Der europäische Aufrüstungsplan wird von den herrschenden Klassen in vielerlei Hinsicht gerechtfertigt. So auch mit der Vorstellung, dass riesige Investitionen in Waffen einen Wirtschaftsboom auf dem alten europäischen Kontinent auslösen und uns aus der langanhaltenden wirtschaftlichen Stagnation herausführen können.
Martin Wolf, Guru der Financial Times, schrieb: „Militärausgaben sind ein Segen für die Wirtschaft (…) Historisch gesehen sind Kriege die Mutter der Innovation (…) Krieg ist eine wirtschaftliche Chance.“ Janan Ganesh schloss sich ihm an: „Europa muss den Wohlfahrtsstaat kürzen, um einen Kriegsstaat aufzubauen.“
Selbst wenn dieser Ansatz richtig wäre – und das ist er nicht –, gäbe es ein Problem: Europa ist völlig von amerikanischer Technologie und Rüstungsindustrie abhängig. Rund zwei Drittel der Waffen, die die europäischen NATO-Mitglieder in den letzten fünf Jahren importiert haben, wurden in den USA hergestellt.
Deutschland hat die Schuldenbremse zugunsten höherer Militärausgaben gelockert. Großbritannien, Frankreich und das arme kleine Italien (letzteres mit deutlich geringeren wirtschaftlichen Spielräumen) bereiten sich darauf vor, dasselbe zu tun. Es braut sich eine kolossale Verschuldung zusammen, eine Art „Militärkeynesianismus“. Kann ein solcher Plan, abgesehen von den moralischen Implikationen einer „Weniger Butter, mehr Waffen“-Politik, auf rein wirtschaftlicher Ebene funktionieren?
Da Wolf die Geschichte erwähnt, wollen wir einen Blick auf die Vergangenheit werfen. Die Depression zwischen den beiden Weltkriegen endete mit der Mobilisierung für den Krieg und, was noch wichtiger war, mit dem Ausbruch des eigentlichen Krieges und der daraus resultierenden Vernichtung von Menschenleben, fiktivem Kapital und überschüssigen Waren.
Kriege „lösen“ Überproduktionskrisen; eine bloße Erhöhung der Militärausgaben reicht nicht aus. Waffen kurbeln die Wirtschaft nur in dem Maße an, wie sie für neue und verheerende globale Massaker eingesetzt werden.
Boom und Rezession
Betrachtet man die Nachkriegszeit, lässt sich leicht feststellen, dass der sogenannte Kalte Krieg, der einen seiner Hauptkonfliktschauplätze in Europa hatte, in den 1950er Jahren in den meisten europäischen Ländern, mit Ausnahme Deutschlands, zu einem enormen Anstieg der Militärausgaben führte.
Diese Ausgaben halbierten sich in den 1960er Jahren im Durchschnitt, doch der Höhepunkt des Booms lag genau Ende der 1960er Jahre. Es besteht daher kein direkter Zusammenhang zwischen Militärausgaben und Boom. Noch interessanter ist, dass es die Länder waren, die den Krieg verloren hatten (Deutschland und Japan), denen verboten wurde, Geld für den Wiederaufbau ihrer Armeen auszugeben, die das größte Wirtschaftswachstum verzeichneten. Das heißt, Investitionen in die zivile Wirtschaft hatten einen viel stärkeren Einfluss auf die Wirtschaft als Rüstungsausgaben.
Im Gegensatz zu den Behauptungen der Experten der Financial Times führen die Rüstungsausgaben eher zu einer wirtschaftlichen Schädigung als zu einer Erholung der Wirtschaft.
Nach dem Zweiten Weltkrieg etablierten sich die USA als Weltpolizist und führten zahlreiche Kriege (Korea, Vietnam, Afghanistan, Irak usw.).
Trotz der beträchtlichen finanziellen Reserven, die dem US-Kapitalismus zur Verfügung standen, wurden diese Kriege auf lange Sicht zu einer kolossalen Belastung für die Wirtschaft und verwandelten Washington vom größten Gläubiger der Welt in ihren größten Schuldner.
Darüber hinaus führen Rüstungsausgaben zu Inflation, da sie die im Umlauf befindliche Geldmenge (in Form von Staatsschulden) erhöhen, ohne dass ein entsprechendes Maß an Waren auf dem Markt produziert wird.
Waffen und der Kapitalreproduktionszyklus
Marx erklärte, dass alle Waren einen Gebrauchswert und einen Tauschwert haben. Der Gebrauchswert einer Zigarre besteht darin, dass man sie rauchen kann. Der Gebrauchswert von Waffen besteht darin, dass man sie im Krieg einsetzen kann.
Doch die meisten Waffen, angefangen bei den Atomwaffen, bleiben weiterhin in Lagerbeständen. Wenn ein Krieg ausbricht, wie in der Ukraine, sind die Reserven erschöpft und die Waffenhersteller machen riesige Gewinne.
Dies ändert jedoch nichts an der allgemeinen Natur der Rüstungsausgaben in der kapitalistischen Gesellschaft, die überwiegend unproduktiv sind. Das Geld für den Kauf von Waffen kommt vom Staat, also aus den Steuern der Arbeiter und in geringerem Maße der Kapitalisten. Diese Ausgaben (selbst wenn sie geliehen sind) stammen also letztlich aus dem durch die reale Produktion geschaffenen Reichtum.
Was mit den Ausgaben für Waffen passiert, ist, dass ein Teil des durch Lohnarbeit geschaffenen Mehrwerts nicht in die Wirtschaft reinvestiert wird. Militärausgaben werden nicht in die Produktion und den sogenannten Reproduktionszyklus des Kapitalismus reinvestiert.
Mit Marx‘ Worten: Es handelt sich um Geld, das in der Wirtschaft zirkuliert (in Form von Profiten für die Waffenhersteller), ohne dass es einen entsprechenden Wert in Form realer Waren gibt.
Butter statt Waffen
Während des Ersten Weltkriegs sagte ein Pazifist zu Lenin, der Krieg sei „schrecklich“. Lenins Antwort war: „Schrecklich, ja, aber schrecklich profitabel“.
Es ist kein Geheimnis, dass die einzigen, die vom Anstieg der Militärausgaben profitieren, die großen Rüstungskonzerne sind. Im Jahr 2024 erreichten die weltweiten Militärausgaben die schwindelerregende Summe von 2,718 Billionen USD und markierten damit den größten jährlichen Anstieg (+9,4 %) seit dem Kalten Krieg. In Europa betrug dieser Anstieg jedoch 17 %, also fast das Doppelte!
Die Wahrheit ist, dass wir uns mit großen Schritten auf eine zunehmend militarisierte Gesellschaft zubewegen.
Die Hälfte der weltweit verkauften Waffen wird in den USA produziert. Die fünf größten US-Rüstungsunternehmen haben in den ersten neun Monaten des Jahres 2024 ihre Umsätze um 11,2 % gesteigert. Lockheed Martin, der Weltmarktführer, führte das Rennen mit einem Umsatz von 52,42 Milliarden USD und einem Nettogewinn von 5,05 Milliarden USD an.
Diese Unternehmen des militärisch-industriellen Komplexes sind völlig parasitär und leben auf Kosten der Arbeiter.
Die Arbeiterklasse und die Jugend müssen einen umfassenden Krieg gegen den erschütternden Anstieg von Militarismus, Krieg und Sparmaßnahmen führen.
Statt eines Wiederaufrüstungsplans müssen wir kämpfen für:
- Ein Programm für sozial nützliche öffentliche Arbeiten.
- Mehr Ausgaben für Bildung und Gesundheit. Bücher und Krankenhäuser, nicht Bomben.
- Verstaatlichung unter Arbeiterkontrolle und Umstellung der Rüstungsindustrie auf zivile Zwecke.
- Einen sozialistischen Produktionsplan, der den Frieden zwischen den Völkern und ein Ende der Ausbeutung der Menschheit zum Ziel hat.