Die Lüge der Kunstfreiheit

Die „Hall of Fame“ an der Geldernstraße/Parkgürtel in Köln ist eine legale Graffitifläche. Dort gestaltete eine Kölner Künstlerin über drei Wochen ein großes Wandgemälde, welches die menschenverachtenden Zustände im Norden Gazas aufzeigen sollte. Im Kunstwerk integrierte sie Zitate von ermordeten Palästinensern sowie die letzten Worte von Aaron Bushnell und wies mit einem QR-Code auf Artikel der bürgerlichen Medien hin, in denen das Leiden in Gaza behandelt wird.

Am 12. April, nur etwa zwölf Stunden nach der Fertigstellung, wurde das Kunstwerk vom Verfassungsschutz auf „verfassungsfeindliche“ Inhalte geprüft – ohne etwas zu finden! Trotzdem zensierte die Kölner Polizei die dargestellten Zitate und den QR-Code, indem sie die Inhalte mit schwarzer Farbe unkenntlich machte. Am nächsten Tag wurde das Gemälde weiter beschmiert. Das Künstlerkollektiv „Spray of Solidarity“ hat die Zensur auf ihrem Instagram-Account dokumentiert.

„Zensur findet nicht statt“

Der Artikel 5 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland erklärt: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern […]. Eine Zensur findet nicht statt.“ Schon die Proteste in Solidarität mit Palästina haben gezeigt, dass diese Freiheit im Gesetz nur so lange gilt, wie es den Herrschenden passt. Zensur zementiert die Ideen der herrschenden Klasse, indem sie alle anderen Meinungen aus der Öffentlichkeit verbannt.

So kontrollieren die Herrschenden auch die offizielle Kunst und Kultur. Was ihnen gefährlich wird, zensieren sie. Ob das Kunstwerk selbst Kritik erhebt, wie im Fall des Kölner Wandgemäldes, oder die Äußerungen des Künstlers, ist dabei nicht relevant: Musiker werden von Konzertlocations ausgeladen und Schauspieler erhalten Rollenabsagen, weil sie Solidarität mit Palästina zeigen. Es herrscht ein unglaublicher moralischer Druck.

„Unpolitischer“ ESC

Vor kurzem fand der Eurovision Song Contest (ESC) mit israelischer Beteiligung statt, als gäbe es das Massaker in Gaza nicht. Die herrschende Klasse stellt das Event als unpolitisch dar. Dabei dürfen Russland und Weißrussland trotz des Mottos „United by Music“ nicht teilnehmen. Die Demonstrationen während des ESC zeigen, dass ein großer Teil der Arbeiterklasse diese Heuchelei durchschaut hat.

Der ESC ist ein riesiges Event mit internationaler Ausstrahlung und Präsenz in den Medien. Aber selbst ein Wandgemälde in den Straßen Kölns, das nicht zur Revolution aufruft, sondern lediglich die grausame Realität in Gaza darstellt, macht der herrschenden Klasse Angst genug, um zur Zensur zu greifen.

Kunstfreiheit ist in der kapitalistischen Gesellschaft – in der Profitinteressen entscheiden, was produziert wird, seien es T-Shirts oder Musik, Literatur und Kunst – eine Lüge. Kunst hat Klassencharakter. Nicht nur das Werk, das zensiert wird, sondern auch der Zugang zur Kunst unterliegt den Bedingungen des Kapitalismus. Kunst wird von der Arbeiterklasse ferngehalten, etwa durch fehlende Freizeit, mangelnde Plattformen und utopische Eintrittspreise. Deshalb ist der Kampf für Kunstfreiheit untrennbar mit der sozialistischen Revolution verbunden.

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