Die Bedeutung von Jeremy Corbyns neuer Partei und die Haltung der Kommunisten zu ihr

Die Ankündigung von Jeremy Corbyn und Zarah Sultana im Juli, eine neue Partei zu gründen, löste eine starke Welle der Unterstützung und Begeisterung aus. Das war kaum überraschend. Die reaktionäre Politik der Starmer-Regierung war ein Schlag ins Gesicht für Millionen Menschen, welche die Labour-Partei in der Hoffnung auf Veränderung wählten.

In bemerkenswert kurzer Zeit ist Starmer trotz eines überwältigenden Wahlsiegs zum unpopulärsten Premierminister aller Zeiten geworden. Besonders von Linken wird er verachtet, die ihn zurecht als Verräter betrachten, den praktisch nichts von den Tories und Liberalen unterscheidet. Links von Labour entstand ein klaffender Abgrund, ein riesiges politisches Vakuum, das früher oder später gefüllt werden musste.

Angesichts der Schwäche der Kräfte des echten Marxismus in der heutigen Zeit konnte dieses Vakuum nur durch irgendeine Art linksreformistischer Alternative gefüllt werden. Es war daher ziemlich naheliegend, dass es durch den ehemaligen Labour-Vorsitzenden und Linksreformisten Corbyn gefüllt werden würde. Innerhalb weniger Stunden meldeten sich Tausende an, um der neuen Partei beizutreten.

Stimmung des Pessimismus

Seit langer Zeit sind die sogenannten Linken in Großbritannien wie auch international durch eine Stimmung der Niedergeschlagenheit und des Pessimismus gelähmt. Sie sahen überall nur Reaktion. Ohne jegliche Kenntnis der Dialektik erfassen sie lediglich die Oberfläche der Ereignisse, bleiben aber blind für die realen Prozesse der Radikalisierung, die sich abspielen.

Während die Linke in tiefem Pessimismus versunken ist, herrscht unter den Massen eine Stimmung der Wut, Frustration und Verzweiflung, die sich immer weiter zuspitzt. In ihrer Verzweiflung suchen Millionen Menschen nach einem Ausweg aus der Krise, wenden sich erst der einen, dann der anderen Option zu. Organisationen und Führer werden nach und nach auf die Probe gestellt und entlarvt.

Rechte Demagogen wie Trump können plötzlich aus dem Nichts auftauchen und zeitweise Erfolge erzielen. Sektiererische Idioten und Linksreformisten, die nicht weiter als bis zur eigenen Nasenspitze sehen, deuten dies als Aufstieg des Faschismus. Aber davon kann keine Rede sein. Es ist Ausdruck extremer Instabilität auf der Wahlebene, die sich durch heftige Schwankungen auszeichnet.

Die rechten Demagogen stoßen unweigerlich auf die Widersprüche des Kapitalismus, für die sie keine Antworten haben. Sie werden ebenso plötzlich zusammenbrechen, wie sie aufgetaucht sind, und den Weg für einen noch heftigeren Schwenk nach links ebnen. Diese Instabilität stellt eine ernste Bedrohung für die bestehende Ordnung dar.

Plötzliche Veränderungen

Die gesamte Situation bringt unerwartete Veränderungen mit sich, vor allem plötzliche und schnelle Bewusstseinsveränderungen. Mächtige zentrifugale Kräfte wirken und treiben die Klassen in einen offenen Krieg. Dass dies nicht unmittelbar zu revolutionären Entwicklungen führt, liegt am Fehlen einer ernsthaften Alternative auf der Linken.

In der Abwesenheit einer solchen Alternative werden wir unweigerlich heftige Umschwünge auf der Wahlebene erleben – sowohl nach links als auch nach rechts. Doch die Bewegung zur sozialistischen Revolution ist kein mechanischer Prozess.

Die Schwäche des subjektiven Faktors bedeutet unweigerlich, dass sich die Radikalisierung der Massen in der nächsten Periode im Aufstieg und Fall neuer linksreformistischer Formationen und Führer ausdrücken wird.

Einige von ihnen werden eine sehr radikale Sprache verwenden, aber alle werden an die grundlegenden Grenzen des Reformismus stoßen: ihre Unfähigkeit, die grundlegende Frage des Sturzes des kapitalistischen Systems und der Machtübernahme der Arbeiterklasse zu stellen.

Die Ankündigung einer neuen linken Partei in Großbritannien eröffnet Kommunisten zweifellos neue Möglichkeiten. Diese Tatsache stellt den wichtigsten Aspekt der gegenwärtigen Situation dar.

Die Bilanz des Linksreformismus

Die Gründung der neuen Partei eröffnet uns ein neues und potenziell fruchtbares Arbeitsfeld. Doch ob wir erfolgreich sind oder nicht, hängt davon ab, ob wir die richtige Taktik dafür entwickeln.

Die Taktik der Revolutionary Communist Party (RCP, britische Schwesterpartei der RKP) kann nicht von vorübergehenden Begeisterungsstürmen in den Massen bestimmt werden – Stimmungen, die durchaus flüchtig sein können. Gerade im taktischen Bereich ist es notwendig, die Angelegenheit sorgfältig zu überdenken und abzuwägen, bevor man einen entscheidenden Schritt unternimmt.

Insbesondere müssen wir die Lehren der Vergangenheit in Bezug auf den Linksreformismus stets im Auge behalten. Wir kennen die Erfahrungen von Tsipras in Griechenland, Podemos in Spanien, Sanders in den USA und nicht zuletzt Corbyn in Großbritannien. In jedem Fall traten diese Führer plötzlich in Erscheinung und erlangten enorme Unterstützung und Begeisterung, weil sie – zumindest in Worten – eine radikale Politik vertraten.

In Großbritannien trat Corbyn überraschend auf und stieg in die Labour-Führung auf, obwohl er nur ein moderates Reformprogramm vertrat. Sein Erfolg beruhte darauf, dass die weit verbreitete Unzufriedenheit in ihm einen Bezugspunkt fand.

Tatsächlich war die Resonanz, die Corbyn damals erhielt, vermutlich sogar größer als die Unterstützung, die er heute erfährt. Er hatte das Potenzial, die gesamte Situation in Großbritannien zu verändern. Doch er stieß sofort auf Widerstand des rechten Labour-Flügels im Parlament, der ihn mit Unterstützung rechter Medien bekämpfte.

Corbyn hätte seine Massenbasis mobilisieren sollen, um die Labour-Fraktion zu zerschlagen und rechte Labour-Abgeordnete abzuwählen. Doch Corbyn weigerte sich, dies zu tun. Linke Reformisten klammern sich aus Angst vor einer Spaltung stets an die rechten Reformisten. Die rechten Reformisten ihrerseits, die offene Agenten der Großunternehmen in den Reihen der Labour-Partei sind, hatten solche Skrupel nicht.

Sie setzten ihre Sabotage fort und besiegten schließlich Corbyn, der nicht bereit war, den Kampf bis zum Ende zu führen. Seine Niederlage war daher absolut unvermeidlich und die direkte Folge seiner eigenen linksreformistischen Politik.

Es ist absolut notwendig, dies im Moment fest im Auge zu behalten und nicht zuzulassen, dass unser Urteil durch die Begeisterung getrübt wird, die seine Ankündigung einer neuen Partei ausgelöst hat.

Wie sollten wir an die neue Partei herantreten?

Was ist die Hauptaufgabe von Kommunisten in der gegenwärtigen Zeit? Sie besteht darin, Seite an Seite mit den Massen der Arbeiterklasse zu kämpfen und das fertige Programm der sozialistischen Revolution mit dem unerfüllten Verlangen der fortschrittlichsten Elemente nach einer grundlegenden revolutionären Umgestaltung zu verbinden.

Sollten wir die neue Partei unterstützen? Wir Kommunisten begrüßen die Gründung einer neuen linken Partei in Großbritannien mit größter Begeisterung.

Es ist noch zu früh, um zu sagen, wie das tatsächliche Erscheinungsbild der neuen Partei aussehen wird. Die ersten Anzeichen deuten darauf hin, dass sie für eine Reihe radikaler Reformen in Bereichen wie Gesundheit und Wohnen steht, für die wir alle auch kämpfen.

Die entscheidende Frage ist jedoch, ob die Führung dieser Partei wirklich für eine grundlegende Umgestaltung der Gesellschaft steht. Damit meinen wir die Abschaffung des Kapitalismus und die Machtübernahme durch die Arbeiterklasse.

Wir können diese Frage nicht im Voraus beantworten, aber höchstwahrscheinlich wird der linksreformistische Charakter der Führung sie zu der Position verleiten, dass es möglich sei, die Probleme der Arbeiterklasse ohne einen radikalen Bruch mit dem Kapitalismus und dem Privateigentum an Produktionsmitteln zu lösen. Dafür spricht, dass sich der ursprüngliche Gründungsaufruf auf die Besteuerung von Reichen beschränkt.

Wenn das der Fall ist, werden alle versprochenen Reformen in der Praxis nur wenig bewirken. Hier liegt die grundlegende Trennlinie zwischen der ernsthaften sozialistischen Politik der Kommunisten und dem vagen und zweideutigen Programm des Linksreformismus.

Heißt das, dass eine ehrliche und brüderliche Zusammenarbeit zwischen der RCP und der Partei ausgeschlossen ist? Nein. Das bedeutet es keineswegs.

Die RCP steht auf dem Programm der sozialistischen Revolution, aber wir verstehen auch, dass die sozialistische Revolution ohne den täglichen Kampf um Fortschritte im Kapitalismus eine unmögliche Utopie wäre.

Der Unterschied zwischen uns und den Reformisten besteht nicht darin, dass wir Reformen ablehnen. Im Gegenteil, wir befürworten den militantesten Kampf für jede bedeutende Reform, die den Interessen der Arbeiterklasse dient.

Unsere Kritik an den rechten Reformisten besteht darin, dass sie nicht wirksam für Reformen kämpfen. Sie widersetzen sich konsequent Streiks und anderen Aktionen der Arbeiter, um eine Verbesserung ihres Lebensstandards zu erreichen. Und sie kapitulieren unweigerlich vor dem Druck der Kapitalisten und führen eine Politik der sogenannten Austerität durch – das heißt, brutale Kürzungen des Lebensstandards – also Gegenreformen.

Der Unterschied zwischen den linken und den rechten Reformisten besteht darin, dass letztere offen für die Interessen der Banker und Kapitalisten eintreten, während erstere glauben, dass ehrgeizige Reformen und Verbesserungen des Lebensstandards innerhalb der Grenzen des kapitalistischen Systems möglich seien. Dies ist jedoch unmöglich.

Deshalb kann unsere Unterstützung für die neue Partei nicht bedingungslos sein. Wir müssen jederzeit eine prinzipielle Position vertreten und das Programm einer grundlegenden Umgestaltung der Gesellschaft – der sozialistischen Revolution – entschlossen hochhalten.

Wir reichen den Mitgliedern der Partei die Hand der Freundschaft. Unsere Unterstützung kann jedoch nie unkritisch sein. Tatsächlich ist es die Grundvoraussetzung für eine fruchtbare und ehrliche Zusammenarbeit mit den linken Reformisten, von Anfang an klare Trennlinien zu ziehen.

Wann immer Corbyn einen Schritt in die richtige Richtung macht, werden wir ihn unterstützen. Doch wann immer er einen Schritt zurückgeht, wann immer er Zweideutigkeiten und Schwankungen an den Tag legt (was er schon oft getan hat), behalten wir uns das Recht vor, ihn entschieden, aber solidarisch zu kritisieren.

Nur so können wir unsere politische Unabhängigkeit wahren, die Politik des Kommunismus aufrechterhalten und in einen konstruktiven Dialog mit den Mitgliedern der neuen Partei treten.

Wir haben unsere Mitglieder dazu aufgerufen, die Partei zu unterstützen und sich in und um sie herum aktiv zu engagieren, soweit uns dies möglich ist.

Aber wir können keinerlei Einschränkungen unserer Freiheit akzeptieren, für den Kommunismus und das revolutionäre Programm einzutreten. Wir möchten die linken Reformisten nicht daran hindern, ihre Positionen offen und ehrlich zu verteidigen, und wir erwarten von ihrer Seite den gleichen Respekt.

Eines muss absolut klargestellt werden: Die Liquidierung der RCP steht außer Frage – sie ist die einzige wirkliche Garantie dafür, dass das wahre Programm des Sozialismus aufrechterhalten wird. In dieser Frage kann es keinen Kompromiss geben.

Revolutionäres Potenzial

Die begeisterte Reaktion auf Corbyns Erklärung ist nur ein kleiner Hinweis auf die tatsächliche Stimmung in der Gesellschaft. Unter der scheinbaren Ruhe brauen sich heftige Stürme zusammen. Die Kluft zwischen Arm und Reich hat ein Ausmaß erreicht, das es in den letzten 100 Jahren nicht gegeben hat.

Die jüngsten Ereignisse in Großbritannien und anderen Ländern zeigen, dass das Bewusstsein zu reifen beginnt, aber um den wahren Weg zum Sieg zu finden, wird es viele Fehlstarts geben.

Die objektive Lage ist zunehmend reif für eine Revolution. Doch der subjektive Faktor hinkt den Ereignissen weit hinterher. Von der Lösung dieses Widerspruchs wird der gesamte Verlauf der zukünftigen Geschichte abhängen.

SCHLIESS DICH DEN KOMMUNISTEN AN!

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