Civil War und die Krise des Kapitalismus

Die Finanzkrise von 2008 hat einen tiefen Wandel im kollektiven Bewusstsein hinterlassen. Der Kapitalismus stürzte in seine tiefste Krise und „Das Ende der Geschichte“, von dem die Bürgerlichen seit den 1990er Jahren gesprochen hatten, schien sich von dem einstigen Versprechen nach Frieden und Stabilität in eine düstere Dystopie zu verwandeln. Diese Veränderung ging auch am Kino nicht vorbei.

Der Katastrophenfilm fand in den letzten Jahren durch Filmen wie 2012 (2009) von Roland Emmerich, Lars von Triers Melacholia (2011) und zuletzt Adam McKays Kommentar auf den Klimawandel Don’t Look Up (2021) ein förmliches Revival. Auch der neue Film des Regisseurs Alex Garland Civil War (2024) scheint sich in diese Liste einzureihen. Doch in Civil War ist die Katastrophe keine äußere, kein Planet oder Meteoroid, der auf die Erde kracht, wie in Melancholia oder Don’t Look Up, sondern eine innere, denn bevor die Menschheit von einer kosmischen Gewalt ausgelöscht wird, werden sich die Menschen selbst gegen dieses System erheben.

Das neue Normal

Civil War spielt in einer nahen Zukunft, in der sich Streitkräfte der Sezessionsstaaten Texas und Kalifornien und der amerikanischen Regierung in einem zweiten Bürgerkrieg gegenüberstehen. Die politischen Hintergründe des Krieges bleiben unklar, doch seine Bilder brennen sich gewaltsam in die Köpfe der Zuschauer ein. Der Krieg aus der Sicht von drei Journalisten begleitet, die sich mit dem Ziel, ein letztes Interview mit dem Präsidenten zu führen, auf den Weg von New York nach Washington machen.

Es sind erschreckende Aufnahmen von menschlichen Fleischfetzen nach einem Selbstmordattentat, verstümmelten Leichen, brennenden Wäldern und offenen Massengräbern, die uns der Film zeigt. Immer dann, wenn die Szenen unerträglich werden, hört man den Schuss einer Kamera der Reporter und das eingefrorene Bild wirkt noch für zwei Sekunden nach. Die Stärke dieser Szenen liegt nicht zuletzt darin, dass sie einen immer wieder an aktuelle Fotos aus Gaza erinnern.

Civil War ist Garlands erster Film, der nicht Science-Fiction ist, sondern im modernen Amerika spielt. Die Wahl dieses Settings ist bezeichnend für die Anschauungen der herrschenden Klasse. Seit 2008 steckt ihr System in einer nie dagewesenen Krise. Doch diese war nur der Auftakt eines viel tiefgreifenderen politischen Prozesses. Neben den ökonomischen Faktoren für den Niedergang des Kapitalismus, die die Bürgerlichen selbst nie begreifen konnten und stattdessen einen Ausweg im Himmel suchten, der sich im Katastrophenfilm der 2010er Jahre widerspiegelt, ist ein sozialer Faktor getreten. Politische Polarisation und soziale Unruhen sind die neue Realität und in keinem anderen entwickelten Land ist dieser Prozess so weit vorangeschritten wie in den USA. Erst Black Lives Matter, dann die Pandemie, der Sturm auf das Kapitol und der Aufstieg des Trumpismus und jetzt die Palästinabewegung, die Selbstverbrennung Aaaron Bushnells und der steigende Missmut im Militär: Das einst angesehenste Land der Welt steht am Rande der Barbarei und die herrschende Klasse kann nichts dagegen machen.

Die Kritik der Waffen

Garlands Film ist ein Ausdruck dieses Wandels und der berechtigten Ängste der Herrschenden, die keine Zukunft für ihr System mehr sehen außer Chaos und Zerstörung. Doch genau darin liegt auch die größte Schwäche des Films, denn er ist blind vor den wirklichen gesellschaftlichen Kräften, die unter der Oberfläche wirken. Garland wollte mit Civil War einen unpolitischen Film drehen, indem er die Absichten der unterschiedlichen Konfliktparteien sehr vage lässt und stattdessen seinen Fokus auf scheinbar unparteiische Journalisten legt.

Auf einer Gradwanderung zwischen schaulustigen Voyeurismus und dem ehrlichen Trieb nach Wahrheit versuchen sie mit ihren Kameras die inneren Zusammenhänge des Krieges zu durchdringen und ihn irgendwie begreiflicher zu machen. Doch wie Marx schon schrieb: „Die Waffe der Kritik kann allerdings die Kritik der Waffen nicht ersetzen, die materielle Gewalt muss gestürzt werden durch materielle Gewalt.“ Es reicht nicht aus, sich als neutraler, außenstehender Beobachter eines historischen Prozesses zu verstehen. Nur durch ein aktives Eingreifen in die Geschichte können wir sie verändern.

Doch die Möglichkeit der Veränderung nimmt der Film nicht wahr, denn er versteht nicht, dass sich inmitten des leeren Kulturkampfs zwischen Demokraten und Republikanern der Keim einer viel stärkere Kraft entwickelt, die in der Lage ist, das ganze System wegzufegen: die kommunistische Weltrevolution. Denn die Spaltung der Gesellschaft verläuft nicht anhand willkürlicher Bündnisse, sondern an der Klassenlinie. Zwischen Arbeitern und Kapitalisten. Indem diese Linie verschwommen wird, gelingt es dem Film nicht, einen Ausweg aus der Katastrophe zu zeigen, und so sind seine Protagonisten zu demselben Nihilismus verdammt, den wir schon seit 15 Jahren sehen.

So bleibt Civil War am Ende oberflächlich. Schließlich wird es keinen Bürgerkrieg geben, der nicht auch ein Krieg der Klassen sein wird. Während die herrschende Klasse für die Zukunft schwarz sieht, haben die Unterdrückten eine Welt zu gewinnen. Eine Welt, für die es sich anders als in Garlands Bürgerkrieg zu kämpfen lohnt.

Leave a Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Scroll to Top