Es herrscht Kampfstimmung in den Werkshallen von VW. In ihrem Rücken hat die Belegschaft die größte Gewerkschaft weltweit. Die Streikkasse ist mit 1,1 Mrd. Euro gut gefüllt. Der Betriebsrat macht eine deutliche Kampfansage: „Mit mir, Daniela Cavallo, Gesamt- und Konzernbetriebsratsvorsitzende der Volkswagen AG, wird es hierzulande keine Werksschließungen geben.“
Alle Voraussetzungen für einen erfolgreichen Arbeitskampf sind erfüllt. An allen Standorten können unbefristete Streiks vorbereitet werden. In Belgien kam es bei der VW-Tochter Audi bereits zu Arbeitsniederlegungen. Gleichzeitig findet die Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie statt. Zusammengenommen ist dies ein riesiger Hebel, um in die Offensive zu gehen und die Geschäftsführungen in die Knie zu zwingen.
Der VW-Vorstand behauptet, dass ihnen bis zu 5 Mrd. Euro fehlen. Dabei hat der Konzern laut Jahresbericht eine Gewinnrücklage von 147 Mrd. Euro. Der Nettogewinn lag letztes Jahr bei rund 18 Mrd. Euro. Dieses Jahr wurden 4,5 Mrd. an Aktionäre ausgeschüttet, davon alleine 1 Mrd. an den Piëch-Porsche-Clan, der ein Vermögen von knapp 40 Mrd. Euro besitzt.
Nehmen wir irrationalerweise kurz an, dass die Kasse tatsächlich knapp ist. Selbst dann gäbe es noch die Möglichkeit einer Verstaatlichung. Erst kürzlich haben Bund und das Land Niedersachsen rund 80 % der Anteile der Meyer Werft übernommen und den Kreuzfahrtschiff-Hersteller mit 400 Mio. Euro sowie weiteren Bürgschaften gestützt. Die restlichen 20 % blieben aber weiterhin im Besitz der Meyer Familie. Das Unternehmen und unsere armen VW-Eigentümer sollte man aber vielmehr entschädigungslos enteignen.
Mit der Logik des Feindes in die Niederlage
So gesehen steht den 120.000 VW-Beschäftigten nichts im Weg. Mit genügend Kampfeswille lassen sich unter diesen Voraussetzungen Berge versetzen. Doch durch die Hintertür von „Wettbewerbsfähigkeit“ werden immer wieder die Interessen der Bosse in die Verhandlungen eingeschleust. So sind faule Kompromisse vorbestimmt.
Um trotz ihrer harten Aussage, die Sozialpartnerschaft zu pflegen, sagte die Betriebsratsvorsitzende Cavallo: „Wir erwarten vom Vorstand – wie wir das immer getan haben –, dass wir Lösungen finden, wie wir natürlich das Thema Wirtschaftlichkeit umsetzen. Weil uns ist besonders klar als Betriebsrat, wenn wir nicht Geld verdienen, können wir uns die Investition nicht leisten und dann können wir uns auch nicht die Zukunft organisieren.“
In dem sie „problemlösungsoriertiert“ auftritt, ordnet sie sich dem Profitstreben der Kapitalisten unter. Nun versucht man, mit aller Kraft zu beweisen, dass hoher Lohn und hoher Profit zu vereinen sind.
So argumentiert die IG Metall: „Nur mit mehr privatem Konsum wird es wieder Wirtschaftswachstum geben. Das kann jedoch nur funktionieren, wenn die Menschen auch mehr Geld im Portemonnaie und damit mehr Kaufkraft haben. 3,8 Millionen Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie mit ihren Familien haben dabei ein großes Gewicht.“
Ökologischer Wandel wird mit „mehr Gewinn“ gleichgesetzt. Elektromobilität mache die Autoindustrie zukunftssicher. Mit „grünem Stahl“ könne man im globalen Wettbewerb bestehen.
Diese Argumentationsketten führen letztlich in den Ruin. In einer Wirtschaftskrise ist die Ausbeutung der Arbeiter nicht mehr profitabel. Deswegen hat der VW-Betriebsrat Ende letztes Jahr den Personalkostensenkungen in der Verwaltung um 20 % zugestimmt. Deswegen wird von einer Viertage-Woche, aber mit Absenkung der Gehälter, gesprochen. Deswegen fordern Betriebsratsvorsitzende wie Jörg Schlagbauer von Audi ein Aufweichen des EU-Verbrennerverbots.
Besser Leben ohne „Wettbewerbsfähigkeit“
Hohe Profite sind ein schlechter Maßstab für die Bedürfnisse der Menschen. In ihrem Buch „Spurwechsel“ schreiben Mario Candeias, Stephan Krull (ehemaliges VW-Betriebsratsmitglied) und weitere über eine Umwandlung der Autoindustrie. Hier, inklusive der Zulieferbetriebe, arbeiten rund 800.000 Beschäftigte. Wenn sich die Anzahl der Fahrgäste bei ÖPNV und Bahn mehr als verdoppelt, werden bis zu 235.000 zusätzliche Arbeitskräfte benötigt, die direkt aus der Autoindustrie übernommen werden könnten. Weitere werden benötigt in der Produktion von E-Bussen und der Fahrradindustrie.
Es ist offensichtlich, dass allerhand zu tun ist, um Deutschland instand zu setzen. Dafür wird jeder einzelne Arbeiter mit seinem Wissen benötigt. Anstatt gleichzeitigem Engpass und Überfluss, könnten die Kräfte rational eingeplant werden. Schnell würde deutlich, dass alle weniger in der Woche arbeiten können.
Der VW-Betriebsrat schlägt konkrete Veränderungen vor und macht deutlich: Die obere Etage ist verantwortlich für das Missmanagement. Dies zeigt wieder einmal, dass die Arbeiter ihren Betrieb besser leiten können als die Bosse. Schon in den 70ern und 80ern gab es eine Welle von Plänen zur alternativen Produktion – insbesondere in der Rüstungsproduktion.
Gewerkschaftsführung und Betriebsrat müssen nun auf kämpferische Worte Taten folgen lassen. Wenn die VW-Arbeiter für Verstaatlichung und Arbeiterkontrolle kämpfen, werden sie siegreich sein!