Auf den letzten Metern ins Kanzleramt stolpert Friedrich Merz (CDU). Kanzler wird er auch von Gnaden der Linkspartei. Das gesamte Establishment dankt der Linksfraktion für ihre Rettungsaktion, denn eine Mehrheit fehlt der Regierung laut Umfragen bereits wieder. Der Kanzler ist sogar der Unbeliebteste seit 1949.
Der Sauerländer möchte dennoch entschlossen wirken. In seiner Regierungsansprache zu seinen Kollegen im Bundestag setzt er auf Pathos: „Wir erleben eine Welt in Bewegung, geradezu in Aufruhr. Die Entscheidungen, die wir zu treffen haben, werden die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland zumindest für einige Jahre prägen. Sie werden prägend sein für das Leben unserer Kinder und Enkelkinder.“
Inmitten eines extremen historischen Wendepunktes übernimmt eine kleine „Große Koalition“ die Regierungsgeschäfte der taumelnden Bundesrepublik. Jetzt ist Friedrich Merz der Kapitän dieses sinkenden Schiffs.
Null Wachstum
Merz will das Ruder rumreißen. Er spielt den starken Mann des deutschen Finanzkapitals. Die Kapitalistenvereinigung „Wirtschaftsrat der CDU e.V.“ hat ihn an die Spitze der Partei gehievt und für das Kanzleramt fit gemacht. Der Bundesverband der Deutschen Industrie hat ihm das Programm diktiert.
Seit 2020 hat die deutsche Wirtschaft laut dem IW 735 Mrd. Euro verloren, was 4,3% des BIP entspricht. Das HRI warnt in seiner Konjunkturprognose davor, dass in den nächsten zehn Jahren kein Wachstum mehr stattfinden könnte. Das mögliche jährliche Wachstum schätzen sie auf 0,3%. Diese wahrscheinliche Stagnation ist aber noch nicht einmal eingetreten, denn 2025 wird Deutschland das dritte Jahr in Folge in der Rezession stecken – die Wirtschaftsleistung wird schrumpfen.
Das Hauptproblem – darin sind sich alle ernsthaften Kapitalstrategen einig – sind die Kapitalisten selbst. Investierten sie 1995 noch 140 Mrd. Euro in die Erweiterung der Produktionsmittel, waren es 2024 nur noch 11 Mrd. oder umgerechnet 0,3% des BIP. Jetzt geben 54% der Unternehmen, die keine Investitionen planen, in einer Umfrage an, dass der Hauptgrund für ausbleibende Investitionen „mangelnde Nachfrage“ und „noch ausreichende Kapazitäten“ seien. Anders ausgedrückt: Überproduktion.
Keine Investitionen, keine Konkurrenzfähigkeit, kein Wachstum – das will Merz ändern. Er fordert Investitionen „aus der Privatwirtschaft und aus den Kapitalmärkten“. Im Gegenzug wird seine Regierung „die Rahmenbedingungen schaffen“ (Deregulierung, Lohnkürzungen, Steuersenkungen für Unternehmen) und Schulden machen. Aber das wird die Wirtschaft nicht aus diesem Teufelskreis der kapitalistischen Produktionsweise befreien. Das könnte nur die Enteignung der Kapitalistenklasse und eine sozialistische Planwirtschaft.
Da sie keine neuen Märkte schaffen können, um die Überproduktion zu überwinden, werden die nötigen Investitionen nicht kommen. Die Wirtschaftsverbände und die neue Regierung haben nur eine Antwort: Profite steigern durch Angriffe gegen die Arbeiterklasse. Ein Hauptprojekt des Kanzlers: Die Deutschen sollen mehr arbeiten – längere Arbeitszeit, späterer Rentenbeginn. „Mit Viertagewoche und Work-Life-Balance werden wir den Wohlstand dieses Landes nicht erhalten können“, hetzt er gegen die Arbeiterklasse und Jugend.
Kürzungen & Kulturkampf
Weil das Wirtschaftswachstum fallen und auch in Zukunft höchstens stagnieren wird, werden Bund, Länder und Kommunen bis einschließlich 2029 voraussichtlich 81,2 Mrd. Euro weniger durch Steuern einnehmen als noch im Herbst 2024 erwartet.
Der Haushalt bleibt das Kernproblem, an dem auch die Merz-Regierung scheitern könnte. Im Juni sollen der Haushalt für 2025 und bald darauf der für 2026 im Bundestag beschlossen werden. In einem Brief des Finanzministeriums an alle anderen Ministerien heißt es, sie sollen alle Ausgaben absenken, die künftig durch das Sondervermögen finanziert werden. Ebenso seien die Einzelpläne des Wirtschafts-, Verkehrs- und Forschungsministeriums „um die Maßnahmen, die zukünftig im Klima- und Transformationsfonds finanziert werden, abzusenken“.
Der neue Finanzminister Lars Klingbeil (SPD), der sich selbst als „Investitionsminister“ betitelt, wird tatsächlich der „Kürzungsminister“ sein. Alles stehe unter „Finanzierungsvorbehalt“, poltert Klingbeil. Alles außer Subventionen für die Wirtschaft und die Aufrüstung. Merz will 5% des BIP jährlich in die „Kriegsertüchtigung“ stecken. Das wären 225 Mrd. Euro pro Jahr – ca. 50% des gesamten aktuellen Bundeshaushalts.
Verschärft wird die Haushaltskrise, weil Deutschland nun gegen dieselben EU-Schuldenregeln verstößt, deren Verschärfung es letztes Jahr durchgesetzt hatte. Das könnte der Regierung auf die Füße fallen.
So oder so, Kürzungen im Haushalt werden kommen. Kriegsminister Boris Pistorius (SPD) sagt: „Mit Sozialleistungen und mit Bildung lässt sich dieses Land nicht verteidigen.“ Klingbeil moniert, der SPD sei „der Charakter als Partei der Arbeit abhandengekommen“. Den Schluss, den die SPD-Führung und -Fraktion daraus ziehen, ist nicht der Kampf um gutbezahlte und sichere Arbeit für alle, sondern Angriffe auf Arbeitslose und von Sozialleistungen abhängige Beschäftigte. Bärbel Bas (SPD), Bundesministerin für Arbeit und Soziales, wird die Hetzkampagne gegen die untersten Schichten der Arbeiterklasse in Taten gießen: arbeiten für Hungerlohn oder verhungern.
Diese Angriffe werden früher oder später eine enorme Gegenreaktion der Arbeiterklasse provozieren. Der Klassenkampf von unten wird kommen. Deshalb werden CDU und SPD umso fester in das Horn des Kulturkampfs blasen, um die Arbeiterklasse und die Jugend zu spalten. Sie wollen so Zeit gewinnen für die unbeliebteste Regierung der BRD.
Hetze im Namen der „Demokratie“
Merz hat Alexander Dobrindt (CSU) zum Innenminister auserkoren, einen dezidierten Krieger der „konservativen Revolution“ und besonders aggressiven Migrantenhasser und Auto-Lobbyisten. Er soll der AfD das Wasser in punkto Hetze und Rassismus abgraben. Generell fallen die CDU/CSU Minister damit auf, vehemente Gegner von Muslimen und der LGBT-Community zu sein.
Aber solche Versuche, die AfD zu schwächen, haben in der Vergangenheit nichts gebracht und werden auch in Zukunft nichts erreichen. Die AfD wird stärker, weil die Regierung die Krise des Kapitalismus auf die Schultern der Arbeiterklasse und Jugend abwälzt. Der Lebensstandard der Massen sinkt, das Leben im Kapitalismus birgt nur noch Unsicherheit und Zukunftsangst.
Die Heuchelei der bürgerlichen Parteien, die die Krise des Systems den Massen aufbürden, untergräbt das Vertrauen in die Institutionen des bürgerlichen Staats und die etablierten Parteien. Die Massen suchen nach Antworten für ihre Probleme und finden sie in entstellter Form bei der AfD, weil die reformistische Führung der Arbeiterbewegung eine tragende Säule für das Establishments ist.
Was sagt der DGB?
Die Führung der DGB-Gewerkschaften klammert sich wie gewohnt an das von der SPD besetzte Arbeitsministerium. Realitätsfern kommentiert DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi den Koalitionsvertrag: „Endlich gibt es klare Perspektiven für Beschäftigte und Wachstum.“ Ihre Position zeigt, dass die Führung des DGB die Krise des Kapitalismus im Rahmen des Kapitalismus lösen möchte.
Der DGB sieht wohlwollend auf die geplanten Subventionen für die Konzerne und die Aufrüstung und gibt sich mit Phrasen im Koalitionsvertrag zufrieden: „Der 500-Milliarden-Fonds für Infrastruktur, die Reform der Schuldengrenze, steuerliche Abschreibungen für Investitionen, Steuersenkungen für Arbeitnehmer*innen, ein stabiles Rentenniveau und der Mindestlohn von 15 Euro ab 2026 sind wichtige Erfolge, für die wir lange gekämpft haben.“
Die DGB-Führung bemängelt zwar, dass all diese Vorhaben unter „Finanzierungsvorbehalt“ stehen und „Finanzierungslücken“ wohl kaum geschlossen werden „trotz Sondervermögen und gelockerter Schuldenbremse“. Doch der mahnende Ton kann nicht über die versöhnliche Haltung der Gewerkschaftsführung hinwegtäuschen.
Anstatt gegen die Kriegstreiber-Regierung in die Offensive zu gehen und den Kampf gegen sie vorzubereiten, streuen die reformistischen Führer Sand in die Augen der Arbeiterklasse. Ohne Klassenkampf und Revolution werden die Probleme des Kapitalismus in Deutschland ungelöst bleiben.
Der DGB könnte die Schwäche der Regierung ausnutzen, um die Interessen der Arbeiterklasse auf breiter Front durchzusetzen: höhere Löhne, keine Entlassungen, keine Werkschließungen, keine Arbeitszeiterhöhung usw. Stattdessen stützt die Führung des DGB zusammen mit der SPD die herrschende Klasse in ihrem Bestreben, die Arbeiterklasse für die Krise bezahlen zu lassen.
Die Linkspartei und die Jugend
Merz ist ein Kanzler auf tönernen Füßen. Er führt eine zum Scheitern verurteilte Krisenregierung an, weil ihr Programm keinen der Widersprüche lösen wird, in welche der deutsche Kapitalismus ökonomisch, politisch und sozial verstrickt ist.
Das eröffnet dem Klassenkampf von unten eine große Chance. Das Potenzial echte Gegenwehr gegen die neue Regierung zu leisten, ist vorhanden. An der Linkspartei hat sich die Politisierung eines großen Teils der Jugend nach links offenbart. Die Linkspartei wird als Kraft wahrgenommen, die den Kürzungen und der rassistischen Hetze etwas entgegenstellen kann.
Die Linkspartei hat auf ihrem Parteitag im Mai sogar beschlossen sich als „sozialistische Mitgliederpartei“ und als „organisierende Klassenpartei“ zu verstehen. Die politische Lage in diesem Land bietet die beste Grundlage, diese Orientierung in die Tat umzusetzen. Alle Sozialisten und Kommunisten haben heute die Pflicht, gegen Kürzungen und Aufrüstung sowie für den Sturz der Merz-Regierung zu kämpfen.
Jan van Aken, Heidi Reichinneck und Ines Schwerdtner können jetzt ihr Versprechen einhalten, die Linkspartei zur sozialen Opposition zu machen, die nicht nur in Wahlkämpfen in Aktion tritt, sondern auch soziale Bewegungen organisiert. Das könnte angesichts des gesellschaftlichen Klimas einen Aufschwung des Klassenkampfes in Deutschland in die Wege leiten.
Jedoch steckt die Linkspartei in einer fatalen Sackgasse. Der Vorstand und die Fraktion sehen die Hauptaufgabe der Linkspartei darin, die AfD zusammen mit den etablierten Parteien zu bekämpfen. Deshalb bieten sich Vorstand und Fraktion dem Establishment als zuverlässiger Partner an – auch der CDU/CSU. Deshalb haben sie Merz eine schnelle Wiederholung der Kanzlerwahl im Bundestag ermöglicht. Statt das Establishment zu bekämpfen, stabilisieren sie ihr Herrschaftssystem.
Das gibt der AfD den Spielraum, sich als Anti-Establishment-Partei zu inszenieren. Denn der Großteil der Arbeiterklasse rechnet die Linkspartei dem Establishment zu – nicht ohne Grund. Der CDU-Politiker Mario Voigt sagt über die Linkspartei: „Mit einer Partei, die nicht wie die AfD auf einen Systemsturz hinarbeitet, kann die CDU jenseits aller grundsätzlichen Differenzen parlamentarische Absprachen aus staatspolitischer Verantwortung treffen.“
Wiederum bittet Ines Schwerdtner Merz darum, ihre Partei stärker einzubinden, wenn es um politische Entscheidungen geht, denn die Linksfraktion werde „nicht nur helfen, wenn die Hütte brennt“. Dieser reformistische Kurs der Linksparteiführung drängt diejenigen, die gerade aus guten Gründen das Establishment verachten, in die Arme der AfD. Die rechten Demagogen gewinnen an Zuspruch, weil es von Seiten der Arbeiterbewegung an einem überzeugenden Angebot mangelt.
Die reformistische Parteiführung schafft es nicht, ein Programm zu formulieren und eine Praxis für ihre Partei abzuleiten, welche sich einzig und allein auf die Interessen der Arbeiterklasse stützen und den Sturz des Kapitalismus möglich machen. Aber genau so ein Programm braucht die Arbeiterklasse und die Jugend, um die Kürzungen und die Abrüstung abzuwenden, aber auch, um positive Reformen zu erkämpfen.
Die Aufgabe der Kommunisten
Aus diesem Grund organisieren wir Kommunisten uns in der RKP. Wir arbeiten darauf hin, die Arbeiterbewegung und die Jugend für ein revolutionäres sozialistisches Programm zu gewinnen und im Kampf zu vereinen. Wir wollen eine Kraft werden, die die Selbstaktivität der Massen immer fördert und dauerhaft die Flamme des Klassenkampfs schürt.
Wir wollen dabei mit allen gemeinsam kämpfen, die für die Interessen der Arbeiterklasse und Jugend eintreten. In den Debatten und Kämpfen der Bewegung tritt die RKP für die revolutionäre Überwindung des Kapitalismus ein – ganz in der Tradition von Marx, Engels, Lenin und Trotzki.
Wir sind überzeugt: Unser Programm kann die Krise des Kapitalismus wirklich lösen, denn wir wollen dieses System nicht retten, sondern den Kapitalismus durch eine sozialistische Revolution überwinden. Wir brauchen auch dich dafür. Tritt bei und bau mit uns die RKP auf!