„Das Philosophenschiff“ – Im Dienste der bürgerlichen Moral

Im Jahr des 100. Todestags von Lenin schafft es „Das Philosophenschiff“ auf die Longlist des deutschen Buchpreises. Der Autor Michael Köhlmeiers wärmt darin altbekannte Lügen und Verleumdungen über Lenin, Trotzki und den Bolschewismus auf. Die Literaturkritiker und Feuilletonisten hat das Buch so sehr begeistert, sie hielten es einer Auszeichnung würdig.

Köhlmeier versucht in seinem Roman anhand aus der Geschichte gerissener Schicksale den Roten Terror im Russischen Bürgerkrieg, nach der Oktoberrevolution 1917, als barbarischen Wahnsinn zu zeichnen. Lenin, porträtiert als kalter, teuflischer Kopf hinter den Bolschewiki und Trotzki, als Organisator, Lenins ausführende Hand – sie seien verantwortlich für die Erschießung und Deportation von Millionen unschuldiger Freigeister.

Künstler, Schriftsteller, Professoren, über deren politisches Wirken der Leser höchstens Anspielungen erfährt, macht Köhlmeier zu Opfern kaltblütiger und irrationaler Rache gekränkter Machthungriger. Den Bürgerkrieg verklärt er zu einem „Krieg der Armen und Ungebildeten, der Dummen und Bösartigen gegen die Intelligenzija“.

Die Methode hinter dem Buch ist nicht neu. Trotzki schrieb mal: „Die Lieblingsmethode des moralisierenden Philisters besteht darin, das Verhalten der Reaktion mit dem der Revolution zu identifizieren.“

Willkür und Despotismus

Der Roman unterschlägt den historischen Kontext, in dem der Bürgerkrieg stattfand und verklärt die Konterrevolution zur „Paranoia“ der Bolschewiki. „Immer wieder wurde von den Bolschewiken die Gefahr einer Konterrevolution heraufbeschworen“, erzählt die Protagonistin. Sie hätten mittels „Rechtfertigungspropaganda“ Gründe erdacht, um „jemanden zu erschießen“, oder zu deportieren – in aller Regel Unschuldige. Dem Leser drängt sich die „Einsicht“ auf: Der Rote Terror wäre eine barbarische Inszenierung gewesen. Lenin selbst kommt am Ende des Buches zu Wort: „Es gibt nur eine Macht. Die Macht zu töten.“ Getötet hätten die Bolschewiki, um ihren eigenen Wahn, ihre „Paranoia“, zu bestätigen und Lenins Machtgier zu befriedigen.

Diese Fälschung der Geschichte ist nur möglich, weil der Autor den Kontext des Bürgerkriegs verleugnet. Er erwähnt nicht die Invasion von 21 imperialistischen Armeen in die Sowjetunion, die zusammen mit der zarentreuen Weißen Armee weite Teile des Landes besetzen und dabei Bauern und Arbeiter mit Massenerschießungen, Folter und Pogromen unterdrückten. Diese Konterrevolution wollte die bolschewistische Regierung stürzen und die Führer der Oktoberrevolution auslöschen. Ihr Ziel war die Restauration des Kapitalismus und des Zarenreichs.

Stattdessen macht der Autor die weiße Armee zu einer Phantomarmee, ausgedacht von den Bolschewiken. Doch die historische Wahrheit ist, dass der Rote Terror eine Antwort auf die Attentate der Konterrevolution war. Zum Beispiel schoss 1918 die Sozialrevolutionärin Fanny Kaplan drei Mal auf Lenin. Zwei Kugeln verletzten ihn lebensgefährlich. Die Revolution hing am seidenen Faden.

Ihre Moral und unsere

Mittels seiner Geschichtsfälschung erhebt sich der Autor auf ein moralisches Podest und lässt den Leser über angeblich sinnlose Deportationen und Morde urteilen. Nur solange die Figuren der Konterrevolution im Roman geschichtslos erscheinen, kann man das Handeln der Bolschewiki vom Standpunkt einer scheinbar universellen Moral beurteilen.

Vom Gesichtspunkt der bürgerlichen Moral und dem zeitlosen „Humanismus“ wirkt der Rote Terror grausam. Diese Moral hat einen faulen Kern. Trotzki erklärte: „Hier wie sonst dient die Moral der Politik.“ So dient auch die bürgerliche Moral der herrschenden Klasse. Sie ist ein ideologisches Werkzeug, mit dem die Herrschenden ihre Ziele rechtfertigen und alles als unmoralisch verurteilen, das gegen ihre Interessen geht. Millionen toter Arbeiter und Bauern, Attentate auf die Bolschewiki, das war nach dieser Moral berechtigter Widerstand, während der revolutionäre Kampf um den Erhalt des ersten Arbeiterstaates als Terrorismus gebrandmarkt wird.

Wer sich der bürgerlichen Moral unterwirft bleibt, wie Trotzki formulierte, „Apostel der Sklaverei und Unterdrückung“. Wir Kommunisten haben eine andere Moral. Für uns gilt der proletarische Klassenstandpunkt als Kompass: Richtig ist, was die Befreiung der Arbeiterklasse aus der kapitalistischen Ausbeutung vorantreibt und den Klassenfeind schwächt. Trotzki bezeichnete die Philosophenschiffe als humanitären Akt. Die Passagiere, die ins Exil geschickt wurden, waren „als solches politisch bedeutungslos. Aber […] potenzielle Waffen in den Händen unserer möglichen Feinde“.

Michael Köhlmeier, „Das Philosophenschiff“, Hanser Verlag, 224 Seiten, 24 €

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