Marxisten müssen die Welt so sehen, wie sie ist, und nicht so, wie wir sie gern hätten. Gewalt und Krieg sind im Kapitalismus nicht etwa äussere Störfaktoren; sie sind nicht das Ergebnis von Fehlern oder Missverständnissen. Sie gehören zum Fundament des Kapitalismus, und solange das kapitalistische System besteht, werden sie Teil unseres Lebens sein. Vor solchen Tatsachen dürfen wir nicht die Augen verschliessen, sondern wir müssen begreifen, warum sie bestehen und so auf eine Veränderung hinarbeiten.
Kapitalismus, Krieg und Gewalt
Nationen führen letzten Endes Krieg gegeneinander, um die Interessen ihrer eigenen nationalen herrschenden Klasse zu wahren und ihre imperialistischen Bestrebungen zu verfolgen.
So bekriegt der kapitalistische Staat manchmal sein eigenes Volk, manchmal rivalisierende Staaten – doch zu jedem Zeitpunkt handelt er als Institution zur Verwaltung der gemeinsamen Interessen der Bourgeoisie.
Diese Bourgeoisie benötigt Gewaltmittel, weil der Kapitalismus auf den Widersprüchen zwischen Klassen aufbaut und die herrschende Klasse die Ausbeutung der Arbeiterklasse aufrechterhalten muss. Widersprüche bestehen auch zwischen Gruppen von Bourgeois, die durch ihre Nationalstaaten repräsentiert werden und wiederum in kapitalistischer Konkurrenz zueinander stehen.
Die Klasse der Kapitalisten führt diesen Kampf gegen die eigenen Arbeiter und gegen andere Kapitalisten mit vielen verschiedenen Waffen, auch mit Propaganda und Diplomatie. Die Geschichte beweist jedoch, dass nackte Gewalt das einzige Mittel ist, um den Kapitalismus langfristig am Leben zu erhalten.
Das Ziel einer jeden herrschenden Klasse ist es, ihren eigenen ökonomischen Vorteil zu bewahren. Dabei ist Gewalt nur Mittel zum Zweck. Krieg wird nicht um des Krieges Willen geführt, sondern um neue Märkte, Rohstoffe und Einflussgebiete zu erobern und so die eigene Stellung zu halten.
Trotzki zeigte auf, dass die Ziele des imperialistischen „Friedens“ deckungsgleich sind mit den Zielen des imperialistischen Krieges: Kapitalistische Staaten sind auch zu Friedenszeiten Systeme organisierter Gewalt zur Unterdrückung und Ausbeutung der Mehrheit durch eine Minderheit. Kriegsführung im Ausland ist lediglich das Spiegelbild der Gewalt im Innern eines Landes, die von Polizei, Armee, Gericht und Gefängnis verübt wird.
Krieg und Gewalt gehören untrennbar zum Kapitalismus. Er kann ohne sie nicht existieren.
Was sagt der Marxismus?
Das lässt nur den Schluss zu, dass der Kapitalismus gestürzt werden muss, um Krieg und Gewalt ein Ende zu setzen. Kapitalisten können nicht dazu überredet oder davon überzeugt werden, weniger gewalttätig zu sein, wenn diese Gewalt das Fundament ihres Systems bildet. Das System muss zerschlagen werden.
Insbesondere meinen wir damit die Institutionen der organisierten bürgerlichen Gewalt wie Polizei und Armee, die wenn nötig mit Gewalt beseitigt werden müssen. Dieser revolutionäre Grundsatz gilt im kapitalistischen „Frieden“ genauso wie zu Kriegszeiten.
Die revolutionäre Methode, um Krieg und Gewalt ein Ende zu setzen, ist immer, den kapitalistischen Staat zu zerschlagen und das System als Ganzes zu stürzen. Nur das ist realistisch, denn nur so wird das Problem an der Wurzel gepackt.
Das bedeutet aber auch, dass wir nicht „im Allgemeinen“ für oder gegen Gewalt sind. Unsere Einstellung beruht auf einer tatsächlichen, konkreten Situation: Kriege zur Befreiung von unterdrückten Völkern und Klassen sind fortschrittlich, wir unterstützen diese. Kriege aber, die im Interesse des Imperialismus geführt werden, auch wenn sie vordergründig der „Selbstverteidigung“ dienen oder dem „Recht der Völker auf Selbstbestimmung“ entsprechen, sind reaktionär. Wir lehnen diese ab.
Die Gewalt des Sklaventreibers, der seine Sklaven in Ketten hält, ist nicht gleichzusetzen mit der Gewalt des Sklaven, der seine Fesseln sprengt. Die Gewalt der Selbstverteidigung ist nicht gleichzusetzen mit der Gewalt des Aggressors.
Was ist Pazifismus?
Pazifisten widersprechen diesen Ideen. Für sie ist Gewaltlosigkeit eine moralische Norm, die für alle und ewig gilt.
Die herrschende Klasse verschleiert bewusst die wahren Kriegsgründe, und einer ihrer Flügel bedient oft diesen abstrakten Pazifismus, um den Klassencharakter ihrer Handlungen zu vertuschen.
2003 behaupteten Bush und Blair, der Einmarsch in Irak sei notwendig, um Massenvernichtungswaffen unschädlich zu machen und so den Weltfrieden zu sichern. Natürlich ging es beim Irakkrieg vor allem um Erdöl, und er wurde für die Interessen der westlichen Kapitalisten ausgefochten, nicht etwa, um den Frieden zu wahren.
Marxisten benennen diese Heuchelei, doch Kleinbürger und Reformisten werfen sich davor zu Boden. Sie glauben und stützen die Lügen der Bourgeoisie, nach denen sie eigentlich nur Frieden suchen. Sie sehen Krieg nicht als Produkt der unauflösbaren Widersprüche des Kapitalismus, sondern als Folge individueller Fehler oder Charakterschwächen.
Deswegen stimmten die Sozialdemokratischen Führungen für den Ersten Weltkrieg: Sie machten sich die Propaganda ihrer herrschenden Klassen zu eigen und vertraten den Standpunkt, dass sie sich in einem Verteidigungskrieg gegen blutrünstige, auswärtige Feinde befänden.
Und deswegen vertreten die heutigen reformistischen Führer heute die Lüge, dass die Vereinten Nationen eine Kraft für den Frieden sei, die imperialistische Kriege unterbinden könne. Aus demselben Grund, weshalb Reformisten meinen, die herrschende Klasse von Konzessionen an die Arbeiterklasse überzeugen zu können, denken sie auch, die Bourgeoisie zum Frieden überreden zu können.
Im Grunde ersetzen solche Reformisten eine materialistische Analyse durch philosophischen Idealismus. Sie verstehen nicht, wie der Kapitalismus wirklich funktioniert, dass er in Krisenzeiten keine langfristigen Zugeständnisse oder echten Frieden gewähren kann. Sie haben sich ganz an den Klassenkompromiss und an den sanften diplomatischen Betrieb angepasst. Obwohl dafür keine Grundlage in Theorie oder Praxis besteht, vertreten sie den Standpunkt, dass der Frieden ohne Klassenkampf oder sozialistische Revolution gewährleistet werden kann – zum Beispiel, indem man „Druck“ auf die Imperialisten ausübt.
In der Realität konnte ein solcher Druck immer nur durch den revolutionären Machtkampf vonseiten der Arbeiterklasse aufgebaut werden. Nicht liberale Appelle, sondern die Oktoberrevolution liess 1917 die russischen Bauern und Arbeiter aus dem Ersten Weltkrieg ausscheiden. Nicht pazifistisches Gejammer, sondern die Deutsche Revolution beendete 1918 den Krieg. Keine moralische Überlegenheit, sondern revolutionäre Räte und Hafenarbeiterstreiks zwangen das britische Empire, seine Invasionsmacht 1920 aus der jungen Sowjetrepublik abzuziehen.
Der Pazifismus ist letzten Endes nichts weniger als der Handlanger des Imperialismus. Pazifisten decken die Verbrechen der Imperialisten, indem sie sie als ideologische Fehlschläge einzelner Individuen darstellen und nicht als unausweichliche Folge von Kapitalismus und Imperialismus. Der Pazifismus positioniert sich als Ventil für Kritik, vermag aber keinen echten Gegenstandpunkt anzubieten.
Die Vereinten Nationen
Die Vereinten Nationen bilden den Gipfel der pazifistischen Ohnmacht. In diesem Zirkus verschaffen sich kleine Nationen bisweilen Luft, während die grossen Player ihr Veto gegen alles aussprechen, was nicht in ihren Kram passt.
Wiederholt hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen Resolutionen gegen die Gewalt Israels in Palästina angenommen, um nur gleich darauf durch das US-amerikanische Vetorecht gekippt zu werden. So viel zur Friedenswahrung durch die UNO!
Genauso machtlos ist die UNO, wenn es darum geht, Grossmächte vom Krieg abzuhalten. Die NATO-Kampagne von 1999 gegen den Kosovo wurde von der UNO nicht gutgeheissen, genauso wenig die amerikanisch-britische Invasion des Iraks 2003. 1960 entsandte die UNO eine Friedensmission in die heutige Demokratische Republik Kongo, was den Mord an Premierminister Patrice Lumumba und die Ablösung durch das Regime Mobutus zur Folge hatte – letzterer war ein eifriger Zudiener der Imperialisten. So weit reicht die Ohnmacht der UNO in Sachen Frieden.
Die UNO zelebriert den Pazifismus, aber ist völlig inhaltsleer. UNO-Pazifisten sind bewusst oder unbewusst Diener der durch die sie verschleierten imperialistischen Interessen. Sie stützen die gefährliche Illusion, dass nicht etwa grundsätzliche kapitalistische Widersprüche, sondern einfach unterschiedliche ideologische Standpunkte am Werk seien, die man ausdiskutieren könne.
Trotzki kritisierte die Pazifisten gnadenlos. Er sah ihre Rolle in der Ablenkung von den eigentlichen gesellschaftlichen Prozessen und erklärte, dass die Kriegsgefahr nicht durch die pazifistische Forderung nach Entwaffnung gebannt würde.
Dasselbe liesse sich über die NATO oder andere imperialistische Bündnisse sagen. Es gibt Pazifisten, die die Auflösung der NATO fordern, um Kriege zu verhindern. Sind es aber militärische Bündnisse, die Kriege verursachen, oder ist es die nicht zu leugnende Kriegstendenz im Kapitalismus, die solche Bündnisse erfordert? Bei einer Auflösung der NATO blieben die fundamentalen kapitalistischen Widersprüche unangetastet und würden weiter zu Kriegen führen. Pazifisten verwechseln Ursache und Wirkung.
Den Pazifisten entgegnen die Marxisten: Wir können den imperialistischen Krieg nur mit Bürgerkrieg gegen die Kapitalisten bekämpfen. Wir rufen nicht nach „Frieden auf Erden“, sondern nach Klassenkampf, und unsere Feinde sind nicht die Arbeiter anderer Länder, sondern die internationale Bourgeoisie, angefangen im eigenen Land.
Für den Frieden? Für den Sozialismus!
Das ist im Grunde das marxistische Programm. Es muss aber zu jedem Zeitpunkt mit der Stimmung der Massen in Übereinstimmung gebracht werden, die unstet, verwirrt und widersprüchlich ist.
Der Wunsch nach Frieden in der Arbeiterklasse ist im Allgemeinen gesund und stellt keinen reaktionären Pazifismus dar, sondern eine Reaktion gegen Imperialismus und bürgerliche Heuchelei. Auch wir wollen Frieden, doch kann nur ein Arbeiterstaat, im eigenen und allen anderen Ländern, diesen Frieden gewährleisten.
Das wiederum erfordert Klassenkampf, angefangen bei Forderungen nach Staatsausgaben für öffentliche Arbeiten statt für Waffen; für die Verstaatlichung der Waffenindustrie unter Kontrolle der Arbeiterklasse; oder auch für die Unterwerfung der Militärkasernen unter die Demokratie der Arbeiterklasse.
Wenn Arbeiter Frieden wollen, macht sie das nicht automatisch zu reaktionären Pazifisten. Genauso ist ihr Kampfwille nicht immer reaktionär, wie etwa bei der Beteiligung zahlreicher Arbeiter im Kampf gegen Hitler und Nazideutschland, oder bei den Massen eines unterdrückten Volkes im Kampf für seine Selbstbestimmung.
In jedem Fall müssen wir mit dem kapitalistischen Militarismus brechen und hervorheben, dass die Arbeiterklasse eine Politik verfolgen muss, die von den Interessen der kapitalistischen Klasse vollständig unabhängig ist.
Wo dies auch nur im Ansatz geschieht, kann eine riesige Wirkung erzielt werden. 2019 legte ein saudisches Schiff im italienischen Hafen Genua an, wo es Waffen für den imperialistischen Krieg in Jemen laden sollte. Die Hafenarbeiter traten in den Streik und weigern sich, die Kriegsgüter zu verladen. Der italienische Gewerkschaftsbund unterstützte den Streik, womit andere Häfen für das saudische Schiff ebenfalls gesperrt waren, und so musste es leer wieder nach Hause fahren. Mit einer einzigen Aktion hatte der Klassenkampf einen grösseren Erfolg gegen den Imperialismus erzielt, als es irgendeiner liberalen, pazifistischen NGO gelungen war.
Imperialisten begreifen diese Macht der Arbeiterklasse. Es war die bürgerliche Angst vor Massenunruhen, die 1999 eine Bodeninvasion im Kosovo vereitelte und 2013 das britische Bombardement Syriens verhinderte. Der Vietnamkrieg wurde nicht nur in Vietnam selbst, sondern auch in den Vereinigten Staaten verloren, als eine Mehrheit ihn nicht mehr tragen wollte. Das ist die Macht der Arbeiterklasse.
Gewalt als taktische Frage
Marxisten betrachten Befreiungskriege unterdrückter Nationen und Klassen als historisch gerechtfertigt. Sie lehnen die Gewalt nicht aus abstrakten, moralischen Gründen ab, genauso wenig aber heissen sie im Klassenkampf alle Methoden gut.
Individueller Terrorismus und Guerillakampf beispielweise können, wenn sie von Massenbewegungen isoliert und vereinzelt erfolgen, die Position der Arbeiterklasse im Klassenkampf nicht stärken. Die Taten kleiner Minderheiten oder sogar einzelner Menschen können die kollektive Aktion der Arbeiterklasse nicht ersetzen. Auch stärken sie nicht das Vertrauen der Massen in sich selbst als einzige Kraft, die den Kapitalismus stürzen kann.
Solche Methoden tendieren sogar dazu, die staatliche Repression zu stärken. Die entsetzliche Gewalt des israelischen Staates gegen Palästina wird seit Jahrzehnten mit individuellem Terror beantwortet, was den Staat Israel aber weder zerstören noch irgendwie ernstlich schwächen konnte. Stattdessen vertieft der Terrorismus die Kluft zwischen Palästinensern und israelischen Arbeitern und Jugendlichen, die man für sich hätte gewinnen können.
Heutzutage scheint die Idee, Soldaten in der israelischen Armee gewinnen zu können, sehr weit hergeholt, ja sogar unmöglich. In der Zukunft könnte sich dies wieder ändern, doch im Moment ist dies das Erbe der individualisierten, terroristischen Gewalt, die von Massenbewegungen abgetrennt ist. Sie hat die palästinensische Sache geschwächt.
Unsere Herangehensweise an diese Kampfmethoden ist nicht moralisierend, sondern taktisch. Es sollten nur jene Taktiken angewendet werden, die der Arbeiterklasse ihre Rolle in der Umwälzung der Gesellschaft bewusst machen.
Die Bewaffnung der Arbeiterklasse
Wir sind also gegen pazifistische Abrüstung, gegen individuellen Terrorismus und gegen Guerillakrieg. Stattdessen befürworten wir die Bewaffnung der Massen und die Spaltung des Militärs entlang der Klassenlinien, indem die unteren Schichten für den Klassenkampf von unten gewonnen werden.
Kleinbürger und Reformisten entgegnen, dies sei unrealistisch, obwohl das in revolutionären Situationen überall auf der Welt und durch die Geschichte hindurch immer und immer wieder eingetreten ist.
Der versuchte Sturz des venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez wurde vereitelt, als die Basis der Armee mit ihren Offizieren brach und sich unter dem Druck der Massen auf deren Seite schlug.
1920 besetzten italienische Arbeiter ihre Fabriken. Eine Zeitung berichtete, dass sich unter den Arbeitern ehemalige Militärpiloten befanden, die Flugzeuge zum Einsatz brachten. Ein Beamter monierte, dass die Besetzer über Maschinengewehre verfügten und einen Panzer ausgerüstet hatten, der in den Fiat-Werken gebaut worden war. Diese Rotgardisten waren nicht einfach bewaffnete Individuen. Sie waren Teil von organisierten Gruppen, die über ein gewähltes Militärkomitee von den besetzenden Arbeiterorganisationen demokratisch verwaltet wurden.
Pazifisten dürfen nicht einfach damit davonkommen, wenn sie die Bewaffnung der Arbeiterklasse und die Spaltung der Armee als unrealistisch bezeichnen. Es ist bereits geschehen, kann auch wieder geschehen, und ist nachweislich das einzige Mittel gegen imperialistischen Krieg.
Gleichzeitig ist die Spaltung des Militärs natürlich keine Leichtfertigkeit – sie muss als bewusste Massnahme verfolgt und darf nicht einfach der Spontaneität der Massen überlassen werden, wie es in Italien oder Venezuela geschehen war. Die Wirkung bleibt dann zeitlich begrenzt.
Der Kampf für die Zerschlagung von staatlicher Repression und des Bürgertums benötigt ständige Organisation und eine Strategie in politischen, industriellen und militärischen Belangen. Dazu gehören beispielsweise gewählte Soldatenkomitees, die die Kluft zwischen Fussvolk und Offizieren vertiefen sollen.
Eine solche Politik verfolgten die Bolschewiki 1917, als sie in den Gräben und Kasernen agitierten und so einen Keil in die Armee trieben – das Resultat war die komplette Unfähigkeit der russischen herrschenden Klasse, den imperialistischen Ersten Weltkrieg weiter ausfechten oder die Revolution erdrosseln zu können.
Eine revolutionäre Moralität
Krieg und Gewalt, sei es zwischen Klassen oder zwischen Nationen, sind ein grundlegender Bestandteil des Kapitalismus. Petitionen, Debatten, die Vereinten Nationen und so weiter können an seiner Funktionsweise nichts ändern und so auch den Krieg nicht verhindern. Das bleibt allein die Aufgabe der proletarischen sozialistischen Revolution.
Die Moralität des Pazifismus ist hohl und ein wahres Gift für die revolutionäre Bewegung. Wir machen uns eine höhere Moralität zu eigen, die auf dem Vormarsch der Geschichte aufbaut. Der einzige gerechte Krieg ist der Klassenkrieg, und die einzigen gerechten Mittel, ihn zu führen, sind jene, die zur Befreiung der Menschheit führen.
Lenin über „Die Frage des Friedens“ (1915, Auszüge)
„Es müssen alle Anstrengungen darauf gerichtet werden, die Friedensstimmung der Massen auszunutzen. Aber wie soll das geschehen? Das einfache Aufgreifen und Wiederholen der Losung des Friedens wäre eine Begünstigung der ‹Wichtigtuerei machtloser (ja häufig noch schlimmer: heuchlerischer) Schönredner›. Es wäre ein Betrug am Volke, in dem die Illusion geweckt würde, dass die jetzigen Regierungen, die jetzigen herrschenden Klassen ohne ‹Belehrung› (richtiger gesagt, ohne ihre Beseitigung) durch eine Reihe von Revolutionen imstande seien, einen Frieden herbeizuführen, der die Demokratie und die Arbeiterklasse auch nur halbwegs zufriedenstellt. Nichts wäre schädlicher als ein solcher Betrug.
Nichts wäre besser dazu angetan, den Arbeitern den Blick zu trüben, die trügerische Vorstellung bei ihnen zu erwecken, dass der Widerspruch zwischen Kapitalismus und Sozialismus nicht tiefgehend sei; nichts wäre geeigneter, die kapitalistische Sklaverei zu beschönigen. Nein, wir müssen die Friedensstimmung ausnutzen, um die Massen darüber aufzuklären, dass die guten Dinge, die sie vom Frieden erwarten, ohne eine Reihe von Revolutionen unmöglich sind.
Beendigung der Kriege, Friede unter den Völkern, Aufhören von Raub und Gewalt – das ist fürwahr unser Ideal, jedoch können bürgerliche Sophisten die Massen damit betören, indem sie dieses Ideal von der sofortigen, unmittelbaren Propagierung revolutionärer Aktionen trennen. Der Boden für eine solche Propagierung ist vorhanden; um sie durchzuführen, bedarf es nur des Bruches mit den Verbündeten der Bourgeoisie, den Opportunisten, die der revolutionären Arbeit direkt (sogar durch Denunziationen) wie indirekt Hindernisse in den Weg legen.“
„Wir sind nicht für den Status quo, wir sind nicht für die utopische Spiessbürgeridee, dass man sich von den grossen Kriegen fernhalten solle. Wir sind für den revolutionären Kampf gegen den Imperialismus, d. h. gegen den Kapitalismus.“
„Es gilt zu wählen: Für den Sozialismus oder für die Unterwerfung unter die Gesetze der Herren Joffre und Hindenburg [Befehlshaber der französischen und deutschen Armeen, Anm.d.Red.], für den revolutionären Kampf oder für die Liebedienerei vor dem Imperialismus. Einen Mittelweg gibt es hier nicht. Und den grössten Schaden, der sich denken lässt, fügen dem Proletariat die heuchlerischen (oder bornierten) Erfinder einer Politik der ‹mittleren Linie› zu.“