Modern Monetary Theory: Mit Staatsschulden aus der Wirtschaftskrise?

Auf der ganzen Welt steht der Lebensstandard der Arbeiterklasse unter Beschuss. Um während der Krise des Kapitalismus konkurrenzfähig zu bleiben, setzen die Kapitalisten aller Länder darauf, ihre Produktionskosten zu reduzieren, indem sie beim Lohn ihrer Angestellten sparen. Mehr arbeiten für weniger Geld ist das Programm der Herrschenden. Der Staat packt bei der Umverteilung von unten nach oben kräftig an und kürzt den Sozialstaat, das Gesundheitswesen und die Bildung zusammen, um Geld für Aufrüstung und Subventionspakete bereitstellen zu können.

Der Grund dafür liegt in der Logik des Kapitalismus. Damit die Wirtschaft wachsen kann, investieren Kapitalisten ihren Profit in die Produktion, um mehr Waren zu verkaufen und den Profit daraus wieder zu reinvestieren. Den Profit gewinnen sie, indem sie der Arbeiterklasse, weniger an Lohn bezahlen als die Waren, die sie für die Kapitalisten herstellt, wert sind. Das bedeutet jedoch, dass die Arbeiterklasse niemals alle Waren zurückkaufen kann, die sie hergestellt hat. Das ständige Reinvestieren der Profite führt dazu, dass es irgendwann zu viele Waren gibt, als dass diese profitabel verkauft werden können. Der Kapitalismus kommt in eine Überproduktionskrise.

Der einzige Weg aus dieser Krise besteht darin, überschüssige Produktionskapazitäten zu zerstören, um wieder neue Möglichkeiten für Investitionen zu schaffen. Doch das will kein Kapitalist auf seine Schultern nehmen. Die Vertreter der herrschenden Klasse der starken kapitalistischen Nation versuchen, die Last der Krise jeweils dem anderen aufzuzwingen. Sie erlassen z.B. Zölle auf ausländische Waren und versuchen, die Preise ihrer Konkurrenz zu unterbieten, mit dem Ziel, sie aus dem Markt zu verdrängen. Gleichzeitig rüstet jeder Staat auf, um seinen Einfluss auf der Erde notfalls auch bewaffnet durchzusetzen. Für die Arbeiterklasse bedeutet das Horror ohne Ende.

Das führt dazu, dass immer mehr Menschen mental mit dem System gebrochen haben und ein wachsender Teil von ihnen begreift, dass, um all diese Missstände aufzulösen, die einzige Lösung der revolutionäre Sturz des Kapitalismus ist. Doch gleichzeitig klammert sich ein hartnäckiger Teil der sogenannten Linken an die Idee, dass der Arbeiterklasse eine lebenswerte Existenz gesichert werden kann, wenn der Kapitalismus einfach unter eine neue Verwaltung gestellt wird.

Was ist die MMT?

Dieser Teil, der vor allem den linken Flügel der Sozialdemokratie repräsentiert, hat sich in der jüngeren Vergangenheit einer Theorie zugewandt, die vorgibt, eine revolutionäre Sichtweise auf die kapitalistische Wirtschaft zu liefern.

Die Modern Monetary Theory (MMT) vertritt die Ansicht, dass Angriffe auf die Arbeiterklasse keine Notwendigkeit im Kapitalismus seien. Im Gegenteil, es sei sogar ökonomisch völlig irrational und die herrschende Klasse würde ihre Attacken einzig und allein deshalb durchführen, weil sie einer ominösen „Spar-Ideologie” auf den Leim gegangen sei.

Stattdessen müsste der Staat neues Geld durch Schulden erschaffen und in die Wirtschaft geben, um neue Nachfrage zu schaffen. Die Hauptargumente der MMT lassen sich in drei Punkten zusammenfassen

1. Ein Staat mit einer eigenen „unabhängigen” Währung kann nicht pleitegehen, da er seine Schulden stets zurückzahlen kann, indem er neues Geld erschafft.

2. Solange die nötigen Produktionskapazitäten für neue Waren existieren, wird es zu keiner Inflation kommen, auch wenn der Staat neues Geld druckt und mehr ausgibt als er einnimmt.

3. Staaten müssen nicht erst Steuern einnehmen, um danach Geld ausgeben zu können. Stattdessen gibt der Staat Geld aus, um die Produktion und Konsumtion anzukurbeln und kontrolliert im Anschluss die Nachfrage durch das Eintreiben von Steuern.

Wenn der Staat tatsächlich Krisen vermeiden oder abschwächen kann, indem er der Wirtschaft Geld schenkt, so gäbe es in der Tat keinen Grund für Angriffe auf den Lebensstandard.

Doch diese Auffassung vom Kapitalismus geht komplett an seiner Realität vorbei. Die MMTler verstehen nicht, dass das Problem nicht der Mangel an verfügbarem Geld ist. Sondern in der Überproduktionskrise fehlen den Kapitalisten profitable Investitionsmöglichkeiten. Staatliche Investitionen überwinden diesen Widerspruch nicht. Wer das verstehen will, muss auf den Zusammenhang zwischen Geld und Produktion schauen.

Im Kapitalismus taucht Reichtum ausschließlich in der Form von Waren auf, die alle einen Tauschwert haben, der sich nach der zu ihrer Herstellung durchschnittlich benötigten Arbeitszeit richtet.

Geld repräsentiert die Summe aller Werte, die in der Wirtschaft im Umlauf sind, und ist das universelle Tauschmittel zwischen ihnen. Auch wenn viele Staaten die Möglichkeit haben, über Kredite von ihrer Zentralbank neues Geld in den Umlauf zu bringen, passiert das vor allem, wenn Unternehmen Kredite bei privaten Banken aufnehmen, um neue Waren zu produzieren. Es ist nicht der Staat, der die Nachfrage nach Geld regelt, sondern die Bedürfnisse der kapitalistischen Produktion.

Was passiert, wenn Investitionen sich nicht lohnen?

Wenn neues Geld in die Wirtschaft kommt, bedeutet das, dass die Summe von Geld im Verhältnis zur Summe von Werten gewachsen ist. Das führt zur Inflation, wenn sich gleichzeitig an der Menge von stofflichem Reichtum nichts verändert. Die Währungspolitik vieler kapitalistischer Staaten seit der Finanzkrise von 2008 macht diesen Zusammenanhangt deutlich.

Um die Wirtschaft zu retten, haben die Staaten begonnen, sie mit Geld zu überschütten und die nötigen Summen durch ihre Zentralbank zu erschaffen. Angefangen mit einem Rettungspaket von 800 Mrd. Dollar in den USA 2008 wurde der Leitzins zusätzlich auf nahezu null gesenkt, damit Unternehmen mehr Kredite aufnehmen und diese investieren.

Die Krönung kam mit der Corona-Pandemie, als die USA weitere 5 Billionen Dollar und die EU 750 Mrd. Dollar in ihre Wirtschaft gepumpt haben.

Dennoch stagnierten die Investitionen nach wie vor. Die Kapitalisten legten ihr Geld lieber in Finanzspekulationen anstatt in der Produktion an, weil es aufgrund einer weltweiten Überproduktion kaum rentable Anlageoptionen gab.

Die einzige Möglichkeit, mit der die MMT die Produktion in einer solchen Situation ankurbeln kann, wäre deshalb durch staatliche Aufträge an die Unternehmen. Doch diese Vorgehensweise ist in einer profitorientierten Wirtschaft extrem gefährlich.

Wonach werden Ressourcen verteilt?

Angenommen, die Produktionskapazitäten für ein staatliches Nachfrageprogramm existieren und der Staat kann das von ihm geschaffene Geld tatsächlich für neue Waren verwenden. Der Staat würde also Geld an schwächelnde Unternehmen geben und direkt Waren oder Dienstleistungen bei ihnen kaufen, damit sie Arbeitskräfte anstellen und in die Produktion investieren. In der Theorie soll das eine Kettenreaktion auslösen.

Indem der Staat durch sein Investitionsprogramm garantiert, dass es mehr Jobs und damit Löhne gibt, erhöht sich die Nachfrage nach Konsumgütern. Die Unternehmen, die durch die erhöhte Nachfrage und das Geld durch den Staat mehr Vertrauen in die wirtschaftliche Lage haben, beginnen wieder in die Produktion zu investieren, was ebenfalls zu einer erhöhten Nachfrage nach Ressourcen führt, die für die Produktion verwendet werden müssen wie Arbeitskraft, Maschinen, Rohstoffe usw.

Doch der grundlegende Widerspruch des Kapitalismus bleibt bestehen. Die kapitalistischen Märkte können niemals ewig wachsen, da die Ausbeutung der Arbeiterklasse der Menge der profitabel absetzbaren Waren eine harte Grenze setzt. Auch eine Steigerung der Kaufkraft der Arbeiterklasse kann daran fundamental nichts ändern. Die Kluft zwischen dem, was verkauft werden soll und dem, was die Arbeiterklasse kaufen kann, bleibt bestehen. Sonst würden die Kapitalisten keine Profite machen.

Die oben beschriebene Kettenreaktion würde deshalb schnell ins Stocken geraten. Die Wirtschaft könnte zwar einen temporären Wachstumsschub erhalten. Doch die Krise wäre damit nur aufgeschoben und sie würde intensiver zurückkommen.

Der Kapitalismus ist nicht einfach ein System, in dem der Staat durch seine Ausgaben entscheiden kann, wo es Nachfrage geben soll. In diesem System organisiert sich die Verteilung von Ressourcen durch die Gesetze des Marktes, durch Angebot und Nachfrage, nach denen Kapital dort hinfließt, wo es profitabel und von dort verschwindet, wo es unrentabel ist.

Unternehmen Geld zu geben, die nicht gewinnbringend sind und das Geld nutzen, um ihre Produktion auszuweiten, beansprucht Ressourcen, die von anderen Kapitalisten vielleicht tatsächlich hätten profitabel eingesetzt werden können. Nun sind sie jedoch bereits in Verwendung und da sie begrenzt sind, wird es immer teurer, mehr von ihnen zu beschaffen. In Folge würden die Preise steigen und es kommt zur Inflation. Die Investitionen würden aufgrund der unsicheren Lage zurückgehen und Arbeitsplätze gestrichen werden.

Etwas Vergleichbares ist geschehen als Folge der lockeren Geldpolitik in den USA nach 2008. Da die geringen Zinsraten für Kredite nicht gereicht haben, um die Wirtschaft anzukurbeln, hat der Staat einfach damit begonnen, sogenanntes Helikoptergeld auf die Konten von Unternehmen und Bürgern zu überweisen. Die Folge war höhere Instabilität in der Wirtschaft.

Der Internationale Währungsfonds kommentierte dazu: „Eine ultralockere Geldpolitik über lange Zeiträume erleichtert das Überleben von Zombie-Firmen (unprofitable Unternehmen) und wirkt sich durch eine Fehlallokation von Ressourcen und einen geringeren Marktanteil negativ auf Nicht-Zombie-Firmen aus, was wiederum das Wirtschaftswachstum beeinträchtigt.”

Ist der Staat der bessere Unternehmer?

MMTler argumentieren zwar, dass der Staat Missverhältnisse ausgleichen könnte, indem er durch eine kluge Steuerpolitik die Nachfrage nach Waren reduziert, wenn diese über das hinausschießt, was die Wirtschaft tatsächlich bereitstellen kann. Doch wie das realistisch aussehen kann, bleibt unklar.

Der Kapitalismus ist ein System ökonomischer Anarchie, in der die Verteilung der Waren nach ständig wechselnden und unüberschaubaren individuellen Profitinteressen organisiert wird. Ein Kapitalist investiert nur in der Hoffnung, in Zukunft einen Profit generieren zu können. Nichts kann ihm das garantieren. Würde ein Staat versuchen, eine Marktwirtschaft bürokratisch zu verwalten, Geld in die Wirtschaft zu pumpen und durch Steuern wieder rauszuziehen, wie er denkt, dass es sinnvoll sein könnte, ohne die Folgen wirklich abschätzen zu können, wären enorme Disproportionen in der Wirtschaft und Inflation die Folge.

Daraus erübrigt sich auch die Vorstellung linker Sozialdemokraten als Luftschloss, die meinen, dadurch, dass man mit der MMT einfach neues Geld in die Welt pusten kann, könne man auch ganz einfach den Sozialstaat, das Gesundheitswesen usw. ausbauen. Irgendwo müssen die Ressourcen dafür herkommen und das Kapital findet deutlich profitablere Geschäfte als kostenlose Gesundheitsversorgung oder besseres Kindergeld.

Der Staat kann nicht einfach erzwingen, dass Produktionskapazitäten dafür zur Verfügung gestellt werden. Viele links-reformistische Regierungen, wie in jüngerer Vergangenheit in Griechenland und Venezuela, haben versucht, durch Defizite im Staatshaushalt die sozialen Ausgaben zu sanieren und wurden dafür mit dem internationalen Boykott des Kapitals konfrontiert, woraufhin sie ihre Programme zurückgenommen und stattdessen Austeritätspolitik durchgesetzt haben.

Ist ein rationales Wirtschaftssystem trotzdem möglich?

In Wahrheit ist die MMT keine neue revolutionäre Theorie, die die Dogmen der orthodoxen bürgerlichen Wirtschaftswissenschaft über den Haufen wirft. Tatsächlich ist sie ein verzweifelter Ausdruck dessen, dass die Grenzen des Kapitalismus lange überschritten sind und nur die sozialistische Planwirtschaft den Weg nach vorne weisen kann.

Die linken MMTler sehen alle Probleme, die der Kapitalismus an die Oberfläche spült. Sie sehen, dass, obwohl der Reichtum der Gesellschaft immens ist, nur 70 bis 80% der bestehenden Produktionskapazitäten tatsächlich genutzt werden, während die Arbeiterklasse in Armut versinkt. Doch sie begreifen nicht, dass diese Entwicklung der inhärenten Logik des kapitalistischen Systems entspringt.

Die öffentlichen Investitionen, die die MMTler vorschlagen, sind möglich. Aber nur durch einen rationalen Produktionsplan, der die Verteilung der Ressourcen und die Produktion auf die Bedürfnisse der Menschheit orientiert und nicht auf die Profitinteressen einzelner Unternehmen.

Um das zu erreichen, genügt es nicht für die Arbeiterklasse, bloß die Kontrolle über die Zentralbank und die Geldversorgung zu haben. Sie muss die gesamte Kapitalistenklasse von der Bühne der Geschichte fegen und selbst die Kontrolle über die Produktion in die Hand nehmen.

SCHLIESS DICH DEN KOMMUNISTEN AN!

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