Ein Jahr nach dem 7. Oktober: Nahost vor einem Flächenbrand 

Der 7. Oktober 2023 hat die Welt verändert. Israel nutzte den Angriff der Hamas, um ein unvergleichliches Ausmaß an Tod und Zerstörung über Gaza zu bringen. Mehr als 41.000 Palästinenser hat die IDF innerhalb eines Jahres ermordet. Das Gebiet liegt vollständig in Trümmern. Und dennoch befindet sich ein Großteil der verschleppten Geiseln nach wie vor in den Händen der Hamas oder ist tot. 

Das Sterben soll trotzdem weitergehen. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will den Krieg ausweiten. Die Offensive auf den Libanon und die Provokationen gegenüber dem Iran zeigen, dass es ihm nie um die Befreiung der Geiseln ging. Die gleiche Sprache sprechen die gescheiterten Verhandlungen für einen Waffenstillstand, die von Seiten Israels beendet wurden, nachdem die Hamas bereits zugestimmt hatte. 

Es sind die Waffen der westlichen Imperialisten und ihre bedingungslose Unterstützung Israels, die diesen Konflikt und dessen Ausweitung überhaupt ermöglichen. Deswegen gingen Millionen auf die Straße. Besonders in den USA und Kanada erreichte die Bewegung mit den Uni-Besetzungen ungeahnte Höhen. 

Hierzulande versuchten die Herrschenden von Anfang an, Solidarität mit den Palästinensern durch öffentliche Verleumdung, Demo-Verbote, Polizeiknüppel und juristischer Verfolgung zu unterdrücken. Trotzdem erheben viele weiterhin heldenhaft ihre Stimme. 

Generalstreik für Waffenstillstand in Israel 

In Israel tobte vor einem Jahr allumfassende Kriegsbegeisterung. Mittlerweile aber zeigt sich immer wieder deutliche Ernüchterung. Nachdem etwa Ende August sechs Geiseln im Zuge einer Befreiungsaktion getötet wurden, entbrannten Massenproteste, zu denen Angehörige der Verschleppten aufgerufen hatten. 

300.000 Menschen demonstrierten in Tel Aviv, 200.000 in anderen Städten des Landes. Sie forderten ein sofortiges Abkommen mit der Hamas zur Befreiung der Geiseln und stellten sich aus diesem Grund gegen Netanjahu. Dieser würde Verhandlungen sabotieren, weswegen weiter Israelis sterben. Die Regierung reagierte mit Tränengas und Blendgranaten. 

Am Tag nach den Protesten rief der israelische Gewerkschaftsbund Histadrut zu einem Generalstreik auf. Dieser war für 24 Stunden angesetzt, wurde aber von dessen Führung frühzeitig beendet, nachdem ein Gericht dies angeordnet hatte. „Wir respektieren das Gesetz“, hieß es von Histadrut-Chef Arnon Bar David. So blieb die Aktion ein symbolischer Akt.  

 
Spaltungen in der herrschenden Klasse 

Dabei hatten sich selbst Teile der herrschenden Klasse hinter die Gewerkschaften gestellt. Der Krieg untergrabe die politische und wirtschaftliche Stabilität, erklärte Ron Tomer vom Herstellerverband Israels. Für Frieden müssten die Geiseln freikommen. Deswegen unterstützte seine Organisation den Streik für ein Abkommen. 

Selbst in der Regierung tun sich Brüche auf. Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant von Netanjahus Likud-Partei kritisierte öffentlich dessen Kriegsziele in Gaza und räumte ein, dass ein Waffenstillstand allein an Israels Widerstand gescheitert ist. Vor einigen Wochen argumentierte er zudem noch gegen eine Offensive in Libanon. 

Der Zionismus ist eine besondere Form der Klassenkollaboration. Durch die Kolonialisierung Palästinas und die Zusammenarbeit mit den westlichen Imperialisten in Nahost schafft sich die herrschende Klasse Israels die äußeren Feinde, mit denen sie ihre Herrschaft rechtfertigt. 

Am 7. Oktober wurde die Illusion der israelischen Bevölkerung, dass der Staat sie beschützen kann, schwer beschädigt. Netanjahus Kriegsführung untergräbt dieses Vertrauen weiter. Deswegen stellt sich ein Teil der Herrschenden gegen ihn. 

 
Netanjahus Interesse 

Warum aber handelt Netanjahu, wie er es tut? Ihn würde ein Ende des Krieges zu Fall bringen, politisch wie persönlich. Gegen den Ministerpräsidenten laufen Ermittlungen wegen Korruption und Bestechlichkeit. Seine Zustimmungswerte sind anhaltend katastrophal. 

Rund eine Million Israelis gingen vergangenes Jahr gegen Netanjahus Justizreform, die den Obersten Gerichtshof zugunsten des Parlaments schwächen soll, auf die Straße. Schon damals unterstützen die Gewerkschaften, Oppositionspolitiker, Militärs und Unternehmen die Proteste. 

Deswegen behindert Netanjahu Waffenstillstandsverhandlungen, indem er nach vermeintlichen Einigungen mit der Hamas neue Forderungen einbringt wie zuletzt die Bedingung, dass Israel die Philadelphi-Passage zwischen Ägypten und Gaza kontrolliert. 

Er provoziert einen Konflikt mit dem Iran, indem er dessen Botschaft in Syrien attackieren und den Hamas-Chef Ismail Hanija in der iranischen Hauptstadt Teheran töten ließ. Nach den Pager-Explosionen fliegt die IDF Luftangriffe auf den Libanon. Dabei wurde Hassan Nasrallah, der Anführer der Hisbollah, liquidiert. Eine Bodenoffensive ist allem Anschein nach in Vorbereitung. 

 
Ein schneller Sieg im Libanon? 

Oberflächlich betrachtet scheint Netanjahus Plan aufzugehen. Ein paar Wochen nach den Protesten gegen ihn hat sich die Stimmung wieder gewendet. Umfragen zufolge stehen die meisten Israelis hinter den Angriffen auf Libanon und akzeptieren die gescheiterten Waffenstillstandsverhandlungen mit der Hamas. 

Warum? Bereits seit dem 7. Oktober tauschen die Hisbollah-Miliz und Israel Raketen aus. Deshalb sind viele Bewohner der Grenzregion zum Libanon geflohen. Netanjahu verspricht, ihnen durch die breit angelegte Offensive die Rückkehr zu ermöglichen. 

Doch auch dieses Kriegsziel wird sich wie die Befreiung der Geiseln als Luftschloss herausstellen. Der Iran unterstützt die Hisbollah und hat sie mit hochmodernen Waffen ausgerüstet. Bislang reagiert der Iran äußerst zurückhaltend auf die Provokationen. Schließlich würde ein heißer Konflikt mit Israel die USA hineinziehen. 

Jegliche weitere Eskalation – beispielsweise durch eine Bodenoffensive auf den Libanon – könnte aber der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. Die Huthis in Jemen sowie Milizen im Irak und Syrien attackieren Israel bereits mit Drohnen und Raketen. Auch sie könnten noch heftiger in den Konflikt einsteigen. Eine schnelle Rückkehr der israelischen Flüchtlinge in den Norden ist ausgeschlossen. 

 
Arabische Regimes in der Zwickmühle 

Der US-Imperialismus will einen Flächenbrand in Nahost verhindern. Dessen Verbündete in der Region wie Ägypten und Jordanien würden durch einen regionalen Krieg in eine Zwickmühle geraten. Die Regime sind bereits jetzt in der Bevölkerung enorm unbeliebt. 

Immer wieder gibt es Proteste, weil die ägyptische und jordanische Regierung Israel gewähren lassen. Eine Eskalation würde diese Frage weiter in den Vordergrund drängen. Doch beide Länder sind vom westlichen Imperialismus abhängig und müssen spuren. Dagegen wird sich Widerstand bilden. 

Gleichzeitig ist Israel das wichtigste und zuverlässigste Werkzeug der USA in Nahost. Sie können sich nicht erlauben, dieses zu verlieren. Deswegen fließen weiter die Waffen und Milliarden Dollar an Netanjahu, obwohl immer strengere Warnungen von Seiten der USA laut werden. 

Den westlichen Imperialisten ist bewusst, dass ein regionaler Krieg der Palästina-Bewegung neues Leben einhauchen würde. Davor fürchten sie sich. Trotzdem können sie ihren besten Partner in der Region nicht fallen lassen, wenn es hart auf hart kommt. 

 
Es gibt nur eine Lösung 

So stellt der sich abzeichnende Flächenbrand ein gewaltiges revolutionäres Pulverfass dar. Die Massen in Nahost hassen den westlichen Imperialismus, dessen Lakaien, die reaktionären arabischen Regimes, und den Zionismus. Eine revolutionäre Massenbewegung der Arbeiter und Armen wie der Arabische Frühling hätte das Potenzial, sie alle zu stürzen. 

Übernehmen in den Nachbarstaaten die Unterdrückten die Macht, könnte das die israelische Gesellschaft entlang von Klassenlinien spalten. Netanjahus Krieg wird mehr und mehr Israelis vor Augen führen, dass die zionistische herrschende Klasse nur ihre eignen Interessen und die des westlichen Imperialismus vertritt. 

Eine Revolution in Nahost würde ihnen zeigen, dass sie den gleichen Feind haben – die Ausbeuter, Unterdrücker und Kriegstreiber in den Banken, Konzernen und Regierungen. Das legt die Grundlage für die einzige Lösung in Nahost: eine sozialistische Föderation, bei der alle Völker und Religionen in Frieden und Freiheit zusammenleben können. 

SCHLIESS DICH DEN KOMMUNISTEN AN!

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