Mitreden oder entscheiden? Für Arbeiterkontrolle! 

Im 150. Geburtsjahr von Hans Böckler versammelten sich jüngst Vertreter aus Politik, Unternehmen und Gewerkschaften zur Konferenz für Aufsichtsräte in Berlin. Unter dem Motto „Mitbestimmung schafft Vertrauen – Lösungen für unsichere Zeiten“ wurde dort jene sozialpartnerschaftliche Illusion gefeiert, die Böckler mitbegründete – und die bis heute der Arbeiterklasse die Zähne zieht. 

Hans Böckler, erster Vorsitzender des DGB, war einer der Architekten der sozialpartnerschaftlichen Politik nach dem Zweiten Weltkrieg. Statt auf Klassenkampf setzte er auf Einbindung – und wurde zum strategischen Vermittler zwischen Kapital und Arbeit. Die Geschichte der Mitbestimmung ist eine Geschichte der Eindämmung der Arbeiterbewegung. 

Die Montanmitbestimmung von 1951 markiert den Auftakt dieses Kurses. Sie wurde als Zugeständnis eingeführt – als Antwort auf den massiven Druck der Arbeiterklasse, besonders im Ruhrgebiet, wo Betriebsbesetzungen und Rätebewegungen den kapitalistischen Wiederaufbau in Frage stellten. 

Das von Böckler mitgetragene Gesetz betraf Großbetriebe der Kohle-, Stahl- und Eisenindustrie. Ziel war die politische Befriedung: Die Arbeiter sollten durch formale Mitsprache von Gewerkschaftsfunktionären im Aufsichtsrat eingebunden werden – ohne jedoch reale Entscheidungsmacht zu erlangen. Die unternehmerische Leitung blieb unangetastet, die Kontrolle des Kapitals über Investitionen und Planung ungebrochen. Mitbestimmung wurde als „demokratischer Fortschritt“ verkauft, war aber in Wahrheit ein Klassenkompromiss zur Stabilisierung des Kapitalismus.  

Das Mitbestimmungsgesetz von 1976 übertrug das Prinzip auf andere Großunternehmen – aber mit der zusätzlichen Verwässerung vom doppelten Stimmrecht des Vorsitzenden, in der Regel ein Vertreter des Kapitals. Damit war klar: Selbst bei Gleichstand entscheidet der Wille des Kapitals.  

Die Mitbestimmung beruht auf dem Trugbild, dass sich die unvereinbaren Interessen von Kapital und Arbeit im Unternehmen versöhnen ließen. In Wahrheit ist der „deutsche Sonderweg“ eine institutionalisierte Kapitulation der Arbeiterorganisationen vor dem Privateigentum und der Profitlogik. 

Wenn Betriebsräte wie Manager sprechen 

Ideologisch wird das von Hauptfunktionären wie Daniela Cavallo, Gesamtbetriebsratsvorsitzende bei VW, „als ein Pfeiler der Demokratie […] und für das Erfolgsmodell Deutschland so entscheidend“ verkauft. Auf vergangenen Konferenzen lobte sie die Mitbestimmung als „gelebte Verantwortung“, die „nachhaltigen Unternehmenserfolg“ sichere. 

Statt das Klasseninteresse der Arbeiter zu vertreten, spricht Cavallo wie eine Standortmanagerin: Ihr Ziel ist die Stabilisierung des Unternehmens, nicht die Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiter durch Kampf. Ihre Behauptung, mit Mitbestimmung gehe es allen – Unternehmern und Arbeitern – langfristig besser, verschleiert den Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit, denn auch langfristige Investoren verlangen Rendite auf Kosten der Arbeiter. 

Cavallo übernimmt die Logik des Kapitals. Ihre Rolle ist nicht konfrontativ, sondern vermittelnd – im Namen des sozialen Friedens, d.h. ungestörter Ausbeutung. Die Mitbestimmung dient nicht dem Klassenkampf, sondern seiner Einhegung. 

Mitbestimmung als struktureller Verrat 

Heute zeigt sich der verheerende Effekt der Mitbestimmung besonders deutlich. Betriebsräte, offiziell als Interessenvertretung der Beschäftigten installiert, agieren in der Praxis oft als Co-Manager. 

Bei VW wurden im Rahmen der sogenannten „Zukunftssicherung“ seit 2016 rund 30.000 Stellen gestrichen – 23.000 davon in Deutschland, mit Zustimmung des Gesamtbetriebsrats. Daniela Cavallo sprach von „verantwortungsvoller Mitbestimmung“. Im selben Zeitraum erzielte VW über 22 Mrd. Euro operativen Gewinn (2023) und schüttete über 2,5 Mrd. Euro Dividende aus – beschlossen von einem Aufsichtsgremium unter Cavallos Vorsitz. Ergebnis: Kein Schutz der Beschäftigten, sondern Stellenabbau im Schulterschluss mit dem Management. 

Auch bei ThyssenKrupp trugen die Betriebsräte 2019 die Zerschlagung des Konzerns mit: 6.000 Stellen wurden gestrichen, davon 4.000 in Deutschland – ohne jeden Streik. IG Metall-Vorstand Jürgen Kerner lobte den „konstruktiven Dialog“ und sprach von einem „vertretbaren Kompromiss“, bei dem man „viel rausgeholt“ habe. Das Ergebnis: Börsenwert verdoppelt – Belegschaft dezimiert. 

In der Corona-Krise wurde Mitbestimmung zum Schlüssel für das Kapital: Statt für Gesundheit, Löhne und Jobs zu kämpfen, inszenierten sich viele Betriebsräte als kooperative Krisenmanager. Der ehemalige IG-Metall-Chef Jörg Hofmann betonte stolz, man habe „nicht blockiert, sondern gemeinsam mit den Arbeitgebern Lösungen gesucht“, um „die Unternehmen durch die Krise zu bringen“. Damit habe man „Verantwortung übernommen“. Hofmanns Aussagen sagen alles: Der Betriebsrat versteht sich nicht als Gegenmacht, sondern als Stabilitätsgarant. In der Krise zeigte die Mitbestimmung nicht ihr Versagen, sondern ihren wahren Charakter: Integration statt Kampf. 

Wenn die Bosse applaudieren 

Wie effektiv Mitbestimmung das System stabilisiert, zeigen die zufriedenen Kommentare der Kapitalisten selbst. Auf der diesjährigen Hans-Böckler-Konferenz hörte man den ehemaligen Goldman-Sachs-Manager und heutigen Investor Alexander Dibelius voller Lob sagen: „Ich bin ein absoluter Fan der Mitbestimmung. […] Wenn wir dann mal nach der harten Auseinandersetzung etwas entschieden haben, dann ist es auch umsetzbar.“  

An anderer Stelle bringt der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Siemens, Joe Kaiser, die Funktion der Mitbestimmung auf den Punkt: „Das Modell der Mitbestimmung ist ein deutsches Erfolgsmodell. Es festigt den sozialen Frieden in den Betrieben.“ 

Hans-Werner Sinn, Präsident des Münchner Ifo-Instituts, präzisierte, dass Mitbestimmung „Vorteile haben [kann], weil die Interessengegensätze mit den Arbeitnehmern nicht auf der Straße ausgetragen werden müssen.“ 

Die Mitbestimmung wird von der Kapitalistenklasse nicht gefürchtet, sondern geschätzt. Sie sorgt für Ruhe, Disziplin und Planbarkeit – gerade in Krisen. Betriebsräte werden nicht als Störfaktor gesehen, sondern als verlässliche Partner. 

SCHLIESS DICH DEN KOMMUNISTEN AN!

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