Was sagen Kommunisten zu einem Verbotsverfahren gegen die AfD?

Am 8. Mai jährt sich der Tag der Befreiung vom Faschismus zum 80. Mal. Die unbeliebteste Regierung seit 1945 wird diesen Jahrestag nutzen, um den Arbeitern und der Jugend Werbung für ihre Demokratie einzuhämmern: Gegen den „aufsteigenden Faschismus“ müsse man die „gemäßigte Mitte“ unterstützen, die in Taten zunehmend das Programm der AfD umsetzt. Entgegengesetzt zu diesen Heuchlern, sehen viele in der Jugend und der Arbeiterklasse die AfD als wirkliche Bedrohung für die Gesellschaft und sind in den letzten Monaten deswegen auf die Straße gegangen.

Jetzt, nachdem die AfD vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft wurde, werden die Forderungen nach einem AfD-Verbot noch lauter. Wir Kommunisten sind der Meinung, dass der Kampf gegen rechte Demagogen durch ein Verbot keinen Schritt vorwärtsgebracht wird. Warum? Die AfD-Führung hat ein reaktionäres Programm, das jeder Kommunist verurteilt. Aber einen Teil der Arbeiterklasse auf den anderen Teil zu hetzen, hilft nur den Kapitalisten. Dies ist ein reaktionärer Kulturkampf: AfD-Wähler vs. Nicht-AfD-Wähler. Dies ist der gleiche Spaltungsmechanismus wie Migranten vs. Nicht-Migranten, den die Regierung und die AfD bedienen. Wir sagen: Es braucht Klassenkampf: Arbeiterklasse vs. Kapitalisten.

Funktioniert ein Verbot?

Man mag entgegnen: „Aber die AfD ist reaktionär, wir sollten uns dagegen wehren!“ Das stimmt, aber die Frage ist, was sind die geeigneten Mittel, um uns zu wehren? Die herrschende Klasse und ihre Intellektuellen sind sich bewusst, dass ein Verbot kaum etwas bringt. Der „Extremismusforscher“ Cas Mudde sagt: „Am Ende tut ein Verbot nichts gegen den Nährboden extrem rechter Politik.“

Das muss niemand behaupten, man kann sich einfach das Resultat des Verbots der „Golden Morgenröte“ in Griechenland anschauen. Die Neonazipartei hatte brutale, teilweise tödliche Attacken auf Migranten, linke Rapper, Gewerkschaftsmitglieder und Kommunisten ausgeführt. 2020 wurde die Partei zerschlagen. Dies war der Erfolg einer Massenbewegung, die den Staat zwang zu handeln.

Aber heute treiben die Faschisten immer noch ihr Unwesen. Sie haben neue Parteien und Organisationen gegründet und sind weiterhin eng mit dem Staatsapparat verbunden. Nach der Wahl 2023 wurde von einem „Rechtsruck“ in Griechenland gesprochen, weil Konservative und Rechte über 50% erhalten hatten. Davon ging sogar 10% auf extrem rechte Parteien. Der Aufstieg der Rechten war nur möglich, durch eine fehlende klassenkämpferische Politik der Arbeiterparteien.

Die Demokratie bekomme eine „Atempause“ wird entgegnet. Aus Sicht von AfD-Wählern und -Sympathisanten – mindestens 10 Millionen Menschen – stellt sich dies aber ganz anders dar: Ihre Meinung soll verboten werden. Das ist ein klarer Angriff auf ein demokratisches Recht. Viele sind zur AfD gewandert, weil alle anderen Parteien nicht in ihrem Interesse handeln. Weil ihre Stimme in dieser „Demokratie“ nicht gehört wird. Jetzt soll ihre Stimme offiziell ausgeschlossen werden.

Die Neutralität des Staates entblößt sich für sie weiter als eine Illusion. In dieser Hinsicht sind die AfD-Wähler im Bewusstsein weiter, als die Parteiführung der Linken, die weiter an dem Märchen des neutralen Staats festhält.

Aber eine Reaktionäre wie Beatrix von Storch – die korrekterweise darauf hinweist, dass der Verfassungsschutz weisungsgebunden der Regierung untersteht – nutzt diesen Angriff auf demokratische Rechte, um für ihre Partei weiter Werbung zu machen. Anstatt der AfD-Wählerschaft zu helfen, zu einer Klassenposition zu kommen, treibt man sie durch die Forderung eines Verbots tiefer in die Arme der AfD. Das Gleiche passiert durch die Verurteilung von Le Pen in Frankreich.

Wer sind die AfD-Wähler?

„Aber“, wird gesagt, „man kann Nazis nicht mit Worten überzeugen“. Korrekt, gegen faschistische Schlägertrupps braucht man Selbstverteidigungseinheiten der Arbeiterorganisationen. Vor 1933 hatte die SPD das „Reichsbanner“, die KPD den „Roten Frontkämpferbund“ und die Gewerkschaften die „Eiserne Front“. Aber auch sie sind daran gescheitert, den Faschismus zu besiegen, weil die stalinistische KPD es nicht verstanden hat, die Arbeiterklasse für den Sturz des Kapitalismus zu gewinnen. Die reformistische SPD und die Gewerkschaften wiederum haben die Arbeiterklasse daran gehindert, den Sozialismus zu erkämpfen.

Der Faschismus ist eine konterrevolutionäre Massenbewegung, deren Ziel es ist, die Arbeiterorganisationen zu zerschlagen und eine totalitäre Diktatur des Monopolkapitals über sie zu errichten. Deshalb ist es ein gravierender Fehler, die Masse der AfD-Wähler und -Sympathisanten mit Faschisten gleichzusetzen. Seit 2017 sind über eine halbe Million Wählende von der antifaschistischen Linken zur AfD gewandert. Von der SPD sind über eine Million abgewandert. Unter Gewerkschaftsmitgliedern ist die AfD sogar überdurchschnittlich repräsentiert. In aktuellen Umfragen ist die AfD zweitstärkste Kraft mit rund 25%.

Diese Arbeiter sind nicht plötzlich alle zu Nazis geworden. Sie sind enttäuscht von den Regierungen und einer Linkspartei in der Opposition, die beide nicht ihre Interessen vertreten. Die kapitalistische Krise wurde auf ihrem Rücken abgewälzt. Sie suchen nach einer Lösung und im Vergleich zur Linken zeigt die AfD, dass sie eine Opposition ist, die nicht klein beigibt und sich traut Probleme anzuprangern und die etablierten Parteien rücksichtslos für ihre Politik zu geißeln. Die AfD schafft es, sich immer wieder als Stimme des „kleinen Mannes“ zu präsentieren.

Ein AfD-Verbot wird dieses Bild nur weiter verstärken, so wie Trump durch die unzähligen Gerichtsverfahren gestärkt wurde. Paradoxerweise könnte eine Zusammenarbeit der Regierungsparteien mit der AfD zur Schwächung der AfD führen, weil sie damit ihr wahres arbeiterfeindliches Programm offenbaren muss. Deswegen wird sich auch in der herrschenden Klasse darum gestritten, ob die Einbindung der AfD nicht der bessere Weg ist.

Wir haben es nicht mit dem Aufstieg des Faschismus zu tun oder mit einem gesellschaftlichen „Rechtsruck“. Stattdessen findet die sogenannte „politische Mitte“ immer weniger Zustimmung für ihre Politik des Status Quo. Wer jetzt von Faschismus spricht, übersieht die ansteigende Wut der Arbeiterklasse, die nach einem Ausdruck sucht. Weil keine „linke“ Partei diese Wut wirklich aufgreift, spielt die AfD diese Rolle, wenn auch in sehr deformierter Weise. Gleichzeitig hat ein „auf die Barrikaden“ der Linkspartei gereicht, ihnen Millionen von Stimmen und Zehntausende neue Mitglieder zu bescheren. Heute ist es nicht die Aufgabe einer Arbeiterpartei, sich für den Kampf gegen den Faschismus zu rüsten, sondern den steigenden Klassenkampf aufzugreifen und für die revolutionäre Machtübernahme durch die Arbeiterklasse zu kämpfen.

Erbsenzählerei?

Kann man nicht beides tun? Die AfD verbieten und ihre Wähler mit einem Klassenprogramm ansprechen? Dies ist im Kern die Position von Jan van Aken, Vorsitzender der Linkspartei:

„Ich war früher immer gegen ein Verbotsverfahren, weil man mit einem Verbot natürlich nicht die Ideologie aus den Köpfen herausbekommt. Aber wenn wir uns nun anschauen, wie offen die AfD die Demokratie abschaffen möchte, sollten wir ihr nicht unsere schärfste Waffe – die Demokratie – an die Hand geben.“

„Gleichzeitig müssen wir die AfD auch politisch bekämpfen. Indem wir die Probleme und Nöte der Menschen endlich ernst nehmen und ihnen Zuversicht geben. Indem wir das Leben der Menschen wirklich verbessern. Der Rechtsruck ist kein Zufall – er wurde über Jahre hinweg durch soziale Kürzungen und eine Politik, die sich an den Interessen der Reichen und Mächtigen orientiert, politisch genährt.“

In der Praxis treibt man aber durch das Verbot einen Keil zwischen AfD-Wähler und Nicht-AfD-Wählern. Anstatt den AfD-Sympathisanten zu sagen, „ja, wir sind auch der Meinung, dass die Regierung ein Problem ist, aber eure Lösung ist falsch“, sagt man ihnen, „ihr seid aber das größere Problem und wir arbeiten sogar mit der Regierung zusammen, um eure Partei und eure Meinung zu verbieten“.

Faktisch baut man so ein Bündnis der Arbeiterklasse mit der herrschenden Klasse auf. In den Worten von Gregor Gysi: „Zunächst einmal müssen wir uns – von der CSU bis zur Linken, aber auch mit Gewerkschaften, Kirchen, Unternehmerverbänden, Künstlern und Wissenschaftlern – darauf verständigen, dass wir unsere Grundfesten von Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit gemeinsam verteidigen“.

Dies ist aber ein Bündnis von Interessensgegnern. Die herrschende Klasse bekämpft die AfD nicht aus denselben Gründen wie Teile der Arbeiterklasse und der Jugend. Sie sieht die AfD als einen Störfaktor in ihrem Geschäft: Sie wollen in Ruhe herrschen und Profite eintreiben, d.h. die Arbeiterklasse ausbeuten. Hinzu kommt, wenn die AfD ihr Anti-EU und Anti-Euro-Programm durchsetzen würde, untergrübe dies die Basis, auf der Deutschland auf dem internationalen Markt überhaupt eine Rolle spielen konnte. Die AfD-Führung steht ansonsten, aber nicht in großem Widerspruch zur herrschenden Klasse. Sie schlägt nur andere Lösungen vor, wie man gute Profite macht und stützt sich für gute Wahlergebnisse auf die Wut eines Teils der Arbeiterklasse und der Jugend

Noch schlimmer an diesem Bündnis ist: Man gibt den Henkern die Waffen, um einen selbst in der Zukunft zu verurteilen. Das Verbot der neonazistischen Sozialistischen Reichspartei von 1952 war der Vorläufer für das KPD-Verbot 1956. Wenn die AfD aufgrund einer Verfassungsfeindlichkeit verboten wird, dann kann mit dieser Begründung jede Organisation verboten werden, die sich kapitalismuskritisch und damit verfassungsfeindlich äußert.

Wie die Linkspartei handelt die MLPD mit ihrem aktuellen Programm – trotz aller kommunistischer Phrasen – letztlich als verlängerter Arm der herrschenden Klasse. Sie spricht sich für ein AfD-Verbot aus, aber warnt davor, dem Staat zu vertrauen, der nur auf Druck einer antifaschistischen Massenbewegung zu so einem Verbot gezwungen werden kann. Eine scheinbar gut klingende Strategie wird zu einem Desaster, wenn sie auf einer verkehrten Analyse der Welt basiert.

Die MLPD sieht genauso wie die Führung der Linkspartei auf der ganzen Welt den Aufstieg des Faschismus und erstarkende antikommunistische Kräfte, statt einer gesellschaftlichen Polarisierung, die selbst ein Ausdruck des steigenden Klassenkampfs ist. Sich mit falschen Analysen und Kampfmethoden in die Ecke gedrängt, sucht die MLPD ein Bündnis mit allen Kräften, die die bürgerliche Demokratie retten wollen. Wäre da nur nicht der Fakt, dass Trump, Le Pen, Meloni und die AfD kein Faschismus repräsentieren. Und wäre da nicht der Fakt, dass gerade die herrschende Klasse in Deutschland gegen die AfD mobilisiert, um ihre etablierten Parteien an der Wahlurne zu retten, während die AfD ein deformierter Ausdruck eines Klassenhasses gegen die Herrschenden ist. So wird die MLPD mit ihrer Verbotsforderung ungewollt zur Verteidigerin der „demokratischen Mitte“ und setzt auf Kulturkampf statt Klassenkampf.

Wofür braucht es die RKP?

Die Führungen der „antifaschistischen“ Bewegung, die für ein Verbot der AfD auf die Straße mobilisieren, wollen gleichzeitig „demokratische“ Parteien wie CDU, SPD und Grünen stärken. Auf diesen Demonstrationen halten wir entgegen: diese Parteien vertreten nicht unsere Interessen!

Die RKP tritt ein für ein Klassenprogramm: Während die Kapitalisten für Kürzungen und Krieg rüsten, rüsten wir uns für Gegenwehr. Wir fordern Bildung statt Bomben, Renten statt Raketen und Pflege statt Panzer. Kriegsgewinner und Rüstungsindustrie sollen enteignet werden. Wir verteidigen Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Wir sagen: Gewerkschaften in die Offensive gegen Lohnraub, Entlassungswellen und Aufrüstung. Wir wollen die Diktatur der Reichen zerschlagen und stattdessen die Arbeiterklasse an der Macht.

Dieses Programm tragen wir auf die Straße. Deswegen ist es die Aufgabe von Kommunisten auf Anti-AfD-Demonstrationen mit dem Finger auf die Regierung zu zeigen. Den Organisatoren wird dies nicht gefallen, aber der Aufstieg der AfD und die niedrige Zustimmung zur Regierung zeigen, dass ein großer Teil der Arbeiterklasse nach solch einer Position suchen. Unsere britischen Genossen haben die gleiche Erfahrung bei Protesten gegen die Partei Reform UK gemacht und unsere US-amerikanischen Genossen treffen auf Zustimmung bei ehemaligen Trump und Bernie Sanders Unterstützern.

Keine Worte werden die AfD bekämpfen, sondern Taten. Die Parteiführung der Linken spricht über Klassenkampf. Aber sobald es ans Handeln geht, wendet sie sich an die Gerichte, will mit allen „demokratischen“ Parteien zusammenarbeiten und versucht den Staat wehrhaft zu machen. Sprich: Sie tut alles, außer die Arbeiterklasse und Jugend auf die Straße und in den Betrieben zu mobilisieren. So hat sie Wähler an die AfD verloren.

Der AfD kann man nur durch Klassenkampf begegnen. Die Arbeiterklasse sucht nach einer Partei, die unerschütterlich ihre Interessen vertritt und dafür die besten Methoden bereitstellt. Dies sind die Lehren des Marxismus. Die RKP kämpft darum, ein Programm für unsere Klasse an die Spitze der Arbeiterbewegung zu stellen. Nur dies wird die gesamte Arbeiterbewegung (AfD-Wähler und Nicht-AfD-Wähler) aus den Fängen der herrschenden Klasse, egal welcher Couleur, befreien.

SCHLIESS DICH DEN KOMMUNISTEN AN!

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