Beitragserhöhungen in Bremen zwingen Studierende die Uni abzubrechen – Zeit zu kämpfen!

Mindestens 20 Studierende müssen ihr Studium an der Uni Bremen abbrechen, weil sie sich die Erhöhung der Semesterbeiträge um 80 Euro nicht leisten können. Das gab der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) bekannt und berichtete von eingegangenen Hilfegesuchen. Für viele Studierende sind die Erhöhungen ein zusätzlicher Schlag in einer ohnehin prekären Lage. Am 19. September läuft die Frist für die Zahlung ab. Der AStA hat jetzt publik gemacht, dass Hilfegesuche von mindestens 20 Studierenden eingegangen sind, die den Beitrag nicht mehr zahlen können.

Es ist ein Skandal, dass Studierende das Studium aus finanzieller Not durch die drastischen Erhöhungen abbrechen müssen. Das ist das erste greifbare Beispiel dafür, wie brutal die Kürzungen ins Leben der Jugend eingreifen. Deswegen ist es absolut richtig vom AStA, diese Zahl öffentlich zu machen.

Die 20 Hilfegesuche sind nur die Spitze des Eisbergs. Tausende weitere Studierende haben die erhöhten Beiträge jetzt gezahlt und spüren diesen schmerzhaften Einschnitt, auch wenn sie deswegen nicht ihr Studium abbrechen müssen. Die Wut muss groß sein. Der AStA, SDS und Studis gegen Rechts sollten diese Chance ergreifen und eine breite Mobilisierung für eine Großdemonstration gegen die Kürzungen starten.

Mutual Aid gegen Kürzungen?

Bislang war die einzige Reaktion des AStA, einen Sozialfond einzurichten. Dort sollen Spenden gesammelt werden, um den betroffenen Studenten zu ermöglichen, ihre Semesterbeiträge zu zahlen. Ca. 70 Personen haben bislang insgesamt mehrere Tausend Euro gespendet. Ein Aufruf zu einer großen Mobilisierung blieb hingegen bislang aus.

Als sofortige Notfallmaßnahme hilft die Spendensammlung einmalig den Betroffenen und zeigt die Solidarität unter den Studierenden. Aber ohne eine Mobilisierung der breiten Schichten der Studentenschaft und eine klassenkämpferische Strategie ist solche gegenseitige Hilfe (engl. Mutual Aid) völlig unwirksam. Mutual Aid sollte nicht zu einer politischen Strategie erhoben werden.

Denn so würde die vorhandene kämpferische Energie in Bahnen gelenkt werden, die wir aus der NGO-Politik kennen: Wohltätigkeit statt Klassenkampf. Einzelne Bedürftige werden unterstützt, ohne die kapitalistischen Ursachen der Not anzugreifen.

Anstatt die Kapitalisten zahlen zu lassen, sollen ausgerechnet die anderen Studierenden einspringen, die selbst durch steigende Beiträge und explodierende Lebenshaltungskosten am Limit sind. So wird Solidarität verzerrt: Almosen von Ausgebeuteten für andere Ausgebeutete, statt ein gemeinsamer Kampf gegen die Ausbeutung durch die Kapitalisten.

Und der Fonds ist keine Perspektive: Die nächste Welle von Kürzungen oder Teuerungen kommt bestimmt – und dann? Wieder ein Fonds? Diese Logik bedeutet nichts anderes als die Krise zu verwalten statt sie zu bekämpfen.

Lenin und die Narodniki

Diese Logik ist nicht neu. Schon im Russland des 19. Jahrhunderts versuchten die Narodniki, kleinbürgerliche Intellektuelle, mit Alphabetisierung, Suppenküchen, medizinischen Angeboten und Aufklärung „zum Volk“ zu gehen und durch Wohltätigkeit den Bauern zu helfen. Lenin kritisierte diese Strategie, weil sie Klassenkampf und Klassenbewusstsein nicht voranbrachte, sondern hemmte. In den endlosen Alphabetisierungskomitees wurde viel gelesen und viel Suppe gekocht – bewegt wurde nichts.

Denn diese Strategie sagt den Betroffenen: Du brauchst nicht kämpfen, hier hast du eine Spende. Den anderen Arbeitern sagt sie: Ihr braucht nicht kämpfen, spendet lieber. Und der radikalisierten Jugend sagt sie: Werdet keine Revolutionäre, kocht lieber Suppe für die Armen.

Die Narodniki vertrauten nicht in die Fähigkeit der Arbeiterklasse erfolgreich für ihre Interessen zu kämpfen und setzten stattdessen auf individuelle Hilfe. Damit konnten sie die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse nicht verändern. Lenin und die frühen Marxisten zogen daraus den klaren Schluss: nicht Wohltätigkeit, sondern politischer Kampf. Nicht kleine Hilfsaktionen für Einzelne, sondern die Organisierung der breiten Masse zum Sturz der Verhältnisse. Nur die bewusste Selbstorganisation der Ausgebeuteten kann eine wirkliche Veränderung herbeiführen – das gilt damals wie heute.

Bremen 1968: Wie Klassenkampf zum Sieg führt

Wie erfolgreicher Widerstand aussieht, zeigt ein Blick in die Bremer Stadtgeschichte. 1968 wollte die Bremer Straßenbahn AG drastische Fahrpreiserhöhungen durchsetzen. Die ersten Proteste begannen mit 50 Schülern, Lehrlingen und gewerkschaftlich aktiven Jugendlichen. Mit Flugblättern, Boykottaufrufen und ersten Protestaktionen legten sie den Grundstein.

Doch die Bewegung wuchs schnell an. Immer mehr Schüler, Azubis und Studenten schlossen sich an. Die Repression durch die Polizei auf Weisung des Senats vergrößerte die Bewegung. Die Initiative der Jugend zog auch die Arbeiterbewegung in den Kampf:

Auf dem Heimweg kamen Stahlarbeiter an den Protesten vorbei und berichteten dem Betriebsrat der Klöcknerhütte, einem großen Stahlunternehmen. Die Fahrpreiserhöhungen trafen auch die Arbeiter. Der Betriebsrat, der 6.000 Arbeiter repräsentierte, erklärte am gleichen Abend auf einer IG-Metallkonferenz, er werde die Belegschaft auffordern, an den Protesten teilzunehmen. Auch die Betriebsräte der beiden großen Werften Vulkan und AG-Weser zogen mit. Damit gingen sie in Opposition zum damaligen DGB-Vorsitzenden Richard Boljahn, der zuvor gefordert hatte, die Polizei müsse „mit härtesten Mitteln die Straße leer fegen“. Doch durch den Druck von unten wurde Boljahn, der zugleich SPD-Fraktionsvorsitzender war, zum Einknicken gezwungen. In den späten Abendstunden warnte er Bürgermeister Hans Koschnik (SPD): „Ihr müsst das zurücknehmen, Klöckner, der Vulkan und die AG-Weser marschieren.“ Und ein hoher Polizeioffizier konstatierte: „Dies ist eine Katastrophe. Der Bruch zwischen uns und der Bevölkerung ist bedrohlich. Der Graben, der uns jetzt trennt, ist kaum wieder zuzuschütten.“ Aus diesen Zeilen kann man die Angst der herrschenden Klasse vor der kampfbereiten Arbeiterklasse deutlich heraushören.

In den folgenden Tagen waren 20.000 Demonstranten auf der Straße. Der Druck war so groß, dass die Preiserhöhungen zurückgenommen werden mussten. Der Senat bezuschusste die BSAG nun doch mit 650.000 D-Mark. Das entspricht heute ca. 1,5 Millionen Euro – mehr als das Vierfache der Summe, die der Senat heute kürzte und damit die Erhöhung der Semesterbeiträge verursachte. Und die Bewegung in Bremen wurde Vorbild für ähnliche Proteste in vielen anderen deutschen Städten.

Die Lehre ist eindeutig: Wenn die Jugend mit mutiger Initiative vorangeht und kämpft, besteht das Potential, die Arbeiterbewegung mit in den Kampf zu ziehen. Die Arbeiterklasse kann wegen ihrer Stellung in der Wirtschaft die Regierung zu Zugeständnissen zwingen, wenn sie kämpft. Auch zunächst kleine Kämpfe können zu Massenbewegungen anwachsen, wenn sie mit Methoden des Klassenkampfes geführt werden.

Genau diese Methoden brauchen wir heute gegen die Beitragserhöhungen an der Uni. Auch heute ist das Potential groß, denn viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst sind grade ebenfalls von massiven Kürzungen betroffen.

Außerdem gibt es längst eine kämpferische Stimmung: Tausende Bremer Studierende haben in den vergangenen Monaten auf Demos, in Vollversammlungen und mit Petitionen gezeigt, dass sie bereit sind zu kämpfen. Diese Energie darf nicht in Spendenaufrufen verpuffen, sondern muss in eine Bewegung gegen die Austeritätspolitik kanalisiert werden. Genau dazu müsste der AStA, der SDS und Studis gegen Rechts mobilisieren – und die RKP wird diesen Kampf mit einem klassenkämpferischen Programm vorantreiben.

  • Rücknahme der Beitragserhöhung – sofort!
  • Geschäftsbücher der Uni öffnen – wir wollen sehen, wofür das Geld ausgegeben wird!
  • Kontrolle der Uni-Finanzen durch Studierende und Beschäftigte!
  • Volle Ausfinanzierung von Bildung auf Kosten der Reichen – nicht auf unserem Rücken!
  • Gemeinsamer Klassenkampf der Studierenden und Beschäftigten gegen die Kürzungen im gesamten sozialen Sektor!
  • Sozialismus statt Sparpolitik – ein System, in dem die Bedürfnisse der Mehrheit zählen!

SCHLIESS DICH DEN KOMMUNISTEN AN!

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