konsequenz des Kapitalismus selbst, von dem Trump, der selbst Kapitalist ist, sich niemals trennen wird. Er ist bereit, eine Verschlechterung des Lebensstandards der Massen zu akzeptieren, um zu versuchen, den US-amerikanischen Kapitalismus zu retten. Erst vor kurzem sagte er im Fernsehen über die Auswirkungen des Protektionismus: „Ich denke nicht, dass eine 11-Jährige 30 Puppen braucht. Ich denke, sie könnte drei oder vier haben. Sie braucht nicht 250 Bleistifte. Sie kann fünf haben.“
Der Verrat des Reformismus
Zur selben Zeit sehen wir die Rückkehr von Sanders, der in seiner „Fighting Oligarchy Tour“ die bislang größten Kundgebungen seiner Karriere organisierte. In Denver und Los Angeles kamen jeweils 34.000 und 36.000 Menschen, um seine Reden zu hören. Auf diesen Veranstaltungen haben unsere Genossen mit zahlreichen Teilnehmern gesprochen.
Die Stimmung war kämpferisch. Ein Mann, mit dem unsere Genossen geredet haben, war tatsächlich auch ehemaliger Trump-Wähler und als wir ihn fragten, warum er hier sei, antwortete er: „Die Lebensmittelpreise!“ Er hatte an Trumps Versprechen, die Inflation zu stoppen, geglaubt, aber die Preise sind immer noch zu hoch, als dass er über die Runden kommen könnte.
Bei den Kundgebungen waren Viele tatsächlich auf der Suche nach einer Organisation mit einem revolutionären Programm. Aber was bietet Sanders ihnen? Wieder rief er dazu auf, innerhalb der verhassten Demokratischen Partei zu arbeiten. Doch die Massen haben nicht vergessen, was ihnen Joe Bidens Präsidentschaft brachte, die Sanders ihnen jetzt als „geringeres Übel“ verkaufen wollte. Nicht ohne Grund sind die Umfragewerte der Partei so niedrig wie noch nie zuvor.
Einige unserer Genossen haben bereits selbst die „Schule von Bernie“ durchgemacht. Mit seiner kämpferischen Rhetorik war er ein Anlaufpunkt für alle, die Sozialismus wollten. Aber Sanders selbst kapitulierte in den Präsidentschaftswahlen 2016 und 2020 vor der bürgerlichen Führung der Demokraten. Durch diesen Verrat zogen etliche ehemalige Sanders-Anhänger revolutionäre Schlüsse.
Die Meisten, mit denen unsere Genossen auf der „Fighting Oligarchy Tour“ gesprochen haben, bezeichneten sich nicht als Demokraten, sondern als Unabhängige. Sie erkannten, dass es nicht eine Frage von Demokraten gegen Republikaner, sondern von den Massen gegen die Milliardäre ist. In Los Angeles verkauften wir 140 Ausgaben unserer US-amerikanischen Zeitung und konnten 83 potenzielle Rekruten finden.
Revolutionärer Optimismus
Das zeigt: Was fehlt, sowohl in den USA als auch in Deutschland, ist eine Partei, die dem System wirklich den Kampf ansagt und nicht zurückschreckt. Deshalb liegt hierzulande die AfD in Umfragen aktuell bei 25%. Der Blick in die Staaten zeigt aber: Das reaktionäre Programm der Rechten kann die Krise nicht beheben. Sie knüpfen am berechtigten Hass auf das Establishment an, bieten jedoch keine Lösung. Es gibt keinen „Rechtsruck“ in der Arbeiterklasse, sondern lediglich ein gewaltiges Vakuum für eine revolutionäre Alternative.
Von diesem Vakuum können auch linke Reformisten wie Sanders oder DIE LINKE profitieren. Schlagen sie widerspenstige Töne an, wecken sie in den Massen die Hoffnung auf einen ernsthaften Kampf. Doch weil sie in letzter Konsequenz immer vor dem Status quo einknicken, ihn sogar gegen die Rechten als „geringeres Übel“ verteidigen wollen, müssen auch die Reformisten enttäuschen. Statt aus den vergangenen Niederlagen zu lernen, gehen sie auf ihrem altbekannten Holzweg weiter.
Wir und unsere Genossen der RCA sagen dagegen: Wer die Krise beenden will, muss den Kapitalismus stürzen. Auf Grundlage ihrer Erfahrung kommen auch die Massen zunehmend zu dieser Schlussfolgerung. Sie testen Parteien und Programme aus, was sich auf politischer Ebene in wilden Schwankungen zwischen Links und Rechts ausdrückt. Das ist der Molekularprozess der Revolution, der nicht nur in den USA oder Deutschland, sondern auf dem gesamten Planeten bereits in Gang gesetzt wurde. Deswegen kämpfen wir dafür, das Vakuum zu füllen.