MARXISTISCHE GRUNDLAGEN
Was ist der Marxismus?
Der Marxismus ist das System von Karl Marx‘ Ansichten und Lehren. Marx war das Genie, das die drei wichtigsten ideologischen Strömungen des 19. Jahrhunderts in den drei damals am weitesten entwickelten Ländern aufgriff und zusammenführte: die klassische deutsche Philosophie, die klassische englische politische Ökonomie und der französische Sozialismus in Verbindung mit französischen revolutionären Grundsätzen im Allgemeinen. Selbst von seinen Gegnern wurden die bemerkenswerte Konsequenz und Integrität von Marx‘ Ansichten anerkannt, deren Gesamtheit den modernen Materialismus und den modernen wissenschaftlichen Sozialismus ausmacht, als Theorie und Programm der Arbeiterbewegung in allen Ländern der Welt.
Was sind Marxismus, Leninismus und Trotzkismus?
Der Begriff Marxismus oder Leninismus wird im Allgemeinen verwendet, um diejenigen Kräfte zu beschreiben, die sich für revolutionäre Marxisten halten (weil sie sehen, dass das gegenwärtige System durch ein neues ersetzt werden muss). Im Gegensatz dazu streben Reformisten vor allem an, das kapitalistische System “freundlicher und sanfter” zu gestalten – was nicht möglich ist!. Der Leninismus ist letztlich nichts anderes als die Erweiterung der Ideen von Marx auf das Zeitalter des Imperialismus (das Zeitalter der Herrschaft des Finanzkapitals und der Monopole und die totale Unterwerfung der kolonialen Welt unter den Willen der Großmächte).
Um den Begriff “Marxismus-Leninismus” besteht jedoch einige Verwirrung. Mit diesem Begriff schmücken sich vor allem Strömungen, die sich auf Stalin und Mao berufen. Stalin und Mao waren bei genauerer Betrachtung keine Marxisten und ziemlich anti-marxistisch. Denn sie führten Regimes an, die nicht auf der demokratischen Kontrolle des Staates durch die ArbeiterInnen basierten, sondern auf der totalitären Kontrolle durch eine Elite von Bürokraten, die wie Schmarotzer die Arbeiterstaaten beherrschten.
Aus unserer Sicht steht der Trotzkismus in der Tradition des Marxismus und Leninismus. Leo Trotzki war nach Lenins Tod 1924 Kopf der Opposition gegen Stalins reaktionäre Politik. Viele Menschen verwenden den Begriff Trotzkismus, um sich von den Stalinisten zu unterscheiden. Wir stimmen mit Trotzkis Ideen überein und sehen sie als Fortsetzung des Marxismus und Leninismus. Weil aber viele seiner Anhänger mit ihrer fanatischen und oft ultralinken Taktik und Politik negative Assoziationen und Reaktionen auslösen, konzentrieren wir uns darauf, uns selbst als Marxisten zu bezeichnen. Zu den wichtigsten Beiträgen Trotzkis zur marxistischen Theorie zählen seine wissenschaftliche Analyse des Stalinismus und Faschismus sowie seine Ideen zur permanenten Revolution, die insbesondere in Bezug auf die koloniale Welt höchst aktuell sind.
Was ist der Unterschied zwischen Sozialismus und Kommunismus?
Aufgrund der bürgerlichen Medien und des Bildungssystems haben viele Menschen ein anderes Verständnis von den Begriffen „Sozialismus“ und „Kommunismus“ als die Gründer des Marxismus beabsichtigten. Diese Verwirrung ist leicht nachzuvollziehen: Viele moderne, sogenannte „sozialistische“ Parteien sind nichts dergleichen, und die meisten Menschen verbinden den „Kommunismus“ mit Stalins totalitärer Herrschaft in der Sowjetunion. Aber für wissenschaftliche Sozialisten (der ursprüngliche Begriff für Marxisten) haben diese Wörter genaue Bedeutungen und beschreiben bestimmte Gesellschaftsformen. Für Marxisten ist der Sozialismus eine Übergangsphase zwischen dem ausbeuterischen kapitalistischen System des Privateigentums an Produktionsmitteln und der klassenlosen Gesellschaft des Kommunismus, in der es keinen Staat im eigentlichen Sinne mehr gibt, keinen Arbeitszwang, keine Landesgrenzen usw.
Im Kapitalismus wird die Gesellschaft von einer Handvoll Großkapitalisten und Superreicher regiert, die die Arbeiterklasse ausnutzen, um Profite herauszuschlagen. Sie kümmern sich nicht darum, was oder wie sie Waren produzieren, solange diese ihnen einen Gewinn bringen. Sie haben den bürgerlichen Staat entwickelt – eine besondere Formation bewaffneter Menschen; die Gesetze, Gerichte, Gefängnisse, Militär, Polizei – um ihre privilegierte Position zu schützen. Im Kommunismus wird die gesamte Gesellschaft der „Eigentümer“ der Produktionsmittel sein und im Interesse aller Menschen im Einklang mit der Umwelt produzieren. Aber zwischen diesen beiden Phasen der menschlichen sozialen Entwicklung liegt die Übergangszeit des Sozialismus.
Trotz der Illusionen des Anarchismus, wir könnten den Staat und den Kapitalismus auf magische Weise über Nacht abschaffen, ist eine Übergangszeit erforderlich. Die materielle Grundlage für den Kommunismus ist die Fähigkeit, die Bedürfnisse aller Menschen zu befriedigen. Obwohl wir bereits die Technologie und das Know-how entwickelt haben, um dies sehr schnell zu ermöglichen, können wir nicht über Nacht von der Armut und dem Mangel im Kapitalismus zum vollwertigen Kommunismus springen. Für Marxisten heißt diese Übergangsphase Sozialismus. Wie Marx in der Kritik des Gothaer Programms erklärte:
„Zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Gesellschaft liegt die Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die andre. Der entspricht auch eine politische Übergangsperiode, deren Staat nichts andres sein kann als die revolutionäre Diktatur des Proletariats.“
Der erste Schritt in diesem Prozess ist die Übernahme der politischen Macht durch die Mehrheit der arbeitenden Klasse in der Gesellschaft, die zu Marx Zeiten als „Diktatur des Proletariats“ bekannt war, im Gegensatz zur „Diktatur der Bourgeoisie“, unter der wir momentan leben. Einmal an der politischen Macht, kann die Arbeiterklasse ihre Kontrolle über die Wirtschaft durchsetzen. Sobald die Arbeiterklasse die Wirtschaft demokratisch im Interesse aller regiert, anstatt im Interesse einer Handvoll Kapitalisten, werden wir sehr schnell in der Lage sein, die Grundbedürfnisse aller zu befriedigen und darüber hinaus allen mehr zur Verfügung zu stellen. Wir werden in der Lage sein, die Arbeitslosigkeit abzuschaffen, allen Menschen eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung, Bildung, Unterkunft und mehr zu bieten. Das kreative und produktive Potenzial der Menschheit wird endlich vollkommen freigesetzt werden.
Wie Engels erklärte, wird dieser sozialistische „Staat“, der die überwiegende Mehrheit der Gesellschaft wirklich demokratisch repräsentiert, bereits im eigentlichen Sinne des Wortes absterben. Der kapitalistische Staat vertritt eine winzige Minderheit der Gesellschaft, weshalb er auf brutale Maßnahmen zurückgreifen muss, um die Mehrheit unter Kontrolle zu halten. Aber sobald der Staat im Interesse der Mehrheit geführt wird, wird die Notwendigkeit von Polizei, Militär usw. zusammen mit der Ungleichheit und Unterdrückung des kapitalistischen Systems schnell verschwinden. Allmählich werden die Gewalt und der Zwang des kapitalistischen Systems verschwinden und durch die demokratische Verwaltung der Güter im Interesse aller ersetzt.
Aus Lenins Staat und Revolution:
„Erst in der kommunistischen Gesellschaft, wenn der Widerstand der Kapitalisten schon endgültig gebrochen ist, wenn die Kapitalisten verschwunden sind, wenn es keine Klassen (d.h. keinen Unterschied zwischen den Mitgliedern der Gesellschaft in ihrem Verhältnis zu den gesellschaftlichen Produktionsmitteln) mehr gibt – erst dann „hört der Staat auf zu bestehen, und es kann von Freiheit die Rede sein“. Erst dann ist eine tatsächlich vollkommene Demokratie, tatsächlich ohne jede Ausnahme, möglich und wird verwirklicht werden. Und erst dann beginnt die Demokratie abzusterben, infolge des einfachen Umstands, daß die von der kapitalistischen Sklaverei, von den ungezählten Greueln, Brutalitäten, Widersinnigkeiten und Gemeinheiten der kapitalistischen Ausbeutung befreiten Menschen sich nach und nach gewöhnen werden, die elementaren, von alters her bekannten und seit Jahrtausenden in allen Vorschriften gepredigten Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens einzuhalten, sie ohne Gewalt, ohne Zwang, ohne Unterordnung, ohne den besonderen Zwangsapparat, der sich Staat nennt, einzuhalten.
Der Ausdruck „der Staat stirbt ab“ ist sehr treffend gewählt, denn er deutet sowohl auf das Allmähliche als auch auf das Elementare des Prozesses hin. Nur die Gewöhnung kann und wird zweifellos eine solche Wirkung ausüben, denn wir beobachten rings um uns millionenfach, wie leicht sich Menschen an die Einhaltung der für sie notwendigen Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens gewöhnen, wenn die Ausbeutung fehlt, wenn nichts vorhanden ist, was sie empört, sie zu Protest und Auflehnung herausfordert, was die Notwendigkeit der Niederhaltung schafft. Also: In der kapitalistischen Gesellschaft haben wir eine gestutzte, dürftige, falsche Demokratie, eine Demokratie nur für die Reichen, für eine Minderheit. Die Diktatur des Proletariats, die Periode des Übergangs zum Kommunismus, wird zum erstenmal Demokratie für das Volk, für die Mehrheit bringen, aber zugleich wird sie notwendigerweise eine Minderheit, die Ausbeuter, niederhalten. Einzig und allein der Kommunismus ist imstande, eine wahrhaft vollständige Demokratie zu bieten, und je vollständiger diese sein wird, um so schneller wird sie entbehrlich werden, wird sie von selbst absterben.
Mit anderen Worten: Im Kapitalismus haben wir den Staat im eigentlichen Sinne des Wortes, eine besondere Maschine zur Unterdrückung einer Klasse durch eine andere, und zwar der Mehrheit durch eine Minderheit. Damit eine solche Sache wie die systematische Unterdrückung der Mehrheit der Ausgebeuteten durch die Minderheit der Ausbeuter erfolgreich ist, bedarf es natürlich der größten Grausamkeit und bestialischer Unterdrückung, sind Meere von Blut nötig, durch die denn auch die Menschheit im Zustand der Sklaverei, der Leibeigenschaft und der Lohnarbeit ihren Weg geht.
Weiter. Beim Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus ist die Unterdrückung noch notwendig, aber es ist das bereits eine Unterdrückung der Minderheit der Ausbeuter durch die Mehrheit der Ausgebeuteten. Ein besonderer Apparat, eine besondere Maschine zur Unterdrückung, ein „Staat“ ist noch notwendig, aber es ist das bereits ein Übergangsstaat, kein Staat im eigentlichen Sinne mehr, denn die Niederhaltung der Minderheit der Ausbeuter durch die Mehrheit der Lohnsklaven von gestern ist eine so verhältnismäßig leichte, einfache und natürliche Sache, daß sie viel weniger Blut kosten wird als die Unterdrückung von Aufständen der Sklaven, Leibeigenen und Lohnarbeiter, daß sie der Menschheit weit billiger zu stehen kommen wird. Und sie ist vereinbar mit der Ausdehnung der Demokratie auf eine so überwältigende Mehrheit der Bevölkerung, daß die Notwendigkeit einer besonderen Maschine zur Unterdrückung zu schwinden beginnt. Die Ausbeuter sind natürlich nicht imstande, das Volk niederzuhalten ohne eine sehr komplizierte Maschine zur Erfüllung dieser Aufgabe, das Volk aber vermag die Ausbeuter mit einer sehr einfachen „Maschine“, ja nahezu ohne „Maschine“, ohne einen besonderen Apparat niederzuhalten, durch die einfache Organisation der bewaffneten Massen (in der Art der Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten, sei vorgreifend bemerkt).
Schließlich macht allein der Kommunismus den Staat völlig überflüssig, denn es ist niemand niederzuhalten, „niemand“ im Sinne einer Klasse, im Sinne des systematischen Kampfes gegen einen bestimmten Teil der Bevölkerung. Wir sind keine Utopisten und leugnen durchaus nicht die Möglichkeit und Unvermeidlichkeit von Ausschreitungen einzelner Personen und ebensowenig die Notwendigkeit, solche Ausschreitungen zu unterdrücken. Aber erstens bedarf es dazu keiner besonderen Maschine, keines besonderen Unterdrückungsapparates; das wird das bewaffnete Volk selbst mit der gleichen Selbstverständlichkeit und Leichtigkeit bewerkstelligen, mit der eine beliebige Gruppe zivilisierter Menschen sogar in der heutigen Gesellschaft Raufende auseinander bringt oder eine Frau vor Gewalt schützt. Zweitens wissen wir, daß die soziale Grundursache der Ausschreitungen, die eine Verletzung der Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens bedeuten, in der Ausbeutung der Massen, ihrer Not und ihrem Elend zu suchen ist. Mit der Beseitigung dieser Hauptursache werden die Ausschreitungen unvermeidlich „abzusterben“ beginnen. Wir wissen nicht, wie rasch und in welcher Folge das geschehen wird, aber wir wissen, daß sie absterben werden. Mit dem Absterben der Ausschreitungen wird auch der Staat absterben.
Ohne sich auf Utopien einzulassen, hat Marx das näher bestimmt, was sich jetzt über diese Zukunft bestimmen läßt, nämlich den Unterschied zwischen der niederen und der höheren Phase (Stufe, Etappe) der kommunistischen Gesellschaft.“
Wenn wir also gefragt werden, ob wir Sozialisten oder Kommunisten sind, können wir sagen, dass wir beides sind. Wir kämpfen für den Kommunismus, aber der erste Schritt dahin ist der Sozialismus. Vor allem aber sind wir Marxisten – die Ideen des Marxismus sind eine „Anleitung zum Handeln“, die uns hilft, sich im Kampf gegen das kapitalistische System zurechtzufinden und den Aufbau des Sozialismus zu beschleunigen.
Was ist mit der menschlichen Natur?
Die Frage der sogenannten „menschlichen Natur“ ist eines der am häufigsten vorgebrachten Argumente gegen den Sozialismus – aber auch eines der am einfachsten zu entlarvenden. Viele Menschen glauben, dass die Art und Weise, wie die Menschen denken, immer die gleiche war und dass wir immer so denken werden, wie wir es jetzt tun. Einige Beispiele werden zeigen, dass nichts weiter von der Wahrheit entfernt sein könnte. Tatsache ist, dass sich das menschliche Bewusstsein und die Gesellschaft wie alle Dinge in der Natur immer im Wandel befinden. Marx erklärte, dass das „Sein das Bewusstsein bestimmt“. Mit anderen Worten, unsere Umwelt bestimmt in hohem Maße, wie wir denken. Wir wissen, was Rap-Musik, Hollywood-Filme und eine Boeing 747 sind, weil sie in unserer Welt existieren. Wenn wir zum Beispiel vor 5.000 Jahren als Bauern in China geboren worden wären, wäre unsere Weltsicht eine ganz andere! Wenn wir vor 5.000 Jahren in China als königliche Familie geboren worden wären, hätten wir auch ein ganz anderes Bewusstsein gehabt, als wenn wir Bauern gewesen wären.
Der Mensch stieg nicht an die Spitze der Nahrungskette, indem er gegeneinander konkurrierte und sich gegenseitig im Kampf um einen „Vorsprung“ vernichtete, sondern durch Zusammenarbeit. Nur durch die Zusammenarbeit konnten die Menschen ihre Ressourcen bündeln, um zu jagen, Unterstände zu bauen und schließlich Pflanzen und Tiere zu zähmen, Keramik zu entwickeln, Pyramiden zu bauen usw. Ein menschliches Baby ist, im Vergleich zu einem Hirsch, der innerhalb von Minuten nach der Geburt aufstehen und laufen kann, jahrelang völlig hilflos. Säuglinge könnten nicht einmal ein paar Tage ohne die Hilfe anderer überleben! Menschen der Urgesellschaft mussten zusammenarbeiten, um in ihrer Umgebung zu überleben. In der Menschheitsgeschichte gab die allermeiste Zeit keine Klassen. Die Menschen lebten in kleinen Gruppen, die sich die Arbeit und den Reichtum im Interesse aller aufteilten.
Und obwohl es den Anschein hat, dass wir heutzutage alle „Individuen“ sind, sind wir in Wahrheit von Tausenden und sogar Millionen anderer Menschen auf der ganzen Welt abhängig. Kann irgendjemand ganz alleine ein Auto entwerfen, Rohstoffe abbauen und die benötigten Metalle und anderen Materialien verarbeiten, die Fabrik bauen und selbst ein Auto zusammenbauen? Die Frage zu stellen, zeigt, wie absurd diese Idee ist. Was ist mit dem Benzin, das wir tanken? Oder den Straßen, auf denen wir fahren? Was ist mit den Lebensmitteln, die wir konsumieren? Die Liste geht weiter und weiter – und dabei haben wir nur an der Oberfläche gekratzt. Denkt man sorgfältig darüber nach, wird man sehen, dass im Kapitalismus fast jeder indirekt durch den Weltmarkt und den Warenaustausch mit allen anderen verbunden ist.
Wir arbeiten zusammen, leben zusammen, gehen zusammen ins Kino, gehen zusammen in den Park usw. Haben wir rund um die Uhr Polizei, um sicherzustellen, dass wir uns nicht alle gegenseitig umbringen? Laufen wir herum und töten uns gegenseitig, um uns einen Vorteil zu verschaffen? Wenn das der Fall wäre, würde nie etwas zu Ende gebracht werden und wir würden alle in wenigen Tagen verhungern! Warum haben die Menschen die seltsame Vorstellung, dass wir alle „Individuen“ sind? Zurück zum ersten Punkt, den wir angesprochen haben: Die Lebensumstände bestimmen das Bewusstsein – die herrschende Klasse (die Kapitalisten) tut alles in ihrer Macht stehende, um die Art und Weise, wie wir denken, zu beeinflussen. Durch unsere Ausbildung, durch die Medien, die Religion usw. werden wir dazu erzogen, die Werte des kapitalistischen Systems zu vertreten. Und welche Werte sind das? Die vorherrschende „Ellenbogenmentalität“ besagt, dass der einzige Weg, um voranzukommen, darin besteht, unsere Konkurrenz auszuschalten. Wir werden dazu erzogen, wegzuschauen und nichts von Obdachlosen, Hungernden, im Krieg Getöteten usw. wissen zu wollen – oder höchstens dazu, ein Gebet für diese zu sprechen und ein wenig zu spenden, um unser Gewissen zu beruhigen.
Wenn wir jedoch etwas genauer hinschauen, werden wir feststellen, dass diese „Werte“ nur einer kleinen Handvoll Menschen zugute kommen – den ultrareichen Kapitalisten! Der Rest von uns hat im täglichen Leben nichts davon. Wir wollen vor allem Frieden, Stabilität, einen anständigen Job, Freizeit für Familie und Angehörige, keine Sorgen um unsere Gesundheitsversorgung oder Bildung usw. Es ist nur die Kapitalistenklasse, die von der individuellen Konkurrenz zwischen den Unternehmen lebt. Einer der Hauptwidersprüche der kapitalistischen Gesellschaft ist, dass wir eine gesellschaftliche Produktion haben (das heißt, wir produzieren die Güter, die wir gesellschaftlich nutzen, durch die Zusammenarbeit vieler Menschen – wie zum Beispiel das Auto), die Aneignung des produzierten Mehrwerts aber erfolgt privat. Mit anderen Worten, wir produzieren den Reichtum gesellschaftlich, aber der Gewinn geht in private Hände! Tausende von ArbeiterInnen, die tatsächlich wissen, wie man die Autos in einer Fabrik herstellt, müssen sich nicht entscheiden, was sie wie produzieren oder was sie mit dem zusätzlichen Reichtum anfangen sollen – die Kapitalistenklasse tut es. Wir SozialistInnen wollen diesen Widerspruch beenden, indem wir die gesellschaftliche Kontrolle über den gesellschaftlich produzierten Reichtum erlangen. Der Überschuss an Wohlstand, der von ArbeiterInnen erwirtschaftet wird, würde dazu verwendet werden, für bessere Löhne, Sozialleistungen, Gesundheitsversorgung, Bildung, soziale Sicherung, neue Technologien, die den Arbeitsalltag verkürzen könnten, usw. zu sorgen – anstatt für den privaten Gewinn einer Handvoll Menschen, während Millionen verhungern, obdachlos und arbeitslos sind. Dies ist keine utopische Idee – die materiellen Voraussetzungen dafür existieren! Das einzige Hindernis dafür ist die Herrschaft der Kapitalistenklasse auf politischer und wirtschaftlicher Ebene. Nur die Einheit der Weltarbeiterklasse kann dieser Situation ein Ende setzen und den Schrecken, die Erniedrigung, die Armut und die Instabilität des kapitalistischen Systems ein für alle Mal beenden. Dann wird sich eine ganz neue Welt eröffnen!
Stellt euch ein Baby vor, das in einer Welt geboren wurde, in der es keinen Hunger, keine Not, keine Armut, keinen Mangel an Arbeitsplätzen usw. gibt. Da die Lebensbedingungen das Bewusstsein bestimmen, würde es die Welt auf eine ganz andere Weise sehen als heute. Selbst heute geborene Babys nehmen keine Unterschiede bezüglich der Hautfarbe, Sprache usw. wahr, bis sie mit zunehmendem Alter darauf hingewiesen werden. Im Sozialismus werden die Menschen als Menschen miteinander in Beziehung stehen und nicht als bloße Waren, die gekauft und verkauft werden können.
Der Grund für den großen Teil der Probleme, unter denen wir im Kapitalismus leiden, ist die Knappheit, die durch die Widersprüche des Systems selbst hervorgerufen wird. Um ein Beispiel aus der Natur zu nehmen: Wenn man 100 Ratten nimmt und sie in einen Käfig mit genügend Futter für 100 Ratten und etwas mehr steckt, wird man fügsame, freundliche und gesellige Tiere vor sich haben. Wenn man jedoch die gleichen 100 Ratten in einen Käfig mit Futter für nur 50 Ratten steckt, wird die Situation schnell zu einer mörderischen, gierigen, eigennützigen Orgie aus Gewalt und Blutvergießen. Natürlich sind Menschen und ihre Gesellschaft viel komplexer und auf einer anderen Ebene als 100 Ratten in einem Laborkäfig. Aber das Beispiel zeigt einen wichtigen Punkt auf.
Wie wir alle wissen, wird ein Großteil der Verknappung künstlich erzeugt. Wir alle haben die Geschichten von Bauern gehört, die dafür bezahlt werden, nichts anzupflanzen oder Ernten zu vernichten, obwohl es auf der ganzen Welt Millionen von hungrigen und unterernährten Kindern gibt; oder von Schuh- und Bekleidungsgeschäften, die Löcher in ihren alten Bestand stanzen oder reißen, um sie unbrauchbar zu machen, obwohl Millionen von Menschen diese Produkte verwenden könnten; von Restaurants, die Angestellte entlassen, weil sie Lebensmittel mit nach Hause genommen hatten, und stattdessen darauf bestehen, dass dieses vollkommen gute Essen in den Müllcontainer geworfen wird; oder von vollkommen gesunden, fähigen und motivierten Menschen, die dafür bezahlt werden, nicht zu arbeiten, oder die zur Arbeitslosigkeit gezwungen werden, anstatt sinnvolle Arbeitsplätze für sie zu schaffen.
Die „menschliche Natur“ ist wie alle Dinge in ständigem Wandel. Zu akzeptieren, dass alles für immer in Stein gemeißelt sei, hält nicht einmal der einfachsten Analyse stand. Der Mensch hat wunderbare Tragödien, Komödien, Lieder, Gedichte, Gemälde, Skulpturen und unzählige andere Ausdrucksformen von Kunst geschaffen, die ein Spiegelbild unserer sich zu jeder Zeit verändernden Weltanschauung sind. Bei einem Spaziergang durch ein Kunst-, Wissenschafts- oder historisches Museum sieht man, wie das sich wandelnde Bewusstsein der Menschheit grafisch dargestellt wird. Wie Marx erklärte: „Die Philosophen haben die Welt auf verschiedene Weise interpretiert – es kommt aber darauf an, sie zu ändern!“ Unsere Denkweise wird sich mit ihr ändern!
Wie wird eine sozialistische Gesellschaft aussehen?
Obwohl niemand einen genauen Plan vorlegen kann, wie eine solche Gesellschaft aussehen würde, können wir sagen, dass die Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln den Beginn des Endes der Klassentrennung der Gesellschaft bedeuten würde. Die an die Macht gelangte Arbeiterklasse wird die Art und Weise, wie Wirtschaft und Gesellschaft funktionieren, radikal verändern. Der Sozialismus ist demokratisch oder er ist nicht. Dies bezieht sich nicht auf eine formelle Demokratie auf dem Papier, genauer gesagt auf eine bürgerliche Demokratie, bei der man alle paar Jahre ein Parlament wählen darf, das dann aber im Interesse des Kapitalismus regiert, sondern auf eine Demokratie, in der wir alle eine umfassende und aktive Rolle spielen, nicht nur bei der Abstimmung, sondern auch in der tatsächlichen Leitung unserer Stadtteile, unserer Arbeitsplätze und unserer Gesellschaft. Sobald die moderne Wirtschaft, Industrie, Wissenschaft und Technologie in den Händen aller Mitglieder der Gesellschaft ist, können wir Vollbeschäftigung und kürzere Arbeitszeiten erreichen – und haben so die Zeit und die Ressourcen, die wir wirklich brauchen, um unsere Talente zu verwirklichen. Wir könnten die Wirtschaft mit 10% oder sogar 20% Wachstum pro Jahr voranbringen! Dies wäre durchaus möglich, wenn wir die Anarchie des Privateigentums und das Profitstreben beseitigt hätten. Ein solches Wachstum könnte den Wohlstand und die Lebensqualität der Gesellschaft in fünf Jahren verdoppeln!
Die Verkürzung der Arbeitszeit und eine Steigerung der Produktivität der Gesellschaft sind die Voraussetzungen für das Verschwinden der Klassenteilung und für die Geburt des Sozialismus. Es wäre, wie Marx es ausdrückte, eine Gesellschaft, in der jeder nach seinen Fähigkeiten beiträgt und nach seinen Bedürfnissen erhält. Eine solche Gesellschaft ist keine Utopie, sondern die einzige Alternative zu einem im Kapitalismus unvermeidlichen langsamen und schmerzhaften Abstieg in die Barbarei.
Aber automatisch wird das auch in einer Million Jahren nicht geschehen. Nur eine sozialistische Revolution, d.h. die bewusste Bewegung der Arbeiterklasse, die die Kontrolle über ihr eigenes Leben übernimmt, kann diesen Wandel bewirken. Dies setzt voraus, dass im Vorfeld eine erfahrene Führung aufgebaut wird, die den Erfolg sicherstellen kann. In den letzten hundert Jahren, zumindest seit dem Ersten Weltkrieg, hat das kapitalistische System aufgehört, eine historisch fortschrittliche Rolle zu spielen. Es steht wie eine Straßensperre auf dem Weg des menschlichen Fortschritts. Wir können nicht darauf warten, dass seine Instabilität uns ins Mittelalter zurückwirft. In den kommenden Jahren werden sich für uns viele Chancen ergeben. Aber der Erfolg des Sozialismus ist nicht unvermeidlich und kommt nicht automatisch. Die einzige Garantie ist unsere Vorbereitungsarbeit im Hier und Jetzt.
Wie vertragen sich Individualismus und Sozialismus?
Die Vorstellung der Menschen vom Individualismus im Sozialismus basiert oft auf der Vorstellung, dass der Sozialismus entweder durch die Stalinsche Sowjetunion oder durch China unter Mao repräsentiert wurde. Vielen kommt dabei in den Sinn, dass jeder in Uniform herumläuft, sowohl was seine Kleidung als auch sein Verhalten anbelangt, und dass es sich um einen allmächtigen Staat handelt, dem die Rechte und Wünsche des Einzelnen im „Interesse der gesamten Gesellschaft“ unterworfen sind. In Wirklichkeit war es nicht die gesamte Gesellschaft, deren Interessen alles untergeordnet wurde, sondern die Interessen der kleinen bürokratischen Clique, die auf dem Rücken der Arbeiterklasse und auf dem Rücken der verstaatlichten Planwirtschaft ein parasitäres Dasein führte.
Diese Bürokratisierung hatte fatale Auswirkungen auf alle Errungenschaften der Revolution in Russland, nicht nur wirtschaftlich, sondern in allen Lebensbereichen. Bürokratismus wirkt erstickend und unterdrückend, nicht nur auf die Produktion, sondern auch auf Kunst, Wissenschaft und Kultur. Die Stalinisten fürchteten jede mögliche Opposition, insbesondere die der Intellektuellen, die sie nicht kontrollieren konnten. Sie wurden ausgelöscht, in vielen Fällen im wahrsten Sinne des Wortes. Individuelle Äußerungen wurden als konterrevolutionär dargestellt, sogar die Kultur unterlag dem „kollektiven Willen“ – nicht der Gesellschaft, sondern einer Handvoll Bürokraten, die unbedingt an der Macht und ihren Privilegien festhalten wollten. Nicht nur die Wirtschaft, sondern alle Aspekte des Lebens benötigen den Sauerstoff der Demokratie, um gedeihen zu können.
Die kapitalistische Gesellschaft, in der wir heute leben, ist angeblich individualistisch, und das klingt zunächst sehr positiv. In Wirklichkeit aber ist die Profit-Gesellschaft eine Gesellschaft, die Gier, Selbstsucht und Egoismus hervorruft. Es ist eine Gesellschaft, die auf der Idee von „töten oder getötet werden“ basiert – im Kapitalismus werden die Menschen alles tun, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Im Namen des Profits werden die Talente und Fähigkeiten der allermeisten Menschen am Fließband oder in der Arbeitslosigkeit verschwendet. Wir haben kein Recht auf Arbeit, kein Recht auf Bildung, kein Recht auf Gesundheitsfürsorge, keine Rechte, die das Fundament einer zivilisierten Existenz sichern könnten, geschweige denn das Recht, uns selbst auszudrücken und einzubringen, um unser Potenzial auszuschöpfen.
Erst in der kollektiven Gesellschaft des unverfälschten Sozialismus können die Rechte des Einzelnen ohne Gewalt oder Zwang wirklich gedeihen und aufblühen. Es wird eine Gesellschaft ohne Grenzen sein, die auf der demokratischen Führung aller Aspekte des Lebens durch die gesamte Gesellschaft auf der Grundlage einer Wirtschaft des Überflusses beruht, in der all unsere Bedürfnisse und mehr befriedigt werden können. Mit moderner Technologie können wir mit relativ geringem Aufwand mehr als genug für alle Bedürfnisse und Wünsche der Menschheit produzieren. Zum Beispiel brauchte es früher viele Arbeiter, um ein einziges Fernsehgerät herzustellen. Dank Automatisierung, Robotern und anderen Effizienzsteigerungen sind jetzt weitaus weniger Arbeiter nötig. Aber im Kapitalismus ersetzen die Maschinen die Arbeiter, die dann andere, in der Regel schlechter bezahlte Jobs suchen müssen oder arbeitslos werden – und verschwenden somit deren Potenzial. Im Sozialismus werden technologische Verbesserungen zum Wohle aller eingesetzt werden. Maschinen sollen für uns arbeiten – die Zeit, die wir aufgrund ihrer Effizienz sparen, kann dann für die Verfolgung anderer Lebensziele aufgewendet werden. Wir werden von der Plackerei der menschlichen Arbeit befreit und werden die Zeit haben, zu studieren, zu reisen, uns mit anderen Kulturen zu beschäftigen, unsere Talente zu verwirklichen.
Die Entwicklung unserer Wirtschaft wird es uns ermöglichen, weniger Zeit mit Arbeit zu verbringen und uns in den Bereichen zu einzubringen, die uns heute entweder durch Geldmangel oder durch Überarbeitung verschlossen sind. Kunst, Wissenschaft, Musik usw. werden aufblühen können, sobald sie sich von den Zwängen der kapitalistischen Gesellschaft befreit haben. Wie viele Shakespeares oder Beethovens gab es bisher? Kaum eine Handvoll. Oder eher kaum eine Handvoll, deren Talent wir genießen konnten. Wie viele weitere wurden in der Fabrik, auf dem Feld oder im Büro verschwendet? Nachdem wir den Kapitalismus beseitigt haben, können sich nicht nur die Rechte des Einzelnen, aller Einzelnen, sondern auch ihre Bestrebungen und Träume entfalten. Neue Höhen der menschlichen Kultur werden erreicht werden, und von diesen Gipfeln am Horizont werden immer neuere Gipfel entstehen. Auf den Schultern aller bisherigen Erfahrungen stehend, werden Männer und Frauen sich über die Geschichte erheben.
Wie steht der Marxismus zur Ökologie und Klimakatastrophe?
In vielen Köpfen hält sich noch das dumpfe Vorurteil, der klassische Marxismus sei nur auf Kohleverbrennung, Dampfmaschinen und rauchende Fabrikschlote fixiert, klammere ökologische Fragen aus und könne daher keine Antworten auf die globalen Probleme des 21. Jahrhunderts geben. Welch ein Irrtum! Tatsächlich gehörten Karl Marx und Friedrich Engels im 19. Jahrhundert jedoch zu den ersten, die anhand vieler Beispiele den Zusammenhang zwischen der auf privaten Profit orientierten kapitalistischen Produktionsweise und der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen aufzeigten.
„Jeder Fortschritt in der kapitalistischen Agrikultur ist nicht nur ein Fortschritt in der Kunst der Arbeiter, sondern zugleich in der Kunst, den Boden zu berauben, jeder Fortschritt in der Steigerung seiner Fruchtbarkeit für eine gegebene Zeit zugleich ein Fortschritt im Ruin der dauernden Quellen dieser Fruchtbarkeit. Die kapitalistische Produktion entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter“, erklärte Marx in „Das Kapital“, Band 1. „Wenn der einzelne Fabrikant oder Kaufmann die fabrizierte oder eingekaufte Ware nur mit dem üblichen Profitchen verkauft, so ist er zufrieden, und es kümmert ihn nicht, was nachher aus der Ware und deren Käufer wird. Ebenso mit den natürlichen Wirkungen derselben Handlungen.“
„In der Natur geschieht nichts vereinzelt. Jedes wirkt auf‘s andere und umgekehrt, und es ist meist das Vergessen dieser allseitigen Bewegung und Wechselwirkung, das unsere Naturforscher verhindert, in den einfachsten Dingen klarzukommen“, so Friedrich Engels in der Schrift „Die Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen“. Darin nennt er viele Beispiele für langfristige Umweltschäden etwa durch die weitgehende, rücksichtslose Abholzung von Gebirgen. Und weiter: „Schmeicheln wir uns indes nicht zu sehr mit unseren menschlichen Siegen über die Natur. Für jeden solchen Sieg rächt sie sich an uns.“. Seine Schlussfolgerung: „Und so werden wir bei jedem Schritt daran erinnert, daß wir keineswegs die Natur beherrschen, wie ein Eroberer ein fremdes Volk beherrscht, wie jemand, der außer der Natur steht – sondern daß wir mit Fleisch und Blut und Hirn ihr angehören und mitten in ihr stehn, und daß unsre ganze Herrschaft über sie darin besteht, im Vorzug vor allen andern Geschöpfen ihre Gesetze erkennen und richtig anwenden zu können.“
Der Kapitalismus strebt unersättlich nach kurzfristiger Gewinnmaximierung. Das System bringt Überproduktion mit Dumpingpreisen und Wegwerfgesellschaft sowie die Ausbeutung von Mensch und Natur. Dafür werden Umweltstandards und Lebensbedingungen immer weiter ausgehöhlt. Unter dem Diktat von Profiterwartungen entscheiden die Chefetagen von Großunternehmen, was und wie produziert wird. Aber nicht nach Plan und schon gar nicht nach den Bedürfnissen von Mensch und Natur. Weltweit sind nur 90 Großkonzerne – vor allem im Energiebereich – verantwortlich für rund 70 Prozent der CO2-Emissionen. Die arbeitende Klasse, bäuerlichen Massen und Armen in Stadt und Land sind weltweit die Hauptleidtragenden von Umweltschäden und Umweltzerstörung. Darum ist Klimakampf immer auch Klassenkampf.
Einen grünen, nachhaltig wirtschaftenden Kapitalismus kann es nicht geben. Klima- und Umweltschutz erfordert einen demokratischen und nachhaltigen Wirtschaft- und Produktionsplan, damit wir uneingeschränkt moderne grüne Technologien nutzen und Emissionen und Schadstoffbelastungen innerhalb weniger Jahre spürbar verringern können. Dazu müssen alle öffentlichen Unternehmen eingebunden und die großen Konzerne und Banken enteignet, verstaatlicht und unter die Kontrolle der Beschäftigten gestellt werden. Technologie und Wissenschaft zur Bekämpfung der Klimakatastrophe sind vorhanden. Klimafreundliche Technologien und Patente müssen umfassend, kollektiv und planmäßig zum Nutzen aller Menschen eingesetzt werden. Einzig und allein der Kapitalismus steht einer Umsetzung im Wege. No socialism, no future.
Was halten Marxisten von technologischer Innovation?
Neue Informationstechnologie, Digitalisierung und Industrie 4.0 sind aktuelle Schlagworte, die für einen tiefgreifenden Wandel in unserem Arbeitsalltag und unserem Leben stehen. Aus marxistischer Sicht ist das alles aber nichts Neues. Es wurde bereits im Kommunistischen Manifest und im Kapital erklärt, dass das kapitalistische System im Gegensatz zu jedem früheren System in der Geschichte nur durch ständige Revolutionierung der Produktionsmittel existieren kann. Solche Entwicklungen hat es in jedem Wirtschaftszyklus gegeben. Wir beziehen uns hier nicht auf den Handelszyklus als solchen, sondern auf umfassendere historische Perioden, die verschiedene Phasen der kapitalistischen Entwicklung charakterisiert haben, wie zum Beispiel die Zeit des Nachkriegsaufschwungs im Gegensatz zur Zeit zwischen den Weltkriegen. Selbst die oberflächlichste Betrachtung der Zyklen des Kapitalismus wird zeigen, dass jeder einzelne von ihnen seit der industriellen Revolution gerade durch Investitionen in neue Technologien mit weitreichenden Konsequenzen gekennzeichnet war. Die Dampfkraft war die Grundlage der industriellen Revolution. Sie revolutionierte die Herstellung von Textilien. Es folgte der Eisenbahnboom in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
In jedem Zyklus suchen die Kapitalisten ein rentables Investitionsfeld. Derzeit wird diese Rolle von den digitalen Medien übernommen. Das Internet ist ohne Zweifel eine äußerst bedeutende und wichtige Erfindung mit enormen Konsequenzen, insbesondere für eine sozialistische Planwirtschaft der Zukunft. Aber zu argumentieren, dass es das Produktivsystem so verändert hat, dass der Zyklus von Aufschwung und Abschwung damit beseitigt worden sei, ist einfach absurd. In jedem Zyklus gab es Erfindungen, die nicht weniger revolutionär waren und oft weitaus mehr. Die Auswirkung der Eisenbahnen, des Dampfschiffs und des Telegraphen war weitaus revolutionierender bei der Verbindung der Welt als das Internet. Nach der Erfindung der Eisenbahn kamen das durch den Otto- oder Dieselmotor angetriebene Auto, Elektrifizierung, Chemikalien, Kunststoffe, Radio, Fernsehen, Flugzeuge, Radar und Atomkraft – all dies waren große Fortschritte in ihrer Zeit.
All diese enormen und beeindruckenden technologischen Fortschritte geben uns einen Einblick in das, was in einer zukünftigen sozialistischen Gesellschaft möglich wäre. Aus der Tatsache, dass Technologie existiert, kann man jedoch nicht schließen, dass ein Konjunkturzyklus nicht existiert. Zu dieser Schlussfolgerung kann man selbst aus formaler Logik nicht kommen. Aus historischer Sicht ist es einfach absurd. In den 1920er und 1930er Jahren gab es zum Beispiel die erstaunlichste Technologie: Telefone, Elektrizität, Flugzeuge, Autos, Fernsehen und viele andere Dinge, die jedoch nicht entwickelt werden konnten. Warum konnten sie nicht entwickelt werden?
Damit eine bestimmte Technologie entwickelt werden kann, muss sie im Interesse derjenigen Klasse liegen, die die materiellen Mittel hat, sie zu entwickeln. Dies zeigt sogar die Antike. Die Griechen erfanden die Dampfkraft und bauten tatsächlich funktionierende Modelle von Dampfmaschinen. Aber sie konnte nicht entwickelt werden und blieb ein bloßes Spielzeug. Warum? Weil die Sklavenwirtschaft auf einem scheinbar unbegrenzten Angebot an unbezahlter menschlicher Arbeit beruhte. Warum sollten die Sklavenhalter an arbeitssparenden Maschinen interessiert sein? Eine analoge Situation bestand im Feudalismus, der auf der Schuldknechtschaft der Leibeigenen beruhte. Der feudale Grundbesitzer hatte auch kein Interesse daran, seinen Überschuss in Maschinen und Technologie zu investieren. Warum sollte er, wenn er die Arbeit der Leibeigenen zur Verfügung hatte? Erst mit dem Aufkommen des Kapitalismus und der industriellen Revolution gewinnt die Ökonomie der Arbeitszeit eine entscheidende Bedeutung, und dies hat sich in den letzten 200 Jahren in jedem Stadium der Entwicklung des Kapitalismus gezeigt. Wie Marx erklärt, ist der Kapitalismus das einzige sozioökonomische System, das jemals existiert hat, das sich auf die ständige Revolutionierung der Produktivkräfte stützt.
Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass die Kapitalisten selbstverständlich immer und grundsätzlich daran interessiert wären, um ihrer selbst willen in Technologie zu investieren. Die Bourgeoisie investiert nur insoweit, als sie eine angemessene Rendite erzielt und nicht einen Moment länger. Zu einem bestimmten Zeitpunkt im Investitionszyklus reicht die Kapitalrendite nicht mehr aus, um weitere Investitionen zu rechtfertigen. Zu diesem Zeitpunkt hören die Kapitalisten auf zu investieren. Das bloße Vorhandensein von Technologie und Produktionspotential ist daher keine Garantie gegen eine Krise. Eher das Gegenteil. Es ist die unkontrollierte Flut von Investitionen auf neuem Wege, die schließlich zu Überinvestitionen, Überproduktion, einem Rückgang der Profitrate und letztendlich zu einem Rückgang der Profitmasse und zu einer Krise führt.
Wenn der Sozialismus die nächste Stufe der menschlichen Gesellschaft ist, warum sollte man sich die Mühe machen, dafür zu kämpfen?
Im Kapitalismus werden die materiellen Mittel zum Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft geschaffen, aber das kapitalistische System wird niemals einen automatischen Zusammenbruch erleiden – es wird nicht von alleine verschwinden, es muss gestürzt werden. Wenn es für längere Zeit weiter bestehen bliebe, würde es die gesamte Menschheit zurück in die Barbarei führen. Schon heute breitet sich diese Barbarei auf der ganzen Welt aus, vom IS im Nahen Osten über die Drogenkartelle in Mexiko, die Hungerkatastrophen in Afrika und das Flüchtlingselend im Mittelmeer. Während eines solchen Niedergangs wird die internationale Arbeiterklasse immer wieder zum Kampf gezwungen. Wenn es ihr nicht gelingt, die Macht zu erobern, wird das kapitalistische System über ihren Leichen weiterbestehen und nur durch Diktatur, Kriege und Konterrevolutionen irgendeine Art von Stabilität aufrechterhalten. Gelingt es der Arbeiterklasse schließlich nicht, die Macht zu erobern und eine demokratische, sozialistische Gesellschaft zu schaffen, könnte die gesamte Menschheit im Chaos versinken. Marxisten kommt die Aufgabe zu, die Ideen eines unverfälschten Marxismus zu verteidigen und zu verbreiten und sich auf zunehmende Klassenkämpfe und gesellschaftliche Erschütterungen vorzubereiten. So können wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Arbeiterklasse bei sich bietenden revolutionären Gelegenheiten die Macht möglichst schnell und unblutig übernehmen kann.
Wie können Demokratie und Sozialismus gleichzeitig existieren?
Vorab: Die Vorstellung, dass Marxismus und Demokratie Gegensätze seien, ist falsch. Tatsache ist, dass es im Kapitalismus (der oft fälschlicherweise als Synonym für „Demokratie“ verwendet wird) keine wirkliche Demokratie gibt. Man kann zwar alle paar Jahre an Landtags- und Bundestagswahlen teilnehmen, aber sieht man sich an, wer zur Wahl steht, so sind das vor allem die Parteien, die von großen Konzernen finanziert werden. Man hat also keine echte Wahl. In der Praxis gibt es Demokratie nur für die Reichen und Mächtigen – die bürgerliche Demokratie.
Darüber hinaus hat die gewählte Regierung nicht wirklich die Wahl, welche Politik sie verfolgen soll. Wenn acht Milliardäre genauso viel Vermögen besitzen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, dann ist klar: Sie sind diejenigen, die wirklich die Politik machen. Mit ihren wirtschaftlichen Entscheidungen bestimmen sie das Leben von Millionen gewöhnlicher Menschen, ihre beruflichen Perspektiven, ihren Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung usw. Wenn die Interessen dieser großen Unternehmen bedroht sind, nutzen sie die Regierung, um jene zu retten. Als beispielsweise die demokratisch gewählte Regierung von Allende in Chile 1973 beschloss, die Kupferminen und die Telekommunikation (im Besitz von US-amerikanischen Unternehmen) zu verstaatlichen, organisierten Unternehmen und die CIA in Chile einen Militärputsch, der die demokratisch gewählte Regierung von Allende durch die Militärdiktatur von Pinochet ersetzte, unter der Zehntausende gefoltert und ermordet wurden. Regierung und bürgerliche Parteien sind letzten Endes ein Instrument des Großkapitals und bestimmen die Politik, die umgesetzt wird. Die Parteien existieren nicht im luftleeren Raum, sondern werden direkt von Milliardären und Unternehmen finanziert und beeinflusst. Deshalb handeln sie nicht wirklich im Namen von „Gesetz“, „Wahrheit“ oder „Gerechtigkeit“, sondern im Interesse der Hand, die sie ernährt.
Im Sozialismus hingegen wären die wirtschaftlichen Ressourcen des Landes und der Welt nicht in privater Hand, sondern in der Hand der Mehrheit der Bevölkerung, die sie demokratisch leiten und kontrollieren. Dies wäre eine echte Demokratie, in der die Menschen wirklich die Kontrolle über ihr Leben haben. Sie wären in der Lage, ihre Regierungsvertreter demokratisch zu wählen, und gleichzeitig hätten diese Vertreter echte Macht über die Wirtschaft, um die Welt wirklich zu verändern. Diese Funktionäre und Amtsinhaber würden umgehend abgewählt, wenn sie die Aufgaben, für die sie gewählt wurden, nicht zufriedenstellend erledigen. Die Leute würden dann jemanden wählen, von dem sie denken, dass er seine Sache besser machen wird. Zudem sollten diese gewählten Amtsträger nicht mehr als einen Facharbeiterlohn verdienen – anders als heute, wo die „Vergünstigungen“ oft das Gehalt unserer „gewählten“ Beamten überwiegen. Damit kann Pöstchenjägern und Karrieristen, die nur auf Private Vorteile aus sind, ein Riegel vorgeschoben werden. Diese gewählten Funktionäre sollten auch aus allen Schichten der Gesellschaft kommen. Lenin brachte diesen Gedanken einst auf den Punkt: „Jede Köchin muss in der Lage sein, die Staatsmacht auszuüben.“
Eine weitere Komplikation dieser Frage ist, dass die Menschen den Marxismus im Allgemeinen mit dem Regime identifizieren, das in der Sowjetunion bis 1991 existierte. Obwohl es auf dem Papier eine der demokratischsten Verfassungen der Welt hatte, gab es keine demokratische Kontrolle über Politik und Wirtschaft. Es war Stalinismus, das heißt ein Regime, in dem die Wirtschaft in den Händen des Staates lag, aber die Menschen keine Möglichkeit hatten, sich daran zu beteiligen. Die bürokratische Kaste übernahm die Kontrolle über den Staatsapparat und benutzte ihn in ihrem eigenen Interesse. Dies hatte nichts mit Sozialismus zu tun, und tatsächlich musste Stalin, um an die Macht zu kommen, zuerst Hunderttausende kommunistischer Revolutionäre töten, darunter die meisten ehemaligen Mitglieder des Zentralkomitees der Bolschewistischen Partei, die 1917 die Russische Revolution organisiert hatten. Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass der Marxismus und der Sozialismus auf der umfassendsten Demokratie – der Arbeiterdemokratie, der Demokratie der breitesten Schichten – beruhen. Leo Trotzki sagte: “Der Sozialismus braucht Demokratie so wie der menschliche Körper Sauerstoff zum Atmen braucht.“
Wie wird die Produktion vergesellschaftet und der Wohlstand im Sozialismus verteilt werden?
Die moderne Produktion ist bereits vergesellschaftet. Beispielsweise kann keine Person allein ein Auto oder einen Computer von Anfang bis Ende bauen. Die moderne Wirtschaft ist so komplex, dass sie die Arbeitskraft von Millionen von Menschen auf der ganzen Welt benötigt, um ein Endprodukt wie einen Computer herzustellen. Von den Menschen, die die Rohstoffe beschaffen, bis zu denen, die die Hardware entwerfen. Von denen, die ihn zusammenbauen, bis zu denen, die ihn nach Hause liefern. Es ist ein kollektiver Prozess. Der von all diesen Arbeitern geschaffene Wohlstand wird jedoch nicht zu gleichen Teilen geteilt – die Unternehmen und Milliardäre behalten einen sehr ungleichen Anteil für sich.
Tatsächlich ist es die moderne Arbeiterklasse, die die Betriebe tagtäglich am Laufen hält und führt, sie ist es, die gemeinsam den Wohlstand der Gesellschaft hervorbringt. Dennoch erhält sie nicht den tatsächlichen, von ihrer Arbeitskraft geschaffenen Wert. Sie erhält zwar ein paar Krümel in Form kleiner Gehaltserhöhungen oder auch mal Prämien, aber das ist nichts im Vergleich zu den Beträgen und Boni in Millionenhöhe, die die Kapitalisten und Spitzenmanager erhalten. Dieser Reichtum muss denjenigen gehören, die ihn tatsächlich produzieren.
Wie stehen Marxisten zu Kleinbauern und Kleinunternehmern?
Historisch gesehen ist die Industrialisierung der Landwirtschaft sehr fortschrittlich. Sie ermöglicht eine höhere Arbeitsproduktivität, so dass der Bedarf an Nahrungsmitteln der Masse der Bevölkerung von einer winzigen Minderheit der Bevölkerung produziert werden kann. In Deutschland sind nur noch 1,4 Prozent aller Erwerbstätigen in der Land- und Forstwirtschaft tätig. Anfang des 20 Jahrhunderts waren es noch 38 Prozent und in den frühen 1950er Jahren noch 24 Prozent. So konnte sich die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung auf andere produktive Tätigkeiten konzentrieren. Im Sozialismus könnten Mechanisierung und großflächige Landwirtschaft die Norm auf der ganzen Welt werden.
Aus historischer Sicht werden Kleinbauern, Kleinunternehmer, kleine Ladenbesitzer und ähnliche Gruppen aufgrund der unerbittlichen Konkurrenz der Großbauern, der großen Supermärkte, Konzerne und Handelsketten im Kapitalismus immer mehr verdrängt. Landgrabbing, also der spekulative massenhafte Aufkauf von Ackerland durch Kapitalinvestoren, nimmt zu. Die großen Handelsketten drücken die Erzeugerpreise etwa für Milchbauern immer mehr. Aber Kleinbauern und Kleinunternehmer existieren immer noch in dieser Gesellschaft und es ist unsere Pflicht, ein Programm zu entwickeln, das sie für die revolutionäre Partei gewinnen kann. Trotzki greift dies im Übergangsprogramm und auch in anderen Schriften auf. Diese Schichten sind potentielle Verbündete des Proletariats und können auf der Grundlage eines klaren Programms gewonnen werden. Das heißt, wir fordern günstige Kredite für die Kleinbauern und Kleinunternehmer. Im Kapitalismus werden diese Schichten oftmals von den großen Monopolen und Banken erwürgt und enteignet. Sie müssen hohe Zinsen für ihre Kredite zahlen, die sie aufnehmen, um ihr Geschäft zu entwickeln. Wir fordern günstige Kredite für Maschinen, preisgünstige Düngemittel, günstiges Saatgut usw. Dies führt uns zu der Forderung, die Banken, Handelsketten und die großen Konzerne zu enteignen und zu vergesellschaften, die die Produktion von Düngemitteln, Saatgut, Landmaschinen usw. kontrollieren. Auf diese Weise können wir den Kleinbauern (und den kleinen Ladenbesitzern und Kleinunternehmern) zeigen, dass sie sich mit der arbeitenden Klasse gegen die großen Kapitalisten vereinen sollten. Somit können wir sie dem Einfluss der Kapitalisten entziehen. Darüber hinaus könnte ein Programm Kleinunternehmen Anreize für eine absolut freiwillige Kollektivierung und ihren Beitritt zur Planwirtschaft bieten.
Was ist im Sozialismus der Anreiz zu arbeiten?
Lenin erklärt in „Staat und Revolution“ und Marx in „Kritik am Gothaer Programm“, dass es unmöglich ist, direkt vom Kapitalismus zum fortgeschrittensten Stadium der menschlichen Gesellschaft zu gelangen – einer klassenlosen Gesellschaft, die auf der demokratischen Verwaltung der Güter im Interesse aller beruht. Der Kommunismus basiert auf der Möglichkeit, allen Menschen zur Befriedigung ihrer elementaren Lebensbedürfnisse mehr als ausreichend Güter und Dienstleitungen bereitzustellen. Damit meinen wir elementare Dinge wie Essen und Trinken, menschenwürdigen Wohnraum, Arbeit, Gesundheitsfürsorge, Mobilität, Kultur und Absicherung im Alter. Obwohl wir in Deutschland dieses Niveau relativ schnell erreichen könnten, sind die Bedingungen dafür im Moment noch nicht vorhanden. Deshalb ist eine Übergangszeit notwendig, die wir als Sozialismus bezeichnen.
Während dieser Zeit wird es immer noch Elemente der alten Gesellschaft geben, aber ein sozialistischer Staat wird sich nach und nach auflösen. Sobald die Arbeiter beginnen, demokratisch alle großen Industrien zu planen – Energie, Bankwesen, Landwirtschaft, Arzneimittel usw. – werden wir den von den Arbeitern produzierten Überschuss für die Verbesserung unseres Lebens einsetzen.
Die Anwendung neuer Technologien und eine höhere Arbeitsproduktivität führen zu einer Verkürzung des Arbeitstages und zu mehr Zeit für Weiterbildung, Studium, Reisen, Forschung, Musik, Kunst, Kultur usw. Heutzutage ist der Anreiz, härter zu arbeiten, die Zahlung der Miete, die Hypothek, die Zinsen für Kreditkartenschulden und Kredite, überteuertes Essen, die Gesundheitsfürsorge, Transport und Unterhaltung usw. Dies ist der einzige Anreiz, den uns der Kapitalismus bietet! Warum sollte man effizienter arbeiten, wenn man weiß, dass man für acht Stunden im Betrieb anwesend sein muss, egal was passiert?
Im Sozialismus besteht der Anreiz zur Entwicklung effizienter Arbeitsmethoden darin, dass wir weniger Zeit für die notwendige Arbeit aufbringen müssen, um die gleiche Menge an Arbeit zu erledigen! Der Arbeitsaufwand für die Produktion von Lebensmitteln, Wohnraum usw. würde allmählich sinken, so dass wir nur noch wenige Stunden pro Tag und pro Woche Woche oder weniger arbeiten müssten! Der Mensch ist von Natur aus nicht faul und sitzt nur herum – Menschen sind neugierig, forschend und wollen lernen, erfinden usw. Unsere „freie“ Zeit würde man damit verbringen, immer bessere Kunstwerke zu gestalten, wissenschaftliche Forschung voranzutreiben und Heilmittel für Krankheiten zu finden usw. Nach einer gewissen Zeit werden die neuen Generationen nicht einmal wissen, wie es im Kapitalismus war, und die Produktivität der Arbeit wird enorm hoch sein. Die Barriere zwischen „Arbeit“ und der Erforschung und Beherrschung der Natur durch den Menschen (im Einklang mit der Natur) wird ebenfalls verschwinden – kein Zwangsstaat, keine Polizei, kein Chaos mehr auf den Märkten – die Arbeiter werden planen, was wir brauchen und dann einen Teil reinvestieren, um kontinuierlich die Gesellschaft und Umwelt zu verbessern. Jeder wird sozusagen „reich“ sein – in der Lage sein, zu reisen, angenehm zu leben, zu essen, was er möchte, die Ausbildung ein Leben lang fortzusetzen.
Warum muss der Sozialismus international sein?
Die Notwendigkeit des Internationalismus ergibt sich aus der Lage der Arbeiterklasse auf internationaler Ebene. Durch die Entwicklung einer organisierten, unteilbar miteinander verwobenen Weltwirtschaft hat der Kapitalismus eine internationale Arbeiterklasse geschaffen. Die arbeitende Bevölkerung aller Länder hat ein und dasselbe Klasseninteresse. Das Interesse der Arbeiterklasse eines Landes ist das gleiche wie das Interesse der Arbeiterklasse anderer Länder. Die Arbeitsteilung, die im Kapitalismus etabliert wurde, legt das Fundament für eine neue internationale Organisierung der Arbeit und eine weltweite Planwirtschaft. Somit bildet der Kampf der Arbeiterklasse in allen Ländern die Grundlage für eine Bewegung hin zum Sozialismus.
Der Kapitalismus vermochte durch den Privatbesitz an Produktionsmitteln die Kleinstaaterei und den Feudalismus zu beenden und die Industrie zu entwickeln. Er bereitete veralteten feudalistischen Geldeintreibungen, Zöllen und Fronabgaben ein Ende. Der Nationalstaat und der Weltmarkt sind kapitalistische Schöpfungen. Sobald diese erschaffen und somit die Aufgabe der kapitalistischen Bourgeoisie erfüllt wurde, wurde der Kapitalismus selbst zur Fessel der weiteren Entwicklung der Produktion. Der Nationalstaat und der Privatbesitz an Produktionsmitteln hemmen die Entwicklung der Gesellschaft. Das Potential, das in der Produktion liegt, kann sich erst dann vollkommen entfalten, wenn nationale Schranken aufgehoben sind und eine weltweite Föderation von Arbeiterstaaten geschaffen wird. In diesen Arbeiterstaaten soll der Privatbesitz in Staatseigentum umgewandelt und die Produktion unter Arbeiterkontrolle gestellt werden. Diese Faktoren bestimmen die Strategie und Taktik des Proletariats und werden in seiner bewussten Führung widergespiegelt. In Marx’ Worten: „Die Arbeiter haben kein Vaterland“, deswegen: „Arbeiter aller Länder, vereinigt euch“.
MARXISTISCHE THEORIE
Was ist die materialistische Geschichtsauffassung?
Aus W. I. Lenins “Karl Marx – Kurzer biographischer Abriss mit einer Darlegung des Marxismus” (Lenin Werke 21: 43ff)
Die Erkenntnis der Inkonsequenz, Unzulänglichkeit und Einseitigkeit des alten Materialismus brachte Marx zu der Überzeugung von der Notwendigkeit, „die Wissenschaft von der Gesellschaft… mit der materialistischen Grundlage in Einklang zu bringen und auf ihr zu rekonstruieren“. Erklärt der Materialismus überhaupt das Bewußtsein aus dem Sein, und nicht umgekehrt, so forderte der Materialismus in seiner Anwendung auf das gesellschaftliche Leben der Menschheit die Erklärung des gesellschaftlichen Bewußtseins aus dem gesellschaftlichen Sein. „Die Technologie“, sagt Marx („Das Kapital“, I), „enthüllt das aktive Verhalten des Menschen zur Natur, den unmittelbaren Produktionsprozeß seines Lebens, damit auch seiner gesellschaftlichen Lebensverhältnisse und der ihnen entquellenden geistigen Vorstellungen.“ Eine abgeschlossene Formulierung der Grundsätze des Materialismus, ausgedehnt auf die menschliche Gesellschaft und ihre Geschichte, gab Marx im Vorwort zu seinem Werk „Zur Kritik der politischen Ökonomie“ in folgenden Worten:
„In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen.
Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewusstseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt. Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein. Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure überbau langsamer oder rascher um. In der Betrachtung solcher Umwälzungen muss man stets unterscheiden zwischen der materiellen naturwissenschaftlich treu zu konstatierenden Umwälzung in den ökonomischen Produktionsbedingungen und den juristischen, politischen, religiösen, künstlerischen oder philosophischen, kurz, ideologischen Formen, worin sich die Menschen dieses Konflikts bewusst werden und ihn ausfechten.
So wenig man das, was ein Individuum ist, nach dem beurteilt, was es sich selbst dünkt, ebenso wenig kann man eine solche Umwälzungsepoche aus ihrem Bewusstsein beurteilen, sondern muss vielmehr dies Bewusstsein aus den Widersprüchen des materiellen Lebens, aus dem vorhandenen Konflikt zwischen gesellschaftlichen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen erklären … In großen Umrissen können asiatische, antike, feudale und modern bürgerliche Produktionsweisen als progressive Epochen der ökonomischen Gesellschaftsformation bezeichnet werden.“ (Vgl. Marx“ kurze Formulierung in seinem Brief an Engels vom 7. Juli 1866: „Unsre Theorie von der Bestimmung der Arbeitsorganisation durch das Produktionsmittel.“)
Die Entdeckung der materialistischen Geschichtsauffassung oder richtiger: die konsequente Fortführung, die Ausdehnung des Materialismus auf das Gebiet der gesellschaftlichen Erscheinungen hat zwei Hauptmängel der früheren Geschichtstheorien beseitigt. Diese hatten erstens im besten Falle nur die ideellen Motive des geschichtlichen Handelns der Menschen zum Gegenstand der Betrachtung gemacht, ohne nachzuforschen, wodurch diese Motive hervorgerufen werden, ohne die objektive Gesetzmäßigkeit in der Entwicklung des Systems der gesellschaftlichen Verhältnisse zu erfassen, ohne die Wurzeln dieser Verhältnisse im Entwicklungsgrad der materiellen Produktion zu erblicken; zweitens hatten die früheren Theorien gerade die Handlungen der Massen der Bevölkerung außer acht gelassen, während der historische Materialismus zum erstenmal die Möglichkeit gab, mit naturgeschichtlicher Exaktheit die gesellschaftlichen Lebensbedingungen der Massen sowie die Veränderungen dieser Bedingungen zu erforschen. Die „Soziologie“ und die Geschichtsschreibung vor Marx hatten im besten Falle eine Anhäufung von fragmentarisch gesammelten unverarbeiteten Tatsachen und die Schilderung einzelner Seiten des historischen Prozesses geliefert. Der Marxismus wies den Weg zur allumfassenden, allseitigen Erforschung des Prozesses der Entstehung, der Entwicklung und des Verfalls der ökonomischen Gesellschaftsformationen, indem er die Gesamtheit aller widerstreitenden Tendenzen untersuchte, diese auf die exakt bestimmbaren Lebens- und Produktionsverhältnisse der verschiedenen Klassen der Gesellschaft zurückführte, den Subjektivismus und die Willkür bei der Auswahl bzw. Auslegung der einzelnen „herrschenden“ Ideen ausschaltete und die Wurzeln ausnahmslos aller Ideen und aller verschiedenen Tendenzen im gegebenen Stand der materiellen Produktivkräfte aufdeckte.
Die Menschen machen ihre Geschichte selbst; aber was die Motive der Menschen und namentlich der Massen der Menschen bestimmt, wodurch die Zusammenstöße der widerstreitenden Ideen und Bestrebungen verursacht werden, was die Gesamtheit aller dieser Zusammenstöße der ganzen Masse der menschlichen Gesellschaften darstellt, was die objektiven Produktionsbedingungen des materiellen Lebens sind, die die Basis für alles geschichtliche Handeln der Menschen schaffen, welcher Art das Entwicklungsgesetz dieser Bedingungen ist – aud all dies lenkte Marx die Aufmerksamkeit. So wies er den Weg zur wissenschaftlichen Erforschung der Geschichte, die er als einheitlichen, in all seiner gewaltigen Mannigfaltigkeit und Gegensätzlichkeit gesetzmäßigen Prozess verstand.
Kann nur die Arbeiterklasse ein kollektives sozialistisches Bewusstsein entwickeln?
Es ist genau die soziale und kollektive Natur der kapitalistischen Produktion, die die Arbeiter im gemeinsamen Kampf zusammenbringt. Ein Arbeiter lernt schnell, dass er alleine nur entlassen wird, wenn er versucht, sich gegen den Kapitalisten zu wehren. Nur wenn sich die Arbeiter zusammenschließen und kollektiv kämpfen, haben sie eine Chance. Außerdem ist der einzelne Arbeiter auf Grund der weit fortgeschrittenen Arbeitsteilung nur kleiner Teil eines riesigen, kollektiven Produktionsprozesses. Er wird sich schnell klar, dass nicht er alleine es ist, der z.B. ein Auto baut, sondern Tausende andere Arbeiter mit ihm. Hinzu kommt, dass die Arbeiter kein Privateigentum an Produktionsmitteln haben.
Daher entwickelt die Arbeiterklasse im Gegensatz zum Kleinbürgertum (kleine Geschäftsleute, kleine Landbesitzer, Intellektuelle, die von den Massen isoliert sind) ein kollektives Bewusstsein, und genau deshalb stützen sich Marxisten auf die Arbeiterklasse. Es ist die einzige Klasse, die ein solches Bewusstsein gerade aufgrund ihrer Position in der Produktion entwickeln kann. Natürlich ist die Arbeiterklasse ohne Organisation, wie Marx erklärt, nur Rohstoff für Ausbeutung. Deshalb greift die Bourgeoisie ständig die Gewerkschaften und Arbeiterorganisationen an, in der Hoffnung, das Proletariat schwach zu halten. Aber die ganze Erfahrung des Klassenkampfes zwingt die Arbeiter immer wieder dazu, sich zu organisieren.
Im Gegensatz dazu ist der Individualismus des Kleinbürgertums das Ergebnis seiner Rolle als Klasse von Kleinproduzenten, Kleinunternehmern, Fachleuten und dergleichen, die in der Tat voneinander isoliert sind und gegeneinander konkurrieren. Sie alle haben ihr eigenes kleines Privateigentum an Produktionsmitteln und stehen im Überlebenskampf alleine da. Während die Arbeiterklasse mit Sicherheit breite Schichten des Kleinbürgertums hinter sich ziehen muss, indem sie ihre Probleme mit dem Kampf gegen den Kapitalismus verknüpft, kann das Kleinbürgertum im Kampf für den Sozialismus einfach keine unabhängige Rolle spielen.
Was ist Trotzkis Theorie der permanenten Revolution?
Auszug aus T. Grant und A. Woods, Marxismus und der Kampf gegen den Imperialismus
Die Theorie der permanenten Revolution wurde erstmals von Trotzki 1906 entwickelt. Die permanente Revolution akzeptiert zwar, dass die objektiven Aufgaben der russischen Arbeiter Anfang des 20. Jahrhunderts die der bürgerlich-demokratischen Revolution waren, erklärte aber dennoch, dass die „nationale Bourgeoisie“ in einem rückständigen Land in der Epoche des Imperialismus untrennbar mit den Überresten des Feudalismus einerseits und dem imperialistischen Kapital andererseits verbunden war und daher völlig unfähig war, irgendeine ihrer historischen Aufgaben zu erfüllen. Die Fäulnis der bürgerlichen Liberalen und ihre konterrevolutionäre Rolle in der bürgerlich-demokratischen Revolution wurde bereits von Marx und Engels beobachtet. In seinem Artikel “Die Bourgeoisie und die Konterrevolution” (1848) schreibt Marx:
„Die deutsche Bourgeoisie hatte sich so träg, feig und langsam entwickelt, daß im Augenblicke, wo sie gefahrdrohend dem Feudalismus und Absolutismus gegenüberstand, sie selbst sich gefahrdrohend gegenüber das Proletariat erblickte und alle Fraktionen des Bürgertums, deren Interessen und Ideen dem Proletariat verwandt sind. Und nicht nur eine Klasse hinter sich, ganz Europa sah sie feindlich vor sich. Die preußische Bourgeoisie war nicht, wie die französische von 1789, die Klasse, welche die ganze moderne Gesellschaft den Repräsentanten der alten Gesellschaft, dem Königtum und dem Adel, gegenüber vertrat. Sie war zu einer Art von Stand herabgesunken, ebenso ausgeprägt gegen die Krone als gegen das Volk, oppositionslustig gegen beide, unentschlossen gegen jeden ihrer Gegner einzeln genommen, weil sie immer beide vor oder hinter sich sah; von vornherein zum Verrat gegen das Volk und zum Kompromiß mit dem gekrönten Vertreter der alten Gesellschaft geneigt, weil sie selbst schon zur alten Gesellschaft gehörte; […]“ (MEW 6: 108f)
Die Bourgeoise, erklärte Marx, ist nicht an die Macht gekommen als Resultat ihrer eigenen Anstrengungen, sondern als Folge der Bewegungen der Massen, in welchen sie keine Rolle spielte:
“Die preußische Bourgeoisie war auf die Staatshöhn geworfen, aber nicht, wie sie gewünscht hatte, durch eine friedliche Transaktion mit der Krone, sondern durch eine Revolution.” (MEW 6: 106)
Selbst in der Epoche der bürgerlich-demokratischen Revolutionen in Europa haben Marx und Engels gnadenlos die feige, konterrevolutionäre Rolle der Bourgeoisie demaskiert. Sie betonten die Notwendigkeit einer Politik der vollständigen Klassenunabhängigkeit für die Arbeiterklasse. Und zwar Unabhängigkeit nicht nur von den bürgerlichen Liberalen, sondern auch von den schwankenden kleinbürgerlichen Demokraten:
„Der proletarischen, der wirklich revolutionären Partei“, schrieb Engels, „gelang es nur sehr allmählich, die Masse der Arbeiter dem Einfluß der Demokraten zu entziehen, deren Anhängsel sie zu Beginn der Revolution bildeten. Aber die Unentschlossenheit, Schwäche und Feigheit der demokratischen Führer taten zu gegebener Zeit das ihrige, und man kann heute sagen: eines der wichtigsten Ergebnisse der Erschütterungen der letzten Jahre besteht darin, daß sich die Arbeiterklasse überall, wo sie in einigermaßen beträchtlichen Massen konzentriert ist, völlig von jenem demokratischen Einfluß freigemacht hat, der sie in den Jahren 1848 und 1849 zu einer endlosen Reihe von Fehlern und Mißgeschicken geführt hat.“ (MEW 8: 42f)
Die Situation ist heute noch klarer. Die nationale Bourgeoisie in den kolonialen Ländern hat die Bühne der Geschichte zu spät betreten, als die Welt bereits zwischen den wenigen imperialistischen Kräften aufgeteilt war. Sie war nicht fähig, eine progressive Rolle zu spielen und wurde als Untergebene ihrer ehemaligen kolonialen Herren geboren. Die schwache und degenerierte nationale Bourgeoisie in Asien, Lateinamerika und Afrika ist zu sehr abhängig von ausländischem Kapital und Imperialismus, um die Gesellschaft voranzubringen. Sie ist über zahlreiche Fäden nicht nur mit dem ausländischen Kapital, sondern auch mit der Klasse der Landbesitzer verflochten. Sie bildet mit ihnen einen reaktionären Block und ein Bollwerk gegen jeglichen Fortschritt. W as auch immer für Unterschiede zwischen diesen Elementen existieren mögen, sie sind unbedeutend im Vergleich zu der Angst, welche sie gegen die Massen vereint. Nur das Proletariat – verbündet mit den armen Bauern und den städtischen Verarmten – kann die Probleme der Gesellschaft lösen, indem es die Macht in seine eigene Hände nimmt, die Imperialisten und die Bourgeoisie enteignet, und mit der Aufgabe beginnt, die Gesellschaft in eine sozialistische Richtung zu verändern. Indem das Proletariat sich selbst an die Spitze der Nation setzt, die unterdrückten Schichten der Gesellschaft (städtisches und dörfliches Kleinbürgertum) führt, kann es die Macht übernehmen und die Aufgaben einer bürgerlich-demokratischen Revolution durchführen (hauptsächlich die Landreformen und die Vereinigung und Befreiung der Nation von Fremdherrschaft und Kolonialismus).
Doch wenn das Proletariat einmal an der Macht ist, wird es hierbei nicht halt machen und sozialistische Maßnahmen zur Enteignung der Kapitalisten anpacken. Und da diese Aufgaben nicht in einem Land alleine gelöst werden können, vor allem nicht in einem rückständigen Land, wäre dies der Beginn einer Weltrevolution. Folglich ist die Revolution “permanent” in zweifachem Sinne: weil sie mit den bürgerlichen Aufgaben beginnt und zu den sozialistischen Aufgaben übergeht. Und weil sie in einem Land beginnt und auf der internationalen Ebene weitergeführt wird.
Die Theorie der permanenten Revolution war die vollständigste Antwort gegenüber der reformistischen und auf Klassenkollaboration orientierten Position des rechten Flügels der russischen Arbeiterbewegung, der Menschewiki. Die “Etappentheorie” wurde von den Menschewiki als ihre Perspektive auf die Russische Revolution entwickelt. Im Grunde behauptet diese, dass – da die Aufgabe der Revolution die Aufgaben einer nationalen, demokratischen und bürgerlichen Revolution seien – die Führung der Revolution von einer nationalen demokratischen Bourgeoisie übernommen werden müsse. Lenin stimmte Trotzki zu, dass die russischen Liberalen keine bürgerlich-demokratische Revolution durchführen könnten, und diese Aufgabe nur durch das Proletariat in Allianz mit dem armen Bauern durchgeführt werden könne. In Marx‘ Fußstapfen folgend, welcher die bürgerliche „Demokratische Partei“ als „weitaus mehr gefährlich gegenüber den Arbeitern, als die früheren Liberalen“ beschrieb, erklärte Lenin, dass die russische Bourgeoisie – weit entfernt davon ein Verbündeter der Arbeiter zu sein – unausweichlich mit der Konterrevolution zusammenarbeiten würde:
„Die Bourgeoisie wird in ihrer Masse“, schrieb er 1905, „unweigerlich zur Konterrevolution, zur Selbstherrschaft übergehen und sich gegen die Revolution, gegen das Volk kehren, sobald ihre engen, eigennützigen Interessen befriedigt sein werden, sobald sie vom konsequenten Demokratismus ‘abgeschwenkt’ sein wird (und sie schwenkt schon jetzt davon ab!)“ (LW 9: 87; Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution)
Welche Klasse, aus Lenins Perspektive, kann die bürgerlich-demokratische Revolution anführen?
„Es bleibt das ‚Volk‘, das heißt das Proletariat und die Bauernschaft: Allein das Proletariat ist fähig, konsequent bis zu Ende zu gehen, denn es geht weit über die demokratische Umwälzung hinaus. Deshalb eben kämpft das Proletariat in den vordersten Reihen für die Republik und weist mit Verachtung die törichten und seiner unwürdigen Ratschläge zurück, darauf Rücksicht zu nehmen, dass die Bourgeoisie möglicherweise abschwenkt.“ (LW 9: 87f)
In allen Reden und Schriften Lenins wird die konterrevolutionäre Rolle der bürgerlich-demokratischen Liberalen immer wieder betont. Bis 1917 jedoch glaubte er nicht daran, dass die russischen Arbeiter noch vor einer sozialistischen Revolution im Westen die Macht erobern würden. Dies war eine Perspektive, die nur Trotzki vor 1917 verteidigte, und die dann vollständig von Lenin in seinen Aprilthesen 1917 übernommen wurde. Die Korrektheit der permanenten Revolution wurde der Oktoberrevolution 1917 triumphierend bewiesen. Die russische Arbeiterklasse – wie Trotzki 1904 vorhergesagt hatte – kam noch vor den Arbeitern in Westeuropa an die Macht. Sie packten alle Aufgaben einer bürgerlich-demokratischen Revolution an und gingen unmittelbar dazu über, die Industrie zu verstaatlichen und die Aufgaben einer sozialistischen Revolution anzupacken. Die Bourgeoisie spielte eine offen konterrevolutionäre Rolle, wurde jedoch durch die Arbeiter im Bündnis mit den armen Bauern besiegt. Die Bolschewiki wandten sich dann an die Arbeiter der Welt mit einem revolutionären Aufruf, ihrem Beispiel zu folgen. Lenin wusste sehr gut, dass ohne den Sieg der Revolution in einem fortgeschrittenen kapitalistischen Land, vor allem Deutschland, die Revolution besonders in einem rückschrittlichen Land wie Russland isoliert nicht überleben könnte. Die Entwicklung zeigte, dass diese Sichtweise absolut korrekt war. Die Gründung der Dritten (Kommunistischen) Internationale, die Weltpartei der sozialistischen Revolution sein sollte, war die konkrete Manifestation dieser Perspektive.
Wäre die Kommunistische Internationale standhaft auf den Positionen von Lenin und Trotzki verblieben, dann wäre der Sieg der Weltrevolution gewährleistet gewesen. Leider trafen die entscheidenden Jahre der Komintern mit der stalinistischen Konterrevolution in Russland zusammen, die verheerende Auswirkungen auf die Kommunistischen Parteien der ganzen Welt hatte. Nachdem sie die Kontrolle in der Sowjetunion erlangte, entwickelte die stalinistische Bürokratie eine sehr konservative Prognose. Die Theorie, dass der Sozialismus in einem Land errichtet werden könne – eine Abkehr vom Standpunkt von Marx und Lenin –widerspiegelte in Wirklichkeit die Mentalität der Bürokratie, welche genug hatte vom Sturm und Drang der Revolution und stattdessen danach strebte, „den Aufbau des Sozialismus in Russland“ voran zu bringen. Sprich, sie wollten ihre Privilegien verteidigen und erweitern und nicht die Ressourcen des Landes „verschwenden“, um weiterhin die Weltrevolution zu verfolgen. Auf der anderen Seite fürchteten sie, dass Revolutionen in anderen Ländern sich gesund entwickeln könnten und eine Bedrohung für ihre eigene Herrschaft in Russland darstellen könnten. Deshalb versuchten sie aktiv Revolutionen anderswo zu verhindern.
Anstatt eine auf Klassenunabhängigkeit basierende revolutionäre Politik zu verfolgen – wie Lenin sie immer verfochten hatte – schlugen sie ein Bündnis der Kommunistischen Parteien mit der „nationalen progressiven Bourgeoisie“ vor (und falls es keine gab, die leicht zur Hand war, erfanden sie eine), um eine demokratische Revolution durchzuführen. Erst viel später, in der weit entfernten Zukunft, wenn das Land eine voll entwickelte kapitalistische Ökonomie hatte, dann erst kam für sie der Kampf für den Sozialismus in Frage. Diese Politik stellte einen kompletten Bruch mit dem Leninismus dar und die Rückkehr zu der alten, bereits diskreditierten Position der Menschewiki – der „Etappentheorie“.
Welche Elemente sind für die Arbeiterdemokratie erforderlich?
Der Sozialismus ist demokratisch oder er ist nicht. Ab dem ersten Tag der sozialistischen Revolution muss es die demokratischste Herrschaftsform aller Zeiten geben. Das bedeutet, dass zum ersten Mal alle Aufgaben der Führung von Wirtschaft, Gesellschaft und Staat in den Händen der Mehrheit der Bevölkerung liegen werden und diese Mehrheit ist die Arbeiterklasse. Durch ihre demokratisch gewählten Räte (die Sowjets), die direkt am Arbeitsplatz gewählt werden und jederzeit neugewählt werden können, werden die Arbeiter die Herrschenden der Gesellschaft sein, nicht nur dem Namen nach, sondern in der Realität. Das war der Fall in Russland unmittelbar nach der Oktoberrevolution. Erinnern wir uns daran, dass Lenin vier Grundbedingungen für einen Arbeiterstaat – das heißt für die Übergangsphase zwischen Kapitalismus und Sozialismus – festgelegt hat:
Freie und demokratische Wahlen mit jederzeitiger Ab- und Neuwählbarkeit aller Funktionäre
Kein Funktionär soll einen höheren Lohn erhalten als den eines Facharbeiters
Keine stehende Armee, sondern allgemeine Volksbewaffnung
Allmählich sollten alle Aufgaben der Verwaltung und Staatsführung von den Massen rollierend wahrgenommen werden. Wenn jeder ein Bürokrat ist, ist niemand ein Bürokrat. Oder, wie Lenin es ausdrückte: „Jede Köchin sollte Premierministerin sein können.“
Was denken Marxisten über Terrorismus?
Der Marxismus hat immer einen Kampf gegen die Methoden des individuellen Terrorismus (Entführungen, Bombenanschläge) sowie gegen den Staatsterrorismus (die imperialistischen Bombenangriffe auf den Irak, Pakistan, Afghanistan usw.) geführt. Akte des individuellen Terrors bewirken wenig, entfremden aber umso mehr die Mehrheit der Menschen von der Sache, für die wir kämpfen. Die Bombardierung eines Marktplatzes, auf dem Frauen und Kinder getötet werden, trägt nicht dazu bei, das Klassenbewusstsein und das Vertrauen der Arbeiterklasse zu stärken. Unsere Kraft und Stärke liegt in der Größe unserer Bewegung, nicht in einzelnen Handlungen.
Terroristische Methoden haben nichts mit dem Marxismus gemein und haben sich historisch als machtlos erwiesen, wenn es darum geht, ernsthafte Veränderungen herbeizuführen. Nehmen wir zum Beispiel die Terrorakte der Hamas in Israel/Palästina in den letzten Jahrzehnten. Diese Angriffe haben nichts dazu beigetragen, die Einheit der Arbeiterklasse zwischen Juden und Arabern gegen ihren gemeinsamen Unterdrücker zu fördern – die herrschende Klasse, die sie spaltet, um sie weiterhin zu unterdrücken. Die herrschenden Klassen im Nahen Osten wollen keinen wirklichen Frieden, in gewissem Maße nützen anhaltende individuelle Terrorakte ihren Zwecken. Wenn es wirklichen „Frieden“ gäbe, würden sich die Arbeiter aller Ethnien und Religionen gegen die herrschende Klasse zusammenschließen. Erst mit der Intifada („Aufstand”) der palästinensischen Massen fürchtete die israelische herrschende Klasse die Bewegung und begann, Zugeständnisse zu machen. Wir lehnen den individuellen Terrorismus ab.
Das folgende Zitat von Leo Trotzki aus dem Artikel Über den Terrorismus, bringt es auf den Punkt:
„Eben deswegen ist individueller Terror in unseren Augen unzulässig: denn er schmälert die Rolle der Massen in ihrem eigenen Bewußtsein, denn er söhnt sie mit ihrer eigenen Machtlosigkeit aus und richtet ihre Augen und Hoffnungen auf einen großen Rächer und Befreier, der eines Tages kommen wird und seine Mission vollendet. Die anarchistischen Propheten der „Propaganda der Tat“ können soviel sie wollen über den fördernden und stimulierenden Einfluß von terroristischen Akten auf die Massen reden. Theoretische Überlegungen und politische Erfahrung zeigt anderes. Je „effektiver“ Terrorakte sind, je größer ihre Auswirkung ist, desto mehr verringern sie das Interesse der Massen an Selbstorganisation und Selbsterziehung. Aber der Rauch einer Explosion verzieht sich, die Panik verschwindet, der Nachfolger des ermordeten Ministers tritt in Erscheinung, das Leben verläuft wieder im alten Trott, das Rad der kapitalistischen Ausbeutung dreht sich wie zuvor; nur die Unterdrückung durch die Polizei wird grausamer und dreister. Und als Ergebnis kommen anstatt der erweckten Hoffnungen und der künstlich angestachelten Erregung Desillusion und Apathie.“
Was denken Marxisten über den Guerillakampf?
Bauernkriege, die von der Bewegung der Arbeiterklasse getrennt sind, zeigen keine Perspektive Richtung Sozialismus auf. Denn letztlich ist die Bewegung der Arbeiterklasse entscheidend. Die Bemühungen und die Arbeit der Marxisten sollten sich größtenteils auf die Städte und das Proletariat konzentrieren. Natürlich muss der Kampf anderer unterdrückter Klassen unter allen Umständen von Marxisten unterstützt werden.
Der Guerillakampf ist, wie Lenin erklärte, die Methode des Lumpenproletariats und der Bauern. Während es einigermaßen verständlich und nachvollziehbar ist, dass sich Guerilla-Bewegungen in Ländern entwickeln, in denen es praktisch kein Proletariat gibt, kann es keine Rechtfertigung für städtischen Guerillakampf geben! In den meisten Ländern der Welt macht das Proletariat heute die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung aus. Indien zum Beispiel hat mehr Industrie als sein ehemaliger Kolonialherr Großbritannien. Bauernkriege können, wenn auch siegreich, nur zum Sieg des bürgerlichen Bonapartismus (Diktatur) oder des proletarischen Bonapartismus (Stalinismus) führen. Sie können niemals zum Sieg einer sozialistischen Revolution in der klassischen Form führen, die eine bewusste Bewegung des Proletariats erfordert. Der städtische Guerillakampf versucht, die Massenbewegung des Proletariats durch Studenten, Lumpenproletarier und sogar einige deklassierte Arbeiter zu ersetzen, und widerspricht absolut allen Lehren des Marxismus. Er endete immer in einer Katastrophe. Das war die Erfahrung in Lateinamerika und in anderen Erdteilen.
Die Aufgabe der Marxisten besteht nicht nur darin, das kapitalistische Regime zu stürzen, sondern den Weg für die sozialistische Zukunft der Menschheit vorzubereiten. Die Zerstörung von Kapitalismus und Grundbesitz in den Kolonialländern ist ein immenser Fortschritt, der das Niveau der gesamten Menschheit erhöht. Gerade wegen der Unfähigkeit der Bauernschaft als Klasse, sich den künftigen sozialistischen Aufgaben zu stellen, kann es ihr jedoch nur gelingen, neue Hindernisse in den Weg zu stellen. Der Sieg des Bauernkrieges kann angesichts des Kräfteverhältnisses in der Welt und der Krise des Kapitalismus und Imperialismus in den unterentwickelten Ländern zu einer Form von deformiertem Arbeiterstaat führen (Stalinismus). Er kann nicht zu einer bewussten Kontrolle der Industrie, der Landwirtschaft und des Staates durch die Arbeiter und Bauern führen.
Hinzu kommt, dass eine Guerilla-Armee fast immer der staatlichen Armee militärisch unterlegen ist, ausgenommen einige sehr unterentwickelte Länder mit extrem schwachen staatlichen Strukturen. Das ist auch logisch: Ein großer Teil der staatlichen Einnahmen und Teile der Profite der Bourgeoisie fließen in den Aufbau einer professionellen staatlichen Armee, deren einziger Zweck es ist, die Herrschaft der Bourgeoisie zu schützen. Mit welchen Mitteln sollen sich die Guerilleros finanzieren? Woher sollen sie moderne Waffensysteme bekommen?
Der Marxismus sieht das Proletariat auf Grund seiner Stellung im Produktionsprozess als einzig revolutionäre Klasse der Gesellschaft. Also erstens weil es kein Privateigentum an Produktionsmitteln und damit auch kein Interesse an dessen Aufrechterhaltung hat und zweitens, weil es alle wirtschaftliche Macht wortwörtlich in seinen Händen hält. Man kann jedem, einem antiken Sklaven, einem feudalen Bauern, Handwerker, Bettler oder Studenten ein Gewehr in die Hand drücken und ihn zum Guerillero erklären – aber nur die Arbeiter können streiken; nur Arbeiter können eine Fabrik besetzen und die Produktion ohne die Kapitalisten weiterführen.
Trotzki erklärte, dass die Revolution zu neunzig Prozent eine politische und nur zu zehn Prozent eine militärische Aufgabe sei. Das ist auch der Grund, warum die Oktoberrevolution weitgehend unblutig friedlich gewonnen wurde. Indem die Bolschewiki die Mehrheit der Arbeiterklasse und der Soldaten in der zaristischen Armee für die Revolution gewannen, fand sich letztlich niemand mehr, der die alte Ordnung verteidigen wollte. Einmal zur Macht gekommen, muss sich das Proletariat natürlich bewaffnen und in Arbeitermilizen organisieren. Aber diese bewaffneten Formationen sind die bewaffnete Bevölkerung, nicht ein kleiner Haufen Guerilleros ohne echte Verbindung zu den Massen und insbesondere zur Arbeiterklasse.
Was ist die grundlegende Rolle des Staates und der Polizei in der Gesellschaft?
Der Staatsapparat, Gruppen bewaffneter Menschen, die Polizei, die Armee und ihre Anhängsel, die Gerichte usw. sind Werkzeuge zur Unterdrückung einer Schicht der Gesellschaft durch eine andere, gewöhnlich einer Klasse, die eine andere unterdrückt. Zu einem bestimmten Zeitpunkt in der sozialen Entwicklung der Menschheit entstand der Staat als Ergebnis der Aufteilung der Gesellschaft in Klassen. Sobald es möglich wurde, einen Überschuss zu produzieren, der über den Bedürfnissen der Produzenten lag, wurde es einer Minderheit möglich, sich von der Notwendigkeit der Arbeit zu befreien und stattdessen von dem Überschuss zu leben, den die Mehrheit produzierte. Unweigerlich erforderte jedoch eine derart kleine Minderheit eine besondere Kraft, um die Mehrheit in Schach zu halten. Diese früheste Klassentrennung zwischen Sklavenbesitzern und Sklaven wurde durch andere Formen der Klassentrennung ersetzt (Feudalherren und Leibeigene im Feudalismus, Kapitalisten und Arbeiter im Kapitalismus). Aber auch heute im Kapitalismus kann immer nur eine Minderheit von dem Überschuss der Mehrheit leben. Der Kapitalismus hat in der Vergangenheit eine fortschrittliche Rolle beim Aufbau der Wirtschaft durch Investitionen gespielt. Nun wäre es beim aktuellen Stand der Produktivkräfte zum ersten Mal in der Geschichte möglich, diese archaische Klassentrennung zu beseitigen. Da es genau die Aufgabe des Sozialismus ist, die Klassenspaltung aufzuheben, sollte der sozialistische Staat selbst immer weiter zur Verwaltung von Dingen übergehen, bevor er ganz verschwindet.
In seinem Meisterwerk über den Stalinismus, “Verratene Revolution”, erklärte Trotzki, dass sich überall, wo es Mangel gibt, lange Schlangen vor den Läden bilden. Wo es lange Schlangen gibt, braucht es die Polizei, um Ordnung zu halten. Und natürlich hat auch die Polizei Hunger und steht daher in der Schlange ganz vorne.
Im Sozialismus wird es keine separate Polizei oder stehendes Heer geben, sondern einzig die bewaffnete Bevölkerung, Nach dem Motto: Wenn jeder ein Polizist ist, dann ist niemand wirklich ein Polizist.