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Die IG Metall feierte ein Weihnachtswunder zum Ende des letzten Jahres in Hannover. Sie konnten betriebsbedingte Kündigungen, Werksschließungen und Lohnkürzungen abwenden. Doch in Wahrheit stellt das Ergebnis der Tarifrunde zum Haustarifvertrag der Volkswagen AG eine Niederlage für die gesamte Autoindustrie dar.
Was wurde verhandelt?
Um Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen zu verhindern, sollen die VW-Arbeiter auf Lohnerhöhungen verzichten. Zusätzlich werden bis 2030 Bonuszahlungen für zwei Jahre gestrichen und danach stark reduziert. Diese lagen in den letzten Jahren bei etwa 2.500 bis 3.000 Euro pro Jahr. Auch das Urlaubsgeld soll gestrichen werden. Ab 2027 sollen nur Mitglieder der IG Metall gestaffelte Teilbeträge erhalten.
Das Entgeltergebnis entspricht somit nicht nur einer Null-Runde, sondern einem klaren Reallohnverlust, auch ohne den Verzicht auf Boni und Urlaubsgeldern. Denn die Preise steigen weiter an.
Diese Einigung soll nun bis 2030 gelten. Doch der Lohnverzicht gewährleistet trotzdem keinesfalls, dass keine Stellen abgebaut werden. Insgesamt sollen nämlich 35.000 Stellen „sozialverträglich“ gekürzt werden. Zudem wird VW die Produktionskapazitäten massiv zurückfahren. Laut VW-Marken-Chef Schäfer sollen diese bis 2030 um 734.000 Autos pro Jahr abgebaut werden. Diese Einsparungen entsprechen ungefähr den Schließungen von drei VW-Werken. Das spätestens in fünf Jahren nicht dennoch Werke geschlossen werden, ist damit aber auch nicht garantiert.
Insgesamt spart der Konzern nun 15 Milliarden Euro pro Jahr. Davon ungefähr 1,5 Milliarden an den Löhnen der Arbeiter. So wälzt VW ihre Krise auf ihre Arbeiter ab. Obwohl es stimmt, dass VW einen massiven Gewinneinbruch zu verzeichnen hatte, mangelt es trotzdem nicht an Dividenden.
Noch im vergangenen Jahr hat VW die Dividendenausschüttung von 2023 von 4,5 Milliarden Euro an die Aktionäre veranlasst. Für die Jahre 2021 bis 2023 hat der Konzern insgesamt mehr als 22 Milliarden Euro an Dividenden ausgeschüttet. Großaktionäre wie die Familien Piëch oder Porsche haben also ordentlich abgesahnt, obwohl die Krise von VW bereits abzusehen war.
Selbst der Ex-VW-Chef Martin Winterkorn, der sich wegen der Dieselaffäre von 2015 vor Gericht verantworten muss, bekommt eine höhere Rente ausgezahlt als jeder VW-Arbeiter an Lohn verdient. Die 3.100 Euro Rentenbeiträge, die der gute Mann täglich kassiert, hätten ebenso gekürzt werden können, bevor auch nur ein Arbeiter weniger Gehalt bekommt.
Wo war der Kampf?
Vor Abschluss der Haustarifrunde protestierten an zwei Warnstreiktagen über Hunderttausend Arbeiter an den Volkswagen-Standorten, um die Angriffe ihrer Bosse abzuwehren. Das zeigt, dass eine enorme Mobilisierungskraft vorhanden gewesen wäre.
Die IG-Metall-Führung verhandelte im Dezember eine enorme Niederlage, ohne einen ernsthaften Kampf zu führen und ohne auch nur einen Arbeiter nach der Meinung zu dem Ergebnis zu fragen. Das hätte in Form einer Urabstimmung stattfinden können.
Gerade bei einem Kampf, bei dem es um Tausende Arbeitsplätze geht, hätte man bis zum Schluss und mit Vollstreik kämpfen müssen, um jede Stelle und jedes Werk zu retten und gleichzeitig höhere Löhne zu erkämpfen. Für Dividenden war ja auch genug Geld da!
Die Krise betrifft nicht nur VW
In der gesamten deutschen Industrie nehmen die Angriffe der Herrschenden zu. Gesamtmetall, die Interessenvertretung der Bosse in der Metall- und Elektroindustrie, warnt vor einer Zunahme des Stellenabbaus und prognostiziert, dass in den nächsten fünf Jahren bis zu 300.000 weitere Stellen gestrichen werden. Die Automobilbranche steht dabei im Rampenlicht. Mehrere Zehntausend Stellen sind bedroht.
Auch die VW-Tochterunternehmen wollen Stellen streichen. So will Porsche bis 2029 1.900 Stellen abbauen, was fünf Prozent der Belegschaft in Deutschland entspricht. Die VW-Tochter Audi will laut betriebsinternen Berichten Sparpläne in Milliardenhöhe durchsetzen. Dabei sollen laut Handelsblatt Tarifverträge angegriffen und Outsourcing-Pläne für ganze Bereiche verfolgt werden. Außerdem sollen 40-Stunden-Verträge drastisch reduziert, die Erfolgsbeteiligung beschnitten und Jubiläumszahlungen gestrichen werden. Zudem haben diverse Zulieferfirmen Stellenabbau angekündigt, z.B. bei Bosch, ZF, Continental oder Schaeffler.
Dass die IG-Metall-Führung nun bei VW eingeknickt ist, setzt den Ton für jeden weiteren Abwehrkampf. Die Industriearbeiter müssen für eine Deindustrialisierung zahlen, die die Herrschenden selbst verursacht haben. Es sind nicht die Arbeiter gewesen, die sich geweigert haben, in neue Technologien zu investieren. Das waren die Herrschenden selbst, denn im Kapitalismus investieren sie nur dann, wenn es auch unmittelbar profitabel ist. So haben sie selbst zu verantworten, dass die deutschen Autohersteller hinter USA und China zurückgefallen sind. Der Ukraine-Krieg und die Energiekrise haben diesen Prozess weiter beschleunigt und auch Trumps drohende Zollpolitik würde die Lage für die Autoindustrie in Deutschland nochmals drastisch verschlechtern.
Gegenwehr jetzt!
Anstelle von einer Gegenwehr in Form von Streiks richtet IG Metall Appelle an die kommende Bundesregierung, in zukunftssichere Arbeitsplätze, neue Technologien und erneuerbare Energien zu investieren. Ebenso soll der Staat nur Unternehmen beauftragen und fördern, die sich an Tarifverträge halten, Beschäftigung sichern und Standorte erhalten.
Damit gibt sie ihre eigene politische Verantwortung an eine Regierung ab, für die diese Investitionen schlichtweg nicht möglich sein werden. Jede Regierung, die kommt und die Profite der Kapitalisten aufrechterhalten will, wird sich in der anhaltenden Krise dem Sparzwang unterwerfen müssen und weitere Angriffe auf den Lebensstandard durchführen. Was es braucht, ist Streik auf allen Ebenen der Industrie. Das hätte die IG Metall schon während der VW-Haustarifrunde und der Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie organisieren müssen.
Doch die Angriffe sind nicht vorbei und müssen bekämpft werden. Jede Drohung von Stellenabbau muss Streik zur Folge haben und jeder drohenden Werksschließung müssen Betriebsbesetzungen entgegengestellt werden. Die IG-Metall-Führung wischt solche Kampfmaßnahmen immer mit der fehlenden Mobilisierungskraft oder Kampferfahrung beiseite. Dabei liegt der Organisationsgrad bei VW bei 90%.
Für Arbeiterkontrolle!
Wenn die IG Metall den Kampf um jeden Arbeitsplatz führt, muss keine Stelle verloren gehen. Zusätzlich dazu braucht es Konzepte, wie man die Produktion umstellen könnte. Statt weiter Autos zu produzieren, die sich kaum jemand leisten kann und die den Planeten zerstören, könnte das Schienennetz weiter ausgebaut und mehr Züge produziert werden. Das wäre möglich, wenn massiv in ein Umschulungsprogramm investiert wird.
Dazu müssen die Arbeiter der Automobilbranche aber selbst darüber entscheiden, was produziert werden könnte und wie. Sie haben die Erfahrung und Kenntnisse, mit denen sie die besten Konzepte hervorbringen können. Dafür braucht es Arbeiterkontrolle in den Betrieben und eine Auflösung des Geschäftsgeheimnisses. Wenn die Bosse die Pläne der Arbeiter nicht umsetzen wollen und behaupten, dass das Geld nicht da wäre und sie deswegen dennoch Stellen streichen wollen, können so die Arbeiter die Einsicht in die Geschäftsbücher fordern.
Wenn sich VW, Audi, BMW und Co. dennoch weigern, definiert die IG Metall den nächsten Schritt in ihrer Satzung selbst: die Überführung von Schlüsselindustrien und anderen markt- und wirtschaftsbeherrschenden Unternehmungen in Gemeineigentum.
Die Krise des Kapitalismus wird weiter voranschreiten. Massenentlassungen wie in der Autoindustrie stehen auch in weiteren Branchen an. Der gesamte DGB muss jetzt in die Offensive gehen, in allen Bereichen dagegen ankämpfen und eine Kampagne für die Kontrolle der Arbeiter in ihren Betrieben führen.