Leitartikel – Der Kommunist Nr. 4: Revolution gegen die Diktatur der Reichen!

Vom 24. bis zum 26. Mai hat die Bundesregierung in der Hauptstadt ein groteskes Spektakel zum 75. Jahrestag des Grundgesetzes (GG) veranstaltet: Unter dem Motto „Demokratie feiern“ wurde die „Erfolgsgeschichte“ von „75 Jahren Freiheit, Frieden und Demokratie“ im Berliner Regierungsviertel begangen. 

Gastgeber waren dieselben staatlichen Institutionen und Parteien, welche demokratische Rechte einschränken; mit Sparpolitik einen Feldzug gegen den Lebensstandard der Arbeiterklasse führen; aufrüsteten und militarisieren; am Völkermord an den Palästinensern beteiligt sind und Geschäfte mit autoritären Regimen wie Saudi-Arabien machen. 

Gefeiert wurde die Erfolgsgeschichte der imperialistischen Herrschaft des deutschen Kapitals und seiner politischen Vertreter über die Arbeiterklasse in Deutschland, Europa und international. 

Sichtbar ist das am Programm der „Feierlichkeiten“. Wie üblich wurde die Angliederung der DDR als Triumphzug des GG dargestellt. Das westdeutsche Kapital erteilte den Ostdeutschen eine demokratische Lektion: Es zerschlug die Betriebe und die staatliche Planwirtschaft. Damit nahm sie Millionen DDR-Bürgern die Existenzgrundlage und stürzte sie in Arbeitslosigkeit, Existenznot und Herabwürdigung. 

Auch für die westdeutsche Arbeiterklasse ist das GG keine Erfolgsgeschichte. Ihren Anspruch auf demokratische Rechte und steigenden Lebensstandard hat sie sich stets gegen den Widerstand der Kapitalistenklasse, ihres Staates und ihrer Regierungen nehmen müssen. Herausragende Klassenkämpfe sind die politischen Streiks 1948 (für Verstaatlichung der Wirtschaft), 1952 (für mehr betriebliche Mitbestimmungsrechte), 1968 (gegen die Notstandsgesetze), 1972 (gegen das Misstrauensvotum gegen Willy Brandt), 1996 (gegen Kürzungen der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall). 

Wurzeln des Grundgesetzes 

In Teilen der linken Bewegungen gibt es mythische Vorstellungen über den Charakter des GG. So etwa im Buch „Deutsche Geschichte seit 1945“ des linken Politikwissenschaftlers Georg Fülberth. Er schreibt, dass das GG auf „keine bestimmte Eigentumsordnung“ festgelegt worden sei und „innerhalb seines Rahmens […] sowohl eine kapitalistische als auch eine sozialistische Gesellschaft möglich“ wären. Er begründet das damit, dass die Artikel 14 (der Gebrauch des Eigentums solle „zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“), 15 (Enteignungsmöglichkeit) und 20 (Sozialstaatspostulat) „über eine reine Privatwirtschaft“ hinausweisen würden. 

Diese Vorstellung geht an der Realität vorbei. Die Frage ist nicht, was eine Verfassung den Worten nach möglich machen könnte. Das Wesen der Verfassung speist sich aus den Interessen der Klasse, welche die politische Macht in den Händen hat. Das wiederum ist bestimmt durch die Produktionsverhältnisse einer Gesellschaft. Zum Beispiel schützt Artikel 14 des GG explizit das Eigentum und Erbrecht. Gemeint ist das Privateigentum an den Produktionsmitteln und das Recht der Kapitalisten, ihren durch Ausbeutung angeeigneten Reichtum zu vererben. 

Das GG wurde 1949 in den westlichen Besatzungszonen von der deutschen Kapitalistenklasse, ihren politischen Vertretern und den Besatzermächten in Zusammenarbeit mit den reformistischen Führungen der Arbeiterorganisationen (SPD und Gewerkschaften) erstellt. Der Zweck des GG war es, den Kapitalismus zu retten und Westdeutschland als imperialistisches antikommunistisches Bollwerk gegen die Sowjetunion und revolutionäre Bewegungen in Westeuropa aufbauen. 

Doch die Erfahrung des Faschismus und des imperialistischen zweiten Weltkriegs sorgte in breiten Schichten der Arbeiterklasse für antikapitalistische Stimmungen. Mit Kriegsende entstanden Arbeiterorganisationen, in Form von Antifa-Ausschüssen, Betriebsräten und politischen Einheitsorganisationen. Sie organisierten eigenständig den Wiederaufbau und die Säuberung von Nazis. Das wurden von den Alliierten unterdrückt. 

Der alte Staatsapparat wurde wieder aufgebaut und bekam in dem Zuge eine neue Hülle: den Parlamentarismus. Die Führungen und Apparate der Arbeiterorganisationen in Form der SPD und der Gewerkschaften wurden vom Kapital in den Staatsapparat integriert und in das Management der Wirtschaft einbezogen. Der Reformismus und die Sozialpartnerschaft wurden so zu entscheidenden Stützpfeilern der BRD – d.h. des Kapitalismus und der bürgerlichen Herrschaft. 

Das GG wiederum spiegelte dieses Kräfteverhältnis der Klassen in dieser Zeit wider. Wie Marx und Engels in „Die Deutsche Ideologie“ erklärten: „Die herrschenden Gedanken sind weiter Nichts als der ideelle Ausdruck der herrschenden materiellen Verhältnisse, die als Gedanken gefassten herrschenden materiellen Verhältnisse.“ 

Die Herrschenden gingen in die Offensive, um ihr System und ihre Interessen durchzusetzen. Aber sie mussten sich hinter dem Versprechen abstrakter Grundrechte verstecken, um die Illusion zu erzeugen, dass die Bundesrepublik allen Staatsbürgern universelle und unverhandelbare Rechte zugestehen würde. Nach der Erfahrung der faschistischen totalitären Herrschaft des deutschen Imperialismus mussten die bürgerlichen Kräfte der Arbeiterklasse zumindest auf dem Papier weitläufige Zugeständnisse machen, um die revolutionäre Gärung abzudämpfen. Ted Grant bezeichnete diesen Prozess als Konterrevolution im demokratischen Gewandt. 

Bürgerliche Demokratie 

Lenin erklärt in „Staat und Revolution“: „Die Allmacht des ‚Reichtums‘ ist in der demokratischen Republik deshalb sicherer, weil sie nicht von einzelnen Mängeln des politischen Mechanismus, von einer schlechten politischen Hülle des Kapitalismus abhängig ist. Die demokratische Republik ist die denkbar beste politische Hülle des Kapitalismus“, weil „kein Wechsel, weder der Personen noch der Institutionen noch der Parteien der bürgerlich-demokratischen Republik, diese Macht erschüttern kann.“ 

Die demokratischen Institutionen sind für das Kapital besonders effektive Mittel der Herrschaft. Vermittelt über sie kann die Kapitalistenklasse als Ganzes ihre gemeinschaftlichen Interessen verfolgen. Die Universitäten, die Parteien und bürgerlichen Verbände bilden die Repräsentanten des Kapitals aus, die wiederum Positionen in den Regierungen und Ministerien, den Massenmedien, dem Justizsystem, in den Leitungspositionen des Beamtenapparats, der Polizei und des Militärs besetzen und langfristig zuverlässig die Geschäfte des Kapitals verwalten. 

Allen sind die Drehtüren zwischen Banken, Konzernen, Ministerien, Parteien, staatlichen Institutionen etc. bekannt. Mit Agnes Strack-Zimmermann (FDP) ist eine Vertreterin der Rüstungslobby Vorsitzende des Verteidigungsausschusses. Sigmar Gabriel (SPD) sitzt als ehemaliger Wirtschaftsminister in mehreren Aufsichtsräten. Beispiele gibt es so viele wie es Politiker gibt. 

Krise der bürgerlichen Demokratie 

Heute bekommt diese „denkbar beste politische Hülle des Kapitalismus“ zunehmend Risse. Immer offener tritt zu Tage, dass der Staat kein neutraler Verwalter der Gesellschaft ist. Während die Schere zwischen Arm und Reich, d.h. die Polarisierung zwischen den Klassen, zunimmt, arbeiten der Staat und die politischen Repräsentanten der herrschenden Klasse darauf hin, die Profite des Kapitals zu steigern. 

Die Krise des Kapitalismus zwingt das Kapital in die Offensive gegen die Arbeiterklasse. Insbesondere die FDP schlägt in dieser Frage scharfe Töne an, die in den Reihen der Unternehmer auf Beifall stoßen und von allen bürgerlichen Parteien offen oder verdeckt mitgetragen werden. 

Ein „12 Punkte Programm zur Beschleunigung der Wirtschaftswende“ des FDP-Präsidiums zielt unteranderem auf folgende Punkte ab: Steuerbefreiungen sollen die Profite der Konzerne erhöhen. Die Abschaffung der Rente mit 63 und die Steuerbefreiung von Überstunden soll die Lebens- und Wochenarbeitszeit unter dem Deckmantel der Freiwilligkeit verlängern und damit die Ausbeutung steigern. Sparpolitik und Sanktionen gegen Arbeitslose sollen die Sozialausgaben eindampfen und damit den Anteil der Arbeiterklasse am gesellschaftlichen Reichtum kürzen. 

Die Profite der Banken, Versicherungen und Konzerne sollen steigen, was die bürgerlichen Politiker damit begründen, dass dann neue Investitionen fließen würden. Doch in den letzten Jahrzehnten sind die Investitionen auf niedrigstem Niveau, obwohl der Staat mit Hunderten Milliarden die Unternehmen subventioniert. Die Banken und Konzerne sitzen auf Geldbergen. 

Gleichzeitig fehlen Investitionen in die Infrastruktur und Daseinsvorsorge. Die Schuldenbremse, Sparpolitik und Steuererleichterungen für das Kapital werden diese Entwicklung nur verstärken. Die Arbeiterklasse soll immer mehr und länger arbeiten, während all das, was sie mit ihrer Arbeit errichtet hat, verfällt und das Leben immer beschwerlicher macht. 

Demokraten gegen demokratische Rechte 

Die herrschende Klasse und ihr Staat verlagern die Krise des Kapitalismus auf die Schultern der Arbeiterklasse. Diese Politik der Angriffe reißt dem bürgerlichen Staat die Maske herunter und offenbart den Klassencharakter der Gesellschaft. Darüber können weder das Grundgesetz noch Appelle zum „Schutz der Demokratie“ hinwegtäuschen. 

Das sorgt für eine wachsende politische Polarisierung in der Gesellschaft. Die Herrschenden und ihr Staat selbst bereiten eine Epoche des Klassenkampfes und der Revolution auch in Deutschland vor. Dafür bewaffnen sie sich jetzt. Diejenigen, die sich als große Verteidiger der Demokratie aufspielen, betreiben konsequent den Abbau demokratischer Rechte – egal ob CDU/CSU, FDP, Grüne oder SPD. 

Am augenscheinlichsten ist das an der Bekämpfung der Palästinasolidarität durch die Regierung und die staatlichen Institutionen im Bunde mit den Massenmedien und Unternehmen. Gleichzeitig werden den Repressionsorganen – der Polizei und dem Verfassungsschutz – immer weitreichendere Möglichkeiten zur Überwachung und Verfolgung von politisch unliebsamen Personen und Organisationen eingeräumt. 

Die Versammlungsfreiheit und die Meinungsfreiheit werden regelmäßig und immer härter eingeschränkt. Mit Gewalt werden Proteste aufgelöst. In den Medien werden Aktivisten mit Gesichtern und Namen vorgeführt und an den öffentlichen Pranger gestellt. Aktivisten werden an der Einreise nach Deutschland gehindert. Konten von palästinasolidarischen Organisationen (z. B.  Jüdische Stimme) werden gesperrt. Arbeiter, die ihre Stimme gegen den Völkermord in Gaza erheben, müssen um ihren Arbeitsplatz fürchten. 

Wofür kämpfen Kommunisten? 

All das bestätigt die marxistische Analyse: Der Staat ist ein Organ der Klassenherrschaft, ein Organ zur Unterdrückung der einen Klasse durch die andere. Die bürgerliche Demokratie ist nur die freundliche Maske der Diktatur der Banken und Konzerne.  

Das heißt, dass die Arbeiterklasse und Jugend ihre demokratischen Rechte nicht mit den Institutionen des bürgerlichen Staates und auch nicht mit Parteien und Organisationen der Liberalen und anderer bürgerlicher Kräfte verteidigen können. Ihre Rechte können sie nur gegen das Kapital und seine Handlanger durchsetzen. 

Deshalb kämpfen wir Kommunisten für ein politisches Programm in der Arbeiterbewegung, welches alle demokratischen Rechte verteidigt und ausweitet. Wir stellen uns gegen gewerkschaftsfeindliche Gesetze, gegen Angriffe auf die Menschenrechte und Eingriffe in unsere Privatsphäre. Genauso kämpfen wir gegen Sparpolitik, Arbeitszeiterhöhungen, Privatisierungen und alle Maßnahmen, die die Profite des Kapitals schützen und steigern. 

Aber wenn das Recht und seine Funktionsweise grundlegend und dauerhaft geändert werden soll, brauchen wir eine Revolution. Selbst wenn eine staatliche Verfassung die Möglichkeit in sich tragen würde, den Sozialismus einzuführen, würden die Kapitalisten und ihre Repräsentanten alles daransetzen, dies zu verhindern. Keine herrschende Klasse hat jemals kampflos ihre Macht abgegeben. Um ihr System zu verteidigen, sind die Bürgerlichen bereit alle Grund- und Menschenrechte, selbst das bisschen Demokratie, das sie den Massen gewähren, zu zerstören. 

Wir Kommunisten kämpfen deshalb für den Sturz der Diktatur des Kapitals. Wir wollen den Kapitalismus durch eine sozialistische Gesellschaft ersetzen. Unser Programm zielt auf die breiteste Beteiligung der Arbeiterklasse und Jugend an der revolutionären Umwälzung der Gesellschaft ab. An die Stelle einer Regierung der Banken und Konzerne wollen wir, dass die Ausgebeuteten und Unterdrückten ihren Arbeiterstaat setzen: eine Rätedemokratie. 

Der Sozialismus wird echte Demokratie und die breiteste politische Beteiligung für die Mehrheit der Gesellschaft bringen und gleichzeitig die Grundlage dafür legen, dass der Staat als Herrschaftsinstrument abstirbt. Hilf mit, die sozialistische Revolution zum Erfolg zu führen! 

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