Trumps Wahlsieg löste bei weiten Teilen der Linken wie auch der bürgerlichen Liberalen Verzweiflung aus. „Der Rechtsruck kommt“, „die Demokratie ist tot“ – ertönte das hysterische Geschrei, genauso wie angesichts der Erfolge der AfD in Deutschland. Doch was zeigt uns Trumps Wahlsieg wirklich?
Trumps geschickte Demagogie
In der Arbeiterklasse findet schon seit Jahren eine Gärung statt. Der Klassengegensatz hat sich massiv verschärft. Für Millionen Amerikaner ist der Lebensstandard seit 2008 rapide abgestürzt. Eine wirtschaftliche Erholung gab es nur für die Reichen. Stattdessen wurden systematisch immer mehr Arbeitsplätze abgebaut und Kürzungen durchgedrückt. Mittlerweile besitzen die unteren 50 % der US-Amerikaner 1 % des Vermögens, das obere 1 % besitzt hingegen 35 %.
Das hat Konsequenzen für das Bewusstsein der Massen: Sie suchen nach einem Schuldigen und finden diesen zurecht im Establishment. Mehr als 70 % der Amerikaner glaubten bereits 2022, dass sich das Land in die falsche Richtung bewegt.
Trump schaffte es, die Wut der Massen auf das Establishment geschickt für seine Zwecke zu nutzen. So trat er als Arbeiter in einer McDonalds-Filiale auf und sagte, er kämpfe für die Amerikaner der Arbeiterklasse.
Trump gegen das Establishment
Trump erscheint, obwohl er Milliardär ist, in den Augen eines Teils der Massen als ehrlicher Verteidiger ihrer Interessen. Diesen Ruf hatte er sich im Kampf mit dem Establishment errungen. Mit allen möglichen Mitteln hatten sie ihn bekämpft. Er wurde mit einer Fülle von Klagen überhäuft, ein Großteil der Medien hatte gegen ihn gehetzt und in seiner ersten Amtszeit konnte er wichtige Punkte seines Programms aufgrund von Blockaden nicht umsetzen.
Trump hat sich nicht einschüchtern lassen, sondern ist zum Gegenangriff übergegangen. Er ging sogar so weit, die Legitimität der letzten Wahl anzuzweifeln – für diese Untergrabung des Vertrauens in die bürgerliche Demokratie hasst die herrschende Klasse ihn erst recht. Aber deswegen wird er bei den Massen als ein „Underdog“ mit Rückgrat angesehen – als ihr Hoffnungsträger. Diese Inszenierung brachte Trump am Ende auch Stimmen in der Arbeiterklasse ein.
Entlarvung der Demokraten
Trumps demagogische Anziehung ist begleitet von einer zunehmenden Abwendung von den Demokraten. Die Weltwirtschaftskrise von 2008 bedeutete für viele Arbeiter in den USA eine existenzielle Bedrohung und wurde gefolgt von der Präsidentschaft des demokratischen Präsidenten Barack Obama. Obama versprach „Hope“, aber gab ihnen das Gegenteil.
Spätestens nach der Amtszeit Joe Bidens zeigte sich für große Teile der Arbeiterklasse eins: Die Demokratische Partei hat vielleicht einen freundlichen, progressiven Anstrich, aber ihre Politik löst kein einziges Problem eines amerikanischen Arbeiters. Hatte man gehofft, Biden würde beginnen, die Reichen zu besteuern, die Klimakrise zu bekämpfen und die Sozialpolitik voranzubringen, stellte sich all das als Trugschluss heraus. So wurden zum Beispiel verschiedene Wahlkampfversprechen wie der Mindestlohn von 15 Dollar oder der Erlass von Studienschulden in der Höhe von 10.000 Dollar stillschweigend fallen gelassen.
Biden ist allseits als „Genocide Joe“ wegen der Beteiligung am Völkermord in Gaza bekannt und hat die USA in einen langwierigen und teuren Krieg in der Ukraine verwickelt. Trump verspricht ein schnelles Ende und kann sich so als „Friedenskämpfer“ darstellen. Spätestens, dass Harris in einer Talk-Show „nichts“ einfiel, was sie gegenüber der Politik Bidens ändern würde, zeigte vielen Arbeitern deutlich: Harris steht für ein „Weiter so”.
Politik des kleineren Übels
Anstelle von Trump hätte eine Partei mit einem Arbeiterprogramm eine fortschrittliche Rolle spielen können. Im Jahr 2015 formierte sich die breite Bewegung „The People for Bernie Sanders“, die schnell über eine Million Anhänger fand. Sanders‘ klassenkämpferische Rhetorik für mehr Umverteilung fand Anklang. Er traf damit genau den Nerv der vom Kapitalismus desillusionierten Arbeiter. Hier hätte Sanders die Möglichkeit gehabt, an der Spitze einer Bewegung zu stehen, die tatsächlich eine Alternative zum Status quo anstrebt und er hätte dabei ein ähnliches Rückgrat zeigen können wie Trump.
Stattdessen diskreditierte sich Sanders, indem er erst Hillary Clinton und dann Joe Biden sowie Kamala Harris unterstützte. Damit ordnete er sich der demokratischen Partei und der Milliardärsklasse unter, statt ihnen den Kampf anzusagen. Sein Grund: Er wollte Kräfte bündeln, um das „kleinere Übel“ – die Demokraten – gegenüber dem „größeren Übel“ Trump zu stärken. Hätte er ein Rückgrat gehabt, wäre er als unabhängiger Kandidat angetreten und hätte eine Arbeiterpartei aufgebaut. Mangels einer klassenkämpferischen Alternative ermöglichte die Politik des kleineren Übels die Wahl von Trump überhaupt erst.
Ein Keim von Klassenbewusstsein
Die Massen senden mit der Wahl Donald Trumps ein klares Signal: Alles ist besser als das, was gerade da ist. Dies ist kein Ausdruck eines Rechtsrucks der Massen, sondern ein „Ruck“ hin zur einzigen Option, die scheinbar etwas am Status quo ändern will.
Trump stützt sich dabei auf reaktionäre Kräfte und kanalisiert den unbewussten Klassenhass der Massen in rassistische Bahnen. Auch wenn er als Anti-Establishment-Kandidat auftritt, wird er seine „Versprechen für die Arbeiterklasse“ nicht umsetzen, allein schon die Verschuldung der USA von rund 35 Billionen Dollar machen das unmöglich.
Dies wird in Zukunft zur Bedrohung für ihn, da er die Massen, die ihn aus diesem Grund wählten, enttäuschen wird. Die Wut, die er kräftig anfeuert, kann sich auch schnell gegen ihn wenden. Deswegen muss Trump geschickt, aber vorsichtig balancieren und ist nicht in der Lage, einfach die Arbeiterbewegung zu unterdrücken, geschweige denn eine Diktatur zu errichten. Stattdessen wird er eine Zeitlang immer neue Sündenböcke für seine Misserfolge erfinden.
Letztlich wird sich Trump in den Augen der Massen entblößen, weil auch er keine Alternative ist. Aber dies wird in einer noch viel zugespitzteren Lage geschehen, wo die bürgerliche Demokratie und ihre Institutionen noch weniger Vertrauen genießen. Trump stößt somit auf verquere Art eine Entwicklung im Bewusstsein der Massen an, was den Boden für eine revolutionäre Arbeiterbewegung vorbereitet.
Lehren für deutsche Kommunisten
Trumps Anti-Establishment-Rhetorik erinnert an die Demagogie der AfD. Auch sie inszeniert sich als Alternative zu den etablierten Parteien und als Verteidigerin des „kleinen Mannes“. Deshalb müssen wir in der Herangehensweise an die AfD die Lehren aus Trumps Wahlsieg ziehen.
Die AfD lässt sich nicht durch die Wahl des „kleineren Übels“ bekämpfen. Diese Politik – insbesondere der Linken – hat die AfD erst groß gemacht. Die AfD ist Ausdruck eines Hasses auf den Status quo. Statt panisch von der „Verteidigung der Demokratie“ zu reden, muss eine Arbeiterpartei zum Angriff blasen, um den Status quo wegzufegen.
Wie ein Ertrinkender hängt die Linkspartei an einer Holzplanke fest und hofft darauf, ein paar Plätze im Parlament bei der Bundestagswahl zu ergattern. Dabei sieht sie nicht, dass sie mit ihrer ganzen vorherigen Politik das Schiff zum Sinken gebracht hat. Sahra Wagenknecht hat hier die falsche Lehre gezogen: Sie biedert sich jetzt den AfD-Wählern auf reaktionäre Weise an, ohne ein Klassenprogramm vorzuweisen.
Alle diese vermeintlichen Alternativen zeigen eins: Sie haben kein Rückgrat im Kampf gegen das Establishment. Die Massen suchen dringend nach genau einer solchen Alternative. Unsere Schwesterpartei in den USA die Revolutionary Communists of America ist wie die RKP eine Partei, die die Heuchelei der etablierten Parteien entlarvt, die bürgerliche Demokratie als eine Farce entblößt sowie in Wort und Tat für die Überwindung des Kapitalismus einsteht. Sie wird daher in Zukunft mit 10.000 selbstbewussten Kommunisten auf offene Ohren in der Arbeiterbewegung stoßen und durch ihre Ideen den Boden vorbereiten für einen klassenkämpferischen Ausdruck der Wut der Massen.