Der Kapitalismus ist tot in Portugal, schrieb die Times zur Zeit der Nelkenrevolution. Nach über 50 Jahren der Tyrannei wurde das verrottete diktatorische Regime im April 1974 mit einem Handgriff von der Bühne der Weltgeschichte entfernt.
Die Arbeiterklasse erhebt ihr Haupt
Obwohl sich die Wirtschaft in den 60ern im Aufschwung befand, kam die Regierung zunehmend unter Druck. Das industrielle Wachstum proletarisierte die Mehrheit der Bevölkerung. In der zweiten Hälfte der 60er Jahre kam es vermehrt zu Studentenprotesten und Fabrikstreiks, die brutal von der Geheimpolizei niedergehalten wurden.
Gleichzeitig kämpfte Portugal um den Erhalt seiner Kolonien in Afrika. Die unterdrückten Völker lehnten sich gegen ihre Unterdrücker auf und die herrschende Klasse schickte Jahr für Jahr zehntausende Soldaten nach Afrika. Das Militär nahm 40 % des Staatshaushalts für sich ein, während die weltweite Wirtschaftskrise der 70er Jahre für eine hohe Inflation sorgte, die von hunderttausenden Arbeitern mit umso größerer Streikmilitanz beantwortet wurde.
Auch in der Armee kam unter enttäuschten Offizieren als auch unter Oppositionellen Unmut auf, die wegen ihrer Aktivitäten an den Unis zur Armee verpflichtet wurden. Dieser Umstand erlaubte es den Putschisten der „Movimento das Forças Armadas“ (MFA), zu Deutsch „Bewegung der Streitkräfte“, am 25. April 1974 die Regierung ohne Gegenwehr zu stürzen und eine provisorische Regierung aus Sozialisten (SP), Kommunisten (KP), bürgerlichen Demokraten und der MFA zu errichten.
Die Massen waren euphorisch und gingen zu Millionen auf die Straße, wo sie sich mit den Soldaten verbrüderten und ihnen symbolisch rote Nelken in die Gewehrläufe gesteckt haben, daher der Name Nelkenrevolution. Alles, was ihnen für Jahrzehnte verwehrt blieb, forderten sie jetzt auf einmal. 50 % aller Arbeiter organisierten sich in Gewerkschaften und in den Fabriken bildeten sie Komitees, die oft eigenmächtig die verhassten Fabrikbosse davonjagten, um selbst die Produktion zu verwalten.
Die Konterrevolution zerschlagen
Die Kapitalisten setzten alles auf General Spinola, der als „reformorientierter“ Politiker das Amt des Präsidenten in der neuen provisorischen Regierung bekleidete. Während seiner kurzen Amtszeit versuchte er, gestützt von den Bürgerlichen und dem rechten Lager der Armee, die Revolution so schnell wie möglich zum Stillstand zu bringen und eine moderatere Version des alten Regimes zu etablieren. Er fand eine Basis unter den rückschrittlichen Teilen des Volks, die er im September 1974 zu einer großen Demonstration in Lissabon versammeln wollte, um die Macht zu übernehmen. Doch es war aussichtslos.
Die Arbeiter in Lissabon errichteten Barrikaden und erhielten Waffen von der Armee, um Spinolas Putsch abzuwehren, während der Streik der Transportarbeiter die „Schweigende Mehrheit“, wie Spinola seine Gruppe nannte, daran hinderte in die Hauptstadt zu gelangen. Spinola musste zurücktreten. Ein weiterer Putschversuch wurde ein halbes Jahr später mühelos abgewehrt.
Der Verrat der Arbeiterparteien
Den Kapitalisten waren die Hände gebunden, doch die SP und KP führten eine opportunistische Politik. Zum Beispiel bezeichneten die Führer der KP Spinola vor dem Putsch noch als Demokraten und Patrioten und behaupteten, die Revolution müsse sich auf bürgerliche Forderungen begrenzen. Sie forderten sogar eine Zügelung der Streiks. Dennoch musste die Regierung den Forderungen der Arbeiter nachgeben. Im ersten Jahr der Revolution sind die Reallöhne um 25 % gestiegen und die großen Kapitalisten wurden enteignet.
Die MFA bewegte sich stark nach links, doch die Offiziere hatten kein Vertrauen in die Massen und konzentrierten die Macht lieber bei sich selbst. Die KP folgte diesem Kurs blind. Zur gleichen Zeit spielte die SP ein doppeltes Spiel. Sie zog viele Arbeiter an, da sie sich anfangs durch radikale Rhetorik links von der KP positionierte und den autoritären Kurs der MFA kritisierte. Bei den Wahlen 1975 erhielt die SP mit 38 % die meisten Stimmen. Doch sie stand unter dem Druck des Weltkapitals, das versuchte Portugal ökonomisch zu isolieren, um die Revolution zu untergraben. Die SP bewegte sich nach rechts und begann offen gegen die KP zu kämpfen, wodurch sie einen Keil zwischen die sozialistischen und kommunistischen Arbeiter trieb.
Die Bürgerlichen nutzten die SP, um gegen den revolutionären Flügel vorzugehen. Nach einem voreiligen Aufstand am 25. November durch den linken Flügel der MFA wurden die linken Offiziere aus ihren Positionen enthoben und die KP wurde aus der Regierung ausgeschlossen. Die Errungenschaften der Revolution konnten nun rückgängig gemacht werden.
Vor allem der Kurs der KP war für diesen Ausgang verantwortlich. Hätte sie den Herrschenden den kompromisslosen Kampf angesagt und sich auf die revolutionären Arbeiter in den Fabrikkomitees und Gewerkschaften gestützt, wären sie in der Lage gewesen die politische Macht zu übernehmen und eine sozialistische Föderation aus Portugal und seinen ehemaligen Kolonien zu errichten.