Sport im Dienste der Arbeiterbewegung: Aufstieg und Fall des Arbeitersports

Im Mai 1893 rufen in Gera 39 Vertreter von 51 Vereinen den Arbeiter-Turner-Bund (ATB) ins Leben. Nach Gründungsbeschluss treten sofort weitere 42 Vereine bei. Der ATB wird der erste überregionale deutsche Arbeitersportverein und tritt eine rasante Entwicklung los. Bereits 1910 zählte der Verband über 150.000 Mitglieder und beinahe 2000 zugehörige Vereine.

Ziel des Verbands war die Ermöglichung der Teilnahmen an sportlichen Aktivitäten für jeden Menschen, da sich die bürgerlichen Verbände und Vereine stark gegenüber der Arbeiterklasse abschotteten. So organisierten die Mitglieder der Vereine unabhängige Turniere in verschiedensten Sportarten, aber auch soziale und Bildungsveranstaltungen. Dies sollte der Vernetzung und dem Aufbau der Arbeiterbewegung dienen.

Die Anfänge des Arbeitersport

Denn trotz des Fokus auf den Sport sah sich der ATB in erster Linie als politische und antikapitalistische Organisation. In der ersten Ausgabe der Arbeiter-Turnerzeitung hieß es: „Die freiheitlich gesinnten Turner werden eifrig mitarbeiten, ein altes verfaultes System mit Stumpf und Stiel auszurotten, alte Ruinen niederzureißen, damit neues Leben aus ihnen erblühe. Unter diesen neuerrichteten Gebäuden erst werden wir ausrufen können: Wir haben Friede, Freiheit, Recht. Keiner ist des andern Knecht.“

Nach Ende des Ersten Weltkrieges gewann der Fußball als neuer Massensport im ATB an Bedeutung. So fand 1919 eine Umbenennung in Arbeiter-Turn- und Sportbund statt, um den neuen Sport in den Mittelpunkt zu rücken. Die Zeit der Weimarer Republik brachte den ATSB in seiner Entwicklung deutlich weiter. So konnte man bis Ende 1920 knapp 60.000 Mitglieder in der Abteilung Fußball zählen und zwischen 1918 und 1920 über 300 Vereine vom konkurrierenden und dem bürgerlichen Lager verbundenen Deutschen Fußball-Bund abwerben. Ein weiterer Meilenstein war 1920 die Organisation einer ersten nationalen Fußballmeisterschaft sowie eines ersten offiziellen internationalen Fußballspiels zwischen dem SV Weser 08 Bremen und Upricht Holland.

Spaltung des ATSB

Doch blieb auch der ATSB nicht von der Spaltung der Arbeiterbewegung verschont. Auf dem 16. Bundestag 1928 wurden durch die sozialdemokratische Führung, ausgehend vom Landesverband Berlin, jegliche kommunistischen oder der KPD nahestehenden Vereine ausgeschlossen. Dies führte 1929 zur Gründung der der KPD nahestehenden Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit (kurz: Rotsport).

Aber auch diese Spaltung konnte den Erfolgszug des Arbeitersportes nicht zurückhalten. So zählte Rotsport 1931 bereits 100.000 Mitglieder, organisierte eine nationale Fußballmeisterschaft und wurde in Berlin trotz schwerster Repressionen zum Gastgeber für die zweite internationale Spartakiade, dem arbeitersportlichen Pendant der Olympischen Spiele. In dieser Zeit nahm auch die Verteidigung gegen die Nationalsozialisten, als Aufgabe des Arbeitersportes, an Bedeutung zu.

Es schien so, als wäre die Bewegung des Arbeitersportes auf bestem Wege, eine ernstzunehmende Gegenbewegung und Alternative für die bürgerlichen Verbänden und Vereinen zu werden, trotz schwerer Repression und Angriffen. Doch die Machtergreifung durch die NSDAP 1933 machte dieser Entwicklung einen Strich durch die Rechnung. ATSB, Rotsport und andere Arbeitersportorganisationen wurden zerschlagen und jegliche Vereine wurden später dem Nationalsozialistischen Reichsbund für Leibesübungen unterstellt.


Kommerzialisierung im Westen

Doch auch nach dem Sturz der NSDAP und dem Ende des Zweiten Weltkrieges ging es mit dem Arbeitersport nicht mehr bergauf. In der Bundesrepublik fielen die Sportvereine dem Kapitalismus zum Opfer. Es wurde klar, dass Vereine mit mehr Geld auch mehr Erfolg haben, da sie die besten Spieler besser bezahlen können als ihre Konkurrenten. Also versuchten Vereine jeglicher Sportart mehr Geld zu erwirtschaften, was zu ersten Sponsorings und Investoren führte.

1973 lief Eintracht Braunschweig als erster deutscher Profiverein mit einem Trikotsponsor auf, 1974 stieg mit Bayer Uerdingen der erste Investoren-Verein in die Bundesliga auf und heute mündet die Kommerzialisierung in Deutschland im Versuch des Einstiegs eines Investors in die Deutsche Fußball Liga und dem deutschen Fußballmeister Bayer Leverkusen.

In anderen Ländern kaufen sich Privatpersonen oder Staaten Vereine und spanische Ligaspiele werden in Saudi-Arabien ausgetragen. Auch andere Sportarten bleiben hiervon nicht verschont. Der Sport verkommt zur Investitionsmöglichkeit für die Kapitalistenklassen, welche sich von ihm Profite erhofft. So wird die die Fußball-Weltmeisterschaft zu einer Präsentationsfläche für Katar und die Olympischen Spiele werden zu einer Dauerwerbesendung für Coca Cola, Samsung und die Allianz.

Degeneration im Osten

Doch auch in den stalinistischen Staaten sah es nicht besser für den Arbeitersport aus. Hier waren die Vereine nicht von der Kommerzialisierung betroffen, doch verkam auch hier der Sport. Statt die sportliche Ertüchtigung und die soziale Vernetzung in den Mittelpunkt zu stellen, war die Hauptaufgabe des Sports in der DDR, die DDR und SED auf internationaler Bühne gut darzustellen und nach innen die Bevölkerung mit Erfolgen abzuspeisen. Tatsächliche sportliche Leistung rückte in den Hintergrund und die Präsentation des Regimes wurde wichtiger.

Ab 1954 entstanden in der DDR Sportclubs (SC). Da die gezielte Förderung von Spitzensportlern in den auf Breitensport ausgelegten Betriebssportgemeinschaften (BSG) kaum möglich war, sollten jene SCs gezielt genutzt werden um Sportler auszubilden, die auf internationalem Parkett mithalten konnten. Es entstanden Vereine wie der SC Dynamo Berlin und die SG Dynamo Dresden im Fußball, aber auch Vereine in deren Sportarten wie z. B. der SC Traktor Oberwiesenthal für Wintersport oder die SG Dynamo Weißwasser im Eishockey.

Diesen Vereinen wurden die BSGs nun untergeordnet. Sie sollten ihre besten Spieler an die neuen SCs delegieren um dort wettbewerbsfähige Mannschaften aufzubauen, was bei den Betriebssportlern auf Widerstand traf. Die sportliche Leistung der BSGs rückte in den Hintergrund, sie sollten schlussendlich zu Ausbildungsvereinen verkommen. Davon profitierte besonders der BFC Dynamo aus Berlin, Stasi-Minister Erich Mielkes Lieblingsclub, welcher die Rolle der Vorzeigemannschaft der DDR übernahm und Rekordmeister der DDR-Oberliga wurde.

Trotzdem hielten sich verschiedene BSG-Mannschaften in den oberen Ligen der DDR. So bleibt bis heute die Mannschaft mit den meisten DDR-Oberliga Spielen die BSG Wismut Aue. Denn schlussendlich war die reine sportliche Leistung in der DDR doch entscheidender, als sie es in der BRD war und ist, in welcher lediglich die reichsten Vereine erfolgreich sein können.

Auch andere Sportarten blieben vom Repräsentationsfetisch der SED nicht verschont. In fast jeder Sportart wurden Sportler mit Doping versorgt, um maximale Erfolge herauszuholen. Teils wurden dabei unerprobte Mittel verwendet oder Sportler bereits in sehr jungen Jahren und ohne ihr Mitwissen gedopt. Die körperlichen Schäden, die dabei entstanden, wurden durch die Stalinisten hingenommen, um die DDR auf internationalem Parkett möglichst stark darzustellen. Konnten die Athleten auf Grund von Verletzungen oder den Folgen des Dopings ihre Leistungen nicht mehr erbringen, ließ sie das Sportsystem fallen.

Die Tradition der Arbeitersportverbände konnte also nicht weitergeführt werden. Im Kapitalismus verkommt der Sport nur zu einem weiteren Geschäft der Kapitalisten. In den stalinistischen Staaten rückte die sportliche Betätigung in den Hintergrund und der Sport sollte vor allem die Führungskaste gut darstellen.

Die Wurzeln des Arbeitersports waren untrennbar mit dem Kampf für den Sozialismus verflochten. Denn erst wenn wir frei von marktwirtschaftlichem Wettbewerb und frei von nationalistischen Interessen leben, können wir auch frei Sport treiben. Nur in einer sozialistischen und internationalistischen Planwirtschaft können Sportvereine ohne Geldsorgen und ohne Prestigezwang handeln. Stattdessen würden Leidenschaft, Können und Austausch zwischen den Arbeitern aller Länder im Mittelpunkt stehen. Erst dann können wir wahrlich sagen: Sport frei!

SCHLIESS DICH DEN KOMMUNISTEN AN!

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