Die Nachfrage nach günstigem Wohnraum ist in den letzten zwei Jahrzehnten gestiegen aufgrund von stagnierenden bzw. fallenden Löhnen. Dazu kommt die kontinuierliche Tendenz der Landflucht. 2024 lebten 77,9% der Gesamtbevölkerung Deutschlands in Städten. Auf dem Land fehlt es an Arbeitsplätzen, Infrastruktur, Bildung, Freizeitmöglichkeiten usw. – der Drang, dort wegzuziehen, ist also hoch. Doch besonders in Städten sind bezahlbare Wohnungen knapp.
Konkret fehlen allein in Westdeutschland nach Schätzungen des Pestel Instituts 1,2 Millionen günstige Mietwohnungen. Zusätzlich müsste es dazu noch 5,6 Millionen Sozialwohnungen, das heißt staatlich geförderte Wohnungen, für die Ärmsten der Armen geben.
Aber entgegen dieser starken Nachfrage an günstigem Wohnraum werden jährlich weniger Wohnungen gebaut. Das liegt daran, dass es sich für Immobilienfirmen vergleichsweise wenig lohnt, in günstige Wohnungen zu investieren. Die Miete, die man für Arbeiterwohnungen verlangen kann, hat eine Grenze, die bedingt ist durch den Arbeitslohn. Bürogebäude und Luxuswohnungen sind dagegen deutlich profitabler.
Dieses Phänomen ist nicht neu. Es wohnt dem Kapitalismus inne, weil es direkt aus dem Profitinteresse der Privateigentümer fließt. Friedrich Engels beschreibt dieselbe Entwicklung 1872 in seiner Schrift „Zur Wohnungsfrage“:
„Das Resultat ist, dass die Arbeiter vom Mittelpunkt der Städte an den Umkreis gedrängt, dass Arbeiter- und überhaupt kleinere Wohnungen selten und teuer werden und oft gar nicht zu haben sind; denn unter diesen Verhältnissen wird die Bauindustrie, der teurere Wohnungen ein weit besseres Spekulationsfeld bieten, immer nur ausnahmsweise Arbeiterwohnungen bauen.“
Die Knappheit, die durch das profitgetriebene Bauen entsteht, spielt gleichzeitig den großen Immobilienkonzernen direkt in die Hände, da sie die Mieten anheben können – also höhere Profite erzielen, ohne Kapital aufwenden zu müssen.
Dazu kommt die Spekulation mit dem Leerstand von Wohnungen. Aktuell stehen ca. 2 Millionen Wohnungen in Deutschland leer und werden nicht vermietet. Der Hauptgrund dafür ist, dass Immobilienbesitzer damit rechnen, dass die Preise aufgrund von Knappheit steigen. Es lohnt sich für sie nicht, die Wohnung zu sanieren und zur Miete anzubieten. Stattdessen lassen sie die Wohnung unbewohnt leer stehen und verkaufen sie später durch die Preissteigerung für mehr, als sie bezahlt haben.
Warum macht es der Staat nicht?
Da das Profitinteresse in der Wohnungsfrage ziemlich offensichtlich dem Interesse des Mieters diametral entgegengestellt ist, ist ein häufiges Argument, dass der Staat sich dieser Aufgabe annehmen soll.
Engels hat dieses Argument schon vor 150 Jahren beantwortet. Er schreibt: „Der Staat ist nichts als die organisierte Gesamtmacht der besitzenden Klasse, der Grundbesitzer und Kapitalisten gegenüber den ausgebeuteten Klassen, den Bauern und den Arbeitern.“ Und weiter: „Was die einzelnen Kapitalisten nicht wollen, das will auch ihr Staat nicht.“
Der Wohnungsmarkt ist ein ziemlich lukratives Geschäft für die Bourgeoisie, deswegen wird es in erster Linie auch ihr überlassen. Wenn sich eine Regierung mal um „Lösungen“ in der Wohnungsfrage schert, tut sie das nur sehr oberflächlich und das Resultat ist ein verwässerter Abklatsch des Wahlversprechens.
Die Ampelregierung hat versprochen, jährlich 400.000 Wohnungen zu bauen, davon sollten 100.000 Sozialwohnungen werden. Kein einziges Jahr wurde dieses Ziel auch nur annähernd erreicht!
Der Stand um die Sozialwohnungen ist besonders erbärmlich, da ab einem bestimmten Zeitpunkt die Mietpreisbindung verfällt, wodurch der Vermieter die Wohnung wieder zu Marktpreisen vermieten kann. Weil kaum neue staatlich geförderte Wohnungen gebaut werden, sinkt der Bestand jährlich seit der Wiedervereinigung. Die Zahl der Sozialwohnungen ist von 2,9 Millionen (1990) auf 981.000 (2024) gefallen.
Der Staat hat offensichtlich kein Interesse, die Wohnungsfrage zu lösen. Das wird verstärkt durch die Krise, in der soziale Absicherungen bzw. Reformen untragbare Kosten sind. Der Bau von Wohnungen gehört logischerweise dazu. Der Staat kann und will der Wohnungsnot nicht abhelfen.
Die Lösung
Das Privateigentum an Grund, Boden und Immobilien ist nicht nur der Grund für die steigenden Mieten, sondern auch für die Knappheit am Markt. Diese Knappheit ist mit dem heutigen Stand der Produktivkräfte sinnlos. Wir haben die Ressourcen und Arbeitskräfte, die es ermöglichen, dass jeder zu lebenswürdigen Verhältnissen wohnen kann – in der Stadt wie auch auf dem Land.
Engels schreibt in „Zur Wohnungsfrage“: „Soviel ist aber sicher, dass schon jetzt in den großen Städten hinreichend Wohngebäude vorhanden sind, um bei rationaler Benutzung derselben jeder wirklichen ,Wohnungsnot‘ sofort abzuhelfen. Dies kann natürlich nur durch die Expropriation der heutigen Besitzer geschehen.“
Die endgültige Lösung der Wohnungsfrage, das heißt die Enteignung von bereits bestehendem Wohnraum und dessen bedarfsgerechte Verwaltung, die Schaffung von bezahlbaren neuen Wohnungen und die Aufhebung des Gegensatzes zwischen Land und Stadt, kann nur auf der Basis einer sozialistischen Planwirtschaft erfolgen.