In einem taz-Artikel von Georg Diez, ein Historiker und Autor, der für die FAZ, die Süddeutsche, die Zeit und andere große Medien schrieb, fragt er die Leser, „wen man eigentlich schützen will, wenn man es vermeidet, Faschisten Faschisten zu nennen“.
Damit fasst er in Worte, was ein Teil der Bürgerlichen sich sehr wohl traut in Worte zu fassen: Die AfD sei faschistisch, Meloni sei Postfaschistin und auch Donald Trump ginge als Faschist durch.
Für Diez zeichnet sich Faschismus aus durch „die Verherrlichung einer mythologischen Vergangenheit, die Propaganda von ‚wir‘ gegen ‚die‘, Antiintellektualismus, den hierarchischen Führerkult, eine Opferrhetorik, die Rede von Sicherheit und Ordnung, von Arbeit und Disziplin“. Diese Aneinanderreihung von oberflächlichen Merkmalen lässt eine ernsthafte Analyse des Faschismus außen vor. Das ist typisch für bürgerliche „Theorien”. Hält man sich an solche Darstellungen, dann kann man nicht nur die AfD, sondern auch Julius Cäsar als Faschisten bezeichnen. Geholfen ist damit niemandem. Um den Faschismus zu verstehen, müssen wir in die Geschichte gucken.
Vor der Konterrevolution kam die Revolution
Im November 1918, inmitten von Hungersnot, Kältetod und Leichenbergen an der Front, die alle im imperialistischen Ersten Weltkrieg starben, erhob sich in Deutschland die Arbeiterklasse gegen diese Barbarei. In der Novemberrevolution stürzten die Arbeiter- und Soldatenmassen das deutsche Kaiserreich und beendeten den ersten Weltkrieg.
Doch die reformistische Führung der SPD, damals die einflussreichste und größte Arbeiterpartei weltweit, lenkte die Revolution in bürgerliche Bahnen um und verhindert so die Errichtung einer sozialistischen Räterepublik.
Stattdessen richteten die Führungen der SPD, USPD und Gewerkschaften die bürgerliche Weimarer Republik ein. Sie hielten die Revolution auf halbem Wege auf. Die Arbeiterklasse erkämpfte sich zwar weitreichende demokratische Rechte, aber verlor die politische Macht, die sie sich in der Revolution genommen hatte. Die SPD rettete den Kapitalismus und gab die Macht an die Bourgeoisie zurück.
Damit war aber kein stabiles soziales und politisches Gleichgewicht hergestellt. Im Gegenteil: Die Verschuldung der deutschen Republik trieb die Wirtschaft in den Ruin. Das befeuert wiederum den Klassenkampf. Immer weitere Schichten der Arbeiterklasse zogen revolutionäre Schlussfolgerungen weshalb die KPD neben der SPD und der USPD an Einfluss gewann.
1920 versuchte ein Teil der Kapitalistenklasse der Republik, den Errungenschaften der Revolution sowie der SPD-Regierung ein Ende zu setzen. Es kam zum reaktionären Kapp-Putsch. Das war eine frühe Warnung vor dem Faschismus. Die Arbeiterklasse reagierte damals sofort und beendete den drohenden Albtraum einer reaktionären Diktatur durch einen Generalstreik, den größten Generalstreik der deutschen Geschichte mit über 12 Millionen Streikenden. Die Arbeiterklasse bewies eindrucksvoll ihre Macht. Doch erneut scheiterte sie an der Machtübernahme. Der Generalstreik endete nicht im Sozialismus, sondern in der Rettung der Weimarer Republik durch die Führung der SPD und Gewerkschaften, die wieder einen Kompromiss mit den Kapitalisten eingingen.
1923 fand eine weitere Revolution statt. Alle Bedingungen für eine erfolgreichen Sturz des Kapitalismus waren vorhanden. Es gab erneute Generalstreiks. Letzten Endes wurde dieses Mal die Machtübernahme der Arbeiterklasse von der KPD abgesagt. Diese Niederlage markiert das Ende einer revolutionären Phase, der Kapitalismus stabilisierte sich relativ.
Die Widersprüche des niedergehenden Kapitalismus blieben allerdings bestehen und vertieften sich. Sie traten mit der Weltwirtschaftskrise 1929 mit aller Macht zum Vorschein. Der Staat attackierte die Arbeiterklasse mit massiven Kürzungen und die Kapitalisten warfen Millionen Arbeiter auf die Straße und kürzten die Löhne. Der Lebensstandard der Arbeiterklasse brach drastisch ein, Arbeitslosigkeit erreichte die Rekordzahl von mehr als sieben Millionen.
„Für Europa und vor allem für Deutschland gibt es kein Vorwärts auf kapitalistischem Wege“, schrieb der russische Revolutionär Leo Trotzki damals. Es war klar: Früher oder später würde es auf der Grundlage der kapitalistischen Krise zu einem erneuten Kräfteringen zwischen den Klassen kommen müssen. Die Kapitalistenklasse bereitete sich auf einen Entscheidungskampf gegen die Arbeiterklasse vor und begann faschistische Kräfte, insbesondere die NSDAP und Hitler zu unterstützen. Sie finanzierte die organisierte faschistische Bewegung.
Um ihre Profite in der tiefen Krise wiederherzustellen, musste die herrschende Klasse alle Errungenschaften der Novemberrevolution zerstören, inklusive der Arbeiterparteien und Gewerkschaften, um jede kollektive Gegenwehr der Arbeiterklasse unmöglich zu machen. Die Weimarer Republik gewährt der Arbeiterklasse die Möglichkeit, sich frei zu organisieren, deshalb setzt das Kapital auf den Faschismus, um ihre Konterrevolution zu Ende zu bringen.
Verhältnis von Demokratie und Faschismus
Für viele ist Faschismus ein völliger Gegensatz zur Demokratie. Aber Marxisten unterscheiden Gesellschaftssysteme nicht abstrakt in Diktatur und Demokratie, wir gucken uns die Produktionsverhältnisse und den Klassencharakter der Systeme an.
In „Was Nun?“ wird das Verhältnis von Demokratie und Faschismus von Trotzki auf den Punkt gebracht: „Zwischen Demokratie und Faschismus besteht ein Gegensatz. Er ist durchaus nicht ‚absolut‘ oder, in der Sprache des Marxismus zu reden, bezeichnet durchaus nicht die Herrschaft zweier unversöhnlicher Klassen. Aber es kennzeichnet verschiedene Herrschaftssysteme ein und derselben Klasse. Diese beiden Systeme, das parlamentarisch-demokratische und das faschistische, stützen sich auf verschiedene Kombinationen der unterdrückten und ausgebeuteten Klassen und geraten unvermeidlich in schroffe Zusammenstöße miteinander.“
Bürgerlicher Parlamentarismus und Faschismus sind verschiedene Herrschaftsformen des Kapitals. In dem Sinne sind beides Diktaturen des Kapitals. Trotzdem ist es fatal beide gleichzustellen, was die Stalinisten zu dieser Zeit mit ihrer „Sozialfaschismusthese“ taten.
Während die gleiche Klasse – also die Kapitalisten – in beiden Systemen an der Macht bleibt, stützt sich ihre Herrschaft jeweils auf unterschiedliche Klassen. Die beiden Regierungsformen unterscheiden sich in ihrem Verhältnis zu den anderen Klassen in der Gesellschaft, zum Kleinbürgertum und der Arbeiterklasse. Während sich die bürgerliche Demokratie zu großen Teilen auf die Passivität der Arbeiterklasse stützt – aufrechterhalten durch die reformistischen Führungen in den Arbeiterorganisationen – stützt sich der Faschismus auf die Bewegung des durch die Krise wildgewordenen Kleinbürgertums und faschistische Schlägertrupps, die sich aus diesem rekrutieren.
Die soziale Basis des Faschismus: Das Kleinbürgertum
Kleine faschistische Gruppen gab es bereits vor dem Aufstieg der NSDAP. Der erfolglose Putschversuch von Hitler 1923 zeugte von der fehlenden Massenbasis dieser Bewegung. Diese wurde mit der Krise nach 1929 geschaffen, nachdem die Arbeiterklasse bereits die gravierenden Niederlagen ihrer Revolutionen erlebt hatte.
Große Teile des Kleinbürgertums wurden ökonomisch durch die Weltwirtschaftskrise völlig ruiniert, ihr Lebensstandard fiel teilweise unter den der Arbeiterklasse. Die Arbeiterklasse war durch Gewerkschaften und historische Errungenschaften ihres kollektiven Kampfes, wie das Arbeitslosengeld, besser vor Armut und Verzweiflung geschützt als das Kleinbürgertum. Letzteres hat keine kollektiven, solidarischen Kampfmethoden.
Die Basis des Faschismus bildeten vor allem kleine Gewerbetreibende, Bauern, Beamtenschaft, Studenten, Lumpenproletariat und nur zu kleinem Teil politisch rückständige Arbeiter. Sie waren dem Untergang des Kapitalismus hilflos ausgeliefert. Dieser Frust, die Angst vor dem Elend und dem sozialen Abstieg waren der Nährboden für die Verbreitung der faschistischen Ideen im Kleinbürgertum und dafür, dass diese Klasse in Bewegung gebracht werden konnte.
Das reaktionäre Programm der NSDAP richtete sich ideologisch auf das Kleinbürgertum und knüpfte an deren Bewusstsein an. Die Faschisten schürten einerseits Judenhass und verknüpften das demagogisch mit oberflächlicher Kritik gegen das Bankenkapital. Die konfuse, teilweise mit „sozialistischen“ Phrasen gespickte Propaganda war dabei reine Fassade – aber eben eine nützliche. Sie verstärkte damit den Eindruck, als sei die faschistische Bewegung gegen „die da oben“ gerichtet, die die Massen ruinierten. Andererseits hetzten die Nazis gegen den größten Feind des Kapitals und des Faschismus: die organisierte Arbeiterbewegung.
Um eine Massenbewegung zu werden, bedurfte es der Unterstützung des Großkapitals. Ohne diese wäre eine organisierte faschistische Bewegung in Form einer Massenpartei nie möglich gewesen. Für die Kapitalisten galt und wird schlussendlich immer gelten: lieber Faschismus als Sozialismus. Die Millionensummen, die dem Faschismus zugeschoben wurden, zeigen das wahre Gesicht der Kapitalistenklasse.
Nicht dazu in der Lage, die Arbeiterbewegung zu zerstören, stützte sich die Bourgeoisie auf ihre letzten Register der Konterrevolution gegen den Sozialismus. Der Faschismus wird von Palmiro Togliatti, ein italienischer Kommunist, als „konsequentestes und bis zu Ende geführtes System der Reaktion“ beschrieben und genau diesen Charakter muss man in Bezug auf die Klassenverhältnisse definieren.
Trotzki erklärt in „Was Nun?“: „Um zu versuchen, einen neuen Ausweg zu finden, muß sich die Bourgeoisie vollends des Drucks der Arbeiterorganisationen entledigen, sie hinwegräumen, zertrümmern, zersplittern. Hier setzt die historische Funktion des Faschismus ein. Er bringt jene Klassen auf die Beine, die sich unmittelbar über das Proletariat erheben und fürchten, in dessen Reihen gestürzt zu werden, organisiert und militarisiert sie unter Deckung des offiziellen Staates mit den Mitteln des Finanzkapitals und treibt sie zur Zertrümmerung der proletarischen Organisationen, der revolutionären wie der gemäßigten.“
Es gibt bereits im Kapitalismus Elemente der sozialistischen Gesellschaftsstruktur. Gewerkschaften und Arbeiterparteien vertreten die Arbeiterklasse im Kampf um den Reichtum der Gesellschaft. Sie werden im Sozialismus fortbestehen und eine wichtige Rolle in der Organisation der Gesellschaft einnehmen. Die Aufgabe des Faschismus bestand darin, nicht nur die kommunistische Avantgarde des Proletariats zu zerstören, sondern alle Stützpunkte der Arbeiterklasse innerhalb des kapitalistischen Systems zu vernichten und die Arbeiterklasse völlig wehrlos zu machen. Davor warnte Trotzki in diversen Schriften immer wieder.
Es liegt eine gewisse traurige Ironie darin, dass die SPD und die Gewerkschaften sich damals ihr eigenes Grab schaufelten, indem sie den Sozialismus nicht erkämpften. Trotzki kommentiert treffend: „Die Partei, die sich auf die Arbeiter stützt, aber der Bourgeoisie dient, muß in der Periode höchster Zuspitzung des Klassenkampfes den Odem des Grabes spüren.“
SPD: „Staat greif ein!“
Kräftetechnisch war die Arbeiterklasse dem Faschismus jedoch eine lange Zeit überlegen. Bei Wahlen zu Beginn der 1930er kamen SPD und KPD gemeinsam noch auf über 40 % und oft spiegeln Wahlen das tatsächliche Bewusstsein nur eingeschränkt wider. Zu Ehren der Arbeiterklasse muss man festhalten, dass kein Widerstand gegen den Faschismus so bedeutend war wie der der Arbeiterklasse und der Kommunisten.
„Sind Tote zum Kampf untauglich, so sind sie doch gut genug, die Lebenden am Kämpfen zu hindern!“ So kann man die SPD-Führung damals in Trotzkis Worten charakterisieren. Tot in dem Sinne, dass die Führung jegliche Ideen des Sozialismus aufgegeben hatte. Gut darin, die Lebenden am Kämpfen zu hindern, denn die reformistische SPD-Führung organisierte in ihren Reihen immer noch einen relevanten Teil der Arbeiterklasse, der für den Sozialismus kämpfen wollte, und hielt diesen passiv.
Die SPD-Führung wollte durch schrittweise Reformen innerhalb der bürgerlichen Demokratie zum Sozialismus gelangen. Während des wirtschaftlichen Aufschwungs (1924-1929) waren einige kleinere Reformen möglich, aber in der Krise wandelte sich ihre Politik in leere Phrasen um. Die SPD-Führung setzte im Kampf gegen die faschistische Gefahr vollständig auf den bürgerlichen Staatsapparat. Durch die Unterstützung der Aufrüstung und die Tolerierung der Regierung von Heinrich Brüning (1930-32) enttäuschte sie Teile ihrer Anhänger, die einen sozialistischen Ausweg aus der Krise suchten.
Die Politik der SPD erwies sich als fataler Fehler. Der Staat, verkörpert durch Reichspräsident Hindenburg, ernannte schließlich auf Geheiß der Kapitalistenklasse Hitler zum Reichskanzler und unterstützte die Machtübernahme der Nazis uneingeschränkt. Den Ruf der SPD „Staat greif ein!” entlarvte Trotzki gekonnt: „,Staat greif ein! ‘ Das heißt: ,Brüning, zwinge uns nicht, uns mit den Kräften der Arbeiter zu verteidigen! ‘“
Auf den Staat war kein Verlass im Kampf gegen den Faschismus und das lag nicht an der Verfassung der Weimarer Republik. Der Staat nimmt keine neutrale Rolle ein. Er ist immer der Staat der herrschenden Klasse und dient dazu, die Klassenwidersprüche zu bändigen, die unterdrückte Klasse unterdrückt zu halten. Trotzdem wird bis heute der Mythos verbreitet, dass der Aufstieg des Faschismus wegen einer „fehlerhaften“ Verfassung der Weimarer Republik möglich war. Darum müsse man heute einen gesetzlichen Rahmen schaffen, damit eine solche Machtübernahme nie wieder passieren kann. So lernt man nichts aus der Geschichte.
Sozialfaschismus und fehlende Einheitsfront
Während die Faschisten an Zulauf gewannen, etablierte sich in der Kommunistischen Internationale und in der KPD Ende der 1920er die stalinistische Sozialfaschismusthese. Sie wurde Anfang 1924 erstmals von Sinowjew vertreten. Im September 1924 stimmte Josef Stalin dieser zu und bezeichnete die Sozialdemokratie und den Faschismus als „Zwillingsbrüder“: „Der Faschismus ist eine Kampforganisation der Bourgeoisie, die sich auf die aktive Unterstützung der Sozialdemokratie stützt. Die Sozialdemokratie ist objektiv der gemäßigte Flügel des Faschismus. […] Diese Organisationen schließen einander nicht aus, sondern ergänzen einander. Das sind keine Antipoden, sondern Zwillingsbrüder.“
Diese völlig falsche Position führte die KPD und ihre Anhänger in eine tödliche Sackgasse. Wenn alles, was rechts von der KPD steht, als „faschistisch“ betrachtet wird, macht es keinen Unterschied, ob Sozialdemokraten, bürgerliche Parteien oder Hitler regieren.
Hinter der „Wir fürchten uns nicht vor dem Faschismus“ Aussage des führenden KPD-Mitglieds Remmele steckte eigentlich der Beweis des Bankrotts der KPD. Trotzki kommentierte das in „Was nun?“: „‚Wir fürchten nicht‘ Hitlers Machtergreifung – das ist ja eben die Kehrseite der Feigheit. ‚Wir‘ halten uns nicht für fähig, Hitler an der Machtergreifung zu hindern.“
Der größte Fehler der KPD lag in ihrer Verweigerung der Einheitsfront mit der SPD. Die Kommunistische Partei macht die Sozialdemokratie für die Passivität der Massen verantwortlich. Sie denunzierte allerdings nicht nur die Führung der SPD, sondern richtete sich auch mit Ultimaten an die SPD-Basis, statt die SPD-Anhänger auf die Seiten der Revolution zu ziehen und die reformistische SPD-Führung im gemeinsamen Kampf zu entlarven. Mit der Einheitsfront-Taktik hätte sie die Arbeiterklasse von der Sozialdemokratie wegholen und sie davon überzeugen können, dass der Kampf gegen Faschismus, der Kampf für Sozialismus ist.
Mit der Politik, die aus der „Sozialfaschismusthese“ floss, spaltete die KPD die Arbeiterbewegung. Sie überließ die Arbeiter in der SPD ihrer Führung, welche wiederum alles auf den deutschen Staat setzte und mit antikommunistischer Propaganda ebenso die Arbeiterbewegung spaltete.
Der Stalinismus und der Reformismus besiegelten letzten Endes den Sieg der faschistischen Barbarei. Nachdem die Führungen der Arbeiterbewegung 1933 die Machtübergabe an Hitler und die NSDAP kampflos geschehen ließen, wurden die KPD, SPD und Gewerkschaften zerschlagen und die Arbeiterklasse jeglicher effektiven Gegenwehr beraubt.
Die Massen waren nicht einem charismatischen Diktator verfallen. Permanenter Terror durch die faschistische Massenbewegung und ihre bewaffneten Arme SA und SS zwangen ihnen die faschistische Diktatur auf. Der Faschismus hatte seine historische Aufgabe als absolute kapitalistische Konterrevolution erfüllt.
Trotz der Fehler, die die Führung der Arbeiterbewegung machte, konnten die Nazis unter den Arbeitern lange keine nennenswerte Unterstützung mobilisieren: Bei den Betriebsratswahlen im Herbst 1933 zum Beispiel erhielten sie weniger als 3 % der Stimmen.
Es war Trotzki und die linke Opposition, die in Zeiten des Aufstiegs des Faschismus dessen wahren Charakter erkannt hatten. Trotzki trat in all seinen Schriften für die Einheitsfront zwischen KPD und SPD ein. Er betonte immer: „Die Hauptschlacht muß geliefert werden, ehe Brünings bürokratische Diktatur vom faschistischen Regime abgelöst wird, das heißt, bevor die Arbeiterorganisationen vernichtet sind.“
Die linke Opposition war allerdings zu klein und hatte kaum Einfluss auf die Arbeiterklasse. So blieb die Arbeiterklasse unter dem Einfluss der Reformisten und der Stalinisten.
Wir stehen in der Tradition der linken Opposition und müssen aus der grausamen Niederlage lernen. Die Taktik der Einheitsfront bleibt heute genauso relevant wie damals. Wenn man verstehen will, was heute passiert, so muss man auch die Geschichte verstehen. Nur mit richtiger Theorie können wir zu den richtigen taktischen Schlussfolgerungen kommen. Damit die richtigen Ideen wirkmächtig werden, braucht es eine Partei, die Einfluss auf die Jugend und die Arbeiterklasse hat.
Rechte Demagogie heute
Wir befinden uns auch heute in einer tiefen Krise des Kapitalismus. Die Regierung setzt im Interesse des Kapitals Sparpolitik und andere Angriffe gegen die Arbeiterklasse durch. Das kapitalistische System lebt von der Produktion für Profit, nicht für die Bedürfnisse der Menschen.
Auch heute gewinnen rechte Parteien, Rassismus und in gewissem Maße faschistische Ideologien an Zustimmung. Diese widerwärtige Entwicklung entsteht, weil die kapitalistische Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung zutiefst kaputt und überholt ist.
Gleichzeitig rufen die etablierten Parteien und die bürgerlichen Eliten dazu auf „unsere Demokratie“ zu retten. Die bürgerliche Demokratie ist jedoch nicht unsere Demokratie, es ist die Demokratie der Kapitalisten. Nicht die AfD schafft die Krise der bürgerlichen Demokratie, die bürgerliche Demokratie befindet sich in der Krise und schafft rechte Demagogen, Hetze und Raum für spalterische Ideen.
Während kleine faschistische Banden wie der „Dritte Weg“ Angriffe auf die schwächsten Teile der Arbeiterklasse und Jugend machen werden und wir kollektive Gegenwehr organisieren müssen, gibt es heute keine faschistische Massenbewegung. Das wird der AfD-Wählerschaft immer wieder zu Unrecht vorgeworfen. Die Klassenverhältnisse sind heute völlig andere als in den 1930ern.
Faschismus ist die schwärzeste kapitalistische Konterrevolution und kann nur am Ende einer revolutionären Epoche entstehen, wenn sich das System in völligem Niedergang befindet. Selbst in Zeiten langer kapitalistischer Krisen kann der Faschismus nur dann Zulauf finden, wenn die Arbeiterorganisationen es versäumen, die antikapitalistischen Gefühle der Massen zu aufzufangen. Außerdem muss die Voraussetzung erfüllt sein, dass seine soziale Basis, das Kleinbürgertum, noch in ausreichender Stärke vorhanden ist und sich diesen Ideen zuwendet.
Doch heute ist dem Faschismus die soziale Basis entzogen worden. Der Großteil der Bevölkerung ist Teil der Arbeiterklasse. Während damals noch ein Großteil der Beamten und Studierenden Teil des Kleinbürgertums waren, hat sich das heute grundlegend verändert. Die meisten Lehrer sind gewerkschaftlich organisiert, studieren ist keine Eintrittskarte mehr in den kleinbürgerlichen Wohlstand, sondern man bleibt auch mit Bachelor und Master Teil der Arbeiterklasse.
Arbeiter haben die Methoden des kollektiven, organisierten Kampfes gegen das Kapital, mit denen sie auf die Krise reagieren können. Mit mehr Frontalangriffen auf den Lebensstandard des Proletariats wird der organisierte Klassenkampf zunehmen. Wir befinden uns noch weit am Anfang einer langen revolutionären Periode. Die Arbeiterklasse hat noch keine Niederlagen erlebt. Wir können heute im Kampf gegen die AfD, die etablierten Parteien und den Kapitalismus insgesamt, ihren Sieg vorbereiten, in dem wir die RKP aufbauen und den Marxismus in der Bewegung verankern.
Georg Diez endet seinen Artikel über Faschismus in der taz mit den Worten: „um [den Faschismus] zu bekämpfen, muss man ihn benennen.“ Dem halten wir entgegen: Wer den Faschismus und rechte Ideologien wirklich bekämpfen will, der muss den Kapitalismus durch die sozialistische Revolution auf den Müllhaufen der Geschichte befördern.