Die Bundesregierung möchte die Wehrpflicht wieder einführen. Aber nicht auf einen Schlag, sondern als Salami-Taktik (Scheibchen für Scheibchen) – damit die bittere Pille besser runter geht. Darauf läuft der Gesetzentwurf hinaus, den das Kabinett vor kurzem beschlossen hat. In einem ersten Schritt sollen alle Männer im wehrfähigen Alter verpflichtend einen Fragebogen ausfüllen und darin angeben, ob sie dienen wollen. Ab 2027 wird die Musterung (also die amtliche Feststellung der Wehrtauglichkeit aller jungen Männer) zur Pflicht. Und vor allem behält sich der Staat vor, Jugendliche doch zum Wehrdienst zu zwingen, sollte es nicht genügend Freiwillige geben. Die „Freiwilligkeit“ gilt also so lange, wie man sich so entscheidet, wie Panzer-Pistorius es gerne hätte.
Versüßt werden soll uns der Dienst an der Waffe und im Matschgraben durch besondere Vorteile: Während überall sonst im Land Löhne gekürzt, Stellen gestrichen und Bildungseinrichtungen und Unis kaputtgespart werden, soll es bei der Bundeswehr genau andersrum sein. Einen vergleichsweise hohen Sold von knapp über 2000€ im Monat und hochqualitative Ausbildungsmöglichkeiten – vom Führerschein und Sprachkurs bis zu Berufsausbildung und Studium – verspricht man den zukünftigen Soldaten. Wie viel davon noch übrig bleibt, wenn in ein paar Jahren die Pflicht sicherstellt, dass genügend Soldaten da sind, werden wir sehen. Streiken dürfen Soldaten jedenfalls rechtlich nicht.
Was sollen wir verteidigen?
Offiziell begründet wird die Wehrpflicht mit der angeblichen Gefahr eines russischen Angriffs. Wir sollen dienen, um „unser gutes Leben in Deutschland in Freiheit und Demokratie“ verteidigen, sagt uns die Politik. Auch die Jugend solle einen Beitrag leisten, schiebt Söder hinterher. Das „gute Leben in Deutschland“ – das heißt für die Massen weniger Lohn, höhere Preise, steigende Mieten, ein kaputtgesparter Sozialstaat und Deindustrialisierung.
„Demokratie und Freiheit“ – das heißt, einen Polizeiknüppel abzukriegen oder entlassen zu werden, wenn man sich für Palästina ausspricht. Das bedeutet, dass der abgewählte Bundestag ein gewaltiges Schuldenpaket für die Aufrüstung beschließt. Oder dass ein Volksentscheid, in dem knapp 60% der Berliner für die Enteignung der Immobilienkonzerne gestimmt haben, einfach nicht umgesetzt wird.
Die Idee, die Jugend solle doch „etwas zurückgeben“, ist eine absolute Frechheit. Die angeblich faule Gen Z, die in Wahrheit viel mehr arbeitet und trotzdem ärmer ist als die Generationen vor ihnen, soll jetzt auch noch in den Schützengraben springen, wenn Söder das für nötig hält.
Die Kapitalisten und ihre Politiker geben vor, unsere Verteidigung organisieren zu wollen. Aber in Wahrheit ist ihnen unser Leben egal. Das zeigt der verantwortungslose Umgang mit der Ahrtalflut und der in Zeitlupe einstürzenden Autobahnbrücken genauso wie das kaputtsparen des Gesundheitssystems und die Abwälzung der Coronapandemie auf die Massen.
Wir sagen: Die größte Gefahr für unseren Lebensstandard ist nicht Putin, sondern die deutschen Kapitalisten und ihre Kürzungsregierung. Bevor wir über Landesverteidigung reden, wollen wir hohe Löhne, ausreichend Arbeitsplätze, volle demokratische Rechte für die Arbeiter und Jugendlichen, billigen Wohnraum, ein voll ausfinanziertes Bildungs- und Gesundheitssystem und schlussendlich die volle Kontrolle über die Wirtschaft, damit wir all das auch sicherstellen können. Arbeiter in Deutschland sterben heute nicht durch russische Angriffe, sondern durch blutige Entlassungen und Personalmangel in deutschen Krankenhäusern.
Die „russische Gefahr“
In Wahrheit geht es nicht darum, Deutschland vor einer drohenden russischen Invasion zu verteidigen. Diese Panikmache wird gezielt von den Herrschenden geschürt, um die Akzeptanz für Wehrpflicht und Aufrüstung zu erhöhen.
In Wahrheit soll eine größere Bundeswehr den imperialistischen Profitinteressen des deutschen Kapitals mehr Nachdruck verleihen. Denn die Länder Osteuropas sind die Beute, die zwischen dem deutschen und dem russischen Imperialismus aufgeteilt wird. Deutsche Unternehmen haben massive Investitionen in diesen Ländern, die der deutschen Industrie billige Arbeitskräfte zur Verfügung stellen. Eine starke Armee soll Deutschland aber auch helfen, sich innerhalb Europas gegen andere imperialistische Mächte wie Frankreich durchzusetzen.
Aber vor allem geht es auch darum, durch die materielle und personelle Aufrüstung der Bundeswehr, die USA weiter in Europa zu halten. Der einzige Grund, warum die europäischen Länder noch eine größere Rolle in der Welt spielen konnten, als es ihrer tatsächlichen wirtschaftlichen Rolle entsprechen würde, waren die seit dem Kalten Krieg bestehenden amerikanischen Sicherheitsgarantien in Form der NATO. Trump will die USA nun militärisch aus Europa zurückziehen, um sich auf amerikanische Kerninteressen im Kampf gegen den chinesischen Imperialismus zu konzentrieren. Trump erklärt sich nur bereit, in der NATO zu bleiben, wenn die europäischen Länder ihre Militärausgaben und ihre Truppenstärke bedeutend erhöhen. Die Wehrpflicht wird vor allem auch deswegen eingeführt, damit das NATO-Ziel von 260.000 deutschen Soldaten erreicht werden kann, wie Merz und Pistorius mit Nachdruck unterstrichen.
Wem sollen wir dienen?
Laut Umfragen ist eine Mehrheit der Deutschen für die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Und je nachdem, welche Umfrage man konsultiert, auch ein relevanter Teil der Jugend. Aus ihnen spricht der Wunsch, sich und ihre Familien gegen eine vermeintlich drohende Gefahr zu verteidigen. So sagt z.B. ein Zehntklässler dem ZDF, seine Generation müsse sich auf einen möglichen Krieg vorbereiten, „damit wir im Ernstfall wissen, wie man mit einer Waffe umgeht und wir unsere Heimat verteidigen können.“ Er würde seine Familie und Freunde bei einem Angriff schützen wollen, sagt er.
Doch die Kapitalistenklasse und ihre Politiker meinen mit „Verteidigung“ etwas ganz anderes, nämlich die Verteidigung deutscher Kapitalinteressen in Europa und auf der ganzen Welt.
Das steht im Widerspruch zur Stimmung der Massen. Das zeigt exemplarisch eine Umfrage der Liz-Mohn-Stiftung unter Jugendlichen, bei der 59 % sich dafür aussprachen, dass Deutschland sich aus Konflikten anderer Staaten heraushalten sollte. Laut Focus sind zudem 76% gegen eine Wehrpflicht, wenn diese dazu dienen würde, deutsche Bodentruppen zur „Friedenssicherung“ in der Ukraine zu stationieren.
Wir Kommunisten sagen all jenen, die sich solche Gedanken machen: Wir verstehen, dass ihr euch und eure Familien vor einer vermeintlichen unterdrückerischen Gefahr verteidigen wollt. Aber vertraut ihr diesen Politikern, Generälen und Kapitalisten wirklich, die Verteidigung der einfachen Menschen in diesem Land zu organisieren?
Das sind dieselben, die dem israelischen Terrorregime so viele Mordwaffen liefern, wie sie wollen, um die Menschen in Gaza abzuschlachten. Und zwar obwohl mindestens 60% der Deutschen gegen dieses Waffenexporte sind! Das sind auch dieselben, die seit den 1990er Jahren eine aggressive Außenpolitik in Osteuropa vorantreiben: Die die Bombardierung Serbiens beschlossen und die NATO-Osterweiterung vorantrieben. Diese Leute zündeln auch heute mit dem Feuer des Krieges und provozieren Russland, zuletzt durch die Stationierung einer deutschen Panzerbrigade nahe der russischen Grenze in Litauen. Oder durch die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland, obwohl auch hier eine Mehrheit der Deutschen dagegen war.
Es sind die selben Politiker, die einfach über die Köpfe der Bevölkerung hinweg beschlossen haben, auf Seiten der USA in den Ukrainekrieg einzutreten. Diese völlig verantwortungslose Entscheidung hat dazu geführt, dass Deutschland jetzt von russischem Gas abgeschnitten ist, was die Deindustrialisierung massiv beschleunigt hat und die deutsche Industrie kaputt macht. Jetzt wälzen sie diese Krise auf uns ab.
Sie haben uns die ganze Zeit belogen, in dem sie uns seit drei Jahren erzählen, der Ukrainekrieg sei mit genügend westlichen Waffen zu gewinnen. Jetzt zeichnet sich immer klarer ab, dass das nicht stimmt. Sie haben Hunderttausende Ukrainer in unsinnigen Schlachten in den Fleischwolf gehetzt, wie z.B. in Kursk. Das Gleiche würden sie im Kriegsfall auch mit deutschen Soldaten tun. Das zeigt nicht zuletzt der Afghanistaneinsatz: Nach 20 Jahren Einsatz am anderen Ende der Welt, erfolgte 2021 ein fluchtartiger Abzug und die Taliban übernahm in wenigen Tagen die Macht. 53 deutsche Soldaten sind gefallen. Hunderte wurden verletzt. Wofür?
Die Arbeiter und Jugendlichen können solche entscheidenden Fragen nicht einer kleinen Handvoll verantwortungsloser Kriegstreiber überlassen! Wir dürfen nicht zulassen, dass sie uns für ihre Kriege missbrauchen. Die Rüstungsindustrie, die Großkonzerne und die Banken müssen enteignet, die bürgerliche Regierung gestürzt und durch eine Arbeiterregierung ersetzt werden. Soldaten brauchen volle politische und gewerkschaftliche Rechte, um sich zu organisieren und sich so gemeinsam verantwortungslosen Militäreinsätzen verweigern zu können.
Gegen die Wehrpflicht?
Viele Jugendliche haben schon erkannt, dass mit Aufrüstung und Wehrpflicht die Interessen der Reichen verteidigt werden sollen. Sie wollen keinen Krieg, gerade weil sie die Schrecken des Gaza-Genozids und des Ukrainekriegs sehen. Sie erkennen, dass hinter den Begründungen der Politiker für Wehrpflicht und Aufrüstung keine friedlichen Absichten, sondern nur die Interessen des deutschen Imperialismus stehen. Zusätzlich sehen sie nicht ein, warum sie gezwungen werden sollen, sich ein Jahr ihres Lebens von sadistischen Unteroffizieren durch die Lüneburger Heide prügeln zu lassen oder sich den Hintern beim Wachdienst plattzusitzen. Eine knappe Mehrheit von 52% der befragten 18-20 Jährigen ist daher gegen die Wehrpflicht.
DIE LINKE und andere linke Aktivisten, Organisationen und Bündnisse haben sich daher klar gegen die Wehrpflicht ausgesprochen. Sie organisieren Bündnisse gegen die Wehrpflicht oder bieten Beratung zum Recht auf Kriegsdienstverweigerung an.
Diesen Jugendlichen sagen wir: Ja, es geht Merz und Co nicht um die Verteidigung der einfachen Leute! Ja, solche Kriege werden nur im Interesse der Reichen geführt! Ja, es darf nicht passieren, dass Jugendliche aus der Arbeiterklasse wieder in imperialistischen Kriegen kämpfen und fallen! Ja, wir wollen uns ihnen nicht für ihre imperialistische Aufrüstung zur Verfügung stellen!
Aber eine Verhinderung oder endgültige Abschaffung der Wehrpflicht wird das nicht verhindern! In der Epoche des Imperialismus führen Staaten nicht Kriege, weil sie einfach eine aggressive oder nationalistische Außenpolitik haben. Sondern weil die Großkonzerne und Banken jedes kapitalistischen Landes beständig neue Märkte, Investitionsmöglichkeiten und Rohstoffe in anderen Ländern benötigen. Das ist die Gesetzmäßigkeit des kapitalistischen Systems. Wie Hyänen kämpfen die nationalen Kapitalistenklassen der imperialistischen Länder um die Aufteilung der Welt. Besonders in Zeiten der weltweiten Krise wie jetzt. Deswegen schaffen sie sich große Armeen und eine aggressive Außenpolitik, um ihre Ansprüche durchzusetzen.
Solange diese materiellen Ursachen nicht bekämpft sind, ist es zweitrangig, ob es eine Wehrpflicht gibt oder nicht. Denn das entscheidet nicht darüber, ob es Krieg oder Frieden gibt. Wenn es Krieg gibt, wird die Bevölkerung schon in die Armee eingezogen, egal ob es in Friedenszeiten eine Wehrpflicht gab oder nicht. Das sehen wir gerade in der Ukraine, wo junge Männer von der Militärpolizei aus ihren Wohnungen gezerrt und an die Front geprügelt werden, wo sie in einem verlorenen Krieg binnen weniger Wochen fallen. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ist nichts als ein Wisch Papier. Nur die Enteignung der Großkonzerne inklusive der Rüstungskonzerne, der Sturz der bürgerlichen Regierung und volle politische und demokratische Rechte für Soldaten werden das verhindern können.
Imperialistische Kriege können nicht durch die Abschaffung der Wehrpflicht Kriegsdienstverweigerung verhindert werden. Die Forderung “Stoppt die Wehrpflicht” erzeugt in dieser Situation hingegen die Illusion, dass das möglich wäre.
Pazifismus oder Kommunismus?
Als Kommunisten sind wir keine Pazifisten! Wir kämpfen entschieden gegen imperialistische Kriege. Aber die Unterdrückten müssen gegen ihre Unterdrücker kämpfen, manchmal auch gewaltvoll. Den Umgang mit einer Waffe zu lernen ist daher nichts inhärent Schlechtes.
So erklärte Lenin 1916: „Eine unterdrückte Klasse, die nicht danach strebt, Waffenkenntnis zu gewinnen, in Waffen geübt zu werden, Waffen zu besitzen, eine solche unterdrückte Klasse ist nur wert, unterdrückt, mißhandelt und als Sklave behandelt zu werden. Wir dürfen, ohne uns zu bürgerlichen Pazifisten und Opportunisten zu degradieren, nicht vergessen, daß wir in einer Klassengesellschaft leben und daß außer dem Klassenkampfe keine Rettung daraus möglich und denkbar ist. [ …] Nur nachdem das Proletariat die Bourgeoisie entwaffnet hat, kann es, ohne an seiner weltgeschichtlichen Aufgabe Verrat zu üben, die Waffen zum alten Eisen werfen, was es auch ganz sicher dann – aber nicht früher – tun wird.“
Ein antimilitaristisches Programm für die Arbeiterbewegung!
Die Wehrpflicht wird aller Voraussicht nach kommen. Zehntausende Jugendliche, darunter vor allem junge Arbeiter, werden in die Armee eingezogen und an der Waffe und in den Grundlagen der Kriegsführung ausgebildet werden. Unorganisiert sind sie, wie die Arbeiter in der Fabrik, zunächst Rohmaterial zur Ausbeutung unter der Kontrolle der Bourgeoisie. Aber organisiert, können sie ein gewaltiges revolutionäres Potential entfalten. Damit sie nicht dem Kapital als Kanonenfutter zur Verfügung stehen, müssen sie als Teil der Arbeiterbewegung mit einem sozialistischen Programm organisiert werden.
Das größte Hindernis im Kampf gegen Militarismus und Imperialismus sind im Moment die reformistischen Führer der DGB-Gewerkschaften, der SPD und auch der LINKEN, die sich hinter den deutschen Imperialismus stellen und die Arbeiterklasse disziplinieren. Sie versuchen dafür zu sorgen, dass die Massen das Abenteuer des Ukrainekriegs und die Aufrüstungsanstrengungen der Bourgeoisie mittragen und bremsen jeden Widerstand gegen die Unterstützung des israelischen Genozids. Sie geben der Stimmung gegen diese Kriege, die es ja in der Bevölkerung gibt, keinen organisierten Ausdruck.
Um diesen Kampf erfolgreich führen zu können, braucht die Arbeiterbewegung ein anderes Programm, das die Interessen des Proletariats vertritt. Die RKP kämpft dafür, ein solches Programm in der Arbeiterbewegung zu verankern:
- Kein Mann, keine Frau, kein Cent für ihre Kriege!
 - Enteignung der Rüstungsindustrien, der Banken und Großkonzerne unter demokratischer Arbeiterkontrolle!
 - Schluss mit der Aufrüstung! Stattdessen volle Ausfinanzierung des Bildungs- und Gesundheitssystems! Bildung statt Bomben, Renten statt Raketen, Pflege statt Panzer!
 - Nieder mit dem NATO-Imperialismus!
 - Sofortige Beendigung aller deutschen Auslandseinsätze!
 - Abschaffung der Geheimdiplomatie! Offenlegung aller Absprachen und Bündnisse mit anderen imperialistischen Ländern! Offenlegung aller Waffenlieferungen!
 - Volle politische und demokratische Rechte für alle Soldaten! Das beinhaltet das Recht auf freie Meinungsäußerung, politische Betätigung und Organisierung, das Streikrecht, Abschaffung der Militärgerichtsbarkeit, ein Ende der Schikanen, Drangsalierung und Misshandlung von Rekruten und Soldaten, Wahl der Offiziere durch die Mannschaften!
 - Sturz der Regierung! Eine Arbeiterregierung muss an ihre Stelle treten, die allein die Interessen der Arbeiterklasse vertritt!
 - Für den Sozialismus und eine demokratische Planwirtschaft!
 
Bild: Dr. Frank Gaeth, Wikimedia Commons