Die internationale Arbeiterklasse erhebt sich

Die Ereignisse im September und Oktober dieses Jahres markieren einen Wendepunkt im internationalen Klassenkampf. Innerhalb weniger Wochen sind Massenbewegungen und Revolutionen in über 10 Ländern aus dem Boden geschossen, scheinbar aus dem Nichts. Tatsächlich war dieser Ausbruch aber unvermeidlich. Die kapitalistische Weltordnung steckt in einer tiefen Krise, die nichts mehr anzubieten hat außer Armut, Korruption und Unterdrückung. Diese Welle an Aufständen erinnert an 1968 und an den Arabischen Frühling. Wieder erleben wir Wochen, in denen Jahre passieren.

Besonders die Jugend steht an der Spitze dieser Erhebungen. Einer Generation, der Zukunft, Bildung und Arbeit geraubt werden, bleibt nichts anderes übrig, als zu kämpfen. Sie durchbricht den alten Filz aus Politikern, Unternehmern sowie Partei- und Gewerkschaftsbürokraten. Die Ereignisse unterstreichen die weltweite Legitimitäts- und Vertrauenskrise gegenüber allen staatlichen und politischen Institutionen.

Die enorme Macht der Arbeiterklasse wird in jeder dieser Bewegungen deutlich. Wenn sich die Massen erheben, kann sie nichts mehr aufhalten. Das direkte Eingreifen der italienischen Hafenarbeiter in israelische Ein- und Ausfuhren zeigt, wie man auf direkte Weise gegen Imperialismus und Kapitalismus in jedem Land kämpfen kann. In embryonaler Form stellt es das sozialistische Prinzip der Arbeiterkontrolle und Wirtschaftsplanung dar.

Der völlige Verrat und die Passivität der Führung der Arbeiterorganisationen in diesen Ländern haben dazu geführt, dass sich die Bewegungen außerhalb der traditionellen Arbeiterorganisationen entwickelt haben. Die sogenannten Gen-Z-Revolutionen haben eigene Symbole geschaffen. In Asien wurde die Flagge mit dem Strohhut aus dem japanischen Anime One Piece zum Zeichen des Widerstands. Sie steht für eine Generation, die keine Angst mehr hat, Autoritäten herauszufordern und die die Hoffnung auf eine gerechte Welt hochhält. Von Indonesien bis Nepal, von Marokko bis Italien haben sich die Bewegungen gegenseitig inspiriert und voneinander gelernt. Das ist ein bedeutender Schritt, denn zukünftige Bewegungen werden sich die Methoden der heutigen als Vorbild nehmen.

Die Bewegungen haben sich an unterschiedlichen Fragen entzündet: Ungleichheit, Korruption, dem Genozid in Palästina. Das sind alles zufällige Themen, welche eine tiefere Notwendigkeit ausdrücken: Das Leben im Kapitalismus ist unerträglich und zwingt die Massen in Bewegung. Es gibt genug Brennstoff, an dem sich der Zorn der Massen entzünden kann. An Orten, wo die Klassenkämpfe noch nicht ausgebrochen sind, können jederzeit welche ausbrechen, weil die objektiven Bedingungen dafür überall existieren.

Doch keine der heutigen Bewegungen konnte bislang ihrer Unterdrückung ein Ende setzen. Sie zeigen, wie schnell das Bewusstsein der Massen wachsen kann, aber auch die Grenzen spontaner Bewegungen. Wir sahen, wie in jeder Bewegung kleine, unbekannte aktivistische Gruppen den Funken zündeten, der Millionen erfasste. Doch ohne ein revolutionäres Programm und demokratische, zentralisierte Strukturen laufen selbst die mächtigsten Aufstände Gefahr, sich zu erschöpfen.

Die Aufgabe der Kommunisten besteht nicht darin, diese Bewegungen nur zu bejubeln, sondern sie zu verstehen und ihnen eine Perspektive zu geben. Die Massen müssen erkennen, dass ihre Gegner nicht einzelne Politiker sind, sondern das kapitalistische System selbst. Eine Revolution kann nur erfolgreich sein, wenn die Arbeiterklasse ihre ganze wirtschaftliche und politische Kraft einsetzt, um die Gesellschaft grundlegend zu verändern.

Wir sehen, wie der Sozialismus an vielen Orten der Welt versucht, geboren zu werden. Doch es fehlt eine Kraft, die diesen Kampf bewusst führt und zum Durchbruch bringt. Wenn es in diesen Ländern gegenwärtig eine echte kommunistische Partei gäbe, die in den Massen verwurzelt und groß genug wäre, um von den Massen gehört zu werden, könnte die gesamte Situation verwandelt werden. Diese Partei könnte als Katalysator wirken, der den Lernprozess der Massen beschleunigt. Schritt für Schritt könnte sie die Führung der Arbeiterklasse für sich gewinnen und sie zur Macht führen. Die dringendste Aufgabe jedes klassenbewussten Jugendlichen und Arbeiters ist es, diese Partei heute mit uns aufzubauen.

Indonesien: Arbeiterregierung erkämpfen!

Der unmittelbare Auslöser der indonesischen Revolution war die schamlose Entscheidung der Parlamentsabgeordneten, eine üppige Erhöhung ihrer Gehälter durchzusetzen, sodass diese das 50-fache des Durchschnittseinkommens erreichen würden. Währenddessen leidet die Bevölkerung unter massiver Armut, die durch Kürzungen des Staatshaushalts um 20% zu Jahresbeginn weiter verschärft wurde.

Am 25. August gingen zehntausende Jugendliche unter dem Slogan „Nieder mit dem Parlament!“ auf die Straßen. Nach dem Tod eines Demonstranten durch die Polizei weitete sich die Bewegung auf zahlreiche Städte aus und entwickelte sich innerhalb einer Woche zu einer offenen Revolution.

Die Massen haben erkannt, dass der bestehende Staat im Dienst einer kleinen, reichen Elite steht. Doch die Regierung der Reichen wurde noch nicht gestürzt. Um Armut und Korruption zu überwinden, braucht es nicht einfach eine neue Regierung korrupter und abgehobener Politiker, sondern eine Regierung, die direkt aus den Reihen der Arbeiterklasse und Jugend hervorgeht. Eine solche Arbeiterregierung würde die Betriebe, Banken und Bodenschätze aus den Händen der Superreichen entreißen, sie unter demokratische Kontrolle stellen und den Staat sowie die Wirtschaft nach den Bedürfnissen der Mehrheit ausrichten.

Der nächste Schritt besteht darin, die bisher informellen Strukturen der Bewegung, wie etwa Kanäle auf sozialen Medien, in Aktionskomitees umzuwandeln und diese überall in Betrieben, Stadtvierteln, Schulen und Universitäten aufzubauen. So kann die Bewegung demokratisch koordiniert werden, während Versammlungen der gewählten Vertreter dieser demokratischen Komitees als Keimzelle eines zukünftigen Arbeiterstaates dienen.

Nepal: Kein Kapitalismus ohne Korruption!

Die Mehrheit der Nepalesen lebt in bitterer Armut. Schon vor der Revolution hatte sich enorme Wut über „Nepo-Babies“ angestaut. Das sind wohlhabende Kinder von Politikern oder Unternehmern, die in sozialen Medien offen mit ihrem Reichtum prahlen. Der unmittelbare Auslöser der Bewegung war jedoch die Entscheidung der Regierung, soziale Medien zu verbieten.

Am 8. September riefen Jugendliche, Schüler und Studenten zu Protesten dagegen auf. Als die Demonstranten das Parlament erreichten, reagierte die Polizei mit Tränengas, Wasserwerfern und Schüssen, woraufhin die Wut der Menge explodierte. Das Parlament, Parteibüros und weitere Staatsgebäude wurden niedergebrannt, während die Wohnungen korrupter „Nepo-Babies“ und Politiker gestürmt wurden.

Skeptiker mögen einwenden, dass sich die Bewegung gegen Korruption und nicht direkt gegen den Kapitalismus richtet, und daraus schließen, dies sei keine Revolution. Doch Korruption ist ein Wesensmerkmal des kapitalistischen Systems. Die Reichen erkaufen sich politischen Einfluss, während sich die Politiker die Taschen vollstopfen. Die Mehrheit der Bevölkerung lebt derweil in bitterer Armut, obwohl sie diesen obszönen Reichtum schafft. Solange der Kapitalismus bestehen bleibt, werden Armut, Ungleichheit und Korruption fortbestehen, und kosmetische Reformen können die strukturellen Probleme nicht lösen. Die Aufgabe der Revolution besteht daher darin, sich nicht mit kosmetischen Reformen zufriedenzugeben, sondern den Kampf fortzuführen, bis eine Arbeiterregierung errichtet ist, die mit dem alten System bricht.

Marokko: Den Feind beim Namen nennen!

Der Funke in Marokko wurde entzündet, als im September Berichte auftauchten, wonach in Agadir acht Frauen während Kaiserschnittgeburten gestorben seien. Das ist auf die Zerstörung des Gesundheitssystems durch jahrzehntelange Sparmaßnahmen und die Zerstörung des öffentlichen Sektors zugunsten privater Interessen zurückzuführen.

Die Empörung verbreitete sich rasch unter Jugendlichen und Studenten. In großen Städten kam es am 27. September zu Demonstrationen unter dem Banner „GenZ 212“, mobilisiert über soziale Medien von anonymen Kollektiven. Die Bewegung gewann Massencharakter, als sie Missstände wie Jugendarbeitslosigkeit, unzureichende Gesundheitsversorgung und Korruption anprangerte. Die staatliche Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: Die Polizei ging mit Tränengas und Festnahmen gegen Demonstranten vor. Dennoch breitete sich die Bewegung weiter aus.

Die zentrale Schwäche der Bewegung liegt in den Grenzen der Spontanität. „GenZ 212“ ist online dezentral organisiert und bietet keine Perspektive, die Macht der Arbeiterklasse bewusst zu entfesseln. Ihr Programm beschränkt sich auf die Verbesserung der Lebensstandards, ohne einen Weg aufzuzeigen, dies zu erreichen.

Es braucht eine Kampagne und ein Programm, das die gesamte Arbeiterklasse systematisch in den Kampf einbezieht. Der Feind ist das System selbst und muss klar benannt werden. Ohne klare Strategie, politisches Programm und Organisationsstrukturen, die demokratische Debatten und gleichzeitig Einheit im Kampf ermöglichen, droht die Bewegung, sich in Aktionismus zu erschöpfen oder von etablierten Kräften vereinnahmt zu werden.

Frankreich: Konservatismus durchbrechen!

Seit den französischen Parlamentswahlen im vergangenen Jahr wurden bereits drei Premierminister aufgrund der Unzufriedenheit mit der unpopulären Sparpolitik gestürzt. Die Ankündigung neuer Maßnahmen im Juli, darunter die Streichung von Feiertagen, Kürzungen im öffentlichen Dienst und das Einfrieren der Renten, brachte das Fass zum Überlaufen.

In den sozialen Medien verbreitete sich der Slogan „Bloquons tout!“ („Blockieren wir alles!“). Seit dem 10. September kam es zu massenhaften Protesten. Die Gewerkschaften organisierten mehrere Aktionstage, an denen Millionen Beschäftigte für einen Tag streikten.

Was es bräuchte, wäre ein unbefristeter Generalstreik, bis die zentralen Forderungen erfüllt sind. Weil aber die konservative Gewerkschaftsführung ihre privilegierte, gut bezahlte Stellung nicht verlieren will und eine Revolution fürchtet, lenkt sie die Energie der Massenbewegung auf solche begrenzten Aktionstage, was die Bewegung schwächt. Doch ihr Konservatismus ist ein überwindbares Hindernis und kann unter dem Druck der Massen durchbrochen werden.

Dafür braucht es eine breite Agitationskampagne um ein revolutionäres Programm, das den Sturz Macrons, das Ende der Kürzungspolitik und den Kampf gegen den Kapitalismus zum Ziel hat. Massenversammlungen sollen überall einberufen werden, um eine Bewegung unbefristeter, sektorenübergreifender Streiks aufzubauen, in der die Arbeiter demokratisch über die Fortsetzung oder Beendigung der Streiks entscheiden.

Italien: Arbeiter kontrollieren ihr Schicksal!

Der politische Generalstreik vom 3. Oktober in Italien wurde durch die Solidarität mit Palästina und jahrzehntelange Krisen, Sparpolitik und soziale Ungleichheit ausgelöst. Millionen Menschen strömten auf die Straßen und blockierten Produktion, Verkehr und Häfen.

Die Bewegung zeigt eindrucksvoll die Macht der Arbeiterklasse. Gerade die Hafenarbeiter nutzten ihre strategische Position, um Lieferungen an das israelische Militär gezielt zu blockieren. Sie demonstrieren, dass im Kapitalismus die Produktions- und Verteilungsprozesse in den Händen der Arbeiter liegen. Arbeiterkontrolle ist keine abstrakte Formel, sondern entsteht spontan, wenn es zu einem Aufschwung der Klassenkämpfe kommt.

Die organisierte Arbeiterklasse kann nicht nur einzelne israelische Ein- und Ausfuhren stoppen, sondern die gesamte Wirtschaft kontrollieren und in ihrem Sinne planen. Diese Erkenntnis wird sich auch in den bevorstehenden Kämpfen, etwa gegen Standortschließungen, Aufrüstung oder Kürzungen im sozialen Bereich aufdrängen und vertiefen. Die Arbeiterklasse als Schöpferin des gesamten gesellschaftlichen Reichtums muss den Kapitalisten nicht die Kontrolle darüber lassen, was wir produzieren. Dieser Prozess bereitet den Kampf um den Sozialismus vor.

SCHLIESS DICH DEN KOMMUNISTEN AN!

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