Kriege stellen seit jeher alle Theorien und Organisationen auf die Probe. Die wenigsten bestehen den Test. Wie bereits zum Konflikt in der Ukraine haben verschiedene „kommunistische” Parteien in der ganzen Welt unterschiedliche, teils sogar gegensätzliche Positionen zum Blutbad Israels in Gaza eingenommen.
Als Leninisten wissen wir, dass die Außenpolitik einer Partei nicht von ihrer Innenpolitik getrennt werden kann. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die „kommunistischen“ Parteien, die zu Hause eine sozialdemokratische Politik verfolgen, die den Kapitalismus lediglich reformieren will, im Ausland eine nationalistische oder bestenfalls pazifistische Position einnehmen. So appellieren viele dieser Organisationen lediglich an die internationalen Institutionen, Druck auf Israel auszuüben, das „humanitäre Völkerrecht“ zu respektieren.
Es ist jedoch nicht die Sache der Kommunisten, Illusionen in Organisationen wie die Vereinten Nationen (UNO) zu säen. Diese hat im Laufe der Jahrzehnte zahllose Resolutionen zu Palästina verabschiedet, die jedoch allesamt völlig wertlos sind. Lenin kritisierte seinerzeit den Völkerbund, den Vorgänger der UNO, aufgrund seines imperialistischen Charakters als „Räuberhöhle“. Die Rolle von Kommunisten besteht darin zu erklären, dass das „Völkerrecht“ und die „internationalen Richtlinien“ nicht mehr als blanke Heuchelei sind. Sie dienen dazu, die Arbeiterklasse in die Irre zu führen und das wahre Wesen der Imperialisten zu verschleiern.
Die Position der griechischen KKE
Anders als viele andere „kommunistische“ Parteien, die sich dem Druck der bürgerlichen öffentlichen Meinung gebeugt haben, stellt sich die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) hinter den Kampf des palästinensischen Volkes. Die KKE und ihre Jugendorganisation haben eine wichtige Rolle in der Palästina-Solidaritätsbewegung gespielt und an ihrem Standpunkt gegen den Imperialismus und gegen ihre eigene herrschende Klasse festgehalten. Dennoch sind wir der Meinung, dass selbst die Position der KKE zum Konflikt im Nahen Osten mehrere Mängel aufweist und weit entfernt von einer leninistischen Analyse ist.
Es ist die Pflicht von Kommunisten, Meinungsverschiedenheiten solidarisch zur Sprache zu bringen. Zu Lenins Zeiten war dies die Norm. Er führte scharfe Diskussionen gerade mit denen, die ihm am nächsten standen, weil er theoretische Klarheit als überlebensnotwenig betrachtete. Die wichtigsten Meinungsverschiedenheiten, die wir mit der KKE haben, sind folgende: ihre Unterstützung einer Zweistaatenlösung, das Fehlen eines sozialistischen Programms für Palästina und ihre unklare Position zu Stalins Unterstützung für die Teilung Palästinas 1947/48.
Zweistaatenlösung
Die KKE argumentiert für eine Zweistaatenlösung mit den Grenzen von 1967. Das Osloer Abkommen von 1993 hat gezeigt, wohin dieser Weg führt. Dieses war ein vollständiger Verrat und Ausverkauf des palästinensischen Volkes durch ihre eigene Führung. Israel behielt die Kontrolle über einen großen Teil des Westjordanlandes und der Außengrenzen, jüdische Siedler durften in den palästinensischen Gebieten bleiben und die Siedlungen wurden weiter ausgebaut.
Unklar bleibt ob die Palästinenser nach Ansicht der KKE nun für eine „echte“ Zweistaatenlösung kämpfen sollen? Selbst diese Position würde in eine Sackgasse führen: Solange der kapitalistische Staat Israel existiert, wird dessen Bourgeoisie niemals die Existenz eines lebensfähigen palästinensischen Staates akzeptieren, da sie ihn als Bedrohung ihrer „nationalen Sicherheit“ ansieht. Was übersetzt nur bedeutet, dass die israelische Bourgeoise kein Interesse an einer palästinensischen Kapitalistenklasse hat, weil dies die eigenen Profite gefährden würde.
Es sind die praktischen Erfahrungen der letzten 30 Jahre, die eine Mehrheit der Palästinenser dazu gebracht haben, eine Zweistaatenlösung abzulehnen. Im September letzten Jahres ergab eine Umfrage des palästinensischen Zentrums für Politik- und Umfrageforschung, dass 67 % der Palästinenser eine Zweistaatenlösung nicht billigen und nur 32 % sie unterstützen.
Das Fehlen eines sozialistischen Programms
In allen Erklärungen der KKE zur Palästina-Frage wird der Kampf für den Sozialismus überraschenderweise mit keinem Wort erwähnt. Aus den offiziellen Statements der letzten Wochen muss man die Schlussfolgerung ziehen, dass die KKE das strategische Ziel des palästinensischen Kampfes in der Bildung von zwei kapitalistischen Staaten sieht, nicht im Kampf für den Sozialismus.
Wir stimmen mit der KKE überein, wenn sie sagt, dass der Kampf für die nationale Befreiung ein wesentlicher Teil des Programms der Kommunisten in Palästina ist. Auch teilen wir ihre Position, dass die palästinensischen Kommunisten Parolen formulieren müssen, die den Arbeitern und der Jugend helfen, die Verbindung zwischen diesem Kampf und dem Kampf für den Sozialismus zu verstehen.
Aus den Artikeln der KKE könnte man jedoch den Eindruck gewinnen, dass es nur die palästinensischen Kommunisten sind, die die Notwendigkeit des Kampfes für Sozialismus und Arbeitermacht erklären dürfen, während Kommunisten in anderen Teilen der Welt sich auf reine Solidarität beschränken sollen, ohne darüber zu sprechen, wie man in Palästina zum Sozialismus kommt.
Eine solche Position wäre falsch und stünde im Widerspruch zu Lenins Lehren des Internationalismus. Für ihn war die Kommunistische Internationale nicht nur ein oberflächlicher Zusammenschluss, sondern im Wesentlichen Programm, Politik und Methode. Wir sind nicht einfach Solidaritätsaktivisten. Wir sind Kommunisten und deswegen ist es auch unsere Pflicht zu erklären, wie die Befreiung Palästinas erreicht werden kann.
Die KKE jedoch schweigt nicht nur über den Kampf für den Sozialismus, sondern befürwortet dazu noch eine Perspektive (die Zweistaatenlösung), die – zumindest in Worten – von der UNO und sogar vom US-Imperialismus geteilt wird!
Die Gründung Israels mit Unterstützung Stalins
In dem Dokument „Kurze Antworten“ des Zentralkomitees der KKE heißt es: „Die Existenz des israelischen Staates ist heute Realität. Das Massaker an den Juden durch die Nazis und der Antisemitismus, der von den bürgerlichen Klassen vor dem Zweiten Weltkrieg in vielen kapitalistischen Ländern gefördert wurde, führten dazu, dass die UdSSR und die internationale Arbeiterbewegung die Gründung des Staates Israel neben dem Staat Palästina akzeptierten.“ Dies rechtfertigt und unterstützt eindeutig die Gründung des Staates Israel 1948 und die Unterstützung durch die UdSSR.
Wir müssen daran erinnern, dass die Gründung Israels ohne die massenhaften ethnischen Säuberungen von 700.000 Palästinensern von ihrem Land nicht möglich gewesen wäre! Die Teilung Palästinas war ein imperialistisches Verbrechen, das darauf abzielte, Araber und Juden gegeneinander auszuspielen, um die imperialistische Vorherrschaft aufrechtzuerhalten.
Im Jahr 1947 unterstützte die Sowjetunion den Teilungsplan bei den Vereinten Nationen. Dies geschah jedoch nicht aus Solidarität mit dem jüdischen Volk, sondern in dem Bestreben, die Position des britischen Imperialismus im Nahen Osten zugunsten der stalinistischen Bürokratie zu schwächen. Die UdSSR war der erste Staat, das den neu gegründeten Staat Israel anerkannte und Stalin belieferte die Zionisten mit Waffen.
Dies war ein Verrat mit katastrophalen Folgen für alle kommunistischen Parteien im gesamten Nahen Osten und darüber hinaus. Eine solche Haltung ist nicht zu rechtfertigen und macht die stalinistische Bürokratie der UdSSR mitschuldig an den Verbrechen, die gegen das palästinensische Volk begangen wurden.
Bereits in der Nachkriegszeit war die Position der Trotzkisten in Palästina und anderswo die Verurteilung der Teilung Palästinas mit dem Ziel der Einheit der Arbeiterklasse gegen den Imperialismus. Auch Engels hat schon vor langer Zeit darauf hingewiesen, dass kein Volk frei sein kann, wenn es ein anderes Volk unterdrückt.
Der einzige Weg zu einer Lösung des Konflikts führt über den Sturz der zionistischen herrschenden Klasse in Israel. Das erfordert einen revolutionären Kampf, der die nationale Befreiung der palästinensischen Massen mit ihrer sozialen Emanzipation verbindet und demokratische sowie sozialistische Forderungen und Ziele vereint. Deshalb kann der Kampf der palästinensischen Massen nur als revolutionärer Kampf zum Sturz aller reaktionären kapitalistischen Regime in der Region, in den arabischen Ländern und in Israelerfolgreich sein.
Zurück zu Lenin
Dafür ist es notwendig, dass wir zu den Ideen Lenins zurückkehren. Anstatt an internationale (sprich imperialistische) Institutionen wie die UNO zu appellieren, benötigen wir eine Revolutionäre Kommunistische Internationale als Werkzeug für die Weltrevolution. Diese Internationale braucht demokratische Debatten all ihrer Mitglieder über Strategie und Taktik, die in einem einheitlichen Vorgehen münden.
Denn nur wenn wir konsequent mit dem Reformismus, Chauvinismus und den herrschenden Klassen in jedem Land brechen, können wir unser Ziel erreichen! Anstelle von bürgerlich-moralischen und pazifistischen Appellen nach „Waffenstillstand“ und „friedlicher Koexistenz“ brauchen wir revolutionäre Parolen, welche den Palästinensern einen tatsächlichen Weg zu ihrer Befreiung aufzeigen. Eine davon lautet: Intifada bis zum Sieg!
Und anstatt bei Soli-Demos und Unterstützungsbekundungen Halt zu machen, benötigen wir kommunistische Organisationen in allen Ländern, welche ihre nationale Bourgeoisie und deren Heuchelei aufdecken und bekämpfen.
Unsere Internationale, die International Marxist Tendency, hat sich genau diesen Kampf für die Weltrevolution auf die Fahne geschrieben. Wir sind in über 60 Ländern aktiv. Überall gilt für uns die alte Parole: Der Hauptfeind steht im eigenen Land! Wir verkörpern eine konsequente, revolutionäre Politik gegen das Kapital und den Imperialismus. Nur tatsächlich gelebte, internationale, proletarische Solidarität kann Frieden im Nahen Osten und Sozialismus auf der ganzen Welt bringen!