In jedem Krieg gibt es Gewinner und Verlierer. Es ist eine allgemeine Wahrheit, dass die Sieger die Bedingungen für einen Frieden diktieren können. Vor diesem Hintergrund hält Russland an seinen Maximalforderungen im Ukraine-Krieg fest. Putin kann sich das leisten, weil er den Krieg militärisch gewonnen hat. Selenskyj verweigert sich dagegen konsequent der Logik des Verlierens.
Doch damit ist er nicht allein: Die europäischen „Mächte“ überbieten sich wöchentlich in Ankündigungen von weiteren Waffenlieferungen und Geldern für die Ukraine. Mit jeder Absage an Diplomatie und immer neuen Versprechen von „entscheidenden Wendepunkten“ – mit Anspielungen auf die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern und Aussagen wie: „Es gibt keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr für Waffen, die an die Ukraine geliefert worden sind“ – treiben sie den Krieg weiter voran.
Hinter dem Kurs der Europäer stehen nicht die „Souveränität der Ukraine“ oder Demokratie und Freiheit. In Wahrheit verlängern sie das Sterben in der Ukraine für ihre eigenen imperialistischen Interessen. Denn zu deren Umsetzung sind sie maßgeblich auf die Unterstützung der USA angewiesen. Aber Trump will den Krieg beenden, um sich aus Europa zurückziehen. Deswegen torpedieren die Europäer die Verhandlungen, die der US-Präsident anstrebt.
Der Ukraine-Krieg wurde von der Biden-Administration provoziert in der Hoffnung, Russland mit einem Stellvertreterkrieg von der Weltbühne zu verdrängen. Trumps Politik in Bezug auf die Ukraine stellt einen Wendepunkt zu der von Biden dar. Er will einen Deal mit Putin, um sich auf China – den Hauptfeind des US-Imperialismus um die globale Vorherrschaft – zu konzentrieren.
Daher spielte das Thema Ukraine auf dem letzten NATO-Gipfel kaum eine Rolle. Trump lehnte die Diskussion um einen Beitritt der Ukraine in das Bündnis ab, versprach keine weiteren Sanktionen und auch die Zusagen für weitere Waffenlieferungen wurden von Washington so formuliert, dass daraus keinerlei Verpflichtungen erwachsen. Genau das ist es, was die Europäer verhindern wollen.
Europa offenbart seine Schwäche
Doch bei einem Debakel Anfang Mai offenbarte sich die Hilfslosigkeit der europäischen Imperialisten in dieser Angelegenheit. Mit einer „Koalition der Willigen“ versuchten die EU-Kommission, das Vereinigte Königreich, Frankreich, Polen und Deutschland vorzupreschen und Trump so zu Maßnahmen gegen Russland zu bewegen. Merz traute sich sogar, ein Ultimatum an Putin auszusprechen: Entweder stimmt er einer Waffenruhe zu oder es folgen harte Sanktionen der EU und USA.
Den russischen Präsidenten konnte das nicht einschüchtern. Offenbar ließ auch Trump sich nicht beeindrucken vom Vorstoß der Europäer. Ohne Trump jedoch keine gefährlichen Sanktionen. Selbst ein Maßnahmenpaket der EU gegen Russland ohne die USA scheiterte nun. Die angedrohten Sanktionen blieben aus.
Die leeren Drohungen offenbaren vor allem eins: Die Unfähigkeit Europas, glaubwürdige Macht auszustrahlen. Die „Financial Times“ schrieb besorgt: „Starmer, Macron und ihre Amtskollegen wollen eindeutig Stärke und Unterstützung für die Ukraine signalisieren, indem sie suggerieren, dass Europa in die Fußstapfen der USA treten kann. Durch […] die meist leeren Drohungen gegenüber Russland haben die EU-Führer stattdessen ihre Schwäche signalisiert.“
Keine Einheit
Die Europäische Union ist kein einheitlicher Nationalstaat, sondern eine Ansammlung verschiedener kapitalistischer Länder mit unterschiedlichen Interessen. Die Europäer stehen schlechter da als vor dem Krieg. Sie sind Biden blind in den Konflikt gefolgt – mit katastrophalen Konsequenzen für ihre Wirtschaft, die von billigen russischen Energieträgern abhängig war. Diese wirtschaftlichen Auswirkungen haben die Zentrifugalkräfte innerhalb der EU verstärkt.
Trotzdem werden Stimmen laut, Verteidigung und Politik unabhängig von den USA denken zu müssen. Aber der Wunsch nach einem starken Europa, wo Merz sich gerne an der Spitze sehen würde, geht über Träumereien nicht hinaus. Europa verliert an Relevanz auf der Weltbühne, das ist den meisten Kapitalstrategen und Politikern sehr wohl bewusst. Der italienische Verteidigungsminister äußerte zuletzt: „Wir reden oft so, als ob wir noch vor 30 Jahren leben würden. Aber alles hat sich geändert. Wir reden über Europa, als ob Europa etwas zählt.“
Ein Rückzug der USA aus dem Ukraine-Krieg wäre ein entscheidender Schritt Richtung Europa ohne amerikanischen Schutzschirm. Um das zu verhindern, werden die Vertreter in London, Berlin und Paris noch lange zynisch die Ukraine bluten lassen. Je länger der Krieg aber andauert, desto schlechter werden die Bedingungen für eine Einigung aus ukrainischer Sicht sein. Das ist den europäischen Kriegstreibern, allen voran Merz, jedoch egal.