Elon Musk wolle, so SPD-Chef Lars Klingbeil, Deutschland ins Unheil stürzen. Der Tech-Milliardär und Berater des US-Präsidenten Donald Trump versuche „nichts anderes als Wladimir Putin“. Musk hatte sich in einem Gastbeitrag in der „Welt“ für die AfD als letzte Hoffnung Deutschlands angesichts der Bundestagswahl am 23. Februar ausgesprochen.
Klingbeil erklärte mit Blick auf das russische Staatsoberhaupt: „Beide wollen unsere Wahlen beeinflussen und unterstützen gezielt die Demokratiefeinde der AfD. Sie wollen, dass Deutschland geschwächt wird und ins Chaos stürzt.“
Einen weiteren Aufschrei der bürgerlichen Öffentlichkeit provozierte das Live-Interview Musks mit der AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel auf dessen Plattform X. Sogar die EU-Kommission ermittelt, ob der Milliardär die Reichweite des Streams manipuliert hat, um Einfluss auf die Wahl zu nehmen.
Warum die Empörung? Es ist Alltag in der Diktatur der Reichen, dass Medienunternehmen Kandidaten interviewen – und auch selbst darüber entscheiden, wem sie eine Plattform geben und Wahlempfehlungen für die Kandidaten aussprechen, die deren Interessen als Produktionsmittelbesitzer am besten vertreten.
Auch direkt nehmen Kapitalisten Einfluss auf die Entscheidungen in der Politik, etwa durch Bestechung mit Spenden und Aufsichtsratsposten, ihre Lobbyorganisationen und Unternehmerverbände. Diese Verflechtung ist das Wesensmerkmal des bürgerlichen Staats und der parlamentarischen Demokratie.
Der große Bruder wendet sich ab…
Was der herrschenden Klasse in Deutschland schlaflose Nächte bereitet, ist vielmehr der Fakt, dass ein Berater des US-Präsidenten sich deutlich gegen ihre Interessen ausspricht. Das drückt gewaltige Umwälzungen in den internationalen Beziehungen aus.
Donald Trump hat einerseits heftige Schutzzölle auf Importe in den USA angekündigt. Die Vereinigten Staaten sind der wichtigste Exportabnehmer Deutschlands. 1,2 Millionen Arbeitsplätze hierzulande hängen von diesem Geschäft ab laut einer Studie des Prognos-Instituts. Das entspreche 10% aller zwölf Millionen Stellen, die direkt und indirekt auf Ausfuhren angewiesen seien.
Andererseits fordert der neue US-Präsident, dass NATO-Länder 5% statt wie zuvor 2% ihres Bruttoinlandprodukts (BIP) für Rüstung ausgeben. In der Vergangenheit hatte Trump gedroht, bei zu geringen Militärausgaben eines NATO-Partners diesem im Bündnisfall nicht zur Seite zu stehen.
Sowohl Trumps Protektionismus als auch dessen NATO-Politik sind ein Alptraum der Herrschenden in Deutschland. Seit ihrer Staatsgründung 1949 ist die Bundesrepublik auf die USA angewiesen. Freihandel mit und der militärische Schutz durch die Vereinigten Staaten waren die wesentlichen Faktoren für den Wiederaufstieg und Erfolg des deutschen Imperialismus. Die BRD diente den USA wiederum als Frontstaat gegen die Sowjetunion.
Doch diese Zeiten sind längst vorbei. Zum einen war der Nachkriegsaufschwung die materielle Grundlage für die ökonomische und wirtschaftliche Unterstützung Deutschlands. Heute herrscht auf der ganzen Welt und in jedem Sektor eine Überproduktionskrise.
„America first“ heißt deswegen die Devise des US-Imperialismus, unabhängig von Trump. Auch dessen Vorgänger Joe Biden setzte schon auf protektionistische Maßnahmen wie beispielsweise den Inflation Reduction Act.
Zum anderen hat sich nach dem Untergang der Sowjetunion und mit dem kapitalistischen Aufstieg Chinas der Schwerpunkt der USA zunehmend nach Fernost verlagert.
Vor unseren Augen vollzieht sich ein Kampf um die Neuaufteilung der Welt, vor allem zwischen der Volksrepublik und den Vereinigten Staaten. Um darauf seine Kräfte zu bündeln, will Trump den Ukraine-Krieg möglichst schnell beenden.
… und der kleine Bruder verfällt in Schockstarre
Das ist der Hintergrund, vor dem sich die Bundestagswahl abspielt. Der deutsche Imperialismus muss sich in einer neuen Weltordnung zurechtfinden. Die Zeit drängt: Das zweite Jahr in Folge ist die Wirtschaft hierzulande geschrumpft.
Doch wer in die Programme der Parteien, aber auch die Analysen der Wirtschaftsverbände schaut, der sieht vor allem eines: Schockstarre. Die Herrschenden sind geistig in den „guten alten Zeiten“ verfangen, die nicht wiederkehren werden.
Die CDU, die laut den Umfragen die Wahl gewinnen wird, verspricht mit ihrer „Agenda 2030“ ein Wirtschaftswachstum von 2%. Um dieses zweckoptimistische Ziel zu erreichen, sieht das Programm Steuersenkungen, Kürzungen von Sozialleistungen und eine Erhöhung der Ausbeutung vor.
Mit Steuererleichterungen will die Union etwa dazu anheizen, Überstunden zu leisten und im Rentenalter weiterzuarbeiten. „Arbeitsverweigerern“ dagegen sollen Sozialleistungen vollständig gekürzt werden, genauso wie Flüchtlingen ohne Aufenthaltstitel.
Ähnliches wie die CDU fordert auch die FDP: Steuersenkungen und Mehrarbeit. Einig sind sie sich auch beim Abbau der staatlichen Bürokratie, um den Haushalt zu entlasten und Investitionen zu erleichtern.
Hinter dieses Programm stellt sich der Präsident des Arbeitgeberverbandes Rainer Dulger, der sich eine Koalition der beiden Parteien wünscht. Doch Ökonomen warnen, dass deren Pläne nicht gegenfinanziert seien, obwohl sowohl CDU als auch FDP an der Schuldenbremse festhalten.
SPD und Grüne wiederum wollen Investitionen durch eine Reichen- und Erbschaftssteuer sowie durch Kredite finanzieren. Einer der beiden Parteien wird voraussichtlich den Koalitionspartner der CDU stellen – als Juniorpartner.
Schon die Ampel-Regierung, wo Sozialdemokraten und Grüne die Mehrheit hatten, zerbrach am Widerstand der herrschenden Klasse, vermittelt durch die FDP. Das Kapital will keine hauptsächlich kreditfinanzierte Investitionspolitik. Zu sehr fürchten sie das Schreckgespenst der Inflation. Außerdem soll eine Steigerung der Ausbeutung der Arbeiterklasse die deutsche Wirtschaft konkurrenzfähiger machen. Daher unterstützt Dulger Schwarz-Gelb.
Doch so oder so wird die kommende Regierung keinen Ausweg aus der Krise finden. Im Kapitalismus investieren Unternehmen nur in die Produktion, wenn es für sie profitabel ist. Wegen der globalen Überproduktion laufen die Fabriken seit Jahrzehnten schon unter ihrer maximalen Auslastung.
Es spielt also keine Rolle, ob Unternehmen durch Schulden, geringere Steuern oder durch Angriffe auf die Arbeiterklasse und Armen unterstützt werden. Am Ende landet das Geld in den Taschen der Kapitalisten, nicht in Produktionsanlagen, oder wird verspekuliert.
Aber ohne Investitionen wird die deutsche Wirtschaft im internationalen Wettbewerb untergehen. Deswegen stehen wir vor einem industriellen Niedergang, egal welche Partei die Bundestagswahl gewinnt.
Verzweifelte Liebesbeweise…
Vor dem Ukraine-Krieg waren billiges Öl und Gas aus Russland ein entscheidender Wettbewerbsvorteil, mit dem deutsche Unternehmen ihre Konkurrenten auf dem Weltmarkt unterbieten konnten. Das war der Grund, warum die Weltwirtschaftskrise von 2008 sie nicht so heftig traf.
US-Präsident Biden zog die deutsche herrschende Klasse in den Konflikt mit Russland, in dem sie nichts zu gewinnen, aber alles zu verlieren hatte. Sie klammerte sich an den Rockzipfel des großen Bruders in der Hoffnung, dass dieser ihn nicht fallen lassen wird.
So sind auch die aktuellen Debatten im Wahlkampf zu verstehen. Keine der etablierten Parteien hinterfragt den Krieg in der Ukraine. CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz und die FDP wollen Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern, mit denen Ziele in Russland beschossen werden sollen.
Robert Habeck, der für die Grünen im Rennen ist, setzt sich dafür ein, 3,5% des BIPs in die Aufrüstung Deutschlands zu investieren, um sich Trumps Forderung anzunähern.
Zwar lehnt die SPD beides ab und spricht im Wahlprogramm von „Besonnenheit und Augenmaß“. Doch dort heißt es auch: „Die Souveränität und die territoriale Integrität der Ukraine müssen gewahrt bleiben.“
Angesichts deren militärischer Niederlage ist das eine wahnwitzige Vorstellung. Das Zwei-Prozent-Ziel der NATO stellen die Sozialdemokraten aber nicht in Frage, genauso wenig wie die Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland.
Während die etablierten Parteien Russland verfluchen und transatlantische Geschlossenheit beschwören, will Trump im Alleingang Frieden in der Ukraine verhandeln. Der US-Imperialismus hat den Krieg zwar verloren. Trotzdem konnte er die Verbindung zwischen Russland und Europa nachhaltig kappen.
Die Herrschenden hierzulande schauen währenddessen in den Abgrund. Der deutsche Imperialismus ist ohne die USA und die NATO zu schwach, eine Rolle auf der Weltbühne zu spielen. Aber der Kampf um die Märkte spitzt sich durch die Überproduktionskrise zu. Deutschland muss handeln. Deswegen die verzweifelte Anbiederung an die Vereinigten Staaten und die Aufrüstung.
Tatsächlich beschleunigt der Militarismus aber nur den Niedergang, weil er Löcher in die Haushalte frisst, besonders wenn die Profite nicht sprudeln. Die Ampel ging bereits am Versuch zugrunde, den Etat für 2024 aufzustellen. Weitere Regierungen werden ihr folgen.
… und Kuschelkurs der Alternativen
Die Unfähigkeit der etablierten Parteien, der Krise etwas entgegenzusetzen, eröffnet Kräften wie der AfD und dem BSW die Chance, sich als vermeintliche Alternative in die Strategie-Debatte des deutschen Imperialismus einzubringen. Nicht Musk, sondern die Herrschenden selbst haben dieses Chaos heraufbeschworen.
Sowohl AfD als auch BSW sehen den Konflikt mit Russland als Ursache für den Niedergang der Wirtschaft und jammern über die Bevorzugung der Großkonzerne gegenüber dem „Mittelstand“ bei Subventionen. Das Problem ist für sie allein das Versagen der etablierten Parteien.
Damit sind auch AfD und BSW in der Vergangenheit hängengeblieben. Die Monopole geben den Ton im Staat an, weil sie heute der bestimmende Faktor der Wirtschaft sind in Deutschland und weltweit. Deren Profitinteressen sind außerdem die Wurzel für Militarismus und Krieg. Das bedeutet der Kapitalismus im Stadium des Imperialismus.
Das Kapital wiederum hasst die AfD und das BSW, weil sie die transatlantische Zusammenarbeit in Frage stellen – genauso wie die EU, ein weiteres Werkzeug der Imperialisten.
Doch statt den Kampf gegen die Diktatur der Reichen zu führen, schielen die AfD und das BSW auf Regierungsbeteiligungen mit den etablierten Parteien. Diese wollen nicht mit ihnen zusammenarbeiten, wenn es sich vermeiden lässt. Daher gestalten sich mit der Zersplitterung der Parlamente Koalitionsverhandlungen immer schwieriger. Regierungen werden zunehmend instabil und handlungsunfähiger.
Unter solchen Umständen muss die nächste Regierung unabhängig von ihrer Zusammensetzung versuchen, den Platz des deutschen Imperialismus in einer neuen Weltordnung zu behaupten.
Die herrschende Klasse kann diese Situation nicht verstehen. Denn das wäre ein Eingeständnis ihres Niedergangs. An diesem werden auch mehr Ausbeutung, Spar- und Kürzungspolitik sowie die gewaltige Aufrüstung nichts ändern. Der verrottende deutsche Imperialismus wird zwischen den Großmächten USA und China zu Staub zermalmt werden.
Diese Situation würde einer starken Linken im Bundestag unzählige Möglichkeiten eröffnen, das Parlament als Plattform zu nutzen, die Machenschaften der Imperialisten zu enthüllen. Doch den Kampf müsste sie auf die Straße und in die Betriebe tragen, um die Kriegstreiber dort zu treffen, wo es ihnen wehtut: ihren Profiten.
Die LINKE wird diese Kraft nicht sein. Immer wieder hat sie gezeigt, dass für sie das Parlament das einzige Kampffeld ist und sie für Regierungsbeteiligungen alle Prinzipien über Bord werfen würde. Deswegen ringt sie jetzt um den Einzug in den Bundestag.
Gerade in der Kriegsfrage stellt sich die Partei vollständig hinter die Herrschenden: Eine konsequente Ablehnung der NATO, von Waffenlieferungen und des Genozids in Gaza vertritt sie nicht. Stattdessen säubert die LINKE Abweichler vom Kuschelkurs wie den Palästina-Aktivisten Ramsis Kilani.
Du hast trotzdem die Wahl!
Mit deinem Kreuz am 23. Februar kannst du den Militarismus und den industriellen Niedergang Deutschlands nicht aufhalten. Keine der Parteien wird dem etwas entgegensetzen. Und trotzdem kannst du jetzt die richtige Wahl treffen: Mach mit bei unserer Anti-Militarismus-Kampagne und bau die RKP auf!
Der Todeskampf des deutschen Imperialismus bedeutet heftige Angriffe auf die Massen. Diese Attacken werden aber die „guten alten Zeiten“ nicht wiederbringen. Und das wird Widerstand provozieren. Die RKP will diesen Kampf auf die tatsächliche Ursache lenken: den Kapitalismus in seinem imperialistischen Stadium. Bereite dich mit uns darauf vor!