Eine neue ARD-Serie zeigt spannend auf, wie Imperialismus funktioniert: Alfred Herrhausen war bis zu seinem Tod 1989 der mächtigste Manager Deutschlands. Als Chef der Deutschen Bank war er einer der Schlüsselfiguren des deutschen Imperialismus und der Restauration des Kapitalismus im Ostblock. Was macht aber diese Serie nicht nur spannend, sondern auch politisch interessant?
„Nach einer wahren Geschichte. Soweit Geschichte wahr sein kann“. Von Anfang an schwebt dieser Cliffhanger über der Serie. Die offizielle Geschichte besagt, dass Herrhausen 1989 bei einem Anschlag durch die RAF starb. Jedoch ranken sich bis heute mehrere Spekulationen um die Hintermänner des Anschlages: Neben der Stasi werden mögliche Verstrickungen vom Verfassungsschutz und der CIA nicht ausgeschlossen. Zwar werden keine neuen Erkenntnisse in dieser Frage geliefert, aber das Drehbuch lässt den Zuschauer weitere Fragen aufwerfen.
Eine davon behandelt die Lüge der „deutsch-amerikanischen Freundschaft“. Das deutsche Kapital war dem amerikanischen um viele Schritte bei der Eroberung neuer Märkte im Ostblock voraus, was der amerikanischen herrschenden Klasse ein Dorn im Auge war. Beide kämpften um die Vorherrschaft im zerfallenden Ostblock. Herrhausen half der Sowjetbürokratie bei Glasnost und Perestroika, um die Restauration des Kapitalismus im Interesse des deutschen Finanzkapitals zu lenken – mit Milliardenkrediten von der Deutschen Bank.
Während Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) darin das Ende der DDR sah, ging das deutsche Finanzkapital unter Führung Herrhausens noch weiter: Sie erkannten darin die Chance um die Eroberung neuer Märkte und damit der Expansion des deutschen Imperialismus. „Wir wollen Kredite nicht verschenken. Wir wollen Märkte erschaffen […]. Wir müssen auch unsere Partner platzieren: Siemens, Thyssen, Daimler.“, so Herrhausen gegenüber Kohl an einem Badesee im Film.
Der Vierteiler thematisiert die enge Beziehung zwischen dem Finanzkapital und dem Staat. Helmut Kohl als Bundeskanzler auf der einen und Alfred Herrhausen als Deutsche Bank-Chef auf der anderen Seite verbindet eine politische Duzfreundschaft. Das ging im Film sogar so weit, dass Kohl Herrhausen tief in der Nacht anrief, um ihn über politische Entwicklungen zu informieren – oder dass sich beide persönlich im Urlaub trafen, um über die Ausrichtung der deutschen Außenpolitik zu diskutieren.
Beide Seiten sind voneinander abhängig. Kohl, der den Anschluss der kriselnden DDR an die BRD im Blick hatte, als auch Herrhausen, der durch den Fall des Stalinismus neue Märkte für das deutsche Kapital erschließen wollte. Er wurde von Kohl immer wieder in die Sowjetunion oder nach Ungarn zu Verhandlungen geschickt. Herrhausen trat de-facto als Finanz- und Außenminister in einer Person auf. „Ich weiß nicht, ob Herrhausen als Bankensprecher oder als Finanzminister hier ist“, so ein Akteur im Film. Das Phänomen dieser engen Verflechtung vom Staat mit dem Finanzkapital bezeichnen wir als Imperialismus, dem höchsten Stadium des Kapitalismus.
Der Lauf der Geschichte zeigte, dass der dadurch vergrößerte EU-Binnenmarkt nach Osten den deutschen Kapitalisten Extraprofite bescherte. Jedoch befindet sich heute der deutsche Imperialismus in einer tiefen Krise und schaut wehmütig zurück auf die „glorreichen Zeiten“. Daher empfehlen wir nicht nur das Studium von Lenins Buch über den Imperialismus, sondern auch die Filmserie „Herrhausen“, um den deutschen Imperialismus besser verstehen zu können.
„Herrhausen – Der Herr des Geldes“ kostenlos in der ARD Mediathek