2018 kam „Fridays for Future“ (FFF) auf und schaffte es international schnell zu wachsen. Bei mir wurde FFF damals im Politikunterricht und in den Pausen besprochen. Viele Sticker für den nächsten globalen Klimastreik waren an meiner Schule zu sehen und ein paar aus meiner Klasse sind regelmäßig zu den Demos gegangen. Die Bewegung konnte am 20. September 2019 zu ihrem Höhepunkt 1,4 Millionen Menschen deutschlandweit mobilisieren.
Beim Klimastreik am 1. März dieses Jahr waren es jedoch in Städten wie Leipzig oder Berlin nur ein paar Tausend, während in Kleinstädten wie Wuppertal oder Halle nur Hunderte teilnahmen. An meiner jetzigen Schule hat FFF keine Präsenz und all die, die früher aus meinem Bekanntenkreis zu den Streiks hingegangen sind, glauben nicht mehr daran, so etwas verändern zu können.
Das ist das Ergebnis einer fehlerhaften Strategie der Führung von FFF Deutschland. Ihre neuste Kampagne ist komplett auf die anstehende EU-Wahl ausgerichtet. Mit dem Slogan „Für Demokratie, Klima und Gerechtigkeit!“ rufen sie zur Wahl von „progressiven“ Parteien auf – nicht wählen sei „cringe“. Sie schreiben sich auf die Fahne, mit ihrem angeblichen Einfluss auf die letzte EU-Wahl und deren Themen das Fundament für den Green Deal gelegt zu haben. Mit dieser Kampagne setzen sie erneut auf diejenigen, die uns diese Krise eingebrockt haben. Nämlich die Kapitalisten und ihre Vertreter in den Parlamenten.
„Grüner“ Protektionismus für die Profite
Der Green Deal ist nicht das Ergebnis einer plötzlichen Einsicht innerhalb der EU, den Klimaschutz zu priorisieren. Mit der fadenscheinigen Begründung, klimaschädliche Produktion benachteiligen zu wollen, wurde z. B. der „Carbon Border Adjustment Mechanism“ als Strafzoll für ausländische Unternehmen, die im europäischen Markt verkaufen, eingeführt. Seitdem die USA mit dem „Inflation Reduction Act“ und auch China Handelsbeschränkungen sowie massive Subventionen eingeführt haben, muss die EU damit Schritt halten. Um konkurrenzfähig zu bleiben, investieren sie in heimische Produktion und wollen, dass diese den Markt dominiert, sowie verhindern, dass ausländische Unternehmen diesen einnehmen. Hier geht es eindeutig um Profite von Unternehmen und nicht um Klimaschutz. Das zeigt sich ebenso daran, dass die Klimaziele des Green Deal, bis 2050 keine Netto-Treibhausgase mehr auszustoßen, komplett lächerlich sind, da sie nicht annähernd das 1,5° C Ziel erreichen werden.
Doch von wem ist bei den „progressiven“ Parteien überhaupt die Rede? Die Grünen haben als Teil der Ampel-Regierung keine der Forderungen im 100-Tage Sofortprogramm von FFF erfüllt. Stattdessen wälzen sie mit ihrer Klimapolitik, wie man am Heizungsgesetz gut sehen kann, die Kosten der Klimakrise auf die Arbeiterklasse ab. Dadurch verbinden immer mehr Leute Klimaschutz mit höheren Lebenskosten, was sie auch in die Arme der AfD treibt und die Farce „progressiv wählen, um Demokratie zu schützen“ entblößt.
Anstatt sich auf der EU-Wahl zu verlassen, kämpfen wir dafür, dass die Bewegung ihre Kampagne „Wir fahren zusammen“ weiter ausbreitet. Diese ist ein erster guter Schritt, um die Arbeiterklasse mit in den Kampf gegen den Klimawandel einzubinden. Aber die Kampagne muss auf mehr Gewerkschaften als nur ver.di ausgeweitet werden. Die Arbeiterklasse hat das Potenzial, die gesamte Produktion lahmzulegen, und ein Interesse daran, gegen den Klimawandel zu kämpfen, denn sie leidet am meisten unter seinen Konsequenzen. Um das zu erreichen, braucht die Bewegung ein kämpferisches revolutionäres Programm.